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Erschienen in:

Open Access 20.09.2024 | Schwerpunkt

Digitalisierung in der Bau- und Handwerksbranche – Herausforderungen für die Gestaltung digitaler End-to-End-Wertschöpfungssysteme

verfasst von: Reinhard Schütte, Michael Harr, Tobias Wulfert, Dustin Syfuß

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 6/2024

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Zusammenfassung

Der Fachtext beleuchtet die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in der Bau- und Handwerksbranche. Er analysiert die geringe Produktivität und den niedrigen Digitalisierungsgrad der Branche und diskutiert, wie digitale End-to-End-Wertschöpfungssysteme diese Probleme lösen können. Ein besonderer Fokus liegt auf der Rolle des Großhandels als Intermediär und den strategischen Perspektiven für die Zukunft der Branche. Der Beitrag untersucht auch die technologischen Herausforderungen und Lösungen, die für die Implementierung digitaler Plattformen und Service-Ökosysteme notwendig sind. Dabei werden konkrete Beispiele und Fallstudien herangezogen, um die praktische Umsetzung zu verdeutlichen. Der Text bietet wertvolle Einblicke für Experten, die sich mit der digitalen Transformation und den damit verbundenen strategischen Veränderungen in der Bau- und Handwerksbranche auseinandersetzen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Die fortschreitende Digitalisierung von Unternehmen und der zugrundeliegenden Geschäftsmodelle resultiert für etablierte Unternehmen in erheblichen Herausforderungen (Harwardt 2020). Der technologieinduzierte Digitalisierungsdruck entsteht durch die ökonomischen Wirkungen der (disruptiven) Technologien (Cozzolino et al. 2018), welchen wiederum originär Veränderungen in Prozessen, Produkten oder Geschäftsmodellen nach sich ziehen. Dabei ist die Veränderung von Geschäftsmodellen hin zu digitalen Geschäftsmodellen besonders dramatisch, da differierende und zunehmend individuelle Kundenbedürfnisse, neue Wettbewerber, andere Prozesse und auch neue Technologien zum Einsatz kommen können. Bei der sich auch weiter abzeichnenden Veränderung der Geschäftsmodelle und damit der Produkte und Prozesse, die diese Geschäftsmodelle konstituieren, kommt den Informationssystemen eine entscheidende Rolle als Treiber und Ermöglicher zu. Die Ebene der Wertschöpfung wird sich zunehmend von einer materiellen auf eine informationelle, virtuelle Ebene verlagern. Dabei werden neue Geschäftsmodelle entwickelt, die auf Daten, Vernetzung und Echtzeit-Interaktionen, ergo, virtuellen Wertschöpfungssystemen basieren.
Im Gegensatz zu positiven Produktivitätsentwicklungen in den meisten Branchen weist die hier fokussierte Bau- und Handwerksbranche keine signifikant positive Produktivitätsentwicklung auf. Seit 1995 ist die Bau- und Handwerksbranche im Vergleich zu anderen Branchen durch deutlich niedrigere Produktivitätssteigerungen gekennzeichnet. In einem nicht unerheblichen Umfang lässt sich dies auf den geringeren Digitalisierungsgrad, geringe IT-Investitionen und die spezifischen Branchencharakteristika (z. B. schlecht organisierte Handwerkskunden, hohe Volatilität, zyklische Nachfrage, hoher Anteil an Handarbeit, analoge Vertriebswege) zurückführen. Auch aufgrund der konjunkturell positiven Rahmenbedingungen in dieser Branche bestand bislang nicht der wirtschaftliche Druck für die Kunden, die Digitalisierungsherausforderungen, insbesondere in kleineren und ländlich gelegenen Betrieben (Thomä et al. 2021), zu lösen.
Diese Entwicklung ist als äußerst problematisch zu konstatieren, da insbesondere auf der Ebene der Endkunden – dem Fokus der ökonomischen Anstrengungen – ein Trend zur Individualisierung und damit zur Schaffung neuer Produktvarianten erkennbar wird. Endkunden fordern zunehmend personalisierte und zielgerichtete Dienstleistungen und Materialien für ihre Projekte; Industrieunternehmen sind daher angehalten, stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Kundschaft einzugehen. Angesichts des wachsenden Bedürfnisses nach Individualisierung seitens der Kunden sowie zunehmend komplexer bautechnischer Anforderungen verzeichnet die Bau- und Handwerksbranche eine kontinuierliche Zunahme der Variantenvielfalt. Ein integriertes Stammdatenmanagement, das in der Lage ist, eine exponentiell wachsende Anzahl von Produktvarianten zu verwalten, wird daher unerlässlich, um die Kundenbedürfnisse adäquat zu erfüllen und die Digitalisierung von Prozessen sowie die Kundenintegration zu ermöglichen, ohne bestehende Systemarchitekturen grundlegend zu verändern.
Entsprechend wurden die Produktivitätspotenziale innerhalb der Bau- und Handwerksbranche bislang kaum gehoben. Die möglichen Effizienzsteigerungen wurden daher nicht realisiert (Bertram und Schaarschmidt 2019). Im Zuge der deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen wird die eher traditionell geprägte Bau- und Handwerksbranche perspektivisch durch die Digitalisierung erheblichen Veränderungen unterworfen sein (Heil und Schröder 2022), wie aktuelle Erhebungen zum Stand der Digitalisierung prognostizieren (Proeger und Meub 2022).
Während das praktische Problem von besonderer Relevanz ist, ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Bau- und Handwerksbranche als Gegenstand der digitalen Transformationsforschung rar. Außerdem ist die wissenschaftliche Analyse der Bau- und Handwerksbranche überwiegend anwendungsorientierter Natur (Bertram und Schaarschmidt 2019). Vor diesem Hintergrund adressiert der Beitrag die folgende Forschungsfrage:
Welche strategischen Entwicklungsrichtungen zeichnen sich bei den Wertschöpfungsketten in der Bau- und Handwerksbranche ab und wie kann diese durch die Digitalisierung gestaltungsorientiert verbessert werden?
Dabei nimmt der Beitrag zwei strategische Perspektiven ein: eine, die bestehende Wertschöpfungslogik mit seinen Akteuren zentrierende Sichtweise, und eine zukunftsweisendere Sicht auf dominant service- und informationszentrierte Dienstleistungsperspektive. Beide Strategieeinschätzungen werden aus einer institutionellen Sichtweise eines Großhandelsbetriebs untersucht, da dieser als zentraler Intermediär zwischen den Handwerkern (Kunden) und den Industrieunternehmen fungiert. Somit ist er aus einer strategischen Perspektive gefährdet, sowohl hinsichtlich seiner Disintermediation als auch bezüglich der Herausforderungen, dass er Gestalter neuer digitaler Prozesse und Dienstleistungen sein muss, damit die konstatierten Produktivitätsdefizite in der Kollaboration von Handwerkern, Architekten, etc. behoben werden können. Die Bemühungen um das serielle Bauen bringen genau diese digitalisierten Anforderungen zum Ausdruck, die darin bestehen, dass die Koordinations- und Integrationsnotwendigkeiten bei arbeitsteiligen Prozessen nur durch Digitalisierungs- und Standardisierungsbestrebungen erfüllt werden. Es werden im spezifischen die systemischen und prozessualen Herausforderungen einer zunehmenden Variantenvielfalt sowie die Auftragserfassung als wertschöpfender Prozess in der Bau- und Handwerksbranche analysiert.

2 Digitalisierung der Bau- und Handwerksbranche: Eine Bestandsaufnahme

Die Bau- und Handwerksbranche ist für den Wirtschafsstandort Deutschland von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Im Jahr 2022 beschäftigten die insgesamt 1.032.374 Bau- und Handwerksbetriebe 5,67 Mio. Menschen, was circa 12,5 % der Erwerbstätigen in Deutschland entspricht (ZDH 2023). Die Bau- und Handwerksbranche umfasst viele unterschiedliche Marktsegmente mit jeweils unterschiedlichen Produkt- und Leistungsbereichen. Die Bandbreite der Tätigkeitsfelder in der gesamten Branche erstreckt sich von industrieller Leistungserstellung über den institutionellen Handel bis hin zu Betrieben, die Produkte und Dienstleistungen für Konsumenten erbringen (Bertram und Schaarschmidt 2019). Die Bau- und Handwerksbranche im engeren Sinne umfasst Tätigkeiten im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit für die Be- und Verarbeitung, sowie Reparatur von Werkstoffen, Produkten und Dienstleistungen. Sie bildet ein breites Spektrum an Gewerken und Dienstleistungen ab, die von der Errichtung und Instandhaltung von Gebäuden bis hin zu spezialisierten Handwerksleistungen (z. B. Sanitärinstallateur, Schreinerei) reicht und mehr als 130 Berufe umfasst. Im Gegensatz zur produzierenden Industrie zeichnet sich die Bau- und Handwerksbranche traditionell durch Heterogenität, kleine Betriebe, verteilte Leistungserbringung und schwere physische Arbeit aus, die überwiegend lokal in „Handarbeit“ zu erbringen ist (vgl. Mark et al. 2021). Die Bau- und Handwerksbetriebe verteilen sich nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (2023) auf die folgenden Handwerksgruppen: Ausbaugewerbe (36,5 %), persönliche Dienstleistungen (26,1 %), Gewerbe für den gewerblichen Bedarf (13,8 %), Bauhauptgewerbe (11,2 %), Kraftfahrzeuggewerbe (6,8 %), Lebensmittelgewerbe (3,1 %) und das Gesundheitsgewerbe (2,3 %).
Die Bau- und Handwerksbranche weist erhebliche Produktivitäts- und Digitalisierungsdefizite auf. Aktuelle Studien dokumentieren, dass viele Betriebe neuen (digitalen) Technologien positiv gegenüberstehen, allerdings hohe Investitionskosten, eine mangelnde IT-Sicherheit und einen geringen realisierten Nutzen befürchten. Aktuelle Studien weisen nach wie vor einen vergleichsweise geringen Digitalisierungsstand nach, insbesondere bei kleineren und ländlicher gelegenen Bau- und Handwerksbetrieben mit weniger als 50 Beschäftigten (Thomä et al. 2021). Das deutet darauf hin, dass die Handwerksbetriebe mit ihren Mitarbeitern entweder eine geringe Technologieakzeptanz oder -nutzung aufweisen oder die Angebote digitaler Dienstleistungen zur Verbesserung der eigenen Leistungserbringung zu gering sind. Aus diesem seit langem bekannten Defizit heraus hat sich unter anderem das Building Information Modeling (BIM) etabliert, dass die Erstellung und Verwaltung digitaler Repräsentanzen (sogenannter „digital twins“) von Bauwerken über den gesamten Lebenszyklus ermöglicht (Babalola et al. 2023). Insbesondere ermöglicht BIM eine effizientere Ressourcennutzung und Prozesssteuerung, indem es die Planungs‑, Ausführungs- und Betriebsphasen durch fortlaufende Datenaktualisierung und eine verbesserte Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren verbessert (vgl. Porwal et al. 2023). Damit einhergehend begünstigt BIM die Verlagerung der Distributionsprozesse auf digitale End-to-End Plattformen, so dass eine effektivere Steuerung und Integration von Wertschöpfungs- und Lieferketten zwischen Industrieunternehmen, Großhändlern, Bau- und Handwerksbetrieben sowie potenziell Endkunden ermöglicht wird. Aktuellen Erhebungen zufolge verliert BIM bei Bau- und Handwerksbetrieben jedoch zunehmend an Relevanz (PwC 2024), was teilweise auf die begrenzte digitale Präsenz der Betriebe zurückzuführen ist.

3 Wertschöpfungssysteme in der Bau- und Handwerksbranche

3.1 Strategische Veränderungen in der bestehenden Wertkettenlogik

Die unzureichende Digitalisierung der bestehenden Wertschöpfungssysteme in der Bau- und Handwerkerbranche wird an mehreren Phänomenen erkennbar. Es wird nicht, wie in anderen Handelsbereichen (z. B. Textil‑, Lebensmittel) bereits etabliert, auf den Großhandel als eigene Distributionsstufe verzichtet. Es sind auch Omnichannel-Ansätze erst in Ansätzen erkennbar etabliert und die digitale Einbindung des Kunden ist gegenüber anderen Branchen unterentwickelt.
Die sich verändernden Marktbedingungen ermöglichen jedoch erhebliche Veränderungen der bestehenden Wertschöpfungsketten in der Bau- und Handwerksbranche, die sich bereits andeuten, indem vor allem der Großhandel als Intermediär erheblichen Gefährdungen ausgesetzt ist. In Teilbereichen seines Sortiments kann er von der Industrie umgangen (z. B. Viessmann, Vaillant) oder auch durch einzelhandelsorientierte Handelsformate gefährdet werden. Dabei dominieren ökonomisch noch immer Offline-B2B-Wertschöpfungketten mit einer traditionell vierstufigen Wertkette Industrie-Großhandel-Architekten/Planer/Handwerker und Endkunde (siehe Abb. 1, linke Darstellung). Derartige Distributionsprozesse sind in anderen Sektoren nicht mehr zu beobachten und es stellt sich daher die Frage, ob eine Disintermediation zu erwarten ist (siehe Abb. 1 die beiden rechten Darstellungen), um die Handelsmargen der Zwischenstufen für sich selbst zu vereinnahmen (Morschett 2012).
Dabei bestehen für den Großhandel mehrere Disintermediationsgefahren. Erstens ist es denkmöglich, dass die Industrie direkt den Endkundenkontakt anstrebt (ergo, eine vertikale Integration im Sinne einer Vorwärtsintegration durch Elimination von Großhandel und Handwerk vornimmt), um dadurch die Wirtschaftlichkeitspotenziale des Großhandels für sich nutzbar zu machen (vgl. Abb. 1, die äußerst rechte Wertschöpfungskette). Der Online-Direktvertrieb ermöglicht es den Industrieunternehmen auch gänzlich auf Intermediäre in ihren Wertschöpfungssystemen zu verzichten und ihre Artikel direkt den Endkunden vertreiben zu können (Podszun 2021). Während dieser Direktvertrieb mit Endkundenkontakt den Industrieunternehmen in Offline-Szenarien bisweilen zu aufwändig und wenig lukrativ erschien, bieten Onlineshops, die auf die verschiedenen Endgeräte der Endkunden ausgespielt werden können, einen erleichterten Zugang zu den Endkunden. Industrieunternehmen und Großhändler sind bei der Wahl der Wertschöpfungssysteme jedoch nicht limitiert, sondern können verschiedene Vertriebswege kombinieren, die in einem Multi-Channel-Ansatz münden. So ist bei Heizungsherstellern zu beobachten, dass u. a. durch Internet-of-Thing-Szenarien die Installation der Anlagen durch eigene Installationsteams und die permanente Kenntnis der Heizungssituation der Endkunden vor Ort eine andere Art der Wertschöpfung möglich wird, die vor allem auch andere After-Sales-Services eröffnet. Der Engpass zur Umsetzung derartig strategischer Überlegungen besteht aber in der Verfügbarkeit von Handwerkern. Aus diesem Grund scheint auch die Akquisition von entsprechenden Betrieben durch Industrieunternehmen nur folgerichtig zu sein. Zweitens wäre eine Art Vorwärtsstrategie der Großhandelsunternehmen die Ausschaltung von Handwerkern als den traditionellen Kunden des Großhandels denkmöglich. Die Übernahme der Dienstleistung des Handwerkers durch den Großhandel ist beispielsweise bei Vorwand-Waschbecken, der Aufnahme der Installationssituation beim Endkunden vor Ort mit entsprechenden Installationshinweisen und der Bereitstellung von Standardmaterialien oder auch dem Einsatz virtueller Technologien denkmöglich. In diesem Kontext dienen auch Showrooms des Großhandels mit spezialisierter Software der Begleitung der Kunden, indem Kundenwünsche und ausgestellten Konfigurationen eine Angebotsanpassung auf das Kundenprojekt unterstützen. Für eine weitere Visualisierung und Anpassung an die Projektvorgaben des Endkunden können Bilder der Projektumgebung für eine 3D-Darstellung oder Virtual Reality-Präsentation des kundenindividuellen Angebots, wie in den Planungsbüros des stationären Handels, genutzt werden.
Eine Strategie, die nicht unmittelbar eine Vorwärtsintegration anstrebt, allerdings in jedem Fall eine Vorwärtsintegration der Industrie zu verhindern versucht, besteht für den Großhandel darin, die Handwerker direkt sowohl in ihrer Leistungsbereitstellung als auch in ihrer Interaktion mit den Endkunden gezielt zu unterstützen (indirekte Mitigation des Disintermediationsrisikos durch Industrieunternehmen). Um eine effizientere Bedienung der Handwerker (Kunden) zu ermöglichen, zugleich die eigene Marktreichweite zu erweitern und den Absatz zu erhöhen, beginnen Großhändler beispielsweise mit der Etablierung eigenständiger Onlineshops. Diese Onlineshops der Großhändler können dann auch perspektivisch für Endkunden geöffnet werden als auch ex-ante auf die Transaktion und Abwicklung mit Endkunden ausgerichtet sein. Letztere erlauben neben der Umgehung der Handwerker als zusätzliche Intermediäre in der Bau- und Handwerksbranche einen direkten Zugang zu den Endkunden.
Neben dem reinen Onlineshop mitsamt Belieferung offerieren stationäre Großhandelsunternehmen, wie Würth oder die GC-Gruppe, ihren B2B-Kunden zunehmend die Möglichkeit, dass diese ubiquitär und zu jeder Zeit Artikel im Rahmen eines Self-Service-Modells bezahlen und direkt mitnehmen können. Damit wird der Onlineshop zu einem Omnichannel-Angebot erweitert. In diesem Falle existieren Varianten gänzlich ohne Personal und mit einer 24/7 Öffnungszeit (Benoit et al. 2024). Während der normalen Öffnungszeiten gibt es darüber hinaus auch Beratungsmöglichkeiten in separaten Beratungsbüros oder es werden technische Beratungsangebote direkt auf der Fläche bei den Artikeln geboten. Zur Beratung in den Planungsbüros bedarf es häufig einer digitale Terminvergabe, da die Ausarbeitung des Gewerks eine längere Zeit in Anspruch nehmen kann. Vor allem zu planerischen Zwecken von größeren Umbauten wird die Planung im Beratungsbüro durch die Visualisierung mit spezialisierter Software und der direkten Dokumentation gewählt. Anschließend an die Beratung der Privatkunden kann der potenzielle Auftrag dann an eingetragene Handwerker vermittelt werden, welche den Einbau der gewünschten Artikel vornehmen. Endkunden mit größeren Planungsanfragen profitieren von Rabatten und dem direkten Erwerb vieler Artikel direkt vor Ort ohne Lieferzeit (Rajamma et al. 2007). Im stationären Spezialhandel werden neben den Artikeln auch die dazugehörigen Werkzeuge und Maschinen angeboten, um eine schnelle und fachgerechte Montage, gerade auch durch kleinere Betriebe, zu ermöglichen. Somit können die erstellten Angebote aus einem Kaufpreis für Artikel und einer Leihgebühr für die Maschinen und Werkzeuge bestehen. Auch ein Kauf der Leihmaschinen ist möglich und bietet für den Handelsbetrieb eine weitere Einnahmequelle. Besonders relevant ist hierbei, dass für einige Materialien und Maschinen eine Sonderqualifizierung notwendig ist, welche dann im Rahmen des Erwerbs vom Fachpersonal geprüft werden muss. Artikel, welche im Ladenlokal nicht verfügbar, aber im Sortiment enthalten sind, können kurzfristig in das Ladenlokal bestellt werden. Für den entsprechenden Transport der gekauften Artikel, kann außerdem der Service eines kostenlosen Leihwagens zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich nimmt die Digitalisierung bei dieser Art des Angebots zu, da die aus dem Einzelhandel bekannten Technologien zur Verortung der Artikel, eine Unterstützung der Laufwege und die Bereitstellung von Einkaufslisten ebenso möglich erscheinen, wie die Integration typischer Großhandelsanforderungen beim Pricing, bei der Referenzierung unterschiedlicher Angebote und Kontrakte, etc. Es kommt damit neben dem Großhandels-Omnichannel auch zur Differenzierung von Lieferung und Abholung, was die Komplexität des Fulfillment und damit auch der zugrundliegenden IT-Systeme erhöht.

3.2 Strategische Perspektive zu servicezentrierten Plattformen

Die grundlegende Basis der bestehenden Wertschöpfungslogik besteht in der materiellen Basis der Geschäftsmodelle. Die Produkte bilden noch immer die dominante Basis der Wertschöpfung; Services sind unterrepräsentiert. Eine erste konsequente Weiterentwicklung des elektronischen Absatzes von Artikeln in der Bau- und Handwerksbranche stellt die Etablierung von digitalen Plattformen dar. Das traditionelle Handelsgeschäftsmodell mit den dominanten Geschäftsprozessen Lager- und Streckenprozess wird um ein vermittlungsorientiertes Geschäftsmodell erweitert. Ähnliche Entwicklungen haben sich im B2C-Onlinehandel gezeigt (z. B. Amazon Marketplace, Zalando), bei dem sich linearen Wertschöpfungsketten hin zu integrierten datengetriebenen Wertschöpfungssystemen entwickelt haben (Hein et al. 2019). Der Onlineshop wird erweitert, da die Vermittlung von Transaktionen zwischen Lieferanten, Kunden und Endkunden eine zentrale Rolle im Plattformgeschäftsmodell einnimmt. Die Verfolgung einer Plattformstrategie erscheint für Großhändler in der Bau- und Handwerksbranche besonders vielversprechend, da bereits bestehende Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Handwerkern genutzt werden können. Neben diesen Teilnehmern ist zudem eine Öffnung der Plattform für weitere Teilnehmer, wie Generalunternehmer, Architekten, Versanddienstleister und Softwareanbieter denkmöglich (siehe Abb. 2). Die Plattform würde sich so zur zentralen Anlaufstelle für Bauhandwerk und Endkunden entwickeln und abgeschlossene (hybride) Leistungsbündel unter Einbeziehung der Leistungen der vorgenannten Akteure anbieten (Heil und Schröder 2022). Die Integration weiterer Teilnehmer wird auch über eine Integration von erweiterter Bauplanungs- und Baumanagementsoftware weiter vorangetrieben. Beispielsweise bietet Energieheld.de ein auf Handwerker zugeschnittenes Softwarepaket innerhalb der Plattform an, das Rechnungsstellung, Kostenschätzung und Planungswerkzeuge umfasst.
Die resultierenden neuen Leistungsbündel bieten Endkunden und den traditionellen Kunden des B2B-Geschäfts (v. a. Handwerker) einen erhöhten Mehrwert, der über die reine Produktvermittlung hinausgeht und in einer verstärkten Kundenbindung resultiert. So können beispielsweise zusätzliche Services wie Aufmaß- und Produktschulungen von Partnerunternehmen die angebotenen Artikel ergänzen. Auch die Vorproduktion von Artikeln wird im Zuge des seriellen Bauens verstärkt nachgefragt (vormontierte Produkte zum direkten Einsatz, z. B. Vorwandelement, Waschbecken und Wandelement). Somit stehen nicht mehr lediglich die physischen Artikel, sondern hybride Leistungsbündel im Fokus. So scheint es denkmöglich, dass Endkunden nicht nur nach möglichen Artikeln auf der Plattform suchen, sondern diese mit den nötigen Dienstleistungen (z. B. Einbau, Überprüfung) gebündelt erwerben und auch kleinere, lokale Handwerker über eine solche Plattform neue Endkunden gewinnen.
Damit einhergehend ergeben sich durch die Transition von einer ehemals produktorientierten zu einer nun service- und informationszentrierten Dienstleistungsperspektive neue Anforderungen, Wertschöpfungsansätze und eine andere Rolle des Plattformbetreibers. Auf strategischer Ebene zeichnet sich ein signifikanter Wandel der Wertschöpfungslogik ab, der über die reine Transaktion von Produkt-Service-Bündeln hinausgeht. Durch die Re-Intermediation der Plattform in vorab skizzierte Wertketten fungiert die Plattform vielmehr als Intermediär, welcher traditionelle Wertschöpfungsketten durch netzwerkzentrierte Geschäftsmodelle ersetzt, die auf die Ko-Kreation von Werten in einem virtuellen Service-Ökosystem abzielen. Durch die Integration von Lieferanten, Kunden und Dienstleistern entsteht ein dynamisches Ökosystem, das weitreichende neue Wertschöpfungsansätze über neue Koordinations‑, Kommunikations- und Integrationskonzepte ermöglicht.
Erstens ist es obligatorische Aufgabe des Plattformbetreibers, die Plattformteilnehmer und deren reziproke Beziehungen zu koordinieren, orchestrieren und zu managen. Die Notwendigkeit, neue Koordinationskonzepte zu entwickeln, ergibt sich aus der komplexen Interaktion zwischen Plattformteilnehmern (z. B. Großhändler, Handwerksbetriebe, Endkunden, Architekten), die sich durch die Registrierung auf der Plattform und die Bereitstellung notwendiger Informationen wie Kontaktangaben, geschäftliche Details und handwerksspezifische Qualifikationen legitimieren (Schütte und Wulfert 2022). Den Zugang zur Plattform und deren Restriktionen, wie z. B. Nachweise zur Legitimität des Geschäfts, wie Zertifizierungen und Qualifikationen sowie in einigen Fällen auch die Bereitstellung von Betriebshaftpflichtversicherungen, obliegen dem Plattformbetreiber (z. B. Doozer, MyHammer). Die Plattformen ermöglichen durch ihre zentrale Positionierung eine effiziente Abstimmung und Vermittlung zwischen den Angeboten und individuellen Anforderungen der Marktteilnehmer. Dabei gehen sie über herkömmliche Modelle (z. B. B2B-Onlineshops wie Contorion) hinaus, indem sie nicht nur Produkte, sondern auch zugehörige Dienstleistungen wie Installation und Inspektion in integrierten Leistungsbündeln anbieten. Das Matching der Teilnehmer – die Koordination von Angebot und Nachfrage – ist dabei von besonderer Bedeutung, da der Endkunde, welcher höchstindividuelle Bedürfnisse und Anforderungen stellt, die optimale Lösung bereitgestellt bekommen möchte. Entsprechend ergeben sich für den Plattformbetreiber weitere Wertschöpfungsansätze, indem fortschrittliche Algorithmen zum Matching eingesetzt und Empfehlungssysteme implementiert werden, über welche Teilnehmer die Produkte, Services und Plattformteilnehmer bewerten können. Basierend auf den Kundenbedürfnissen empfiehlt die Plattform hybride Leistungsbündel von Ökosystemteilnehmern, die vorwiegend durch Faktoren wie Preis, Qualität und der Reputation der Verkäufer beeinflusst werden, wie durch proprietäre und komplexe Empfehlungs- und Bewertungssysteme bestimmt wird (z. B. MyHammer, Doozer). Die Bewertungssysteme schaffen für Endkunden einen weiteren Wert, der durch dieselben über Rezensionen, Produkt- oder Servicebewertungen ko-kreiert wird (Hein et al. 2019). Für die Vermittlung und/oder den Verkauf hybrider Leistungsbündel erhält der Plattformbetreiber typischerweise eine monetäre Kompensation (z. B. Servicegebühren, Matchingprovision, Verkaufsprovision). Ebenso ist denkmöglich, dass die Plattform gegen monetäre Vergütungen eine bevorzugte Listung empfohlener Produkt- und Dienstleistungsbündel anbietet, wodurch die Reihenfolge und Sichtbarkeit von bestimmten Plattformteilnehmern oder Produkten innerhalb des Empfehlungssystems gegen eine finanzielle Entlohnung strategisch angepasst werden könnte.
Zweitens zeichnen sich weitere Wertschöpfungsansätze durch neue Kommunikationskonzepte ab. Neben dem Matching von Angebot und Nachfrage stellt der Plattformbetreiber den affiliierten Teilnehmern zusätzliche redaktionell aufbereitete Services und Informationen bereit. Diese entstehen teilweise im Auftrag durch externe Redaktions- und Mediendienstleister. Dabei zeichnet sich eine strategische Transition vom reinen Matching hin zu kundenzentrierten Kommunikationskonzepten ab, die darauf abzielen, die Interaktion zwischen den Plattformteilnehmern untereinander als auch mit der Plattform selbst zu intensivieren und den Mehrwert für die affiliierten Teilnehmer zu steigern. Die Kommunikation zwischen den Plattformteilnehmern wird durch die Plattform ermöglicht. Ein wesentliches Element der Kommunikationskonzepte ist jedoch die Bereitstellung von redaktionell aufbereiteten Inhalten über verschiedene Medienkanäle, einschließlich Blogs, Online-Ratgebern und Online-Nachrichtenportalen. Beispielsweise informiert MyHammer Endkunden im eigenen Blog z. B. über die verschiedenen Dienstleistungen, Produkte und deren antizipierten Kosten, wobei auch Tipps und (monetarisierte) Empfehlungen enthalten sind. Dabei werden auch neue stilistische Trends und Produkte vorgestellt, die über die Plattform erworben werden können. Doozer informiert Endkunden im Online-Ratgeber über alle wichtigen Phasen im Sanierungs- und Renovierungsprozess und integriert dabei weitere externe Dienstleister im Finanzierungs- und Förderungssegment. Blauarbeit.de informiert Bauhandwerker und Dritte (z. B. Architekten, Planungsbüros) regelmäßig über neue gesetzliche Vorschriften und Richtlinien der Handwerkskammern, die die Gewerke beachten müssen. Dabei zeichnet sich insgesamt eine strategisch stärkere Fokussierung auf die Endkunden und die Ermächtigung dieser, eigene Projekte eigenständig durchzuführen, ab. Zunehmend werden „Do-It-Yourself“ (DIY) Blogbeiträge, Videos und Beratungen angeboten, die darauf abzielen, den Kunden detaillierte Anleitungen zur eigenständigen Durchführung und Fertigstellung spezifischer Projekte zu bieten. Diese Anleitungen illustrieren typischerweise weniger komplexe Projekte und bieten praxisorientierte Hinweise und Produkte der Plattform, die darauf abzielen, den Nutzern eine sichere und effiziente Realisierung der Vorhaben innerhalb ihrer technischen Kompetenzen zu ermöglichen und den Absatz über die Plattform zu steigern. In diesem Kontext sind auch hier bezahlte Werbebeiträge von Plattformteilnehmern denkmöglich oder weitere Monetarisierungsstrategien (z. B. Affiliate-Verlinkungen zu Produkten). Nicht nur aus Marketingperspektive intensivieren diese strategisch ausgerichteten Kommunikationsbemühungen die Teilnehmerbindung und -integration in das Ökosystem der digitalen Plattform, indem sie durch interaktive und benutzerzentrierte Informationsangebote eine dynamische Umgebung schaffen, die den Plattformteilnehmern kontinuierlichen Mehrwert bietet und die Plattform als zentralen Hub etabliert.
Drittens setzt ein plattformbasiertes Service-Ökosystem neue Integrationskonzepte voraus. Das skizzierte Matching von Angebot und Nachfrage erfordert vom Plattformbetreiber, dass die Produkt‑, Service- und Kundendaten aus informationstechnischer Perspektive innerhalb eines proprietären Datenökosystems integriert vorliegen und den affiliierten Akteuren zugänglich sind. Hierfür ist es unerlässlich, dass z. B. Produktdaten in standardisierten Formaten, wie beispielsweise CSV- oder BMEcat-Formaten (z. B. Profishop.de), aufbereitet und in der Plattform aggregiert werden. Wenngleich anfänglich externe Produktdatenbanken genutzt werden können, bietet die zunehmende Akkumulation standardisierter Daten auf der Plattform erhebliches Potenzial für den Plattformbetreiber, eine eigene, standardisierte Produkt- und Servicedatenbank zu entwickeln. Dies trägt zur Reduktion der Abhängigkeit von Drittanbietern bei und bietet neue strategische Wertschöpfungsansätze zur Monetarisierung des Zugangs zu diesen Daten. Proprietäre, standardisierte Produkt- und Servicedatenbanken tragen zusätzlich zur Wertschöpfung bei, indem sie Redundanzen minimieren, Kosten für das Bauhandwerk senken und die Marktposition der Plattform stärken (Mancuso et al. 2024). Darüber hinaus ist erforderlich, dass die IT-Systeme der affiliierten Teilnehmer (z. B. BIM-Systeme der Architekten) über Schnittstellen an die Plattform angebunden werden können. Dies erfordert entweder die Integration von Schnittstellen über dritte Service- und Softwareanbieter oder jedoch die Eigenentwicklung proprietärer Software und Schnittstellen und die Monetarisierung dieser.
Im Kern stellt das Management der skizzierten Koordinations‑, Kommunikations- und Integrationskonzepte solcher hybriden Angebote hohe Anforderungen an die Fähigkeiten der Plattformbetreiber hinsichtlich Kommunikation, Integration und Datenmanagement. Die Steuerung und Kontrolle der Wertschöpfung im Plattformgeschäftsmodell erfordert vom Plattformbetreiber erweiterte Fähigkeiten verglichen mit linearen Wertschöpfungsketten. Diese Fähigkeiten betreffen im Wesentlichen die Orchestrierung der Leistungsangebote der einzelnen Plattformteilnehmer und deren Anteile an der übergreifenden Wertschöpfung für die Endkunden. Orchestrierung in diesem Zusammenhang kann als Organisation über das Ökosystem verstreuter Ressourcen und die Nutzung der Fähigkeiten anderer Ökosystemteilnehmer beschrieben werden.
Ebenso bildet die Standardisierung und Unifikation von Produktstammdaten für einen störungsfreien Datenaustausch eine fundamentale Herausforderung für das Service-Ökosystem der Plattform. Insbesondere erfordert die digitale Darstellung von Artikeln in der Planung und Realisierung von Bauprojekten unter Verwendung gemeinsamer BIM-Ansätze führender Softwareanbieter eine hohe Qualität der Stammdaten. Neben Kompetenzen zur Orchestrierung verteilter Leistungserstellung erfordert das Plattformgeschäftsmodell eine Vielzahl von technischen und nicht-technischen Schnittstellen, um die verschiedenen Plattformteilnehmer optimal einbinden zu können (Dal Bianco et al. 2014). Diese technischen und nicht-technischen Schnittstellen werden in der Literatur zu Plattformen häufig mit dem englischen Begriff der „Boundary Resources“ umschrieben (Wulfert et al. 2022). Damit wird insbesondere ein weiteres Verständnis im Vergleich zu technischen Schnittstellen hervorgehoben. Die Schnittstellen zwischen den Ökosystemteilnehmern und der zentralen Plattform sind vom Plattformbetreiber auf verschiedenen Ebenen bereitzustellen (Wulfert et al. 2022). Die Plattform muss in der Lage sein, eine große Bandbreite an Daten zu verwalten und zu verarbeiten, von Kundeninformationen über Produktdetails bis hin zu Dienstleistungsparametern, und muss diese Informationen den verschiedenen Akteuren zugänglich machen. Die dynamische Natur dieser Plattformen erfordert auch ein erweitertes Verständnis der digitalen Repräsentation von Produkten und Dienstleistungen. BIM-Ansätze werden zunehmend wichtig, um eine effiziente Planung und Durchführung im Baugewerbe zu ermöglichen. Dies wiederum stellt hohe Anforderungen an die Qualität und Konsistenz der Stammdaten, die innerhalb der Plattform zirkulieren.

4 Informationstechnologische Herausforderungen für Großhandelsunternehmen

4.1 Übersicht anhand einer Referenz-Informationsarchitektur

Die im vorhergehenden Abschnitt angedeuteten strategischen Veränderungen erscheinen auch angesichts der Entwicklung in anderen Branchen erwartbar zu sein. Allerdings ist jede betriebswirtschaftlich motivierte Analyse und Aussage i. d. R. ohne Wirkung, wenn diese die informationstechnischen Gegebenheiten unberücksichtigt lässt. Aufgrund der Erfahrung aus vielen Projekten im Bau- und Handwerkerbereich lässt sich anhand des Referenz-Informationsarchitektur von Schütte (2017) diskutieren, welche exemplarischen Herausforderungen die skizzierten Strategieperspektiven aus dem vorhergehenden Kapitel entstehen. Die vier unterschiedlichen Informationsarchitekturen der jeweiligen Stufen der Wertschöpfungskette umfassen Aufgaben in den Ebenen Stammdaten, technische Tätigkeiten und operativ-wertschöpfende Aufgaben (die im Sinne eines Schalenmodells von innen nach außen ausgerichtet sind). Die Ebenen administrative Aufgaben und Business Intelligence aus der Referenz-Informationsarchitektur werden für diesen Beitrag nicht betrachtet. Die einzelnen Aufgaben dieser drei Ebenen sind wertschöpfungsstufenspezifisch ausgeprägt (Industriespezifika, Groß- und Einzelhandel, Endkunden). Die digitalen Plattformen wirken nun unmittelbar im Ökosystem der Bau- und Handwerksbranche (Abb. 3) auf diese drei Aufgabenebenen in den drei Wertschöpfungsstufen Industrie, Groß- und Einzelhandel und Endkunden. Die Kernaufgabe der Plattform ist dabei die Orchestrierung der vorgenannten und weiterer Ökosystemteilnehmer und das Anbieten innovativer Geschäftsmodelle (Koordinations‑, Kommunikations- und Integrationskonzepte). Die Orchestrierung greift dabei auf Geschäftspartner- und Artikelstammdaten zurück, um Transaktionspartner für die Ausführung von Transaktionen bestmöglich zusammen bringen zu können.
Aus den vielen denkmöglichen Aufgaben sollen angesichts der hier gebotenen Kürze zwei Aufgabenbereiche von besonderer Relevanz skizziert werden, bei denen die Veränderungsreichweite und damit die Anpassungsnotwendigkeit in der Bau- und Handwerksbranche evident wird. Erstens wird aus den Anforderungen an die Stammdaten als Basis von sämtlichen Architekturen einer jeden Wertschöpfungsstufe deutlich, wie die bisherigen Anwendungssysteme und die Integration dieser über die Wertschöpfungsstufe eine Veränderung erfährt. Zweitens wird der Auftragserfassungsprozess hinsichtlich seiner zukünftigen Anforderungen diskutiert, da in diesem die kanalübergreifende Integrationsnotwendigkeit und die Differenzierung der neuen Leistungsbündel deutlich wird. Die nachfolgenden Ausführungen sind aber auch in dem Sinne als allgemeingütig zu verstehen, als das hier gewählte Vorgehen auf Basis einer Referenzarchitektur zu analysieren, auch auf andere Aufgaben- und Prozessbereiche ausgedehnt werden kann.

4.2 Stammdaten

Ein wesentliches Problem für sämtliche Digitalisierungsanforderungen besteht in der Verfügbarkeit von (Artikel‑)Stammdaten. Diese trivial anmutende Aussage ist in den Sektoren besonders bedeutend, bei denen nicht alle Stammdaten zu den sie repräsentierenden materiellen Produkten im System verfügbar sind (z. B. Duschkabinen, die in Größe, Breite, Höhe und Materialbeschaffenheit erst bei der Bestellung festgelegt werden). Da die Stammdaten die Basisinformationen für die Geschäftsprozesse in traditionellen transaktionsorientierten IT-Systemen sind, bilden sie auch den Kern der Referenz-Informationsarchitektur (Abb. 3).
Die Notwendigkeit von qualitativen Artikelstammdaten ergibt sich insbesondere im Onlinehandel. Die digitale Repräsentanz der Artikel im Onlineshop und auf digitalen Plattformen erfordert erweiterte Multimedia-Daten, wie hochqualitative Bilder, 3D-Modelle, Explosionszeichnungen oder Demovideos. Diese Multimedia-Daten müssen für die verschiedenen Auflösungen von Endgeräten entsprechend auflösbar gemacht werden können (Responsive Media). Diese Multimedia-Daten müssen mit den entsprechenden Artikelstammdaten verknüpft werden, um die Korrektheit der digitalen Repräsentanz im Onlineshop sicherzustellen. Weiterhin erfordert der Wegfall persönlicher Beratung die Integration von detaillierten Produktspezifika, damit sich die Kunden die richtigen Artikel aussuchen können. Diese Anreicherung der Artikelstammdaten kann allerdings nicht allein vom Großhandel übernommen werden, sondern bedarf bereits einer adäquaten Bereitstellung von Artikelstammdaten durch die Hersteller und Lieferanten (Schütte 2017), da eine Ex-Post Anreicherung von Stammdaten hohe Personalaufwände erfordern kann. Zur Weitergabe von Artikelstammdaten in der Bau- und Handwerksbranche haben sich Lieferantenportale etabliert (z. B. Open Datacheck), über die die Informationen – analog zur World-Sync-Plattform im Einzelhandel – in weitestgehend standardisierter Form an den Großhandel weitergegeben werden. Es ist zudem davon auszugehen, dass Building Information Modeling-Technologien zunehmend bei Bauprojekten – auch mit kleineren Projektumfängen – zum Einsatz kommen, was die Anforderungen an die Artikelstammdaten nochmals ansteigen lässt. Komplexe 3D-Modllierungen und -Simulationen erfordern, dass erweiterte Artikelstammdaten auch Materialbestandteile- und -beschaffenheiten sowie deren physikalische Eigenschaften beinhalten. Eine projektspezifische Analyse wäre insbesondere für kleinere Projektumfänge nicht wirtschaftlich. Bei Bauprojekten ist es zudem wichtig, dass alle Projektbeteiligten auf dieselben Stammdaten zurückgreifen können und somit Datenbereitstellungsverantwortlichkeiten sowie -Ownership definiert sind (Halttula et al. 2020).
Neben den vorgenannten Stammdatenanforderungen aus dem Online-Kontext hat im Handel im Allgemeinen und in der Bau- und Handwerksbranche im Speziellen der Variantenreichtum von Artikeln zugenommen. Höhere Individualisierungsansprüche der Kunden führen zu dieser gesteigerten Anzahl an Varianten und Variantenmerkmalen, was die Komplexität in der Herstellung aber auch den Handel dieser Produkte erhöht. Die Anzahl an klassifizierenden Merkmalen von Varianten wie Größe, Breite, Höhe, Materialart, Farbe, etc. führt zu einer großen Anzahl von möglichen Artikeln, die nicht durch die Speicherung einzelner Artikel realisiert werden kann. Es liegt das Problem einer exponentiell wachsenden Artikelanzahl vor, so dass nicht die finalen Materialien, sondern Klassen von Materialien mit der spezifischen Konfiguration der Varianten gespeichert werden müssen mitsamt der in der Branche üblichen Preisregeln. Für die systemische Abbildung der Materialklassen mit den spezifischen Konfigurationen der Varianten werden in der Industrie bereits seit Jahren Konfigurierbare Materialien (KMATs) eingesetzt (Blumöhr et al. 2023). Aufgrund des stetig zunehmenden Individualisierungsbedürfnisses von Kunden und steigenden Bauanforderungen wächst der Variantenreichtum in der Bau- und Handwerksbranche stetig. Daher gewinnt dieses Artikelkonzept auch im technischen Großhandel zunehmend an Bedeutung. Der Variantenreichtum stellt auch andere Branchen, wie Baumärkte, Möbelhändler vor große Herausforderungen, diese strukturiert im System anzulegen und die Mitarbeiter beim Handling bestmöglich zu unterstützen. KMATs bestehen aus einem Kopfartikel, in dem die Materialklasse abgebildet wird, und zusätzlichen Konfigurationsprofilen, in denen die zusätzlichen Merkmale der Varianten abgebildet werden. Die Merkmalsausprägung der Materialvarianten ergibt sich somit aus der Zuordnung eines ausgeprägten Konfigurationsprofils zum Kopfartikel.
Konfigurationsprofile bilden Konfigurationsmerkmale aus Lieferantenkatalogen in strukturierter Form im IT-System ab. Dort werden die möglichen Merkmalsausprägungen hinterlegt, die flexibel Merkmalen zugeordnet werden können, sodass eine Mehrfachverwendung von Merkmalsausprägungen möglich ist. So lassen sich beispielsweise einzelne Farben mehreren Merkmalen zuordnen. In der Bau- und Handwerksbranche ist es bei Farben allerdings üblich diese herstellerspezifisch auszuprägen. Die Konfigurationsprofile können auch mit Beziehungswissen und Einschränkungen zwischen den einzelnen Merkmalen ausgeprägt werden, um nicht produzierbare Merkmalskombinationen auszuschließen, eine automatische Generation der Lieferantenmaterialnummer zu ermöglichen und eine automatische Einkaufspreiskalkulation auf Basis der Merkmalsausprägungen zu implementieren. Das Beziehungswissen kann also mit komplexen Logiken zur Kombination einzelner Merkmale im Konfigurationsprofil implementiert werden. Die einzelnen Varianten sind über die Merkmalsausprägung im Konfigurationsprofil eindeutig identifizierbar.
Durch die Nutzung von KMATs kann die Anzahl von Variantenmaterialien im IT-System drastisch reduziert werden. In der Bau- und Handwerksbranche hat sich gezeigt, dass auch komplexe Konfigurationen mit über 10 Merkmalen als KMATs abgebildet werden können. Somit lässt sich die Anzahl von Einzelartikel verglichen mit der Anlage der Varianten über KMATs deutlich reduzieren. Bei Artikel mit vielen konfigurierbaren Merkmalen (z. B. Heizkörper, Möbel, Lüftungseinrichtungen) können über ein KMAT mit seinem Konfigurationsprofil über eine Millionen Varianten abgebildet werden. So reduziert sich auch der nötige Speicherbedarf gegenüber der Abbildung von Einzelartikeln erheblich. Die KMAT-Artikel sind durch die Konzentration der Information auf dem Kopfartikel und dem Konfigurationsprofil zudem wesentlich einfacher pflegbar. Der erhöhte Aufwand in der Anlage von KMAT mit Kopfartikel und Konfigurationsprofilen amortisiert sich durch eine verbesserte Systemnutzung und eine erhöhte Effizienz in den Folgeprozessen (z. B. Auftragserfassung). Die detaillierte Abbildung von KMATs ist die Voraussetzungen für die Digitalisierung von Prozessen im Allgemeinen und die Einbindung von Kunden im Speziellen damit ermöglicht. Dabei ist für die wertschöpfungskettenübergreifende Nutzung eine Realisierung von KMATs erforderlich, die die Bestellung von Endkunden bei den Handwerkern oder Großhändlern gestattet und auch die spätere Lieferung dieser Informationen eine Kontrolle ermöglicht. Dazu sind die involvierten Systeme miteinander zu integrieren. Der mangelnde Fortschritt in der Möbelbranche mag das Problem verdeutlichen. Es wäre zu vermuten gewesen, dass ein Kunde in einem Möbelladen sein Produkt konfigurieren lässt, diese Informationen auf einem mobilen Endgerät erhält und am Wochenende dann bei seiner finalen Kaufentscheidung die Farbe festlegen kann. Derartige Lösungen sind aber noch nicht weitverbreitet, da das Problem konfigurierbarer Materialien bei vielen SAP-Einführungen zu ungeahnten Problemen geführt hat. Die Autoren sind angesichts der überragenden Bedeutung dieses Problems der Meinung, dass in seiner Lösung eine wichtige Basis für die Digitalisierung der Bau- und Handwerkerbranche liegt.

4.3 Auftragserfassung

Den zentralen Wertschöpfungsprozess in der Bau- und Handwerksbranche bildet der Auftragserfassungsprozess, der sich auf Kontrakte, Angebote oder ehemalige Aufträge beziehen kann und vor allem auch unterschiedliche Geschäftstypen umfassen kann: das Tagesgeschäft für die Bestellaufnahme, das über ein CRM-System unterstützte Großkundengeschäft bei Projekten oder das Endkundengeschäft wie es beispielsweise bei Bädern, Fliesen, etc. – heute nur als Unterstützungsleistung für den Handwerker – etabliert ist. Die Auftragserfassung ist Teil der operativ-wertschöpfenden Ebene in der Referenz-Informationsarchitektur (Abb. 3). Die Auftragserfassung bildet den Kristallisationspunkt im Vertriebsprozess, der von der Kundenanfrage über das Angebot bis zur Abholung bzw. Auslieferung die unterschiedlichen Transaktionsphasen informationstechnisch integriert. Im Tagesgeschäft referenziert der Auftrag in der Regel auf ein vorheriges Angebot. Auch im Projektgeschäft, bei dem größere Bauprojekte mit möglichen Ausschreibungen im Fokus stehen, ist die Auftragserfassung der zentrale Prozess, auch wenn Aktivitäten wie die Lead- und Opportunity-Erfassung vorgelagert sind. Existierende IT-Systeme bilden die verschiedenen Schritte im Vertriebsprozess und die unterschiedlichen Geschäftstypen häufig in isolierten Teilapplikationen ab. Im Folgenden werden die technologischen Herausforderungen einer Integration großer Teile des Vertriebsprozesses zur bestmöglichen Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter und damit einhergehender Prozessverbesserungen geschildert.
Der Kundenauftrag inkludiert in diesem Kontext Informationen zur Ware, der Menge, dem Preis und dem gewünschten Lieferzeitpunkt. In der Auftragserfassung wählen die Vertriebsmitarbeiter im Auftragserfassungs-Tool oder der Kunde im Onlineshop die Artikel für den Auftrag zunächst in einzelnen Positionen aus. Da die Anzahl von im System abgebildeten Artikeln in der Bau- und Handwerksbranche aufgrund von breiten und tiefen Sortiment in der Regel groß ist, sollten die Vertriebsmitarbeiter und der Kunde gleichermaßen von fortschrittlichen Suchalgorithmen und Filteroptionen unterstützt werden. Bei Auswahl der gewünschten Auftragspositionen sollte bereits eine Simulation des Kundenauftrags durchgeführt werden, um Informationen über Preise, Artikelverfügbarkeiten für die einzelnen Lieferorte und Kreditlimits des Kunden zu erhalten. Bei der Auftragssimulation werden bereits unterschiedliche Prozessvarianten wie Aufträge auf Lagerware, Streckenartikel, Kundeneinzelbestellungen oder Umlagerungen berücksichtigt Die Simulation der einzelnen Auftragspositionen stellt zudem sicher, dass der Auftrag im IT-System komplett verbucht und in der Folge auch fristgerecht ausgeführt werden kann. Da Aufträge in der Bau- und Handwerksbranche nicht immer vollständig erfasst werden können, sollten die Positionen eines unvollständigen Auftrages für eine nachträgliche Anreicherung gespeichert werden können. Es werden beispielsweise noch Rückmeldungen von Lieferanten erwartet, zu welchen Konditionen und welchen Terminen die einzelnen Positionen geliefert werden können. Die einzelnen Auftragspositionen können sich auch auf vorab ausgehandelte Kontrakte beziehen. Als Beispiel sei an dieser Stelle auf Mengenkontrakte verwiesen, die Vereinbarungen mit einem Kunden für bestimmte Artikel, für einen bestimmten Zeitraum, zu einem bestimmten Preis beinhalten. Diese Mengenkontrakte sollten im Auftragserfassungsprozess automatisch bei der Auswahl des Kunden und der Artikel berücksichtigt und angewendet werden. Die zusätzliche Herausforderung beim Objektgeschäft besteht in der Größe der Bauprojekte, die eine Vielzahl von Einzelgewerken, die von unterschiedlichen Handwerksunternehmen umgesetzt werden können, subsummieren. Diese Gewerke erfordern zudem diverse Auftragspositionen. Das Objektgeschäft ist ein mehrstufiger Vertrieb, bei dem Artikel an die diversen Handwerksunternehmen vertrieben werden können. In der Auftragserfassung sind die die einzelnen Aufträge jeweils dem Objekt zuzuordnen.
Eine besondere Herausforderung für den Auftragserfassungsprozess wird auch durch die unterschiedlichen Kommunikationskanäle zu den Kunden deutlich. Die Kunden können über einen Online-Shop bestellen, sie können im Sinne der oben skizzierten Weise über einen Innendienst aktiv werden, sie schicken mitunter WhatsApp mit Informationen, es werden Informationen über das CRM-System erfasst und nicht zuletzt konfrontieren die Kunden den Großhandel mit diversen Informationen zu Wettbewerbern, die den direkten Zugang zum Endkunden haben (z. B. www.​reuter.​com). Es bedarf somit eines Omnichannel-Verständnisses im Großhandel zu Preisen, Beständen, welches sowohl bei Lieferung als auch bei Abholung die entsprechenden Services bieten muss, was im Idealfall auch für die Artikel gelten sollte, die nicht im Bestand vorhanden sind und für den Kunden spezifisch angefertigt werden müssen.
Dabei ist neben dem Tagesgeschäft und dem Objektgeschäft auch das Endkundengeschäft in der Bau- und Handwerksbranche zu berücksichtigen. Endkunden können im spezialisierten Großhandel bisher nur als Kunden ihrer Handwerker in Erscheinung treten. Ein direkter Kundenkontakt ist aber in Showrooms (z. B. Küchen- und Badausstellung), in denen Angebote mit Verweis auf mögliche ausführende Fachhandwerker erstellt werden, möglich. Die ausführenden Firmen werden in der Folge vom Großhandel über die Auswahl der Endkunde in Form eines Angebotes informiert. Darüber hinaus beauftragen Endkunden auch Artikel auf eigene Rechnung. Daher sollen Aufträge auch auf diese Endkunden erfasst werden können. Dies kann entweder im stationären Großhandel, den Showrooms oder aber im Onlineshop möglich sein. Für den Großhandel bietet sich hier die Möglichkeit einen Vertrieb mit Endkunden zu etablieren und die Margen des Handwerks auf seine Seite zu bringen. In der Auftragserfassung für Endkunden ergeben sich allerdings prozessuale und rechtliche Herausforderungen.
Bezogen auf die im Abschn. 4.2 beschriebenen KMAT-Artikel, findet in der Auftragserfassung die eigentliche Ausprägung der abzuleitenden KMAT-Varianten statt. Für die Bestellung einer Artikelvariante wählt der Vertriebsmitarbeiter zunächst einen KMAT-Kopfartikel aus. Auf Basis des hinterlegten Konfigurationsprofils werden nun die möglichen Merkmale zur Konfiguration der KMAT-Variante angeboten. Bei der Konfiguration können vordefinierte Merkmale gewählt werden und Freitexte für Feinaufmaße und Sonderfarben mitgegeben werden. Die Nutzung von vordefinierten Konfigurationsprofilen reduziert dabei mögliche Erfassungsfehler in der Spezifikation, da die möglichen Variantenmerkmale vorgegeben werden. Unter Nutzung von Beziehungswissen zwischen den einzelnen Merkmalen, können nicht produzierbare Merkmalskombinationen schon bei der Auftragserfassung ausgeschlossen werden. Für die entsprechend konfigurierte Variante wird im Hintergrund auf Basis der gewählten Merkmale bereits der Werkspreis laut Katalog berechnet. Ergeben sich auf Basis der gewählten Variantenmerkmale variantenspezifische Lieferantenartikelnummern, können auch diese automatisiert abgeleitet werden, um eine eindeutige Kommunikation mit dem Lieferanten zu gewährleisten und mögliche Rückfragen auf ein Minimum zu reduzieren. Innerhalb des Auftragserfassungsprozesses. Die nach den Kundenwünschen ausspezifizierte Variante wird im System persistiert und für die Bestellung an den entsprechenden Lieferanten weitergeleitet. Im Kontext von KMATs kann dies auch über EDI erfolgen.
Zur besseren Unterstützung der Vertriebsmitarbeiter, sollte eine modernes Auftragserfassungstool den gesamten Vertriebsprozess in einem konsistentes User Interface unterstützen und auch die vorgenannten Geschäftstypen integrieren. Das Auftragserfassungstool sollte zudem einem Omni-Channel-Ansatz folgend, alle Vertriebskanäle eines Unternehmens unterstützen. Dies ist auch in der Bau- und Handwerksbranche von steigender Bedeutung, da zunehmend digitale Vertriebskanäle (z. B. Videoberatung, Onlineshop, Plattformen) den klassischen Vertrieb mit Innen- und Außendienstmitarbeitern ergänzen. So sind auch Kundenanfrage aus Onlineshops als Basis für die Auftragserfassung zu unterstütze und Innendienstmitarbeiter automatisiert von Kundenonlineanfrage zu benachrichtigen. Aufträge müssen in der Bau- und Handwerksbranche auch im spezialisierten Großhandel (u. a. mit Unterstützung von geeigneten Handscannern für Waren) und sogenannten Showroom entgegengenommen und digital verarbeitet werden können. Über die vorgenannten Kanäle sind die Auftragsdaten jederzeit aktuell zu halten und Applikationswechsel auszuschließen. So können sich die Kunden über alle Kanäle integrativ zu ihren Vorgängen informieren. Beispielsweise sollten alle vergangenen und aktuellen Belege im Onlineshop vom Kunden nachvollzogen werden können. Die Integration der verschiedenen Geschäftsfälle ist von immenser Bedeutung und stellt hohe Anforderung an die Synchronisation der involvierten IT-Systeme. Bei der Integration der Geschäftstypen in der Auftragserfassung ist zu betonen, dass diese eigentlich jeweils andere Prozesse durchlaufen und Geschäftsobjekte nutzen.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die Digitalisierung durchdringt sämtliche Unternehmensbereiche, unabhängig von Branchenzugehörigkeit und Unternehmensgröße. Entsprechend stehen auch Betriebe der Bau- und Handwerksbranche vor der Herausforderung, digitale Technologien zu adaptieren, um ihre geringe Produktivität zu steigern. Der vorliegende Beitrag verdeutlicht anhand der Transformationspfade des Großhandels aus strategischer Perspektive, wie die Wertschöpfung in der Bau- und Handwerksbranche grundlegend transformiert werden kann. Es wurden wesentliche Herausforderungen und technologische Lösungen im Kontext von Stammdaten und die Auftragserfassung als zentraler Wertschöpfungsprozess in der Bau- und Handwerksbranche diskutiert.
Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass die Bau- und Handwerksbranche beachtliche Potenziale für eine effizientere Gestaltung eröffnet, allerdings die informationstechnischen Herausforderungen erheblich sind. Diese sind auch nicht nur informationstechnischer Natur, denn die strategischen Rahmenbindungen (oligopolistische Strukturen, Markteintrittsbarrieren, Ressourcensituation bei Handwerksbetrieben) dürften aktuell eine Transformation behindern. Aus Forschungssicht wäre es wünschenswert, wenn die Identifizierung und Analyse bestehender Barrieren der Adoption sowie Herausforderungen beim Aufbau, der Gestaltung, Orchestrierung und Governance digitaler Bau- und Handwerksplattformen untersucht würden, um die deutsche Bau- und Handwerksbranche als wichtigen Wirtschaftsbereich begründete Vorgehensweisen und Empfehlungen zu eröffnen. Damit würde den Akteuren auch eine innovative Pionierrolle eröffnet.
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Metadaten
Titel
Digitalisierung in der Bau- und Handwerksbranche – Herausforderungen für die Gestaltung digitaler End-to-End-Wertschöpfungssysteme
verfasst von
Reinhard Schütte
Michael Harr
Tobias Wulfert
Dustin Syfuß
Publikationsdatum
20.09.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 6/2024
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-024-01114-y