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2008 | Buch

Digitalisierung der Arbeitswelt

Zur Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen

herausgegeben von: Christiane Funken, Ingo Schulz-Schaeffer

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

* Der vorliegende Band ist aus einer Tagung hervorgegangen, die am 23. 11. 2006 in der Hauptstadtrepräsentanz der Bertelsmann AG in Berlin abgehalten wurde, und darf im buchstäblichen Sinne als ein gemeinsames Produkt der beiden H- ausgeber betrachtet werden. Freilich konnten auch sie sich den Gesetzen der Arbeitsteilung nicht ganz entziehen und mussten der notorischen Überbelastung im Forschungsbetrieb Tribut zollen. So hat Christiane Funken die Fragestellung des Buches entworfen, die Tagung konzipiert und die überwiegende Zahl der Referenten und Autoren ausgewählt und zur Mitwirkung bewogen. Ingo Schulz- Schaeffer hat die überwiegende Betreuung der Autorinnen und Autoren bei der Überarbeitung der Manuskripte übernommen und den größten Teil der Einf- rung geschrieben. Die Leitidee der Tagung war es, das notwendige Gespräch zwischen W- senschaftlern und Praktikern über eines der brennenden Probleme der gegenw- tigen Unternehmenskultur zu fördern, ja in mancher Hinsicht überhaupt erst in Gang zu setzen. Die Erfahrungsberichte der Vertreterinnen und Vertreter der Praxis, die an der Tagung teilnahmen, haben für das jetzt vorliegende Ergebnis wichtige Anstöße gegeben, und die rege Diskussion und der intensive Erf- rungsaustausch mit ihnen ist in vielfacher Weise in diesen Sammelband ein- flossen. Ihnen sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Ausdrü- licher Dank gebührt auch den Autorinnen und Autoren, die sich bereitwillig der Herausforderung gestellt haben, die schwierige Frage nach dem Verhältnis von Formalisierung und Informalität unter den Bedingungen der Digitalisierung der Arbeitswelt konzeptionell auszuloten und nach empirisch tragfähigen Antw- ten zu suchen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einführung

Frontmatter
Das Verhältnis von Formalisierung und Informalität betrieblicher Arbeits- und Kommunikationsprozesse und die Rolle der Informationstechnik
Auszug
Informations- und Kommunikationstechniken sind seit gut zwanzig Jahren das wirkmächtigste Mittel der Formalisierung betrieblicher Arbeits- und Kommunikationsprozesse. Nicht nur lassen sich mit ihrer Hilfe viele der bereits zuvor formal strukturierten Abläufe umfassender formalisieren und durchgängiger verregeln. Sie ermöglichen darüber hinaus auch die formale Strukturierung von Prozessen, die den entsprechenden Bestrebungen bislang entzogen waren. Dies betrifft vor allem — aber nicht nur — bereichs-, abteilungs- und betriebsübergreifende Abläufe.1 Gleichzeitig gilt, dass Informations- und Kommunikationstechniken — insbesondere die digitalen Kommunikationsmedien — neue Freiräume und neue Handlungsmöglichkeiten für informellen Austausch und informelle Arbeitskoordination eröffnen.
Ingo Schulz-Schaeffer, Christiane Funken

Arbeit

Frontmatter
Informalisierung als Komplement der Informatisierung von Arbeit
Auszug
Die Informatisierung von Arbeit ist als Prozess der Technisierung (Rammert 1989) zu begreifen, der auf Seiten der Unternehmen mit neuartigen Formen der Arbeitsorganisation und Veränderungen in den Ausformungen der Einzelarbeit einhergeht. Informationstechnologien werden aber im Prozess der Informatisierung nicht als dekontextuierte Artefakte, in welche Handlungsabläufe bereits fest eingeschrieben sind, in den Arbeitsprozess eingeführt, sondern als in soziale Handlungskontexte eingebettete Vollzüge. Das impliziert, dass Informatisierung nicht als einseitiger Prozess der Formalisierung von Abläufen und Handlungs-optionen zu analysieren ist, sondern als Wechselspiel zwischen Formalisierung und Informalisierung. Formalisierung wird dabei im Sinne einer Festschreibung von zielgerichteten Abläufen in Form einheitlicher, wiederholbarer und personenunabhängiger Verfahrensschritte verstanden, Informalisierung demgegenüber als (partielle) Aufhebung bestehender verregelter Ablaufstrukturen zugunsten situativer, uneinheitlicher Verfahrensweisen.
Frank Kleemann, Ingo Matuschek
Jenseits des Mythos vom „gläsernen Fahrer“: Die Rolle der Telematik im Transportprozess
Auszug
Um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu steigern, sehen sich Speditionsunternehmen zunehmend herausgefordert, ihre Tätigkeit nicht länger auf den Gütertransport selbst zu begrenzen, sondern den Umfang und die Qualität ihrer Dienstleistungen zu erhöhen. Brancheninsider sprechen mit Blick auf den umkämpften Transport- und Gütermarkt bereits von einer Bedeutungsverschiebung vom reinen (austauschbaren) Frachtführer, der Güter von A nach B transportiert, zum Full Service Provider, der im Rahmen einer Kontraktlogistik Lagerhaltung, kundenspezifische Verpackung und unmittelbare Zustellung zum Kunden in sein Angebotsspektrum übernimmt. Speditionen stehen somit gegenwärtig den konfligierenden Zielen der „Kosteneffizienz“, „Flexibilität“ und „Dienstleistungsarbeit“ gegenüber. In diesem Zusammenhang wird im Transport- und Logistikbereich die Einführung von Telematik derzeit mit hoher Emphase diskutiert.2 Angesichts eines wachsenden Verkehrsaufkommens und einer steigenden Bedeutung der Kundenorientierung wird die effiziente Planung und Steuerung von Transport-, Umschlags- und Lagerprozessen durch Telematik auch für mittelständische Speditionen unausweichlich.
Daniela Ahrens
Kooperation und Kommunikation in dezentralen Organisationen — Wandel von formalem und informellem Handeln
Auszug
In diesem Beitrag werden die Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen und die Digitalisierung der Arbeitswelt aus der Perspektive einer neuen konzeptuellen und empirischen Analyse kooperativen Arbeitshandelns betrachtet. Dies erfolgt in vier Schritten. In einem ersten Schritt wird gezeigt, dass es in der traditionellen hierarchisch-bürokratischen Organisation primär die Aufgabe des Managements ist, die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Teilarbeiten und Teilprozessen zu koordinieren. An die Mitarbeiter bestehen offiziell kaum Anforderungen an kooperatives Arbeitshandeln. Soweit dennoch unmittelbar kooperiert wird, erfolgt dies informell. Durch die Dezentralisierung der Organisation und Verlagerung von Verantwortungen „nach unten“ entstehen demgegenüber neue Anforderungen an kooperatives Arbeitshandeln. Es scheint, dass damit nun das ehemals Informelle offiziell gefordert und formalisiert wird (Abschnitt 1).
Fritz Böhle, Annegret Bolte, Sabine Pfeiffer, Stephanie Porschen

Kommunikation

Frontmatter
Ein Spiel zwischen Personen. Funktionen und Folgen der elektronischen Kommunikation in Unternehmen
Auszug
Drei Beobachtungen sollen diesen Beitrag einleiten. Beobachtung 1: Als ein amerikanischer Universitätsprofessor vor einigen Jahren dazu aufgefordert wurde, seinen jährlichen Report an die Universitätsleitung in elektronischer Form einzureichen, musste er allmählich eingestehen, dass sein Widerstand gegen den kommunikationstechnischen Fortschritt nicht mehr aufrechtzuerhalten war. Als dann auch das Sekretariat seine Technikdistanz mit gelegentlichen Andeutungen von Arbeitsverweigerung beantwortete, wagte er den Sprung in die Welt der elektronischen Kommunikation. Schon wenig später ertappte er sich dabei, dass er geradezu sehnsüchtig auf die Ankunft neuer E-Mails wartete — und sich auch gerne davon im Arbeitsablauf unterbrechen ließ (vgl. Gumbrecht 2000: 34f.). Er machte eine Erfahrung, die vielen — zumindest während der Arbeit, immer häufiger auch in der Freizeit — geläufig ist: Wie von unsichtbarer Hand gesteuert lenken wir unseren Blick von Dingen ab, die wir eigentlich gerade erledigen wollten: die Durchsicht wichtiger Unterlagen, die Lektüre eines Artikels, die Kalkulation eines Angebots, die Konzeption eines Vortrags usw. Wir sind es, die uns unterbrechen, wenn uns nicht andere unterbrechen. Das Phänomen wird seit Jahren diskutiert und wird regelmäßig durch markante Pressemitteilungen in Erinnerung gebracht.
Michael Jäckel
Arbeitsbeziehungen und Beziehungsarbeiten: Zur Gestaltung arbeitsbezogener und informeller Nachrichten in Unternehmen
Auszug
Wenn man davon ausgeht, dass der „Kitt“ für den Zusammenhalt einer Organisation ganz wesentlich in informellen Interaktionen erzeugt wird, bekommen die Arbeitsbeziehungen in Organisationen, die verstärkt auf vernetzte Kommunikationstechnologien und -formen angewiesen sind, eine besondere Bedeutung, denn die Mitglieder einer solchen Organisation „treffen“ sich vermehrt elektronisch vermittelt. Dadurch kommt es auch zu einer Verlagerung der informellen Kommunikation in die neuen Kommunikationsmedien. Technisch vermittelte Kommunikation hat damit nicht nur Auswirkungen auf die Organisationsstruktur von Unternehmen und damit auf die Formen des gemeinsamen Arbeitens, sondern sie prägt auch die soziale Struktur der Mitarbeiter.
Michaela Goll
Emotionen erwünscht? Emotionalität, Informalität und Geschlecht in wissensintensiven Unternehmen
Auszug
Sich mit Emotionen in Organisationen zu befassen, dafür bestand lange Zeit — zumindest für den Mainstream der Organisationsforschung — kaum eine Veranlassung. Dies hat vor allem mit der über viele Jahre hinweg in der Organisationsforschung vorherrschenden Ausrichtung am Weber’schen Bürokratiemodell zu tun, in dem Rationalität und nicht Emotionalität an erster Stelle rangiert. Emotionen gelten hier — ebenso wie alles, was jenseits der formalen Strukturen an informellen, persönlichen Beziehungen in Organisationen stattfindet — als störend. Dennoch gab es durchaus schon früh erste Stimmen, die dafür plädierten, endlich Abschied von der Vorstellung der perfekten Rationalität ökonomischen Handelns und rationaler Entscheidungsfindung zu nehmen und informellen Beziehungen, Gruppen und Gemeinschaften mehr Beachtung zu schenken.2 Auf der einen Seite ist also ein unerschütterliches Festhalten am Rationalitätsprinzip auszumachen, was sich in der Entwicklung immer neuer technischer Verfahren und Methoden zur objektiven Bewertung und Kontrolle von Arbeitsabläufen und -ergebnissen widerspiegelt.3 Auf der anderen Seite wird jedoch konstatiert, dass gerade in der modernen Arbeitswelt, die sich durch neue Formen der Arbeitsorganisation — von Telearbeit bis hin zu virtuellen Projektteams — und eine zunehmende Kundenorientierung auszeichnet, zur Bewältigung von ‚Ungewissheit’ verstärkt auf die Subjektivität von Beschäftigten, ihre emotionalen Kompetenzen und Fähigkeiten zum kreativen Handeln, zugegriffen wird (vgl. u.a. Holtgrewe 2006).
Maria Funder

Organisation

Frontmatter
Die organisatorische Einbettung von Informationstechnologien in einem globalen Entwicklungsprojekt
Auszug
Die Rekontextualisierungsthese geht davon aus, dass Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) angesichts der Sinnentlastung technisierter Kommunikationen nur dann in Arbeitsorganisationen genutzt werden können, wenn die Voraussetzungen für eine situativ angemessene Interpretation und Nutzung technisch gespeicherter und übermittelter Informationen durch direkte Interaktionen sichergestellt werden. Am Beispiel eines international eingebetteten Entwicklungsvorhabens im Bereich der Softwareerstellung wird gezeigt, dass die befragten Projektgruppenmitglieder wie erwartet in erheblichem Maße auf persönliche Interaktionen zurückgreifen, um explizites Wissen und technisch übermittelte Daten einzubetten, sinnhaft zu interpretieren, effizienter zu nutzen und zu rahmen. Gleichzeitig aber nutzen sie komplementär zu persönlichen Kontakten in erheblichem Maße E-Mails, Telefone und insbesondere Instant Messaging Systeme und Videokonferenzen, um sich abzustimmen und um ihre Interessen und Vorstellungen durchzusetzen. Die Rekontextualisierung von IuK-Systemen ist somit sowohl durch direkte Interaktionen als auch durch die komplementäre Nutzung weiterer Informationssysteme möglich.
Martin Heidenreich, Brigitte Kirch, Jannika Mattes
Arbeitsstrukturen in virtuellen Organisationen
Auszug
Die vielfach diskutierten wachsenden Leistungspotenziale der Informationsund Kommunikationstechniken wie z. B. die starke Verbesserung des Preis-Leistungsverhältnisses, Miniaturisierung und Standardisierung, Ubiquitious Computing oder auch Unified Communication (vgl. z.B. Picot/Neuburger 2006) ermöglichen neue Formen der Automatisierung, Unterstützung und Steuerung von Leistungsprozessen. Einerseits verlagern sich diese immer mehr in die Informationssphäre, zum anderen spielt der Standort der Leistungssteuerung eine zunehmend geringere Rolle; entscheidend ist vielmehr der Zugang zum Netz. In Folge bilden sich neuartige Wege der inner- und zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit heraus, die in Literatur und Praxis beispielsweise als Netzwerkorganisation, Business Web oder virtuelle Organisation diskutiert werden.1 Es liegt nahe, dass sich in diesen Organisationsformen Arbeitsmuster herausbilden, die in dieser Form bislang eher weniger bekannt waren und die zu neuartigen formalen und informellen Kommunikations- und Kooperationsstrukturen führen. Mit diesen Phänomenen setzt sich der folgende Beitrag nach einer Einführung in die Konzepte der Virtualisierung und virtuellen Organisation auseinander.
Arnold Picot, Rahild Neuburger
Notwendige und vorläufige Formalisierungslücken in Organisationen
Auszug
Es macht Organisationen aus, dass sie eine Vielzahl von typischen Aufgaben, Regelungen, Anweisungen, Formularen, Hierarchien und Routine-Handlungen kennen. Sie sind bereits formalisiert und zum Teil auch automatisiert. Die Gesamtstruktur einer Organisation hat sich im Laufe der Jahre durch die permanenten Handlungen von Akteuren gebildet: die besondere Geschichte jeder Organisation und ihrer Mitglieder besteht als ein wichtiger Einflussfaktor fort.
Edouard J. Simon, João Porto de Albuquerque, Arno Rolf
Backmatter
Metadaten
Titel
Digitalisierung der Arbeitswelt
herausgegeben von
Christiane Funken
Ingo Schulz-Schaeffer
Copyright-Jahr
2008
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91098-7
Print ISBN
978-3-531-15663-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91098-7