Nachfolgend wird die Fragestellung vertieft, wie die Digitalisierung bestehende Arbeitsmodelle für Büroarbeit beeinflusst und Impulse für neue Arbeitsmodelle geben kann. In dem Zusammenhang werden außerdem mögliche Chancen und Problemstellungen von mit der Digitalisierung einhergehenden Arbeitsmodellen hinterfragt.
In der Literatur wird auch in Verbindung mit der Digitalisierung grundlegend eine Tendenz der Unternehmen zu mehr Flexibilität, Mobilität sowie Autonomie der Beschäftigten ausgemacht. In der Praxis hat sich dies in der Schweiz unter anderem in der Gründung der Work Smart-Initiative durch die Swisscom, die Post, die SBB, die Mobiliar sowie die Firma Witzig im Jahr 2015 niedergeschlagen. Das Ziel dieser Initiative ist es, flexible und ortsunabhängige Arbeitsmodelle in der Schweiz zu fördern. Seit der Gründung haben sich über 150 Schweizer Unternehmen dieser Initiative angeschlossen (Work Smart Initiative
2018). Übergreifende Darstellungen zur digitalisierungsbasierten Veränderung von Arbeitsmodellen sind nur bedingt vorhanden, sodass eine Charakterisierung der Änderungsbewegungen unter Bezugnahme auf die fünf herangezogenen Ausprägungsdimensionen erfolgt. Generell kann aber festgehalten werden, dass heute in großen Unternehmen flexible und agile Arbeitsmodelle bereits eingesetzt und zukünftig vermehrt relevant werden dürften, da eine fortlaufende, fließende Ausrichtung der Arbeitswelten an den Bedürfnissen der Kunden und Mitarbeitenden immer wichtiger wird (Zinser und Boch
2007, S. 57). Alle in den fünf Dimensionen angeführten Arbeitsmodellkomponenten bzw. -varianten sind mehr oder minder von der Digitalisierung betroffen und entwickeln sich im Digitalisierungskontext in Richtung flexiblerer, mobilerer und autonomerer dimensionaler Ausprägungsformen für die bestehenden Arbeitsmodelle oder bringen in Kombination auch neue Arbeitsmodelltypen hervor.
Hinsichtlich der Dimension
Arbeitszeit kann festgehalten werden, dass bereits heute für administrative Tätigkeiten Vertrauensarbeitszeit, flexible Arbeitszeitmodelle und amorphe Arbeitszeit in den Unternehmen zunehmend zur Anwendung kommen und von den Mitarbeitenden in der Regel geschätzt werden. Diese Tendenz wird sich in Zukunft vermutlich weiter verstärken (Arbeitgeberverband Basel
2014). Im Hinblick auf die Arbeitsmodelldimension
Arbeitsform kann angenommen werden, dass die Arbeitsarten Teilzeitarbeit, Jobsharing und Arbeit auf Abruf weiterhin und vermehrt genutzt werden. Auch diese begünstigen bereits die Flexibilität sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Kombinationsmöglichkeiten mit neueren Entwicklungsformen wie Freelancer-Modelle, Human-Cloud-Ansätze sowie mobil-flexibles Arbeiten sind vorstellbar. In Bezug auf die Arbeits-, respektive
Personalführung sind Veränderungen bereits vielfach realisiert. So werden Meetings und Gespräche beispielsweise vermehrt ortsungebunden virtuell durchgeführt und Führungskräfte haben bei ihren Führungsentscheidungen oft relevante Informationen in Echtzeit zur Verfügung (Mühlenbeck
2017). In Verbindung mit der Digitalisierung scheinen sich ferner die Erwartungen der Mitarbeitenden an die Führungskräfte stark zu verändern, sodass Unternehmen ihre Führungskultur entsprechend hinterfragen und, in Anlehnung an die Erkenntnisse der Studie von Genner et al. (Genner, S. et al.
2017, S. 17), vermehrt in Richtung Selbstführung der Mitarbeitenden, Führung auf räumliche Distanz, identifikations- und zielorientierte Führung, Führung über digitale Kanäle und flache Teamhierarchien anpassen müssen. In Bezug auf die
Arbeitsstrukturen zeichnet sich eine zunehmende Entwicklung hin zu agilen Netzwerkstrukturen ab, die durch Selbstorganisation, Vertrauensbasierung, Unternehmertum und ein hohes Maß an Autonomie der Mitarbeitenden gekennzeichnet sind (Sattelberger et al.
2015, S. 272, 276 ff.). Die Ausgestaltung der
Büroarbeitsräume wird voraussichtlich im Zuge der Digitalisierung in immer höherem Maß auf mobil-flexibles Arbeiten in Open-Space-Arbeitswelten hin ausgerichtet sein, die der Tendenz Rechnung tragen, dass die in Büros vor Ort verbrachte Zeit der Angestellten sich weiter reduzieren wird. So sind etwa bereits heute selbst im Umfeld traditioneller Arbeitsformen nur maximal 70 % der Büroarbeitsplätze während der Arbeitszeit gleichzeitig besetzt (Zinser und Boch
2007, S. 58). In Verbindung mit den digitalisierungsbedingten und -unterstützten Änderungstendenzen der Arbeitsmodelldimensionen sind auch weitere Änderungen der
arbeitsrechtlichen Rahmensetzungen in der Schweiz für die Zukunft zu erwarten. Dem entsprechend hat der Bund 2017 einen Bericht verabschiedet, der die Rahmenbedingungen der Wirtschaft in Hinblick auf die Digitalisierung analysiert. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Arbeitsplatz- und Wohlstandssicherung wird festgehalten, dass die heutigen Gesetzesgrundlagen zwar weitgehend bereits Spielraum für den Wandel gewährleisten, aber nicht mehr nötige Regulierungen sollen punktuell angepasst und die Rahmenbedingungen für die digitale Arbeitswelt weiter verbessert werden. Hierzu erteilt der Bundesrat Prüfaufträge (Schweizerische Eidgenossenschaft
2018a).
7.4.1 Entwicklung neuer digitalisierungsbasierter Arbeitsmodelle
Grundlegende Entwicklungstendenzen für die einzelnen Arbeitsmodelldimensionen wurden unter Bezugnahme auf die bestehende Literatur bereits aufgezeigt. In einem weiteren Konkretisierungsschritt werden exemplarisch mögliche neuere Ausprägungsformen identifiziert, die für sich, oder auch in Kombination mit anderen dimensionalen Ausprägungen, neuartige agile Formen der Zusammenarbeit generieren und in hohem Maße mit den Anforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung kompatibel sind.
Mobil-
flexibles Arbeiten steht für eine Kombination verschiedener Arbeitsmerkmale wie etwa Homeoffice, gleitender Arbeitszeit oder Vertrauensarbeitszeit mit räumlich ungebundenem Arbeiten innerhalb oder außerhalb des Unternehmens (Genner et al.
2017, S. 12). Insgesamt 75 % der Schweizer Bevölkerung arbeiten mit steigender Tendenz mittlerweile bereits im Dienstleistungssektor, in dem vorwiegend Wissens- und Kopfarbeit erbracht wird. Von dieser Mehrheit der Beschäftigten arbeiten schon heute fast 30 % mindestens einen halben Tag pro Woche von zu Hause aus (Zobrist und Grampp
2016, S. 10). Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert im Zuge der Digitalisierung noch deutlich ansteigen wird. Digitalisierung steht dabei auch und insbesondere für den Einsatz mobiler Geräte wie Smartphones, Tablets oder Laptops in Kombination mit Cloudlösungen und VPN-Verbindungen. Hiermit verbunden ist eine wachsende Autonomie der Beschäftigten bei der Art und Weise der Arbeitsdurchführung (Genner et al.
2017, S. 12). Beschäftigte, die in mobil-flexiblen Arbeitsmodellen arbeiten, geben an, dass sie produktiver arbeiten und zufriedener sind, was sich aus Sicht der Unternehmen auch in einer höheren Arbeitsleistung niederschlägt (SBB AG und Swisscom (Schweiz) AG
2013, S. 4).
Freelancer sind freie Mitarbeitende, die ein Honorar für geleistete Dienste erhalten und somit nicht in einem traditionellen Arbeitsverhältnis arbeiten. Zumeist arbeiten Freelancer für verschiedene Auftraggeber. Freelancer sind vor allem in wissensintensiven Berufen tätig, wie etwa als Berater, Informatiker, Grafiker oder Übersetzer (Zobrist und Grampp
2016, S. 7 f.). Gemäß einer repräsentativen Befragung von Deloitte Schweiz und Research Now ist heute bereits jeder vierte Schweizer haupt- oder nebenberuflich als Freelancer tätig (Zobrist und Grampp
2016, S. 8). Der Einsatz von Freelancern ist für Unternehmen mit einer hohen professionellen Flexibilität verbunden, dem entgegen stehen höhere Transaktionskosten und Informationsrisiken. Zobrist und Grampp unterscheiden fünf Arten von Freelancern (Zobrist und Grampp
2016, S. 8 f.):
-
Independent Contractor: „Klassische“ Freelancer, die hauptberuflich temporäre und projektbasierte Arbeiten erledigen (ca. 37 %).
-
Moonlighter: Freelancer in Nebentätigkeit, die hauptberuflich einer „traditionellen“ Arbeit nachgehen (ca. 30 %).
-
Diversified Worker: Beschäftigte, die ihr Einkommen mit unterschiedlichen Auftraggebern verdienen (z. B. Teilzeitarbeitnehmerin in einem Unternehmen, die nebenbei für Uber fährt und Online-Englischunterricht gibt) (ca. 23 %).
-
Business Owner: Unternehmer mit bis zu fünf Mitarbeitenden, die sich selbst als Freelancer bezeichnen (ca. 8 %).
-
Temporary Worker: Freelancer, die für einen einzigen Arbeitgeber oder Kunden temporär arbeiten (ca. 2 %).
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Anteil der Freelancer im Sinne einer mit der Digitalisierung einhergehenden weiteren Flexibilisierung der Arbeit in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird.
Eng verbunden mit dem Freelancer-Ansatz sind
Human Cloud-
Arbeitslösungen. Human Cloud-Plattformen wie upwork.com, freelancer.com oder peopleperhour.com zeichnen sich dadurch aus, dass auf ihnen von Arbeitsanbietern und -nachfragern online rund um die Uhr und weltweit Angebote zur Aufgabenwahrnehmung oder für Projektarbeiten platziert werden. Berufliche Tätigkeiten werden in konkrete Aufgaben und separate Projekte aufgeteilt und über die virtuelle Plattform an verschiedene ortsunabhängige selbstständige Arbeitskräfte verteilt, respektive von diesen als befristete Dienstleistungen eingekauft. Im Falle des Erbringens der Dienstleistungen von selbstständig Erwerbstätigen sind die einkaufenden Leistungsbezieher nicht verpflichtet, Mindestlöhne und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen (Schwab
2016, S. 73 f.). Für die anbietenden Arbeitskräfte bedeutet diese Form der Arbeitsbeschaffung eine weitgehend autonome Festlegung des Work-Life-Mixes mit größtmöglicher Flexibilität und Mobilität (Schwab
2016, S. 75).
Coaching-
und Mentoringansätze der Führung sind sich abzeichnende Antworten auf die geänderten Führungsanforderungen in den flachen Hierarchien zunehmend selbstorganisierter Systeme. In einem solchen Kontext ist die wichtigste Aufgabe von Führungskräften die Schaffung von Verbindlichkeit in flexiblen Netzwerkstrukturen, das Inspirieren und Motivieren ihrer Teams und die kompetenzorientierte Optimierung der Aufgabenzuordnungen zu Personen sowie die systematische Förderung der Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden (Sattelberger et al.
2015, S. 133 f.). Beispiele für eine entsprechende Führungsperspektive sind die kontextabhängigen Ansätze einer systemischen oder symbolischen Führung. Die
systemische Führung kommt vor allem bei laufenden Veränderungsprozessen und bei komplexen und unsicherheitsbehafteten Situationen zur Anwendung. Vor diesem Hintergrund führt der Vorgesetzte vor allem indirekt und legitimiert seine Autorität aus der Aufgabe und nicht aus der hierarchischen Position heraus (WEKA
2016). Vorgesetzte agieren hier als Navigatoren in selbstorganisierten Systemen und unterstützen die Mitarbeitenden beim Umgang mit Unsicherheit und Mehrdeutigkeiten. Bei der
symbolischen Führung führt der Vorgesetzte über Zeichen, die für bestimmte Verhaltensweisen, Überzeugungen, Selbstbilder und Erwartungen stehen (WEKA
2016). Führen heißt hier vor allem reflektierte Inszenierung gewünschter Verhaltensweisen und Einstellungen durch die Führungskraft über symbolisches Handeln, wodurch auch die kulturellen Rahmensetzungen zum Ausdruck kommen.
In struktureller Hinsicht sehen Sattelberger et al. in Verbindung mit der Digitalisierung für die Zukunft vor allem drei alternative
neuartige Organisationstypen, die im Organisationsentwicklungsprozess miteinander in Konkurrenz stehen (Sattelberger et al.
2015, S. 48 ff.). In „flachen Macht-Pyramiden“ kommt die Macht unverändert von oben, und es wird top-down gesteuert, allerdings mit nur wenigen Hierarchieebenen und unterstützt durch dosierte Kulturveränderungen in Verbindung mit den neuen Arbeitsformen. Bei der „Machtverteilung“ liegt ein holokratisches Strukturverständnis zugrunde, das Partizipation und Transparenz in demokratischen und agilen Netzwerkstrukturen favorisiert. Es gibt mehr Teilhabe und Souveränität der Mitarbeitenden, die sich weitgehend selbst führen, sowie Open Innovation. Anstelle der klassischen Strukturen und der hierarchischen Position der Führung werden in holokratischen Organisationsformen „Rollen“ gelebt, die alle Mitarbeitenden innehaben (Meyer
2016). „Machtkonzentration“ steht als letzter hybrider Organisationstypus für eine zweifache Machtkonzentration. Machtbasis ist die Innovation, und die Machtspitze wird durch die strategische und finanzielle Führung repräsentiert. Die operative Handlungskompetenz ist hier über das Empowerment der Mitarbeitenden dezentralisiert, die Steuerung erfolgt jedoch nach feudalistischen Prinzipien. Loyale und transformationsfähige Mitarbeiter, welche als Kernbelegschaft das Wissen des Unternehmens sichern, werden spirituell vereinnahmt. Berufliche Karrieren werden entweder über Projekte oder als Expertenkarrieren innerhalb einer offenen Wissenscommunity entwickelt (Sattelberger et al.
2015, S. 48 ff.).
Neuere Ansätze der Büroraumgestaltung tragen diesen strukturellen und führungsbezogenen Veränderungen im physischen Arbeitsumfeld Rechnung.
Mobil-
flexible Büronetzwerke integrieren die Büro- und Heimarbeitswelten und mobil-flexibles Arbeiten, das Arbeitsinhalte in Projekten strukturiert, wird immer mehr zu einer Normalität, wie sie in vielen Großunternehmen heute schon vorgefunden werden kann (Witzig the office company
2014). In Verbindung mit der aufstrebenden Sharing Economy erfolgt eine Erweiterung der Raumperspektive über das Homeoffice hinaus auf temporär genutzte und angemietete Büroräume. Coworking Spaces sind derzeit im Trend und werden über Plattformanbieter wie LiquidSpace oder ShareDesk vermarktet. Insbesondere Freelancer, Jungunternehmer und Mitarbeitende von Unternehmen nutzen die stundenweise Anmietbarkeit von Büroplätzen oder Meetingräumen in zumeist zentralen City-Lagen immer mehr (Zobrist und Grampp
2016, S. 11). Im Jahr 2017 gab es in der Schweiz bereits an über 180 Standorten auf mehr als 70.000 Quadratmetern Arbeitsfläche rund 6700 Coworking-Arbeitsplätze. Der Median hinsichtlich der Zahl der Arbeitsplätze liegt bei 20, die verfügbare Arbeitsfläche schwankt dabei zwischen 30 und 2500 Quadratmeter. Insbesondere Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden möchten in den kommenden Jahren unter Flexibilitäts- und Kostengesichtspunkten für ihre Mitarbeitenden solche Coworking Spaces dauerhaft zur Verfügung stellen (Auf der Maur
2017, S. 7 ff.). Ein visionäres Zukunftsbild digitaler Arbeitswelten entwickeln Zinser und Boch (
2007, S. 34 f.): In vernetzten Städten sind Büro-, Projekt- und Ideenräume und Think Tanks als intelligente Knotenpunkte präsent, die urbanes Wohnen und Arbeiten integrierbar machen.
7.4.2 Chancen und Risiken der Digitalisierung für Arbeitsmodelle
Mit der Digitalisierung und den angeführten komplementären und unterstützenden Entwicklungstendenzen bei der Ausgestaltung von Arbeitsmodellen sind für Unternehmen Chancen und Risiken verbunden.
Auf der
Chancenseite neuer flexibler und mobilitätsorientierter Arbeitsmodelle werden aus Sicht der Angestellten vor allem eine höhere persönliche Flexibilität, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Reduktion der Arbeitswegzeiten angeführt. Unternehmen profitieren von einer effizienteren Nutzung der Büroflächen, sparen Kosten, können sich als attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren und haben produktivere und zufriedenere Mitarbeiter. Vermietet das Unternehmen zudem Arbeitsplätze an Externe, können zusätzliche Einnahmen generiert sowie neue Netzwerke erschlossen werden, auch im Hinblick auf die steigende Anzahl an Freelancern (Zobrist und Grampp
2016, S. 16). Generell ermöglicht die Digitalisierung eine erleichterte Flexibilisierung des Arbeitsmarkts (Reynard und Derder
2017, S. 4). Mit den neuen Arbeitsmodellen im digitalen Zeitalter gehen auch eine höhere Innovationsfähigkeit und potenzielle Schübe für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einher (Schweizer Verband der Telekommunikation
2015, S. 20).
Der digitale Fortschritt ermöglicht heute ein Arbeiten, wann und wo immer man dies möchte. Dies hat jedoch aus Sicht der Arbeitnehmenden auch seine
Schattenseiten, denn gleichzeitig haben immer mehr Menschen Schwierigkeiten, Arbeit und Privatleben sowie berufliche und familiäre Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Dies resultiert in einer zunehmenden psychischen Arbeitsbelastung in Form von Stress, zu der auch das Mehr an Verantwortung und Autonomie beitragen kann. Gemäß der repräsentativen Schweizer Job-Stress-Index-Studie von 2016 ist jeder vierte Erwerbstätige gestresst im Job. Die Ausfälle von Mitarbeitenden aufgrund von Stress kosten die Schweizer Arbeitgeber jährlich ca. 5,7 Mrd. Franken. In welchem Umfang hierbei spezifische Stressfaktoren des digitalen Wandels der Arbeitswelt beteiligt sind, ist allerdings noch unklar und schwer einschätzbar (Genner et al.
2017, S. 39 f.). Die neuen Arbeitsmodellformen können bei den betroffenen Beschäftigten auch Ängste auslösen. Nicht jeder bringt von vorneherein das ideale Soll-Kompetenz- und Persönlichkeitsprofil eines selbstorganisierten, autonom und hochflexibel arbeitenden Experten mit, der sich souverän in agilen Netzwerkstrukturen bewegen kann. Außerdem geht mit der Digitalisierung der Arbeit auch bei vielen die Sorge einher, dass derzeitige menschliche Bürotätigkeiten immer mehr von intelligenten digitalen Systemen ersetzt werden. So sind gemäß der Studie „The Future of Employment“ von Frey und Osborne aus dem Jahr 2013 fast 50 % der derzeitigen Arbeitsplätze dem Risiko einer Eliminierung durch digitale Rationalisierung ausgesetzt (Frey und Osborne
2013). In Verbindung mit der Gestaltung der Rahmenbedingungen neuer Arbeitsformen und -strukturen (z. B. physische und virtuelle Präsenzzeiten und -orte, Arbeits- und Ruhezonenraumgestaltung etc.) besteht bei entsprechenden Defiziten die Gefahr, dass sich bei den Mitarbeitenden ein Identifikations- und Bindungsverlust gegenüber dem Arbeitgeber einstellt und der soziale Austausch mit Kollegen leidet oder gar verloren geht. Die erhöhte Flexibilität und räumliche Ungebundenheit mit globaler Datenverfügbarkeit geht ferner mit nicht unbeträchtlichen Risiken bezüglich der Sicherheit von sensiblen Informationen und Daten einher (Zobrist und Grampp
2016, S. 17). Im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Rahmensetzungen besteht bei einem Ausnutzen rechtlicher Grauzonen (z. B. Mindestlohnthematik) bei der Nutzung von Arbeitsvermittlungsplattformen auf Dauer die Gefahr, dass mit restriktiven Interventionen des Gesetzgebers gerechnet werden muss und gegebenenfalls die Reputation als Arbeitgeber leiden kann.