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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

»Do you recognize me?« – Bemerkungen zur Zeitlichkeit der Oberfläche in Twin Peaks

verfasst von : Nora Weinelt

Erschienen in: Mysterium Twin Peaks

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Zeitlichkeit und (Materialität der) Oberfläche in Twin Peaks. Ausgehend von einigen Beobachtungen zu Lynchs Spiel mit den Dimensionen von Oberfläche und Tiefe wird gezeigt, wie den Oberflächen bereits in den ersten Minuten des Pilotfilms (S1.E1) eine spezifische Zeitlichkeit eingeschrieben wird, die sich wesentlich ihrer Materialität, ihren Schichtungen und Faltungen verdankt. Dieses Verfahren stellt eine ikonographische Konstante der Serie dar und wird auch in der dritten Staffel wieder aufgegriffen, hier allerdings mit einer entscheidenden Differenz der Wiederholung: Lynch reinszeniert bekannte Einstellungen der ersten beiden Staffeln und verweilt dabei ausgiebig bei der faltigen Haut, den grauen Haaren, der Tatsache, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler gealtert sind. Damit setzt er einen Kontrapunkt zu einem sonst mystisch-zirkulären, ja fluiden Zeitverständnis, das in Twin Peaks: The Return seinem Höhepunkt zuläuft.

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Fußnoten
1
In diesem letzten Gespräch sagt die Log Lady auch den als Motto diesem Beitrag vorangestellten Satz (S3.E15; 0:42,12–0:42,16).
 
2
Zusätzlich verstärkt wird die Thematik von Vergänglichkeit, Alter und Tod in Twin Peaks: The Return durch die Tatsache, dass zwei Figuren große Bedeutung zukommt, deren Darsteller bereits zu Drehbeginn verstorben oder schwer erkrankt waren. Der Leichnam des verschwundenen Major Briggs (Don S. Davis) wird in Buckhorn, South Dakota gefunden, ohne Kopf und – morbide Ironie des Lynch’schen Schicksals – auf mysteriöse Weise jung geblieben. Fortan taucht er vor allem als Diskurselement, als eines der zentralen Rätsel der dritten Staffel auf; die wenigen Szenen, in denen er tatsächlich physisch zu sehen ist, wurden aus Archivmaterial montiert. Auch der Verbleib eines zweiten ehemaligen Ermittlers ist ungewiss: Phillip Jeffries, in einem kurzen Cameo-Auftritt in Twin Peaks: Fire Walk With Me von David Bowie dargestellt, kehrt schließlich in Gestalt einer überdimensionalen Teekanne auf den Bildschirm zurück. Anders als Don S. Davis, der bereits 2008 verstorben ist, sollte Bowie seine Rolle durchaus erneut verkörpern; Lynch selbst hat in Interviews bestätigt, dass Bowie über die Pläne informiert war, die Rolle aber – vermutlich aufgrund seines Gesundheitszustandes – ablehnte (Robinson 2017).
 
3
Die nachfolgenden Beobachtungen und Analysen beziehen sich zu einem großen Teil auf Lynchs spezifische filmische Bildsprache. Wo dies nicht der Fall ist und Fragen von Narration und screenplay wichtig erscheinen, wird Mark Frost gleichberechtigt im Fließtext genannt.
 
4
Das sogenannte continuity editing umfasst letztlich alle Montagetechniken, die dazu beitragen, Anschlüsse so zu gestalten, dass der Zuschauer und die Zuschauerin die Beschaffenheit des Films als Film möglichst wenig wahrnehmen. Ziel ist ein ›unsichtbarer Schnitt‹, also die Vermeidung von jump cuts oder Achsensprüngen etwa durch nur langsames Verändern der Einstellungsgrößen oder das Schuss-Gegenschuss-Verfahren (vgl. dazu grundlegend Thompson 1985).
 
5
Zur Unterscheidung zwischen zentripetalem Bild in der Malerei und zentrifugalem Film-Bild vgl. Bazin 2002, S. 187–193.
 
6
Die Timecodes der Screenshots aus der dritten Staffel beziehen sich auf folgende DVD-Box: Twin Peaks: The Return. A Limited Event Series (USA 2017). Produktion: David Lynch, Mark Frost & Sabrina S. Sutherland; Lynch/Frost Productions. Vertrieb: Showtime Networks. Laufzeit (Blu-ray: Paramount Universal Pictures, 2018): 1044 Min. Die Timecodes aus den ersten beiden Staffeln beziehen sich mit Ausnahme der Angaben aus S1.E1 auf folgende DVD-Box: Twin Peaks (USA 1990–1991; Staffel 1 u. 2). Produktion: David Lynch, Mark Frost u. Gregg Fienberg; Lynch/Frost Productions. Vertrieb: Paramount. Laufzeit (DVD, Definitive Gold Box Edition: Paramount, CBS DVD, 2016): ca. 1448 Min.
 
7
Diese Einstellung und die abschließende Wasserfall-Einstellung sind im ›regulären‹ Vorspann nach der Pilotfolge deutlich gekürzt, so dass aus einer zweieinhalb Minuten langen eine eineinhalb Minuten lange Eröffnungssequenz wird.
 
8
Nicht zufällig spielt in der Logik (so man sie als solche bezeichnen darf) von Twin Peaks Genealogie eine große Rolle: als Geschichte über häusliche Gewalt (nicht nur, aber vor allem im Hause Palmer) einerseits, mehr noch aber im Rahmen des (häusliche Gewalt bedingenden und spiegelnden) Verwandtschaftsverhältnisses, in dem die Entitäten des Bösen zueinander stehen und dessen ›Aufdeckung‹ immer weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Laura Palmer fällt ihrem eigenen, von BOB besessenen Vater zum Opfer; BOB wiederum stammt von Judy ab, die in Twin Peaks: The Return Lauras Mutter Sarah vereinnahmt, und auch BOB hat im Körper von Mr. C., dem bösen Doppelgänger von Dale Cooper, bereits Nachwuchs gezeugt. Gleichwohl gehorchen die Familienbande in Twin Peaks nicht der linearen Zeitlichkeit, die die graphische Metapher des Stammbaums suggeriert: Als bloße Materialisierungen des Bösen verweisen die besessenen Menschen und ihre Taten vielmehr auf eine ewige, generationenübergreifende Wiederkehr (explizit gemacht bereits im Titel der dritten Staffel: Twin Peaks : The Return), auf ein zyklisches Zeitverständnis, das die Metaphysik von Twin Peaks bestimmt.
 
9
Zur onirischen Qualität des Red Room siehe den Beitrag von Julian Lucks in diesem Band.
 
10
Der Einfachheit halber wird die von Sherilyn Fenn dargestellte Figur hier als Laura Palmer bezeichnet, obwohl der Man From Another Place sie als seine Cousine vorstellt, die Laura Palmer nur ähnlich sehe.
 
11
Zu den Venusstatuen im Red Room siehe auch den Beitrag ›The Evolution of the Arm‹ und die Evolution der Venus – Interpiktorialität und antike Doppelgänger in Twin Peaks von Marvin Madeheim in diesem Band.
 
12
›Fetisch‹ leitet sich etymologisch ab von lat. facticius = künstlich hergerichtet, nachgemacht, vgl. Kluge 2015, S. 211.
 
13
Dies betrifft übrigens auch die mithilfe von CGI dargestellten Ereignisse in der ›Realität‹, etwa die Ermordung des Liebespaars in New York in Part 1. Die CGI kreieren hier eine Ununterscheidbarkeitszone zwischen Traum und Realität und zeugen, indem sie mit fotorealistischen Sehgewohnheiten brechen, von einer Unfassbarkeit des Bösen und der Schwierigkeit, es darzustellen.
 
14
Kyle MacLachlan ist sicher nicht der einzige Schauspieler der Serie, der sich Facelifts und sonstigen Schönheitsbehandlungen unterzogen hat, aber einer der wenigen, der dies offen zugibt (vgl. Mau 2017). Tatsächlich betreffen die auf den vergangenen Seiten aufgezeigten Bemerkungen zu einer Materialität des Alterns Cooper in weit geringerem Maße als etwa Laura Palmer; einerseits wohl, weil er schlichtweg weniger – oder: anders – gealtert ist als viele seiner Kolleginnen und Kollegen, andererseits aber wohl auch, so ließe sich zumindest vermuten, aus einer gewissen Folgerichtigkeit heraus: weil ihm bereits in den ersten beiden Staffeln eine eigentümliche Alters- und Geschichtslosigkeit eignet (er kommt als Fremder in den Ort, über seine Herkunft erfährt man nur wenig), die die in Twin Peaks so präsenten genealogischen Zusammenhänge unterläuft.
 
Literatur
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Zurück zum Zitat Silbermann, C. (2016). Flagge der Uneindeutigkeit. Faltungen und Queerness in den Fotografien von Wolfgang Tillmans. In G. Lehnert & M. Weiland (Hrsg.), Ist Mode queer? Neue Perspektiven der Modeforschung (S. 147–160). Bielefeld: Transcript. Silbermann, C. (2016). Flagge der Uneindeutigkeit. Faltungen und Queerness in den Fotografien von Wolfgang Tillmans. In G. Lehnert & M. Weiland (Hrsg.), Ist Mode queer? Neue Perspektiven der Modeforschung (S. 147–160). Bielefeld: Transcript.
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Metadaten
Titel
»Do you recognize me?« – Bemerkungen zur Zeitlichkeit der Oberfläche in Twin Peaks
verfasst von
Nora Weinelt
Copyright-Jahr
2020
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-29752-7_7