Schon gewusst? Programmierung war einmal Frauensache. Doch dann kam der Computer-Nerd daher, kaperte sich das Berufsfeld, machte es zur Männersache. Und nun fehlt der KI die weibliche Perspektive.
Frauen sind im KI-Bereich signifikant unterrepräsentiert, dabei stellen sie mit einem Anteil von fast 50 Prozent die größte demografische Gruppe dar. Die weibliche Perspektive fehlt in der Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz und wird auch in Trainingsdatensätzen vergeblich gesucht. Die Folge sind systematische Verzerrungen. Es verfestigen sich: Benachteiligung, Diskriminierung und Chancenungleichheit. Der Entwicklung fairer KI-Lösungen stehen unterdessen stereotype Rollenverständnisse und ungleiche Bildungs- wie Karrierewege von Männern und Frauen im Weg.
KI wird von Männern erzogen
Weiterbildung, Entwicklung, Forschung, Anwendung: KI ist eine rein männliche Domäne. Um Anweisungen ausführen zu können, werden KI-Systeme mit bestehenden Daten gefüttert. Sind dafür homogene - überwiegend weiße, männliche - Teams verantwortlich, verstärken sich gesellschaftliche und historisch verankerte Ungleichheiten. Etwa bei Entscheidungen in Recruiting-Systemen, die typische männliche Jobs ausschließlich männlichen Bewerbern zuteilen, oder in der medizinischen Diagnostik. Damit Frauen nicht durch Bewerbungsraster fallen und im Krankheitsfall nicht länger aufgrund männlicher Patientendaten (fehl-)behandelt werden, braucht es multiperspektivisch trainierte Algorithmen. Dazu wiederum sind mehr Frauen erforderlich, die sich aktiv in Forschung und Entwicklung von KI einbringen, die sich KI zum Anliegen machen.
Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) hat die Chancen und Herausforderungen von "Frauen im Bereich Künstliche Intelligenz" untersucht. Die Untersuchung konzentriert sich auf diese Herausforderungen: Unterrepräsentation von Frauen, Widerspiegelung historischer Verzerrungen und Subjektivität der Entwicklerteams. Ziel ist, das Potenzial von Frauen aus den MINT-Fächern sowie einem breiten Spektrum anderer Disziplinen - wie etwa den Geisteswissenschaften - zu erschließen und gezielt für den KI-Bereich zu fördern.
Faire KI braucht diverse Teams
Die Untersuchung kombiniert quantitative und qualitative Methoden: Mehr als 200 Teilnehmerinnen einer Online-Befragung und 13 Unternehmen gaben Auskunft zu Kenntnissen, Erfahrungen und Weiterbildungsbedürfnissen von Frauen mit MINT-Hintergrund und aus anderen Fachrichtungen.
Vielfalt in Teams - unter anderem hinsichtlich des Geschlechts sowie des fachlichen Hintergrunds - fördert Kreativität, ethisches Denken und die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, die eine breitere Basis an Nutzenden ansprechen. (Fraunhofer IAO, 2024)
Die Untersuchung ergab, dass die Mehrheit der befragten Frauen mit grundlegenden Konzepten und Theorien der KI vertraut ist: 73,7 Prozent mit MINT-Hintergrund und 59,9 Prozent aus anderen Fachrichtungen. Auch benutzen sie KI-Systeme öfter oder häufig: 60,0 Prozent mit MINT-Hintergrund und 52,2 Prozent mit anderem Background. Nur die wenigsten (9,8 und 8,3 Prozent) nutzen KI nicht. Direkt an der Entwicklung von KI-Projekten beteiligt, sind nur knapp 20 Prozent der Frauen mit MINT-Ausrichtung und 3,4 Prozent der Frauen aus anderen Fachgebieten. Allerdings ist immerhin gut jede zweite Frau aus dem MINT-Bereich (54,1 Prozent) indirekt daran beteiligt oder Teil eines Projektteams. Dieser Anteil deckt sich nahezu mit den Frauen aus anderen Fachrichtungen (50,9 Prozent).
Wie Unternehmen weibliche KI fördern können
Auf Grundlage der Ergebnisse können von Unternehmen Strategien entwickelt werden, die die Diversität von KI-Systemen verbessern, diese fairer und inklusiver machen.
Handlungsempfehlungen des IAO für KMU und Großunternehmen, die die Inklusion und Förderung von Frauen stärken möchten:
- Zugang zu KI-Tools, Technologien und Lernplattformen ermöglichen:
- Sicherstellen, dass Frauen gleichermaßen Zugang zu neuen KI-Systemen haben.
- Aufbau von interdisziplinären Teams:
- Förderung der Bildung interdisziplinärer Teams zur Nutzung verschiedener Perspektiven.
- Gezielte Förderprogramme entwickeln:
- Mentoring, Coaching und spezifische Weiterbildungsangebote für Frauen im KI-Bereich bieten.
- Status-quo-Analyse durchführen:
- Unternehmensweite Befragungen zur Erfassung der Wünsche und Bedürfnisse von Frauen durchführen.
- Rekrutierungsstrategien verbessern:
- Anpassung der Rekrutierungsstrategien, um mehr Frauen im KI-Bereich zu integrieren
- Aufbau einer internen AI-Community - Frauen helfen Frauen:
- Sicherstellen von der finanziellen Mittel, Planung von regelmäßigen Veranstaltungen, Aufbau einer Kommunikationsplattform
Wie Frauen aus der IT verschwanden
Die Studie nennt Namen und Errungenschaften von Pionierinnen und Expertinnen im Bereich Programmierung und Computerentwicklung vom 19. Jahrhundert bis heute. Angeführt wird die beeindruckende Liste von der britischen Mathematikerin Ada Lovelace. Sie gilt als erste Programmiererin (um 1840) und legte den Grundstein für die spätere Entwicklung von Computern. Programmieren galt viele Jahrzehnte als typische Arbeit für Frauen und Menschen mit wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie war körperlich leicht zu erledigen und mies bezahlt.
Doch dann kam der Nerd und ein männliches Image war geboren. Das verdrängte die Frauen aus der IT, wie Esther Schelander im Deutschlandfunk erzählt: Der Nerd löscht die bisherige Geschichte von der Programmierung als einfache Routine-Tätigkeit, für die es kein besonderes Können braucht. Er erzählt stattdessen eine andere Geschichte. Eine von Einzigartigkeit, Begabung, Kreativität und Komplexität. (…) In den Achtzigern erobert der Nerd Popkultur und Medien - und die Frauen steigen plötzlich aus der Programmierung aus."