2 Dialog mit Hanna Hennig, Siemens AG, Andreas Maier, AXA Schweiz, Michael Müller-Wünsch, OTTO, Rolf Olmesdahl, ehemals Raiffeisen Schweiz, Ursula Soritsch-Renier, Saint-Gobain, Paris, und Patrick Naef, Boyden AG
Auch in der Marktbearbeitung konnten wir durch die Einführung unseres digitalen Marktplatzes unseren Geschäftsmodellumbau zur hybriden Plattform erfolgreich voranbringen. Als MVP
3 gestartet, haben wir uns in den vergangenen Monaten sehr erfolgreich neue Erlösströme erschlossen und viele Millionen neue Endkundinnen und Endkunden dazugewonnen. Unsere Digitalisierungsstrategie hat hier ebenso erfolgreich Wirkung erzielt. Und mit unserer Initiative „Pushing AI“ haben wir einen Leuchtturm in der teilautomatisierten, datengetriebenen Unternehmenssteuerung definieren und umsetzen können.
Es gibt jahrzehntelange Diskussionen über den CIO, seine Aufgaben und seine Zukunft. Generationen von CIOs, Beraterinnen und Berater sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zu denen ich auch gehöre, haben sich mit dem CIO beschäftigt. Der CIO wurde schon mehrfach „totgesagt“. Aber wie so oft: „Totgesagte leben länger.“ Auch wenn Sie diese Frage vielleicht nicht mehr hören können, gibt es 2030 noch CIOs?
Gehen wir noch einen Schritt weiter im Dialog. Seit einigen Jahren gibt es in vielen Unternehmen eine Position, die sich um Digitalisierung kümmert, den Chief Digital Officer (CDO). Gibt es in Ihrem Unternehmen einen CDO? Wenn ja, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem CDO?
CIOs und Beratungsunternehmen, auch die Gartner Group, berichten übereinstimmend, dass immer mehr Verantwortung und Budget für IT in die Fachbereiche verschoben werden (Panetta
2021
). Sehen Sie diesen Trend in Ihrem Unternehmen? Wie beurteilen Sie diese Verschiebung, einfach wieder mal ein Aufleben der Diskussionen um Schatteninformatik oder eine spannende wichtige Entwicklung? Ist dies für Sie eher Notwendigkeit, Chance oder Gefahr?
Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit mit dem CEO bzw. der Geschäftsleitung? Sind Sie Teil der Geschäftsleitung? Wenn ja, wie bringen Sie Ihre Themen in die Sitzungen der Geschäftsleitung ein? Wenn nein, haben Sie genügend Zugang zu den hierarchisch höchsten Gremien Ihres Unternehmens?
Welche Eigenschaften bzw. welche Kompetenzen sind für Sie in Ihrer Rolle als CIO in Zukunft besonders wichtig? Was sollten die Studierenden, die den Job des CIO anstreben, lernen?
Zumindest die Studierenden an der Universität St. Gallen fragen immer häufiger, was die Universität und auch ich als Professor mit gesellschaftlicher Relevanz machen. Bei den Fragen spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle, aber auch Diversität und Genderfragen werden vermehrt gestellt. Vor diesem Hintergrund meine Frage: Wie stark spielen ökologische Fragen, beispielweise bei Entscheidungen über die zukünftige IT-Infrastruktur, eine Rolle und wie gehen Sie mit Diversifizierung Ihrer Mitarbeitenden um, beispielsweise beteiligen Sie sich an Initiativen zu mehr Frauen in der IT?
Bei Siemens ist DEGREE (steht für: Decarbonization, Ethics, Governance, Resource Efficiency, Equity und Employability) als incentiviertes Rahmenwerk gesetzt. Es definiert neben nachhaltigkeitsrelevanten KPIs wie „Decarbonization“ und „Resource Efficiency“ auch die Zielsetzung bei Diversität, Genderfragen und weiteren gesellschaftlichen Themen, die in Summe einen 360-Grad-Blick auf das Thema Nachhaltigkeit ergeben. Green IT, d. h. die Nachhaltigkeit unserer eigenen IT-Services, ist für uns gelebte Kultur und findet sich beispielsweise in Verträgen mit Partnern und Dienstleistern. Siemens achtet unter anderem darauf, dass bei Cloud Services erneuerbare Energien genutzt werden, dass bei der Auswahl von IT-Hardware die Reduktion des CO2-Fußabdrucks ein wichtiges Kriterium ist und auch, dass Altgeräte „refurbished“ werden. Diese Aktivitäten kombinieren wir mit der Unterstützung sozioökonomisch Benachteiligter durch Spenden von Geräten oder durch Kurse für Kinder und junge Heranwachsende, eine Hacker School oder auch Hackathons. Siemens beschäftigt 5300 Mitarbeitende mit Behinderung und unterstützt dies maßgeblich in allen Bereichen, so auch in der IT. Diversität bedeutet für mich, die Mitarbeitenden so zu akzeptieren und sie darin zu bestärken, so bei Siemens zu arbeiten, wie sie sind, unabhängig von ihrer kulturellen, religiösen oder sexuellen Orientierung – unser oberstes Gebot. Last but not least: Im „E“ für „Equity“ bei DEGREE ist das Ziel von 30 % Frauen in Führungsrollen im Topmanagement bis 2025 festgelegt. Darüber hinaus fördern wir mit speziellen Programmen wie in der Kooperation mit dem BDI, „SheTransformsIT“ oder auch mit Veranstaltungen wie „Female in Tech“ sehr aktiv Frauen in Tech-Berufen und wollen hier bewusst Vorbehalte und Vorurteile abbauen.
Genderfragen und Diversity sind natürlich in einem großen Unternehmen wie Saint-Gobain von wichtiger Bedeutung. Bei uns spiegelt sich dies bereits im Top Management wider. Der Vorstand besteht zu 50 % aus Nicht-Franzosen und der Frauenanteil liegt bei 38 %.
In der IT-Branche ist dieser Prozentsatz nur schwierig zu verwirklichen. Gibt es in Indien noch mehr in IT ausgebildete Frauen, sind es in Europa einfach zu wenige, welche diesen Weg beschreiten. Grundsätzlich glaube ich, dass es da um schlechte Public Relation geht. Wie viele Teenager wissen, dass es in der IT eine große Anzahl an unterschiedlichen und spannenden Berufen gibt? Das, was man unter „IT“ als Job versteht, nämlich Programmieren, macht vielleicht 10–20 % der eigentlichen Positionen aus. Ich würde mir mehr Kommunikation über die Vielfalt der Aufgaben innerhalb einer IT wünschen, damit sich dann mehr Frauen für eine solche Karriere entscheiden.
Am Ende dieses Dialogs angekommen, danke ich Ihnen für Ihre Zeit und für die inspirierenden Antworten auf meine Fragen.