Die berufliche Ausbildung in Deutschland wird auch heute noch häufig mit der dualen Ausbildung gleichgesetzt. Schulische Berufsausbildungen können im doppelten Sinn als Ausbildungen zweiter Klasse gesehen werden: Sie werden in Öffentlichkeit und Wissenschaft seltener wahrgenommen; geraten sie aber in den Blick, so wird oftmals angenommen, dass die (überwiegend weiblichen) Personen, die solche Ausbildungen absolvieren, im Vergleich zu dual Ausgebildeten schlechtere Arbeitsmarktchancen haben. Der Beitrag skizziert zunächst duale Ausbildungen, Ausbildungen an Schulen des Gesundheitswesens sowie Ausbildungen an Berufsfachschulen (unter gesonderter Betrachtung der Erzieher:innen) im gesellschaftlich-historischen Kontext und zeigt, wie dieser Kontext letztlich auch mit unzureichender Forschung zu den schulischen Ausbildungen einhergeht. Mit Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) werden anschließend die Chancen von Absolvent:innen der verschiedenen Ausbildungssegmente beim Übergang in den Arbeitsmarkt analysiert (Dauer bis zur ersten Beschäftigung, Merkmale des ersten Beschäftigungsverhältnisses sowie Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung). Im Ergebnis zeigt sich, dass die (nicht bundesweit, sondern per Ländergesetzgebung geregelten) Ausbildungen an Berufsfachschulen tatsächlich mit etwas schlechteren Arbeitsmarktchancen verknüpft sind. Auffällig ist das Profil der Erzieher:innen, die besonders häufig befristet beschäftigt sind. Mit Blick auf den Beschäftigungsbedarf der Zukunft sind mehr öffentliche Aufmerksamkeit und mehr staatliches Engagement für die schulische Berufsbildung dringend erforderlich.
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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Berufsausbildung in Deutschland
Berufliche Ausbildungen, die wie die duale Ausbildung in Deutschland eine starke betriebliche Komponente aufweisen, genießen international einen guten Ruf (Ebner 2013, S. 15 ff.).1 Sowohl die OECD (2010, S. 34, 47) als auch die ILO (Steedman 2012, S. 1 f.) heben die weitgehend unproblematischen Übergänge von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt und die niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Ländern mit einer starken Lehrausbildung, namentlich in Deutschland, hervor; und auch Autoren, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit der dualen Ausbildung registrieren (wie etwa Culpepper 1999, S. 1), erkennen die Erfolgsgeschichte dieser Ausbildung an. Entsprechend wird die Berufsausbildung in Deutschland vielfach mit der dualen Ausbildung in eins gesetzt.
Doch auch wenn die duale Ausbildung – in der die Auszubildenden drei bis vier Arbeitstage pro Woche im Betrieb verbringen, begleitet von Unterricht in einer (Teilzeit‑)Berufsschule – die quantitativ wichtigste Komponente der nicht-tertiären beruflichen Ausbildung in Deutschland darstellt, ist ihre Gleichsetzung mit der Berufsausbildung in Deutschland schlechthin unzutreffend (Protsch und Solga 2019). Denn neben der dualen Ausbildung existieren auch schulische Formen der (vollqualifizierenden) Berufsausbildung, die im wesentlichen an Berufsfachschulen und Schulen des Gesundheitswesens geleistet werden.2 In schulischen Ausbildungsgängen begannen in den letzten Jahren jeweils etwas mehr als 200.000 junge Menschen (davon ca. zwei Drittel weiblichen Geschlechts) eine Ausbildung. Diese Zahl liegt zwar deutlich unter den jährlich ca. 500.000 Personen, die eine duale Ausbildung (eine „Lehre“) anfingen (zu ca. 60 Prozent männlich; seit einigen Jahren ist die absolute Zahl allerdings deutlich rückläufig), stellt aber keineswegs eine quantité negligeable dar. Schulische Formen der Berufsausbildung kommen in den politischen Debatten in Deutschland allerdings kaum vor – Krügers Diktum (2003, S. 501), die schulische Berufsausbildung werde „bildungspolitisch üblicherweise vergessen“, gilt noch heute –, und ebenso wenig stehen sie im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. So können bis heute in gewichtigen Handbüchern Übersichtstexte wie diejenigen von Greinert (2006) oder Brater (2018) erscheinen, die entgegen dem in den Titeln enthaltenen Versprechen („Geschichte der Berufsausbildung in Deutschland“ bzw. „Berufliche Bildung“) ausschließlich die duale Ausbildung behandeln und vollzeitschulische Ausbildungen nicht einmal erwähnen – oder sie nach einem einleitenden knappen Hinweis umgehend wieder vergessen (Heinemann 2012). Werden vollzeitschulische Ausbildungen thematisiert, so werden häufig ihre (fraglos bestehenden) Defizite und Nachteile hervorgehoben (Krüger 2003, 2004); nur gelegentlich wird versucht, die schulischen Formen als zumindest im Grundsatz oder mit Blick auf ihr Potenzial als gleichwertig mit der dualen Ausbildung herauszustellen (Feller 1996, 2000b, 2004). Allerdings ist – aus Gründen, die mit der geringen öffentlichen Bedeutung der schulischen Ausbildung zusammenhängen und noch zu erörtern sind – bis heute die Forschung hierzu in gravierendem Ausmaß unterentwickelt, im Unterschied zu der über die duale Ausbildung. Empirische Vergleiche dualer und schulischer Ausbildungsformen sind selten und können obendrein größtenteils nicht vollständig befriedigen. Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zum empirisch informierten Wissen über die nicht-tertiäre Berufsausbildung, der einige der Probleme vieler bisheriger Analysen zu schulischen Ausbildungsformen (Beschränkungen in regionaler oder beruflicher Hinsicht, sehr kleine Fallzahlen) vermeidet. Unsere Untersuchung ist bilanzierender Natur: Wir nehmen Personen in den Blick, die in den Jahren 1973 bis 2010 eine nicht-tertiäre berufliche Ausbildung abgeschlossen haben, und verfolgen sie über die ersten fünf Jahre ihres Berufslebens.
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Mehrere Gründe sprechen dafür, der schulischen Berufsausbildung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Aus wissenschaftlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die duale Ausbildung anderen Ausbildungsformen tatsächlich so überlegen ist, wie häufig suggeriert wird, ob also ihr Ruf als „Königsweg“ der deutschen Berufsausbildung – der, so Protsch und Solga (2019, S. 581), bis heute fortbesteht – berechtigt ist. Auch mit Blick darauf, dass schulische Ausbildungen wesentlich häufiger von jungen Frauen als von jungen Männern gewählt werden, wäre es wünschenswert zu prüfen, ob die Annahme, es handele sich hier um eine zweitrangige Ausbildungsform, wirklich zutrifft. Aus gesellschaftlicher und bildungspolitischer Sicht sind vollzeitschulische Ausbildungen ebenfalls von Interesse. Viele Berufe, auf die in einer schulischen Ausbildung vorbereitet wird – etwa in der frühkindlichen Erziehung oder der Gesundheitspflege –, sind in den letzten Jahrzehnten immer mehr in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung anerkannt worden, wenn auch der Weg zu ihrer angemessenen Bewertung noch bei weitem nicht vollendet ist. Dabei haben diese Ausbildungen einen gewichtigen (potenziellen) Vorteil gegenüber dualen Ausbildungen: Neben privaten Trägern sind hier vor allem Einrichtungen der öffentlichen Hand tätig, so dass ein Fundamentalproblem der dualen Ausbildung – die Abhängigkeit von der Ausbildungswilligkeit der privatwirtschaftlichen Betriebe – hier nicht im gleichen Maße gegeben ist.
Mit unserer Untersuchung reagieren wir auch auf die Persistenz und Anpassungsfähigkeit, die die duale Ausbildung allen kritischen Einwänden zum Trotz an den Tag gelegt hat (Dobischat 2010, S. 103; zur Kritik siehe insbesondere Geißler 1991, Baethge et al. 2007 sowie die Zusammenfassung der Diskussionen bei Konietzka 1999, S. 85 ff.). In gleichem Maße haben die vollzeitschulischen Berufsbildungen trotz des häufig geäußerten Vorwurfs der fehlenden Praxisnähe (Hinweise bei Dobischat 2010, S. 123, 126, oder Feller 2004, S. 50) im historischen Verlauf eher an Bedeutung gewonnen, wenngleich auch hier Herausforderungen bestehen. Auch die Diskussionen um die Akademisierung der Ausbildung in wichtigen Berufsfeldern, etwa den Gesundheitsberufen (Wissenschaftsrat 2012) oder der frühkindlichen Erziehung (Diller und Rauschenbach 2006), dürften hieran zumindest in der nächsten Zeit wenig ändern. In einer Arbeitsmarktsituation, in der Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsplätze beklagt werden, ist bis auf weiteres von einer bedeutenden Rolle der etablierten Formen der Berufsausbildung auszugehen, so dass eine Untersuchung der Arbeitsmarktchancen ihrer Absolvent:innen wichtige Informationen liefert.
Nach einer kurzen vergleichenden Skizze zur Bedeutung von dualer und schulischer Ausbildung im deutschen Institutionengefüge und einer kritischen Aufarbeitung des Forschungsstands präsentieren wir Analysen mit Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS; siehe Blossfeld und Roßbach 2019)3 auf der Grundlage von Hypothesen über Unterschiede zwischen den Ausbildungsformen. Wir vergleichen duale und mehrere Segmente schulischer Ausbildung und fragen danach, ob diese Ausbildungssegmente gleichermaßen gelingende Übergänge in das Erwerbsleben ermöglichen oder schulische Ausbildungen in dieser Hinsicht Defizite aufweisen. Wir verwenden drei Kriterien: Finden die jungen Erwachsenen nach abgeschlossener Ausbildung zügig einen Arbeitsplatz? Ist das erste Beschäftigungsverhältnis ein guter Einstieg in den Arbeitsmarkt, d. h. ist es unbefristet, möglichst in Vollzeit, und entspricht die ausgeübte Tätigkeit der absolvierten Ausbildung? Und schließlich: Ist der Einstieg in den Arbeitsmarkt stabil (als Kriterium für fehlende Stabilität soll ein Übergang in Arbeitslosigkeit gelten)? Der Blick auf den Berufseinstieg wird durch die vielfach bestätigte Beobachtung motiviert, dass dieser entscheidend für das weitere Erwerbsleben ist (so schon Blossfeld 1989, S. 17; unlängst von Menze 2019 [Kapitel 9.4, 9.6 und 10] erneut eindrücklich belegt). Andere Fragen – etwa nach unterschiedlichen Karrierechancen im weiteren Erwerbsverlauf oder nach den Einkommensmöglichkeiten – müssen in künftigen Analysen untersucht werden.
2 Duale und vollzeitschulische Ausbildung: Eine kurze historische und systematische Skizze
Woher rühren die Unterschiede in der Aufmerksamkeit für die duale Berufsausbildung einerseits und die schulischen Ausbildungsformen andererseits? Etwas vereinfachend und polemisch verkürzt kann man formulieren: Die Ursache liegt in dem lange Zeit auf männliche, handwerklich und industriell ausgerichtete Tätigkeiten beschränkten Blick auf Erwerbsarbeit, in dem weibliche Tätigkeiten – vielfach, wenn auch nicht ausschließlich personenbezogene Dienstleistungen in den Bereichen Erziehung, Pflege und Haushalt – wenig zählen. Diese Antwort ist allerdings, wenngleich grundsätzlich richtig, noch ziemlich unscharf und bedarf der Präzisierung durch einen kurzen Blick in die Historie. Dieser Blick erhellt gleichzeitig wichtige Unterschiede zwischen den Ausbildungsformen.4
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Rücken wir zunächst die Perspektive auf die duale Ausbildung zurecht: Dass in einer modernen Volkswirtschaft eine stark betrieblich basierte und insoweit eng an das Wirtschaftssystem angebundene, aber staatlich (ko‑)regulierte und durch eine Teilzeitschule ergänzte Berufsausbildung das dominante Ausbildungsmodell darstellt, war und ist nicht selbstverständlich, sind doch viele Länder einen anderen Entwicklungspfad gegangen, indem sie die Hinführung junger Menschen an die Erwerbsarbeit entweder in (meist staatliche) Schulen integrierten oder weitgehend unreguliert den einzelnen Betrieben überließen (oder beides). Auch in Deutschland war der Weg zu einer dualen Ausbildung keineswegs eindeutig vorgezeichnet. Denn als sich im 19. Jahrhundert die Verhältnisse zu modernisieren begannen, wurde einerseits die betriebliche Lehre in Preußen im Zuge der durch die Stein-Hardenberg-Reformen etablierten Gewerbefreiheit aus den alten (Zunft‑)Banden des Handwerks befreit, andererseits war auch ein Aufschwung schulischer Anstalten für die berufliche Ausbildung zu beobachten. In Preußen entstanden sog. Provinzial-Gewerbeschulen, die süddeutschen Länder waren für schulische Bildungsformen im gewerblichen, industriellen und kaufmännischen Bereich sogar noch offener (Grüner 1983, S. 154 f.), und im Kaiserreich erlebten um die Wende zum 20. Jahrhundert vor allem technische, aber auch kaufmännische Fachschulen eine deutliche Ausdehnung (Schütte 2010, S. 6 ff.).
Entscheidend gestützt wurde die betriebliche Ausbildung aber Ende des 19. Jahrhunderts durch die konservative „Mittelstandspolitik“ des Kaiserreichs, die die Lehrausbildung wieder fest im Handwerk verankerte (Handwerkerschutzgesetz von 1897, Etablierung des sog. „kleinen Befähigungsnachweises“ – Meisterbrief als Voraussetzung für das Ausbilden – im Jahr 1908) (Thelen 2004, S. 43 ff.; Greinert 2006; Ebner 2013, S. 29; Deissinger und Gonon 2021, S. 203 ff.). Dadurch wurde die Berufsausbildung allerdings auch Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Die deutschen Gewerkschaften waren, im Unterschied zu vielen anderen Ländern, nicht an einer beruflichen Ausbildung als einem aus der Einflusszone der Unternehmen (aber auch der Gewerkschaften selbst) befreiten rein schulischen Bildungsverhältnis interessiert (Thelen 2004, S. 66 ff.), sondern unterstützten die Idee der betriebsbasierten Ausbildung, wenngleich sie natürlich Mitgestaltungsrechte und eine stärkere staatliche Reglementierung des Ausbildungsverhältnisses forderten. Auch die Industrie bekämpfte vor allem die Beschränkung der Lehrlingsausbildung auf das Handwerk (nur die Handwerkskammern konnten Ende des 19. Jahrhunderts Prüfungen zum Abschluss der Ausbildung abnehmen) und entwickelte eigene Ausbildungsmodelle (ebd., S. 55 ff.; Greinert 2006, S. 502 f.), bis schließlich Mitte der 1930er-Jahre die Industrie- und Handelskammern eigenständige Prüfungsrechte erhielten und die industriell ausgebildeten Facharbeiter formell den gleichen Status wie die Handwerksgesellen erlangten (Thelen 2004, S. 222). Der Staat trat in dieser Zeit vor allem als Regulierer des Verhältnisses zwischen den wirtschaftlichen Gruppen auf, etablierte aber in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts auch immer mehr die moderne Teilzeitberufsschule als zwingenden Bestandteil der betriebsbasierten Ausbildung (endgültig festgeschrieben im Jahr 1938); diese baute auf den im 19. Jahrhundert entstandenen „Fortbildungsschulen“ auf und schloss sie in den Bereichen Handwerk, Industrie und Handel mit der betrieblichen Ausbildung zusammen. Die inzwischen durchaus komplex gewordene schulische Ausbildungslandschaft – u. a. war eine Differenzierung zwischen niederen und höheren Fachschulen entstanden, wobei Letztere sich später zu den heutigen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften weiterentwickelten – verlor dadurch im Bereich von Handwerk, Industrie und Handel an Bedeutung, denn vollzeitschulische Ausbildungen in den Berufen mit etablierter Lehrausbildung wurden durch die skizzierten Entwicklungen quantitativ sehr stark zurückgedrängt.5
Das Berufsbildungsgesetz (BBiG)6 von 1969 formulierte dann den bis heute fortbestehenden Rahmen, der den bundesdeutschen Korporatismus – Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und der Staat bilden ein mehr oder weniger festes Institutionengerüst für das Wirtschaftssystem – auch für die duale Ausbildung endgültig stabilisierte (Baethge 1999; Büchter 2013). Damit wurde auch die bundesweite Regulierung von Ausbildungsberufen und -inhalten etabliert. Gleichzeitig wurden Konflikte um die duale Ausbildung zwar in gewisser Weise gezähmt, aber innerhalb dieses Rahmens auf Dauer gestellt. Die wiederholten Versuche sozialdemokratisch geführter Regierungen, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen, oder die heftigen Diskussionen um den demographisch begründeten Lehrstellenmangel in den früheren 1980er-Jahren7 sind Beispiele dafür, wie das Konfliktpotenzial der dualen Ausbildung immer wieder manifest wird und diese in der öffentlichen Wahrnehmung präsent hält.
Die wichtigsten Ursprünge der in den letzten Dekaden dominierenden Formen vollzeitschulischer Berufsausbildung liegen nicht in den „klassischen“ Berufen in Handwerk, Industrie und Handel, sondern in der zunehmenden Bedeutung von Kranken- und Wohlfahrtspflege sowie öffentlicher Erziehung seit dem 19. Jahrhundert, also in Vorformen heutiger Wohlfahrtsstaatlichkeit; hinzu kamen im späten 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch hauswirtschaftliche und gewerbliche Frauenfachschulen und später als Sonderfälle die sog. Assistentenberufe oder andere stark auf formales Lernen ausgerichtete Ausbildungen. Auch im Segment der vollzeitschulischen Ausbildungen setzten um die Wende zum 20. Jahrhundert Prozesse der rechtlichen Regulierung ein, allerdings unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Nur zwei Bereiche seien exemplarisch aus dem komplexen Geschehen herausgegriffen (siehe auch Büchter 2021).
Die Krankenpflege in Deutschland hat ihre neuzeitlichen Wurzeln in den Kirchen (etwa den Barmherzigen Schwestern oder der evangelischen Diakonie), aber auch in bürgerlichen Organisationen (Seidler und Leven 2003, S. 210 ff.; siehe auch Schweikardt 2008). In diesem Zusammenhang entstanden im 19. Jahrhundert, häufig angeschlossen an Hospitäler, die ersten Krankenpflegeschulen oder Pflegeseminare. Auch als Folge von Kämpfen der Pflegekräfte um Verbesserungen kam es zu ersten staatlichen Regulierungen (Prüfungsvorschriften entstanden ab 1907 in Preußen, ähnlich dann in anderen Ländern des Deutschen Kaiserreichs) (Helmerichs 1992); 1938 wurde mit dem Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege die reichseinheitliche Regelung der Ausbildung eingeführt. In der Bundesrepublik gibt es seit 1957 eine bundesweit geregelte Ausbildung in Schulen des Gesundheitswesens, da es sich bei den Berufen der Krankenpflege (ebenso wie einigen anderen Gesundheitsfachberufen) um Heilberufe handelt und die Zuständigkeit für die Zulassung zu diesen Berufen gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG beim Bund liegt. In ähnlicher Weise wurden im Anschluss weitere Gesundheitsfachberufe geregelt, teilweise nach einer Phase landesrechtlicher Regelungen wie etwa im Falle der Altenpflege, die erst durch das Altenpflegegesetz von 2000 zu den Heilberufen gerechnet wurde.
Der heutige Beruf der Erzieherin/des Erziehers entstand nach und nach in Zusammenhang mit dem Problem der Betreuung nicht schulpflichtiger Kinder in den Städten, das im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung virulent wurde. Wurden entsprechende Einrichtungen zunächst als „Kinderbewahranstalten“ bezeichnet und auch als solche konzipiert, so stellte die Pädagogik des 19. Jahrhunderts bald die Frage nach der Qualifikation der dort arbeitenden Frauen, und Fröbel gründete im Jahr 1849 die erste Ausbildungsstätte für das Personal der von ihm als „Kindergarten“ bezeichneten Einrichtungen. Erstmals staatlich reguliert wurde die Ausbildung zur „Kindergärtnerin“ im Jahr 1908; 1928 wurde sie mit der zur Hortnerin zu einer zweijährigen Ausbildung zusammengefasst. Als schulische Ausbildung wurde sie dann in der Bundesrepublik zur Sache der Bundesländer und in Fachschulen (in Bayern: Fachakademien) für Sozialpädagogik organisiert, strukturiert durch Rahmenvereinbarungen der Kultusministerkonferenz (Nagel 2000).
Damit sind zwei wichtige Felder umrissen, in denen die Ausbildung vollzeitschulisch stattfindet, kommt doch „den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Soziales (so genannte GES-Berufe, die nicht den Kern der industriell und handwerklich geprägten Lehre des dualen Systems darstellen)“ (Seeber und Seifried 2019, S. 495), heute quantitativ die größte Bedeutung zu (siehe auch Seeber und Michaelis 2015, S. 280). Dazu kommt eine Anzahl weiterer Berufe, für die die schulische Ausbildung ebenfalls nur auf Ebene der Bundesländer geregelt ist (entsprechend werden all diese Berufe häufig als „Schulberufe nach Landesrecht“ bezeichnet, die Ausbildungsinstitutionen als „Berufsfachschulen außerhalb BBiG/HwO“). Unter diesen ragen die Assistentenberufe quantitativ heraus, die allerdings, wie dieses gesamte Segment, in den letzten Jahren im Rückgang begriffen sind. Solche Berufe gibt es in einigen Bereichen, „die eine hohe Dichte akademischer Berufsträger aufweisen. Soweit dort heterogene Hilfsfunktionen in größerem Umfang benötigt werden, können sie in den Berufsfunktionen von Assistenten zusammengefasst werden“ (Schenk 1983, S. 40). Diese Beschreibung gilt vor allem für technische Assistentenberufe, etwa in der Medizin, Pharmazie, Chemie oder Biologie, aber auch in den Bereichen Wirtschaft oder Informatik.8
Auch wenn in den letzten Jahren gerade in den Bereichen der Pflege und der frühkindlichen Erziehung intensiv über die Wertigkeit dieser Berufe und die Gefahr (die heute zur offenkundigen Tatsache geworden ist) eines zu geringen Arbeitskräfteangebots diskutiert wurde: Die Ausbildung in diesen und in anderen Berufen, in denen sie nicht dual organisiert ist, wird jenseits von Spezialistenkreisen kaum thematisiert. Dazu trägt zum einen sicherlich die Tatsache bei, dass es hier an der potenziell konflikthaften Opposition zweier mächtiger und gut organisierter Großgruppen (Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände) mangelt, zum anderen vermutlich auch die immer noch nicht gänzlich beseitigte Dominanz der gesellschaftlichen Deutung von „Arbeit“ als körperlicher bzw. maschinengestützter Verausgabung von (männlich konnotierter) Arbeitskraft. Dass die Verantwortlichen für die schulischen Ausbildungen, also das zuständige Bundesministerium in den Gesundheitsfachberufen (derzeit das BMG) und die für Bildung zuständigen Landesministerien in den übrigen Fällen, selbst kein Interesse an öffentlichen Debatten haben, darf nicht überraschen – eher schon die Tatsache, dass auch sozialwissenschaftliche Analysen „der Berufsbildungspolitik“ (Offe 1975; Hilbert et al. 1990; Busemeyer 2009; Müller et al. 2020) die vollzeitschulischen Formen der Ausbildung komplett ausblenden (die Bildungs- bzw. Kultusministerien der Länder werden allenfalls als Träger der Teilzeitberufsschule für das duale System erwähnt).
3 Wie amtliche Daten Debatten und Forschung bestimmen (und die schulische Ausbildung benachteiligen)
Die verschiedenartigen staatlichen Rahmenbedingungen für die dualen und die vollzeitschulischen Formen der Ausbildung haben auch zu erheblichen Unterschieden in der Quantität und der Qualität amtlicher Daten geführt. Und nicht nur das: Indem aus administrativen Daten in Teilbereichen (nämlich der dualen Ausbildung) Datensätze für die Wissenschaft gewonnen werden, resultieren die unterschiedliche Definition und Erfassung von Ausbildungen auch in einer selektiven wissenschaftlichen Forschung.
Für die duale Ausbildung ist vor allem relevant, dass alle Ausbildungsverträge einer „zuständigen Stelle“ nach § 71 BBiG – einer (Handwerks‑, Industrie- und Handels- oder vergleichbaren) Kammer – vorgelegt und dort registriert werden; diese Stellen sind gegenüber den statistischen Ämtern auskunftspflichtig, und die erhobenen Daten gehen seit 1977 in die Berufsbildungsstatistik, eine Bundesstatistik, ein (Werner 2000). Ebenso führt die Bundesagentur für Arbeit Statistiken über die Zahl der bei ihr registrierten „Bewerber“ (so der Sprachgebrauch bis heute im Sinne eines generischen Maskulinums) und der bei ihr gemeldeten Ausbildungsplätze und errechnet aus beiden Größen die Zahl der „versorgten“ bzw. „unversorgten Bewerber“ sowie der unbesetzten Ausbildungsstellen.9 All diese und weitere Zahlen sind Grundlage der seit 1977 jährlich veröffentlichten Berufsbildungsberichte und der wiederkehrenden Diskussionen über die Situation am Lehrstellenmarkt. Und auch wenn diese Daten aus den in Fußnote 9 genannten Gründen die Relation von Angebot und Nachfrage nach Lehrstellen höchst unvollkommen abbilden, kann man immerhin festhalten, dass sie seit vielen Jahrzehnten eine zuverlässige Erfassung der Anzahl der Personen möglich machen, die eine duale Ausbildung absolvieren. Zeitreihen für 1980 bis 1998 findet man etwa im Berufsbildungsbericht 1999 des BMBF (1999, S. 2), für 1992 bis 2018 im Bericht von 2019 (BMBF 2019, S. 51 f.). (Seither werden in den Berufsbildungsberichten nur noch kürzere Zeitreihen dargestellt.)
Daten für die vollzeitschulischen Ausbildungen waren lange Zeit sehr unzulänglich und sind bis heute noch nicht mit vergleichbarer Vollständigkeit und Exaktheit verfügbar. Die Angaben stammten lange aus den Schulstatistiken der Länder, die zu lückenhaften und unvollständigen Bundesstatistiken zusammengestellt wurden. Beispiele, nicht zuletzt für statistische Umstellungen, die zu Sprüngen in den Zeitreihen führen, finden sich bei Krüger (2004), die den entsprechenden Abschnitt ihres Textes mit der prägnanten, aber zutreffenden Überschrift „Fehler in der Datenbasis für Trendaussagen“ (S. 145) versieht, und von „Unübersichtlichkeiten, die durchaus zu Fehlinterpretationen in den Berichten selbst Anlass geben“ (S. 146), spricht.10 Durch die vor einigen Jahren eingeführte „integrierte Ausbildungsberichterstattung“ (iABE) des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BIBB) sind zwar Verbesserungen eingetreten, dennoch konstatiert beispielsweise ein Datenreport des BIBB zum Berufsbildungsbericht 2017: „Für die bundesrechtlich geregelten Gesundheitsfachberufe liegt bis heute keine vollständige Datenbasis vor […]‚ ‚da einige Länder keine Statistik vorhalten, andere Länder die Daten nicht oder nicht vollständig übermitteln‘ (Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2012, S. 44).“ (BIBB 2017, S. 199, Fn. 145) So wird man auf der Grundlage der Gesamtheit der Daten zwar dem Berufsbildungsbericht von 2005 zustimmen können, dass die duale Ausbildung quantitativ dominiert, die „anderen Bildungsgänge […] jedoch über die Jahre deutlich hinzugewonnen“ haben (BMBF 2005, S. 142); eine numerische Darstellung der Entwicklung schulischer Berufsausbildung würde jedoch eine Exaktheit vortäuschen, die der Überprüfung nicht standhielte, so dass eine Wiedergabe der Zahlen wissenschaftlich nicht vertretbar ist.
In der Annahme, dass die Relationen zwischen verschiedenen schulischen Ausbildungssegmenten und die Geschlechterrelationen innerhalb dieser durch die Daten nicht allzu sehr verfälscht werden, seien hier einige Angaben aus dem Bildungsbericht 2008 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 280 f.) in Annäherung wiedergegeben, um zumindest einen querschnittlichen Eindruck von den schulischen Ausbildungen (hier für das Schuljahr 2006/07) zu vermitteln. Von den gut 200.000 Personen im ersten Jahr einer schulischen Ausbildung (wie eingangs erwähnt, ist diese Zahl seit etwa 20 Jahren relativ konstant) machen etwa 8 Prozent (davon allerdings über die Hälfte in den ostdeutschen Bundesländern) eine schulische Ausbildung in einem BBiG/HwO-Beruf (zu zwei Dritteln Frauen), deutlich über 30 Prozent in einem Gesundheitsfachberuf (Pflegeberufe, Physiotherapeuten u. ä.; drei Viertel Frauen) und gut 25 Prozent in einem Beruf in der frühkindlichen Erziehung oder Sozialpflege (über 80 Prozent Frauen). Unter dem restlichen Drittel fallen die Technischen Assistenzberufe und die Berufe in der Wirtschaftsinformatik (etwas über 10 Prozent aller Personen in schulischer Ausbildung) mit einem hohen Männeranteil (zwei Drittel bzw. über vier Fünftel) auf, während ansonsten die Frauen in der Mehrzahl sind.
Die wissenschaftliche Forschung ist schon seit den 1980er-Jahren, ausgehend von der Einsicht, dass Stationen und Ereignisse im Lebensverlauf von Individuen aufeinander aufbauen, an Übergangsprozessen und den sich daraus entwickelnden individuellen Bildungs- und Berufsverläufen interessiert (Diewald 2013). Für die dualen Ausbildungen sind Daten zumindest zu den Übergängen in den Arbeitsmarkt und den sich anschließenden Erwerbsverläufen in großem Umfang verfügbar, seit das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit Verlaufsdaten über sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als Scientific Use Files (SUF) zur Verfügung stellt – denn dual Auszubildende sind sozialversicherungspflichtig und somit in entsprechenden Datensätzen vertreten, im Unterschied zu Personen in vollzeitschulischen Ausbildungen.11 Anhand dieser großen SUFs mit tagesgenauen Verlaufsdaten, die mit hervorragender Stichprobenqualität aus der Grundgesamtheit aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen gezogen wurden, entstanden zahlreiche Analysen, die die Übergänge von der dualen Ausbildung in den Arbeitsmarkt, nicht zuletzt die Übernahmen von Auszubildenden in ein Beschäftigungsverhältnis im Ausbildungsbetrieb, detailliert nachzeichnen konnten (Konietzka 2002, 2010; Konietzka und Seibert 2001; Steinmann 2000, S. 158 ff.; Seibert und Kleinert 2009; Dummert 2021).
Ein Schwerpunkt der Analysen lag hier auf der Frage, ob es im historischen Zeitverlauf zu einer „Erosion des Übergangsregimes“ (Konietzka und Seibert 2001) gekommen ist (Absinken der Übernahmequoten der Ausbildungsbetriebe von durchschnittlich 80 Prozent in den 1960er-Jahren um zehn Prozentpunkte bis in die 1990er-Jahre [Hecker 2002, S. 54] und anschließend noch tiefer [Baethge et al. 2007, S. 588]). Neuere Arbeiten (u. a. Dummert 2018) deuten jedoch darauf hin, dass sich vor allem konjunkturell und demographisch bedingte Schwankungen, jedoch kein säkularer Trend der Übernahmequoten beobachten lassen (Dietrich und Abraham 2018, S. 96; ähnlich Konietzka 2010, S. 293). Dazu trägt nicht zuletzt die Tatsache bei, dass Tarifverträge in vielen Wirtschaftszweigen die Übernahme der Ausgebildeten durch den Ausbildungsbetrieb vorsehen – wenn auch häufig nur für einen begrenzten Zeitraum.
Wenn Ausgebildete nicht übernommen werden, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit der Ausbildung, ob also die Ausgebildeten eine Beschäftigung in ihrem Ausbildungsberuf finden oder den Beruf wechseln (müssen) (die sog. Ausbildungs[in]adäquanz). Über längere Zeiträume hinweg kann konstatiert werden, dass um die 15 bis 20 Prozent der weiblichen und ca. 20 bis 25 Prozent der männlichen Ausgebildeten in der ersten Erwerbstätigkeit einen anderen Beruf als den erlernten ausüben (oft wird hier von horizontaler Inadäquanz oder Fachinadäquanz gesprochen). Häufig geschieht dies nach einem Betriebswechsel, dem teilweise auch noch eine Phase der Arbeitslosigkeit vorausging (Seibert 2007, S. 3). Da sich auch hier im Zeitverlauf kein Trend zu einer Verschlechterung der Chancen auf Verbleib im erlernten Beruf erkennen lässt (ebd.), kann Konietzka (2010, S. 293) mit Blick auf duale Ausbildungen das Fazit ziehen, dass insgesamt „für mehr als drei Viertel der Männer und Frauen der Erwerbseintritt nach wie vor glatt und problemlos“ verläuft – ein Befund, den neuere Untersuchungen jedoch wieder in Frage stellen (Dütsch et al. 2013). Ein Berufswechsel steigert auch die Wahrscheinlichkeit einer unterwertigen Beschäftigung, also einer Beschäftigung, für die keine abgeschlossene Ausbildung erforderlich ist (vertikale Inadäquanz oder Niveauinadäquanz). Dennoch gelingt es der Mehrheit derer, die ihren Beruf wechseln, weiterhin vertikal adäquat beschäftigt zu sein (Hall und Santiago Vela 2019, S. 33 f.).
Für Absolvent:innen vollzeitschulischer Ausbildungen ist die Ausgangsbasis für empirische Analysen deutlich ungünstiger, weil für sie mit den IAB-Stichproben vergleichbare Daten nicht zur Verfügung stehen (und nicht stehen können), so dass auf die viel kleineren Stichproben sozialwissenschaftlicher Erhebungen zurückgegriffen werden muss (siehe etwa Ludwig-Mayerhofer 1992 oder Winkelmann 1996 mit nur zweistelligen Fallzahlen für die schulischen Ausbildungen im SOEP). Entsprechend sind die Ergebnisse – geringfügig schlechtere Chancen von Absolvent:innen schulischer Ausbildungen – oft mit großer Unsicherheit behaftet. Etwas größer sind die Fallzahlen der früher ebenfalls nicht selten für die Untersuchung beruflicher Ausbildung verwendeten German Life History Study, doch wurde deren Erhebungsprogramm vor über 20 Jahren abgeschlossen (die wichtigsten Publikationen zur beruflichen Bildung sind Konietzka 1999 und Hillmert 2001). Das BIBB hat in den 1990er-Jahren versucht, das Wissensdefizit hinsichtlich vollzeitschulischer Ausbildungen mittels zweier eigener Erhebungen zu verringern, doch bezogen sich diese auf eine eingeschränkte Auswahl von Berufen und vor allem nur auf wenige Bundesländer (Feller 1996, 2000b). Die relativ geringen Anteile von Personen, die laut diesen Untersuchungen ein Jahr nach Ausbildungsende arbeitslos waren (jeweils unter 10 Prozent), lassen sich folglich kaum generalisieren, auch wenn sie darauf hindeuten, dass diese Gruppe vermutlich nicht fundamental schlechtere Arbeitsmarktchancen hatte als Absolvent:innen einer dualen Ausbildung. Im gleichen Sinn könnte man die von Feller (1996, S. 25, 2000b, S. 18) berichteten Angaben zur Dauer der Stellensuche interpretieren (in 50 Prozent der Fälle nicht länger als zwei bzw. drei Monate). Ähnlich wie nach einer dualen Ausbildung könnten gemäß diesen Untersuchungen auch die Anteile der schulisch Ausgebildeten sein, die nicht im erlernten Beruf tätig werden; sie liegen bei 14 (Feller 1996, S. 25) bzw. 26 Prozent (Feller 2000b, S. 18). Von Interesse sind schließlich die Angaben, dass in beiden Untersuchungsjahren etwa ein Drittel der Befragten befristet beschäftigt war; die Anteile der in Teilzeit oder nur stundenweise Beschäftigten waren geringer (16 Prozent bei allen Untersuchungspersonen [Feller 1996, S. 25] bzw. 7 Prozent bei den männlichen und 20 Prozent bei den weiblichen Personen [Feller 2000b, S. 18]). Entsprechende Angaben liegen in den Untersuchungen zur dualen Ausbildung meist nicht vor. Insgesamt macht sich bei diesen beiden Erhebungen der fehlende direkte Vergleich mit dualen Ausbildungen schmerzlich bemerkbar.12
Erst eine ganz neue Veröffentlichung von Dorau (2023) zu Absolvent:innen einer Erstausbildung in den Jahren 2006 bis 2008 (mit Daten eines Zusatzmoduls zur BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung [ETB] 2012) weist nicht die regionalen und berufsbezogenen Beschränkungen der eben diskutierten Untersuchungen auf. Hier wurden die vollzeitschulischen Ausbildungen unterteilt in solche im „GES-System“ (das es aus den im vorigen Abschnitt geschilderten Gründen als „System“ de facto nicht gibt und nicht geben kann) und in sonstige vollzeitschulische Ausbildungen. Tatsächlich kommt Dorau zu dem Ergebnis, dass Absolvent:innen einer sonstigen vollzeitschulischen Ausbildung häufiger als die übrigen Ausgebildeten (unterhalb der Hochschulebene) beim Arbeitsmarkteintritt in die „Zone prekärer beruflicher Integration“ gelangen (im Beobachtungszeitraum von drei Jahren nach Abschluss der Ausbildung vergleichsweise häufig befristete Beschäftigung oder ein Einkommen unterhalb von zwei Dritteln des Einkommensmedians); auch „entkoppelte“ Verläufe (mit größeren Anteilen von Arbeitslosigkeit) waren bei den schulischen Ausbildungen außerhalb der GES-Berufe häufiger, wenn auch mit gut 6 Prozent insgesamt selten. Der Aspekt der Ausbildungsadäquanz wurde nicht angesprochen. Eine theoretische Fundierung der Unterschiede zwischen unterschiedlichen Ausbildungsformen findet sich in dieser Arbeit, deren Gegenstand allgemeine Thesen zur Entwicklung des Arbeitsmarkts waren, nicht.
Unterschiede im empirischen Wissen über verschiedene Ausbildungsformen ergeben sich schließlich auch hinsichtlich der längerfristigen Stabilität der (ersten) Erwerbstätigkeit. Die (gemeldete) Arbeitslosigkeit für die dual Ausgebildeten lässt sich anhand der IAB-Daten zuverlässig identifizieren, und Analysen zeigen für die ersten Jahre des Erwerbslebens Arbeitslosenquoten, die zwar ähnlich wie die Übergänge in den Arbeitsmarkt nach der Ausbildung mit den konjunkturellen Phasen variieren, alles in allem jedoch auf eher geringe Arbeitsmarktprobleme in den ersten Berufsjahren hindeuten (Dummert 2021, S. 377). Für vollzeitschulische Ausbildungen fehlen Analysen mit vergleichbarer Genauigkeit. Konietzka (1999, S. 191 ff.) konnte zwar zeigen, dass eine Ausbildung an einer Berufsfachschule vor allem bei Männern (die solche Ausbildungen sehr selten absolvieren) zu einer instabileren ersten Beschäftigung führt als andere Ausbildungen, jedoch war sein Kriterium nur die „Dauer der ersten Beschäftigung“ (ohne Angabe, was auf diese folgte), so dass unklar bleiben muss, inwieweit dieser (aufgrund geringer Fallzahlen ohnehin statistisch wohl kaum absicherbare)13 Befund auf Arbeitsmarktschwierigkeiten hinweist. Buchholz (2008, S. 77 ff.), die die einzige größere Untersuchung durchführte, die explizit Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung thematisierte, differenzierte wiederum nicht nach verschiedenen Formen beruflicher Ausbildung.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Wissenschaft seit den 1990er-Jahren recht umfassende und zuverlässige Informationen über die Arbeitsmarktchancen dual ausgebildeter junger Erwachsener beim Übergang in die erste Beschäftigung, auch und gerade über die historische Zeit hinweg, zur Verfügung stellen kann. Für schulische Ausbildungen gibt es dagegen nur wenige und überwiegend hinsichtlich der Verallgemeinerbarkeit beschränkte Untersuchungen (Nichtberücksichtigung vieler Bundesländer und auch wichtiger Berufsgruppen), und vor allem existieren mit Ausnahme der (nur auf die Ausbildungsjahrgänge 2006 bis 2008 bezogenen) Studie von Dorau (2023) keine umfassenden direkten Vergleiche der Arbeitsmarktchancen dual und schulisch Ausgebildeter beim Berufseinstieg.
Kurz erwähnt seien angesichts dieses Mangels die Publikationen von Hall (2010, 2012) bzw. Hall und Krekel (2014), die in den letzten Jahren einige Analysen zu den Erträgen dualer und schulischer Ausbildungen vorgestellt haben, in einem Fall (Hall und Krekel 2014) unter Differenzierung der schulischen Ausbildungen in solche im GES-Bereich und in sonstigen Berufen und unter Verwendung mehrerer Kriterien für den Arbeitsmarkterfolg. Gerade die letzte Arbeit könnte die Vermutung stützen, dass Personen mit einer Ausbildung im GES-Bereich durchaus gute Arbeitsmarktchancen haben. Von Nachteil ist jedoch, dass die Analysen sich auf Erwerbstätige aller Altersgruppen beziehen, also nicht nur auf solche am Beginn des Erwerbslebens. Da aber Frauen (die wesentlich häufiger vollzeitschulische Ausbildungen absolvieren) aufgrund von Elternzeit und anderen Erwerbsunterbrechungen über den Lebenslauf hinweg deutlich seltener erwerbstätig sind als Männer (Kratz et al. 2019, S. 231), sind sie in solchen Stichproben – und zwar vermutlich nach selektiven Kriterien, nicht zuletzt ihrem geringen Arbeitsmarkterfolg – weniger vertreten, so dass diese Analysen Beschränkungen aufweisen und jedenfalls nicht über die so wichtige Phase des Einstiegs in das Erwerbsleben informieren. Wir werden außerdem sehen, dass eine Zusammenfassung der Gesundheits- und Erziehungsberufe wichtige Unterschiede verdeckt.
4 Sind für dual und schulisch Ausgebildete unterschiedliche Arbeitsmarktchancen zu erwarten?
Die ungünstige Forschungslage führt dazu, dass Aussagen über die Chancen der Absolvent:innen schulischer Berufsausbildungen häufig aufgrund theoretischer Annahmen und nur selektiver empirischer Belege getroffen wurden und werden. Nicht selten werden, wie eingangs erwähnt, schulische Ausbildungen als Ausbildungen zweiter Klasse bewertet. Welche Argumente werden dazu angeführt?
Oft wird darauf verwiesen, dass schulische Ausbildungen überwiegend von jungen Frauen gewählt werden und entsprechend häufig in „frauentypische“ Berufe führen (also solche mit hohen Frauenanteilen unter den Erwerbstätigen). Solche Berufe könnten mit schlechteren Einkommenschancen wie etwa unterwertiger Beschäftigung verknüpft sein; auch handelt es sich häufiger um Berufe mit im Vergleich zu Männerberufen geringeren Karrierechancen (Achatz 2018, S. 421 ff.; Gottschall 2018, S. 373). Für unseren Kontext ist vor allem die Annahme wichtig, dass der Weg in die Zweitklassigkeit für weibliche Erwerbsverläufe bereits mit der Ausbildungsform beginne (siehe hierzu und zum Folgenden Krüger 2004, S. 151 ff., sowie Gottschall 2018, S. 372 ff.): Die (überproportional von Männern gewählten) dualen Ausbildungen seien bundesweit normiert, so dass eine abgeschlossene Ausbildung einen deutlichen Signalwert besitze; Arbeitgebern sei grundsätzlich klar, welche Fertigkeiten in der dualen Ausbildung vermittelt werden, so dass sie Arbeitskräfte auf der Grundlage der von ihnen absolvierten Ausbildung rekrutieren könnten. Die vollzeitschulischen Ausbildungen seien dagegen häufig nur auf Länderebene, und auch dort vielfach nur ungenau, beschrieben; zudem liege die Qualitätssicherung der Ausbildung allein in der Hand der Ausbildungsstätten, „sodass die Ausbildungsinhalte träger- und länderspezifische Abweichungen aufweisen“ (Krüger 2003, S. 502). Außerdem biete das Schulberufssystem – im Unterschied zum dualen System – nur schlechten Qualifikationsschutz. Entsprechend liegt die Vermutung nahe, dass sich die Übergänge in den Arbeitsmarkt hier wesentlich schwieriger gestalten und seltener in adäquate Positionen führen.
Auch die Art der Ausbildung selbst scheint schlechtere Chancen für schulisch ausgebildete Personen anzuzeigen. Schulischen Ausbildungen könnte seitens der Arbeitgeber unterstellt werden, dass die Nähe zum betrieblichen Geschehen und zu realen Arbeitsprozessen fehlt (Feller 2004, S. 50; Büchter 2021, S. 149 f.) – charakteristischen Merkmalen dualer Ausbildungen, die deren Absolvent:innen einen guten Start am Arbeitsmarkt ermöglichen würden.
Wie triftig sind aber diese Argumente? Dass nur duale Berufe bundeseinheitlichen Qualitätsstandards unterliegen und Qualifikationsschutz bieten, ist nur teilweise korrekt. Zwar gilt für viele der „Schulberufe nach Landesrecht“, dass die Länder von ihren Regelungskompetenzen sehr unterschiedlichen Gebrauch machen – mitunter verzichten sie sogar darauf (vgl. Krüger 2004, S. 159). Aufgrund der Vielfalt, die sich aus bis zu 16 Länderregelungen für unterschiedliche Ausbildungsberufe ergibt – eingedämmt wird diese Vielfalt nur teilweise durch Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz (KMK) –, können sich zudem hinter gleichen Berufsbezeichnungen „sowohl qualitativ als auch zeitlich völlig verschiedene Ausbildungsgänge verbergen“ (Feller 2000a, S. 443; siehe auch Dobischat 2010, S. 110). Auch die große Heterogenität der beruflichen Schulen, die vielfach neben den vollzeitschulischen Ausbildungen weitere Leistungen erbringen, macht es schwer, überhaupt ein klares Bild von den vollzeitschulischen Ausbildungen zu erhalten (zu den Berufsfachschulen als Institution, allerdings unter weitgehender Ignorierung des Felds der Erzieher:innen, vgl. Pahl 2014, S. 61 ff.). Nicht einmal die auch für diese Arbeit übernommene grundlegende Einteilung in „Schulen des Gesundheitswesens“ für jene Institutionen, die die Ausbildung in Heilberufen nach Bundesrecht erbringen, und „Berufsfachschulen“ für die übrigen Einrichtungen, die vollqualifizierende schulische Ausbildungen anbieten, lässt sich in der Praxis durchhalten, weil einige ostdeutsche Bundesländer auch die erstgenannten Schulen als „Berufsfachschulen“ bezeichnen; zudem werden einige Arten von Berufsfachschulen in einzelnen Bundesländern „Fachakademien“ oder „Fachschulen“ genannt.14
Diese intransparente Vielfalt betrifft aber nicht alle schulischen Ausbildungen (siehe auch Hall 2010, S. 135). Was die Gesundheitsfachberufe betrifft – die Gesundheitsberufe, die in Schulen des Gesundheitswesens erlernt werden –, ist nicht nur zu konstatieren, dass die Ausbildungen bundeseinheitlich geregelt sind; auch der Qualifikationsschutz ist hier besonders stark: Ausschließlich entsprechend Ausgebildete sind berechtigt, die jeweilige Berufsbezeichnung zu führen und die entsprechenden beruflichen Positionen zu füllen. So dürfen nur Personen mit einer Ausbildung als „Gesundheits- und Krankenpfleger/-pflegerin“ auf den entsprechenden Stellen tätig sein. Derart lizenzierte (oder reglementierte) Berufe gibt es unterhalb der Hochschulebene in anderen Bereichen als den Gesundheitsfachberufen nur selten – Erzieher:innen sind eine solche Ausnahme –, in der dualen Ausbildung überhaupt nicht. Letztere schützt nur das Führen der entsprechenden Berufsbezeichnung, die dazugehörige Tätigkeit darf aber (im Sinne der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Berufswahl) von jedermann ausgeführt werden. Die Lizenzierung stellt einen wichtigen Schließungsmechanismus dar, mit dem sich Berufsgruppen vor Konkurrenz am Arbeitsmarkt schützen (Damelang et al. 2018; Haupt 2016). Zwar ist dieser Schutz nicht vollkommen, da einzelne Tätigkeiten von Fachkräften durch Personen mit geringerer Qualifikation ausgeübt werden können (so etwa im Falle erzieherischer Tätigkeiten durch Kinderpfleger:innen). Mindestschlüssel (etwa für den Anteil qualifizierter Erzieher:innen in Kindertagesstätten) oder Regelungen wie jene, dass Personen unterhalb des Ausbildungsniveaus von Erzieher:innen nicht als Gruppenleitung fungieren können (seit den 1990er-Jahren immer stärker durchgesetzt, siehe Grgic 2020, S. 213), können einen solchen Schutz jedoch zumindest der Tendenz nach gewährleisten.
Auch kommen die meisten schulischen Ausbildungen nicht ohne Praxisphasen aus; teilweise sind diese sehr umfangreich. Künftige Erzieher:innen müssen in der Regel ein einjähriges Praktikum vor der Ausbildung und an deren Ende ein einjähriges Anerkennungspraktikum absolvieren. Die Ausbildungspläne für Gesundheitsfachberufe sehen etwa bei Hebammen 1600 Stunden für Unterricht und 3000 Stunden für praktische Ausbildung vor15; in den Bereichen Altenpflege sowie Gesundheits- und Krankenpflege sind es mindestens 2100 Stunden Unterricht sowie mindestens 2500 Stunden Praxis, in Physiotherapie 2900 Stunden Unterricht und 1600 Stunden praktische Ausbildung (Zöller 2015, S. 53). Die Annahme der Praxisferne ist also für viele Fälle schulischer Ausbildung nicht angebracht – während man umgekehrt auch nicht uneingeschränkt davon ausgehen kann, dass die so hochgelobte betriebliche Praxis durchgängig und ausschließlich darauf ausgerichtet ist, die Lernfortschritte der Auszubildenden zu fördern.
Schließlich ist auch der Wandel des Arbeitsmarktes, namentlich der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft zu berücksichtigen. Gewiss verfügt Deutschland im Vergleich der Länder des globalen Nordens über eine starke industrielle und auch handwerkliche Basis, dennoch ist unverkennbar, dass Dienstleistungstätigkeiten, auch und gerade aus dem Bereich personenbezogener Dienstleistungen, stark an Bedeutung gewonnen haben und noch weiterhin gewinnen. Dass in diesen Berufen Wissensaspekte, die in der praxisentlasteten Sphäre der Schule besser vermittelt werden können als im beruflichen Alltag, immer wichtiger werden, nimmt der These von der Zweitklassigkeit schulischer Ausbildungen ebenfalls ihre Überzeugungskraft. Kein Wunder, dass für Schulberufe (im Unterschied zu Berufen nach BBiG/HwO) häufig mindestens ein mittlerer Schulabschluss gefordert wird – sicherlich kein Nachteil am Arbeitsmarkt. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass schulische Ausbildungen eher für Berufe mit guten Beschäftigungsaussichten qualifizieren (Protsch und Solga 2019, S. 576).
Ein Vorteil dualer Ausbildungen ist jedoch nicht von der Hand zu weisen: die bessere Einbindung in Tarifverträge, die vielfach eine (zumindest befristete) Übernahme Ausgebildeter in ein Beschäftigungsverhältnis vorsehen. (Erst in den letzten Jahren wurden ähnliche Regeln für Pflegekräfte in den TVAöD eingeführt).16 Allerdings ist aufgrund der häufigen Befristung bei den Übernahmen offen, wie bedeutsam diese Regelungen sind; eine neuere Analyse kam zu dem Ergebnis, dass nach zwei Jahren nur noch gut die Hälfte der übernommenen dual Ausgebildeten im selben Betrieb arbeitete (Dummert 2021, S. 377). Das zeigt noch einmal, wie wichtig es ist, nicht nur den Übergang in Beschäftigung, sondern auch deren Nachhaltigkeit zu untersuchen.
Alles in allem ist die These von der Zweitklassigkeit der schulischen Berufsbildung möglicherweise weniger von der Sachlage gedeckt, als oft angenommen wird. Sicherlich ist sie für viele der nur durch Landesrecht geregelten und nicht geschützten Berufe plausibel; weniger überzeugend ist sie für die Erzieher:innen, die einen zwar nur landesrechtlich geregelten, aber immerhin lizenzierten (und zunehmend nachgefragten) Beruf erlernen, und erst recht überzeugt sie nicht für die Gesundheitsfachberufe, bei denen zur Lizenzierung noch die bundesweite Regulierung der Ausbildung hinzukommt.
Dies legt es nahe, zwischen drei Segmenten schulischer Ausbildungen zu unterscheiden: die Ausbildungen in Gesundheitsfachberufen (bundesrechtlich geregelten Berufen, die typischerweise in Schulen des Gesundheitswesens erlernt werden, auch wenn die Bezeichnung der Ausbildungseinrichtung in einigen Ländern abweicht), die Ausbildung zur Erzieher:in und schließlich die übrigen Ausbildungen, die meist an Berufsfachschulen stattfinden, auch wenn die Bezeichnungen wiederum in einigen Fällen abweichen können.17 Wir bezeichnen die zuletzt genannte Gruppe im Folgenden als Absolvent:innen von Berufsfachschulen, meinen dies aber immer unter Ausschluss der in Gesundheitsfachberufen bzw. als Erzieher:innen ausgebildeten Personen.
Formulieren wir also einige Annahmen zu unseren Kriterien für erfolgreiche Übergänge in den Arbeitsmarkt, die als Ausgangspunkt für die Prüfung von Unterschieden zwischen der dualen und den schulischen Formen der Ausbildung fungieren können:
1. Geschwindigkeit des Übergangs in den Arbeitsmarkt: Einen überwiegend glatten, d.h. möglichst raschen Übergang in den Arbeitsmarkt darf man auf jeden Fall bei dual Ausgebildeten erwarten, die häufig von der Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb und außerdem von der bundesweiten Regulierung der Ausbildung profitieren können. Aber auch Personen, die in Gesundheitsfachberufen ausgebildet wurden, sollten kaum größere Probleme haben, da die bundesweite Regulierung und Lizenzierung des Berufs, eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften sowie zumindest bei den Gesundheits- und Krankenpflegekräften häufige Übernahmen durch das Krankenhaus, an dem sie ausgebildet wurden, zu ihren Gunsten wirken. Nicht viel anders sollte auch (trotz der nur landesrechtlichen Regulierung der jeweiligen Ausbildung) die Situation für die Erzieher:innen sein, die teilweise im Anschluss an das Anerkennungsjahr übernommen werden. Im Vergleich dazu könnten die Absolvent:innen von Berufsfachschulen (ohne Erzieher:innen) im Nachteil sein, die nicht von tarifvertraglich vorgesehenen Übernahmen profitieren können und oft nur unklar geregelte Ausbildungen durchlaufen haben.
2. Qualität der ersten Beschäftigung: Die starke Orientierung der deutschen Ausbildung am Konstrukt des Berufs legt die Frage nahe, ob Ausgebildete eine Stelle in ihrem Ausbildungsberuf finden oder auf einen anderen Beruf ausweichen müssen; in letzterem Fall, wenn also eine Tätigkeit „horizontal“ (ausbildungs-)inadäquat ist, besteht auch häufiger die Gefahr einer unterwertigen, also „vertikal“ inadäquaten (oder statusinadäquaten) Beschäftigung (etwa als un- oder angelernte Kraft) mit den entsprechenden Nachteilen. Dass eine soziale Schließung von Berufen die Wahrscheinlichkeit erhöht, im Ausbildungsberuf zu verbleiben, hat erst unlängst Menze (2017) für einige duale Berufe gezeigt; es ist allerdings davon auszugehen, dass die Schließung im Falle der Gesundheitsfachberufe noch wesentlich stärker ausgeprägt ist, weil diese gegen die Konkurrenz anderer Berufsgruppen ebenso geschützt sind wie es für die Absolvent:innen schwer ist, in verwandten (ebenfalls lizenzierten) Gesundheitsfachberufen zu arbeiten. In abgeschwächtem Ausmaß sollte dies auch für Erzieher:innen gelten. Die Berufsfachschulabsolvent:innen könnten dagegen aufgrund ihrer nicht selten diffus beschriebenen Ausbildungen möglicherweise noch seltener adäquate Jobs finden als dual Ausgebildete.
Befristete Beschäftigungsverhältnisse bzw. Beschäftigung in Teilzeit als Formen atypischer Beschäftigung (mit möglichen negativen Auswirkungen auf den weiteren Erwerbsverlauf, siehe etwa Giesecke 2009) sollten ebenfalls direkt von der Art der Ausbildung abhängen: Solche Formen der Beschäftigung sollten dann häufiger sein, wenn Unsicherheit über die Fähigkeiten der Bewerber:innen besteht, so dass Arbeitgeber erst einmal zurückhaltend mit der Inklusion in ein Normalarbeitsverhältnis sind. Derartige Unsicherheit dürfte am höchsten sein, wenn eine Ausbildung in einer Berufsfachschule absolviert wurde. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die seit Mitte der 1980er-Jahre ausgebauten gesetzlichen Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung neben dem öffentlichen Dienst vor allem den Sozialbereich, nicht zuletzt den Bereich der frühkindlichen Erziehung betreffen, wo seit jeher viele freie Träger als Arbeitgeber auftreten (Rauschenbach et al. 1995, S. 63) und in neuerer Zeit veränderte Finanzierungsmodelle den Arbeitskräftebedarf weiter flexibilisieren (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 40). Davon sind Erzieher:innen besonders betroffen (Fuchs-Rechlin 2012; Dingeldey et al. 2015, S. 249). Nach vorliegenden Analysen zu diesem Berufsfeld kann ferner erwartet werden, dass Erzieher:innen häufiger in Teilzeit arbeiten, was sowohl mit den erwähnten Flexibilisierungstendenzen als auch mit den Wünschen der Beschäftigten zusammenhängen dürfte (Dingeldey et al. 2015, S. 255).
3. Stabilität der ersten Beschäftigung: Wenn man annimmt, dass die dual Ausgebildeten teilweise nur aufgrund der tariflichen Vereinbarungen übernommen werden (die häufig eine Beschäftigung nur für einen kurzen Zeitraum vorsehen), könnten hier die Chancen auf eine stabile Beschäftigung im Vergleich zu Absolvent:innen schulischer Ausbildungen im Gesundheitswesen geringer ausfallen. Für Absolvent:innen von Berufsfachschulen legt die Annahme der meist unzureichenden Transparenz der Ausbildung wiederum nahe, dass es hier häufiger zu Mismatches kommen könnte, die zu einer geringeren Stabilität der ersten Beschäftigung führen. Ähnliches könnte aufgrund der im vorigen Abschnitt beschriebenen Struktur dieses Teilarbeitsmarktes auch für Erzieher:innen gelten. Da eine kurze Beschäftigungsdauer nicht per se ein Problem darstellt, sondern vor allem dann, wenn keine Anschlussbeschäftigung gefunden wird, verwenden wir als Kriterium einen Übergang in Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung.18
Alles in allem laufen die Hypothesen darauf hinaus, dass ein erfolgreicher Einstieg in den Arbeitsmarkt insbesondere Absolvent:innen von Schulen des Gesundheitswesens in gleichem, vielleicht sogar in höherem Ausmaß als dual Ausgebildeten gelingen könnte. Für Erzieher:innen lassen sich grundsätzlich ebenfalls erfolgreiche Einstiege erwarten, allerdings deutet hier die Forschung auf einen stark flexibilisierten Arbeitsmarkt mit erhöhtem Befristungs- und Teilzeitrisiko gerade für Berufseinsteiger:innen hin. Für junge Erwachsene, die eine andere schulische Ausbildung (Berufsfachschulen nach Landesrecht, in wenigen Fällen nach BBiG/HwO) absolviert haben, lassen sich keine so günstigen Annahmen begründen. Hier kann vermutet werden, dass aufgrund der Diffusität der Regelungen und der Ausbildungsqualität, aber auch aufgrund der tatsächlich zumindest in manchen Fällen gegebenen Ferne der schulischen Ausbildung zum betrieblichen Alltag die Chancen auf einen gelingenden Berufseinstieg ungünstiger sein könnten als bei dual Ausgebildeten, zumindest aber nicht besser sind.
5 Daten und Methoden
Datengrundlage für unsere empirische Analyse ist das Scientific Use File (SUF – Version 7.0.019) der Erwachsenenkohorte (Startkohorte 6) des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Dieser Datensatz besteht aus einer Serie von Panelerhebungen, in denen der Lebensverlauf retrospektiv, in Form eines ereignisorientierten Erhebungsdesigns, erfasst wird. Diese Art der Datenerhebung ermöglicht detaillierte und historisch zurückreichende Analysen. Unter anderem werden (auch wiederholte) Ausbildungsepisoden, sämtliche Erwerbstätigkeiten, Arbeitslosigkeitsphasen oder Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes monatsgenau erfasst, so dass Ausbildungs- und Erwerbsverläufe detailliert rekonstruiert werden können.
Der herangezogene Datensatz umfasst insgesamt 17.140 Personen der Geburtsjahrgänge 1944 bis einschließlich 1989. Hiervon haben wir Personen ausgeschlossen, die keine oder aber eine universitäre Ausbildung abgeschlossen haben; ebenso wurden Fälle aus dem Datensatz entfernt, deren Ausbildung in der DDR bzw. in Ostdeutschland stattfand, weil die Ausbildungen für die Zeit von 1973 bis 1990 in West und Ost ganz unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Regeln folgten und auch nach 1990 zwar hinsichtlich der Rechtssysteme, nicht aber hinsichtlich der faktischen Bedingungen vergleichbar wären (für eine detaillierte separate Betrachtung Ostdeutschlands wäre die Stichprobe auch nicht groß genug). Personen, deren Ausbildung vor 1973 abgeschlossen war, wurden ebenfalls nicht berücksichtigt, weil das Berufsbildungsgesetz (BBiG) erst im Sommer 1969 in Kraft trat und folglich vor 1973 abgeschlossene duale Ausbildungen mit großer Wahrscheinlichkeit noch gemäß anderen rechtlichen Regelungen gestaltet waren; Gleiches gilt wegen einer abermaligen deutlichen Reform des BBiG im Jahr 2010 für die (ohnehin sehr wenigen) nach 2010 abgeschlossenen Ausbildungen. Es wurden nur Ausbildungen gewählt, die grundsätzlich eine Dauer von mindestens zwei Jahren haben. Anders formuliert: Einjährige Ausbildungen, etwa zur Gesundheits- und Krankenpflegeassistent:in oder Gesundheits- und Krankenpflegehelfer:in, wurden nicht berücksichtigt.20
Um eine zu große Heterogenität der Stichprobe zu vermeiden, wurden schließlich auch Personen ausgeschlossen, die vor ihrer beruflichen Ausbildung ein Studium begonnen hatten; auch Personen, die nach der beruflichen Ausbildung in ein Studium wechselten, wurden nicht berücksichtigt, es sei denn, dies geschah erst nach unserem Analysezeitraum: den ersten fünf Jahren des Berufslebens. Individuen, die nacheinander zwei berufliche Ausbildungen absolvierten, wurden in der Stichprobe belassen; für die vorliegende Untersuchung zählt in solchen Fällen die zuletzt abgeschlossene Ausbildung. Insgesamt verbleiben so 5141 Fälle im Analysedatensatz. Diese Fallzahlen verringern sich für einzelne Analysen geringfügig (siehe die Angaben zu den abhängigen Variablen weiter unten).
Bei den Daten zur absolvierten Ausbildung folgen wir den Angaben der befragten Personen, machen allerdings eine wichtige Ausnahme: Erfahrungen aus anderen Erhebungen zeigen, dass gerade Befragte aus Gesundheits- und Erziehungsberufen ihre Ausbildung wegen der hohen Praxisanteile gelegentlich irrtümlich als Lehre bezeichnen; daher folgen wir der Praxis von Experten des BIBB-Forschungsdatenzentrums (Rohrbach-Schmidt und Hall 2013, S. 11), Personen mit Ausbildungen in den bundesgesetzlich geregelten Gesundheitsfachberufen grundsätzlich den Schulen des Gesundheitswesens zuzuordnen, unabhängig von der Bezeichnung der Ausbildungsform. Die Zuordnung zu einer Erzieher:innenausbildung geschieht ebenfalls anhand des Ausbildungsberufes.
5.1 Abhängige Variablen
Für die Untersuchung des Übergangs in den Arbeitsmarkt gingen wir wie folgt vor: Als erste Erwerbstätigkeit gilt diejenige Beschäftigung, die nach einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung begonnen wird und eine Mindestdauer von sechs Monaten aufweist. Eine solche Mindestdauer wurde in Übereinstimmung mit vielen anderen Untersuchungen gewählt, um vorübergehende Tätigkeiten (etwa während der Ferien oder als Nebenbeschäftigung) auszuschließen (vgl. Solga und Konietzka 1999, S. 32). Da Individuen während der Ableistung von Wehr- oder Zivildienst dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, wurden die entsprechenden Zeiten (die oft an die Ausbildung anschließen) aus dem Lebenslauf der betroffenen Fälle ausgeblendet; sofern Personen sich jedoch als Zeitsoldaten verpflichtet haben, wird die berichtete Wehrdienstepisode als Erwerbstätigkeit gewertet.
Die allermeisten Fälle wechselten sehr rasch in eine erste Beschäftigung. Im gesetzten Beobachtungszeitraum von fünf Jahren haben nur 120 Personen keine Erwerbstätigkeit angetreten; die meisten von diesen waren jedoch zu einem (teilweise deutlich) späteren Zeitpunkt erwerbstätig. Diese Fälle wurden aus den weiteren Analysen ausgeschlossen, da sie für den betrachteten Untersuchungszeitraum keine Vergleichsperspektiven zu den anderen Fällen bieten.
Für die Frage der Adäquanz der Beschäftigung werden Angaben zu den Berufen gemäß der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) herangezogen. Hier werden Berufe mit einer fünfstelligen Zahl ausgewiesen. Die ersten vier Stellen bezeichnen die Berufe inhaltlich, und zwar mit jeder weiteren Stelle differenzierter. So beschreibt die Berufsgruppe 331 Berufe in der Bodenverlegung, in der u. a. die Berufsuntergruppen 3311 (Berufe in der Fliesen‑, Platten- und Mosaikverlegung) und 3312 (Berufe in der Estrich- und Terrazzoverlegung) zu finden sind. Zur Erfassung der horizontalen, d.h. fachlichen Adäquanz der Beschäftigung vergleichen wir die Angaben zum erlernten und zum in der ersten Erwerbstätigkeit ausgeübten Beruf auf der Ebene der 3‑Steller (144 Berufsgruppen), weil die Differenzierung der 4‑Steller in 700 Berufsuntergruppen auch eng verwandte Tätigkeiten (wie die im Beispiel genannten) als unterschiedlich erscheinen ließe. Als horizontal inadäquat beschäftigt gelten also Personen, bei denen sich auf dieser Ebene Unterschiede zeigen. Die fünfte Stelle der KldB 2010 beschreibt innerhalb der Berufsuntergruppen unterschiedliche Anforderungsniveaus in vier Stufen (1. Helfer- und Anlerntätigkeiten, 2. fachlich ausgerichtete Tätigkeiten, 3. komplexe Spezialistentätigkeiten und 4. hoch komplexe Tätigkeiten). Von einer Tätigkeit unterhalb des Qualifikationsniveaus, also einer vertikal inadäquaten (oder unterwertigen) Tätigkeit, gehen wir aus, wenn Personen im ersten Beschäftigungsverhältnis eine Helfer- oder Anlerntätigkeit ausüben. Aus den Analysen fallen hier neben den oben erwähnten 120 Fällen weitere 84 Fälle heraus, bei denen die Angaben zum ausgeübten Beruf in der ersten Beschäftigung nicht codiert werden konnten.
Angaben zur Befristung bzw. zum Umfang der Arbeitszeit (Vollzeit/Teilzeit) wurden direkt von den Untersuchungspersonen erfragt. Vor allem zur Befristung ergeben sich einige weitere fehlende Werte, da die entsprechenden Angaben offenbar gelegentlich nicht codiert werden konnten oder aus anderen Gründen fehlten. Das scheint nicht zuletzt bei Personen der Fall zu sein, die als mithelfende Familienangehörige oder freie Mitarbeiter/Selbstständige arbeiten, so dass entsprechende Angaben teilweise auch nicht in sinnvoller Weise gemacht werden können. Voll‑/Teilzeit operationalisieren wir anhand von Antworten der Befragten auf eine direkte Frage, ob sie in Voll- oder Teilzeit beschäftigt waren (ohne dass diese Begriffe bei der Abfrage definiert wurden), sowie nach ihren Angaben zur Wochenarbeitszeit. Soweit Letztere vorlagen, definieren wir als Vollzeit Beschäftigungsverhältnisse mit mehr als 30 Wochenstunden, weil 30 Stunden offenbar auch von vielen Befragten selbst als relevante Grenze angesehen werden; in den übrigen Fällen verwenden wir die Antworten auf die direkte Frage.
Übergänge in Arbeitslosigkeit als Maß für die Instabilität des Erwerbseinstiegs wurden anhand der Angaben zu vergangenen Arbeitslosigkeitsphasen erfasst. Wir verwenden die Angaben zum Beginn der ersten Arbeitslosigkeit innerhalb des von uns dafür zugrundegelegten Beobachtungsfensters von fünf Jahren ab Beginn der ersten Erwerbstätigkeit.
5.2 Kontrollvariablen und Modellierungsstrategie
Unser Interesse gilt dem Einfluss der gewählten Ausbildung auf die Arbeitsmarktchancen der Absolvent:innen am Beginn ihres Erwerbslebens. Wir gehen davon aus, dass die große Mehrheit sich nicht für eine bestimmte Ausbildungsform (dual oder schulisch) entscheidet, zumal die Unterschiede zwischen diesen Formen teilweise nicht sehr prägnant sind, sondern für einen Beruf; dies gilt vermutlich meist auch dann noch, wenn die Jugendlichen keinen Zugang zu einer Ausbildung in ihrem Wunschberuf haben, sondern auf Alternativen ausweichen müssen, denn selbst dann werden sie in aller Regel nur eine Ausbildung in einem Beruf akzeptieren, in dem später zu arbeiten sie sich vorstellen können. Aus dieser Sicht geht also der (letztlich gewählte) Beruf der Ausbildung kausal voran. Das ist deshalb wichtig, weil die Ausbildung im dualen System, in Schulen des Gesundheitswesens sowie in Berufsfachschulen größtenteils für je spezifische Berufe qualifiziert – mit Überschneidungen nur in dem kleinen Segment einiger Berufe, für die die (in der Regel quantitativ dominierende) duale Ausbildung durch ein (meist geringes) Angebot an schulischen Ausbildungsplätzen ergänzt wird. Nun hat die Übergangsforschung der letzten beiden Dekaden sehr deutlich die große Bedeutung des jeweiligen Ausbildungsberufs für den Übergang in den Arbeitsmarkt gezeigt (Konietzka 2010, S. 294 f.; Menze 2017, S. 296). Daher werden die Berufe in den Analysen als Kontrollvariable berücksichtigt. Wir tun dies, indem wir den Ausbildungsberuf auf der Ebene der 37 Berufshauptgruppen (2-Steller der KldB 2010) in eine Serie von Dummy-Variablen zerlegen (in den Analysen zur Adäquanz mussten einige sehr kleine Gruppen zusammengefasst werden); die Ergebnisse hierzu weisen wir aufgrund ihres Umfangs nicht aus. Informationshalber präsentieren wir in den Tabellen 2 und 3 außerdem die Ergebnisse, die man erhält, wenn die Berufe in den Analysen nicht berücksichtigt werden; je mehr sich dann die Ergebnisse für die Art der Ausbildung von denen der Analysen mit Berücksichtigung der Berufe unterscheiden, desto größer ist der Einfluss Letzterer.
Weitere Merkmale, die den Arbeitsmarkterfolg beeinflussen könnten und die der Ausbildung kausal vorangehen, sind das Geschlecht (Burkert und Seibert 2007, S. 19), der Migrationshintergrund (Konietzka und Seibert 2003; Burkert und Seibert 2007) sowie der erreichte Abschluss der allgemeinbildenden Schule (Büchel und Pollmann-Schult 2004). Wir verzichten hier auf eine ausführliche Hypothesenformulierung, da diese Merkmale nur der Kontrolle dienen; der Aspekt der Kontrolle bezieht sich auch auf mögliche Selektivitäten der Stichprobe, da die genannten Merkmale auch die Teilnahmewahrscheinlichkeit am NEPS (im Fall der Startkohorte 6 auch der Vorgänger-Studie ALWA) beeinflussen (Kleinert et al. 2013; Menze 2019, S. 187). Auch das Alter sollte berücksichtigt werden, wenngleich es hierzu bislang wenig Befunde gibt.
6 Ergebnisse
Betrachten wir zum Einstieg die soziale Zusammensetzung der Absolvent:innen der vier Ausbildungssegmente (Tabelle 1). Die Daten entsprechen durchgängig bekannten Befunden: Duale Ausbildungen werden eher von männlichen Personen mit Hauptschul- oder mittlerem Schulabschluss gewählt, vollzeitschulische Berufsausbildungen vor allem von weiblichen Personen mit häufig formal besserer Schulbildung bis hin zur Hochschulreife. Entsprechend den allgemeinbildenden Schulabschlüssen liegt auch das Durchschnittsalter beim Ausbildungsende in den schulischen Ausbildungsgängen höher. Hinsichtlich des Migrationshintergrundes fällt der etwas höhere Anteil von Personen mit einem solchen Hintergrund bei den berufsfachschulischen Ausbildungen (ohne Erzieher:innen) auf.
Tab. 1
Deskription Kontrollvariablen und abhängige Variablen nach Ausbildungssegment (Spaltenprozent, soweit nicht anders angegeben) (Quelle: NEPS SUF Starting Cohort 6, Version 7.0.0, ungewichtete Daten; eigene Berechnung)
Dual
BFS o.E.
Erz.
Gesundh.
Gesamt
Geschlecht weiblich
44,4
71,7
96,9
87,7
51,6
Migrationshintergrund
Keiner
84,0
78,5
87,5
85,8
83,8
1. Generation
5,2
8,4
5,0
5,6
5,5
2. Generation
3,3
4,6
1,3
1,9
3,2
3. Generation
7,5
8,4
6,3
6,7
7,5
Schulabschluss
Höchstens Hauptschulabschluss
38,6
27,0
4,4
6,0
33,9
Mittlerer Schulabschluss
46,4
45,2
75,0
58,9
48,3
Hochschulreife
15,0
27,8
20,6
35,0
17,8
Alter am Ende der Ausbildung (arith. Mittel)
20,3
21,1
21,4
22,2
20,6
Dauer bis zur ersten Beschäftigung (Monate)
Median
1
2
1
1
1
80. Perzentil
4
18
5
4
4
Horizontale Ausbildungsadäquanz
72,7
67,0
95,4
95,2
74,9
Vertikale Ausbildungsadäquanz
95,5
92,3
98,7
98,8
95,6
Unbefristete Beschäftigung
85,0
71,2
46,9
83,8
82,8
Vollzeitbeschäftigung
95,8
83,4
82,6
93,3
94,3
Dauer bis 1. Arbeitslosigkeit (Monate)
10. Perzentil
32
28
19
57
32
Absolvent:innenkohorte (Zeilenprozent)
Anteil der Kohorte an allen
Bis 1980
83,0
7,0
3,4
6,6
25,5
1981–1990
81,2
7,3
2,5
9,0
39,3
1991–2000
80,3
6,9
3,1
9,7
21,3
Nach 2000
80,5
7,2
4,3
7,9
14,0
N
4183
367
160
431
5141
Dual duale Ausbildung, BFS o.E. Berufsfachschule ohne Ausbildungen als Erzieher:in, Erz. Ausbildung als Erzieher:in, Gesundh. Gesundheitsfachberufe (Schulen des Gesundheitswesens)
Deskriptiv zeigen sich in der Tabelle 1 außerdem anhand einiger Kennwerte Unterschiede zwischen den Ausbildungssegmenten, wie wir sie hinsichtlich der Kriterien für einen erfolgreichen Arbeitsmarkteinstieg vermutet hatten. Mit Ausnahme der Berufsfachschulabsolvent:innen hat in allen Ausbildungsgruppen mindestens die Hälfte der Individuen direkt im Anschluss an die Ausbildung eine Stelle angetreten (bei den dualen Ausbildungen und den Schulen des Gesundheitswesens sind es tatsächlich sogar ca. 70 Prozent); nach vier (bei den Erzieher:innen fünf) Monaten haben bereits 80 Prozent der Befragten ihre erste Stelle. Nach Abschluss einer Berufsfachschule gelingt zwar der Hälfte der Personen in recht kurzer Zeit (nach zwei Monaten) der Übergang; bis jedoch 80 Prozent eine Stelle angetreten haben, dauert es eineinhalb Jahre.
Dass die dual Ausgebildeten überwiegend sehr schnell eine Stelle finden, bedeutet jedoch nicht, dass diese immer der absolvierten Ausbildung entspricht. Zu mehr als einem Viertel nehmen sie eine Tätigkeit in einer anderen Berufsgruppe auf als derjenigen, in der sie ausgebildet wurden. Noch etwas höher ist der entsprechende Anteil bei den Berufsfachschulabsolvent:innen. Die Erzieher:innen und die Absolvent:innen einer Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen sind dagegen fast durchgängig, nämlich zu rund 95 Prozent, im Ausbildungsberuf bzw. einem sehr ähnlichen Beruf beschäftigt.
Die vertikale Adäquanz liegt insgesamt auf einem deutlich höheren Niveau, denn nur etwas über vier Prozent der Absolvent:innen sind in dieser Hinsicht nicht adäquat beschäftigt (also in einer Tätigkeit, für die keine Ausbildung benötigt wird). Von diesem Durchschnittswert weichen abermals die Personen nach unten ab, die eine Berufsfachschulausbildung abgeschlossen haben, während die anderen beiden Gruppen von Absolvent:innen schulischer Ausbildungen über dem Durchschnitt liegen. Der Anteil vertikal ausbildungsadäquater Beschäftigung in unseren Daten mag im Vergleich zu anderen Studien sehr hoch erscheinen; allerdings ist zu berücksichtigen, dass man es bei diesem Forschungsthema mit unterschiedlichen Maßzahlen und teilweise auch recht unterschiedlichen Studiendesigns zu tun hat. Früher verwendete Maßzahlen (etwa bei Konietzka 1999, S. 260 ff.), die zu deutlich niedrigeren Anteilen von „Statuskongruenz“ führen, sind teilweise fragwürdig (zur Kritik siehe etwa Pollmann-Schult und Büchel 2002, S. 375).
Angemerkt sei, dass die vertikale und horizontale Adäquanz deutlich verknüpft, aber nicht identisch sind. Zwar erlangen fast alle (beinahe 98 Prozent), die eine horizontal adäquate Tätigkeit ausüben, auch eine vertikale Adäquanz, aber horizontal inadäquat Beschäftigte arbeiten ebenfalls zu sehr beträchtlichen Anteilen, etwa zu 85 Prozent, in einer vertikal adäquaten Tätigkeit. Ein Berufswechsel muss also, wie auch von Hall und Santiago Vela (2019) festgestellt, keineswegs mit einem Abstieg in qualifikatorischer Hinsicht verknüpft sein.
Sehr deutliche Unterschiede finden sich bei dem Kriterium der (un-)befristeten Beschäftigung. Hier fallen vor allem die Erzieher:innen im Vergleich zu allen anderen Gruppen ab. Wie bereits angedeutet, dürfte dies unter anderem mit der Unsicherheit der Finanzierung der entsprechenden Einrichtungen zu tun haben. Auch die Berufsfachschulabsolvent:innen haben im Vergleich zu den übrigen beiden Gruppen sichtbar niedrigere Anteile unbefristeter Beschäftigung. Ein Blick in die Daten zeigt, dass Befristungen in allen Ausbildungssegmenten im historischen Verlauf zunehmen und dabei die bereits anfangs bestehenden, noch geringen Unterschiede (im Sinne der für die Gesamtheit gezeigten Ergebnisse) im Zeitverlauf immer deutlicher werden. Auch hinsichtlich der Beschäftigung in Vollzeit sind Absolvent:innen der Berufsfachschulen und noch mehr jene im Bereich der frühkindlichen Erziehung im Vergleich zu denen anderer Ausbildungssegmente im Nachteil, allerdings sind die Unterschiede hier weniger stark.21
Deutlich sind schließlich auch die Unterschiede in der Erwerbsstabilität, gemessen anhand des Auftretens von Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung. Hier fallen vor allem die Absolvent:innen der Schulen des Gesundheitswesens auf: Es dauert beinahe fünf Jahre, bis auch nur 10 Prozent von ihnen eine Arbeitslosigkeitsphase erlebt haben. Bei den anderen Ausbildungssegmenten geht dies wesentlich schneller; bei den Erzieher:innen ist der Anteil von 10 Prozent bereits nach gut eineinhalb, bei den übrigen beiden Gruppen nach fast bzw. gut zweieinhalb Jahren erreicht.22 Der niedrige Wert bei den Erzieher:innen ist angesichts des hohen Anteils befristeter Beschäftigungsverhältnisse nicht überraschend.
Der deskriptive Überblick verweist darauf, dass es durchaus Unterschiede in den untersuchten Kriterien je nach Art der Ausbildung gibt; das Beispiel der Erzieher:innen deutet an, dass bei einzelnen Kriterien auch Spezifika von Teilsegmenten des Arbeitsmarkts (und nicht die Art der Ausbildung per se) eine Rolle spielen dürften. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass die diskutierten Unterschiede auch durch die soziale Zusammensetzung der Absolvent:innen beeinflusst werden.
Daher wurden in einem weiteren Schritt die Daten multivariat analysiert, um zu prüfen, ob die Zusammenhänge zwischen den Ausbildungssegmenten und den untersuchten Arbeitsmarktkriterien auch bestehen bleiben, wenn man statistisch die erlernten Berufe bzw. Berufsgruppen (über eine Serie von Dummy-Variablen mit den zwei größten Gruppen, den Gesundheits- und den Erziehungsberufen, als Referenzkategorie)23 und die soziale Zusammensetzung der Absolvent:innen kontrolliert. Unsere Modelle enthalten außerdem die Arbeitslosenquote des Jahres, in dem jeweils die Ausbildung abgeschlossen wurde, um zu berücksichtigen, dass beobachtete Probleme beim Übergang in den Arbeitsmarkt auch auf eine generell schlechte Lage am Arbeitsmarkt zurückgehen können. Für die Analyse des Übergangs in Beschäftigung bzw. in Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung setzen wir Verfahren ein, die die Dauer bis zum Erreichen des jeweiligen „Zielzustandes“ (bzw. das Nicht-Erreichen dieses Zustandes bis zum Ende des jeweils fünfjährigen Beobachtungszeitraums) flexibel mit Hilfe kubischer Splines modellieren (Royston und Lambert 2011); für den Übergang in die erste Beschäftigung verwenden wir eine Proportional-Odds-Spezifikation, die zulässt, dass im Zeitverlauf die Unterschiede zwischen den Gruppen gegen Null tendieren (wie zu erwarten ist, da ja die allermeisten Personen irgendwann einen Job gefunden haben), für den Übergang in die Arbeitslosigkeit eine Proportional-Hazards-Spezifikation. Die Kriterien, die die Merkmale des ersten Beschäftigungsverhältnisses beschreiben, werden mittels logistischer Regressionsmodelle analysiert.
Im wesentlichen bestätigen die Ergebnisse die Tendenzen, die sich in den bivariaten Analysen zeigten, allerdings fallen die Unterschiede zwischen den Ausbildungssegmenten teilweise etwas schwächer aus (Tabelle 2 und 3 zeigen die Ergebnisse in Form von Regressionskoeffizienten, Abbildung 1 präsentiert die sich daraus ergebenden Unterschiede zwischen den Ausbildungssegmenten in graphischer Form).24 Dies ist auch ersichtlich aus einem Vergleich der Modelle, die den Einfluss der Berufsgruppen enthalten, mit jenen, in denen das nicht der Fall ist (jeweils am unteren Ende der Tabellen). Wie schon vermutet, wird also ein Teil der bivariat beobachteten Unterschiede durch die erlernten Berufe erklärt. Was die hier im Mittelpunkt stehenden Ausbildungssegmente angeht, kann man festhalten, dass eine Ausbildung in einer Schule des Gesundheitswesens grundsätzlich sehr günstige Arbeitsmarktchancen mit sich bringt. Die Absolvent:innen dieser Schulen stehen bei keinem der analysierten Kriterien hinter den dual Ausgebildeten zurück; hinsichtlich der Geschwindigkeit des Übergangs, der Adäquanz der ersten Erwerbstätigkeit (Spalten A bis C in Tabelle 2 bzw. Abbildung 1a–c) und hinsichtlich der Erwerbsstabilität (Vermeidung von Arbeitslosigkeit) (Spalte F in Tabelle 3 bzw. Abbildung 1f) übertreffen sie diese sogar. Bei diesen Kriterien fallen auch die Erzieher:innen jedenfalls nicht gegenüber den dual Ausgebildeten ab, bei der Ausbildungsadäquanz der Tätigkeit übertreffen sie diese sogar; sie sind allerdings deutlich benachteiligt durch die häufig befristeten Beschäftigungsverhältnisse sowie durch mehr Teilzeitbeschäftigung beim Berufseinstieg (Spalten D und E in Tabelle 3 bzw. Abbildung 1d, e). Die Absolvent:innen der Berufsfachschulen sind schließlich bei den meisten Kriterien – mit Ausnahme der vertikalen Adäquanz und des Übergangs in Arbeitslosigkeit – im Vergleich zu den dual Ausgebildeten im Hintertreffen.25 Die Unterschiede zu den Absolvent:innen dualer Ausbildungen sind allerdings meist nicht sehr groß (teilweise sind sie dies aber hinsichtlich der übrigen schulischen Ausbildungssegmente); nur bei der Geschwindigkeit des Übergangs in die erste Beschäftigung fällt der deutliche Abstand zu allen anderen Ausbildungssegmenten auf.
Tab. 2
Regressionsmodelle der Einflüsse auf die Übergangsrate in die erste Beschäftigung (Hazardrate), die horizontale sowie die vertikale Adäquanz der ersten Beschäftigung (AME aus logistischen Regressionsmodellen) (Quelle: NEPS SUF Starting Cohort 6, Version 7.0.0, ungewichtete Daten; eigene Berechnung)
(A) Übergang in erste Beschäftigung
(B) Horizontale Adäquanz
(C) Vertikale Adäquanz
Koeff.
S.E.
Koeff.
S.E.
Koeff.
S.E.
Ausbildung (Ref.: Dual)
Berufsfachschule (ohne Erzieher:in)
−1,096
0,122***
−0,079
0,028**
−0,013
0,014
Erzieher:in
−0,031
0,184
0,201
0,029***
0,038
0,009***
Gesundheitsfachberufe
0,458
0,137***
0,197
0,021***
0,037
0,007***
Geschlecht weiblich
0,281
0,070***
0,038
0,017*
−0,012
0,009
Migrationshintergrund (Ref.: ohne)
1. Generation
0,090
0,111
−0,015
0,026
−0,013
0,014
2. Generation
0,250
0,133
0,035
0,034
0,001
0,015
3. Generation
−0,128
0,093
−0,006
0,022
−0,006
0,012
Schulabschluss (Ref.: Hauptschule)
Mittlerer Schulabschluss
0,058
0,064
0,030
0,015*
0,027
0,008***
Hochschulreife
0,190
0,101
0,057
0,023**
0,035
0,011***
Alter am Ende der Ausbildung
−0,067
0,016***
−0,009
0,004*
0,001
0,002
Arbeitslosenquote/10
−0,446
0,113***
−0,011
0,029
−0,053
0,014***
Log-Likelihood
−5905
−2559
−819
AIC
11910
5202
1713
Zum Vergleich: Koeffizienten für Ausbildung in Modellen ohne Berufe
Ausbildung (Ref.: Dual)
Berufsfachschule
−1,234
0,115***
−0,049
0,027
−0,036
0,015*
Erzieher:in
−0,612
0,151***
0,236
0,019***
0,027
0,012*
Gesundheitsfachberufe
−0,110
0,093
0,234
0,013***
0,028
0,008***
Log-Likelihood
−5957
−2723
−848
AIC
11949
5471
1720
N
5141
4937
4937
Die Modelle im oberen Teil der Tabelle enthalten außerdem als Kontrollvariablen ca. 30 Dummy-Variablen, die die Berufsgruppe des erlernten Ausbildungsberufs repräsentieren.
Regressionsmodelle der Einflüsse auf unbefristetes Beschäftigungsverhältnis und Vollzeitbeschäftigung in der ersten Beschäftigung (Logit-Koeffizienten) sowie die Übergangsrate in Arbeitslosigkeit nach der ersten Beschäftigung (Hazardrate) (Quelle: NEPS SUF Starting Cohort 6, Version 7.0.0, ungewichtete Daten; eigene Berechnung)
(D) Erstes Beschäftigungsverhältnis unbefristet
(E) Erstes Beschäftigungsverhältnis Vollzeit
(F) Arbeitslosigkeit nach erster Beschäftigung
Koeff.
S.E.
Koeff.
S.E.
Koeff.
S.E.
Ausbildung (Ref.: Dual)
Berufsfachschule (ohne Erzieher:in)
−0,093
0,026***
−0,065
0,017***
0,084
0,135
Erzieher:in
−0,340
0,051***
−0,052
0,025*
−0,003
0,204
Gesundheitsfachberufe
0,028
0,023
0,015
0,010
−0,940
0,191***
Geschlecht weiblich
0,017
0,015
−0,014
0,009*
−0,115
0,100
Migrationshintergrund (Ref: ohne)
1. Generation
−0,079
0,025**
−0,022
0,014
0,256
0,134
2. Generation
−0,003
0,028
0,001
0,017
−0,044
0,194
3. Generation
0,017
0,019
−0,008
0,012
0,117
0,123
Schulabschluss (Ref.: Hauptschule)
Mittlerer Schulabschluss
−0,011
0,013
−0,014
0,008
−0,205
0,084*
Hochschulreife
−0,047
0,021*
−0,008
0,011
−0,403
0,135**
Alter am Ende der Ausbildung
−0,008
0,003**
−0,007
0,002***
0,037
0,019
Arbeitslosenquote/10
−0,315
0,027***
−0,106
0,018***
0,593
0,162***
Log-Likelihood
−1957
−965
−2978
AIC
3993
2007
6054
Zum Vergleich: Koeffizienten für Ausbildung in Modellen ohne Berufe
Ausbildung (Ref.: Dual)
Berufsfachschule
−0,125
0,025***
−0,099
0,018***
0,165
0,123
Erzieher:in
−0,385
0,041***
−0,093
0,026***
0,358
0,173*
Gesundheitsfachberufe
−0,007
0,018
−0,002
0,010
−0,567
0,160***
Log-Likelihood
−1989
−995
−3025
AIC
4002
2013
6082
N
4745
5017
5021
Die Modelle im oberen Teil der Tabelle enthalten außerdem als Kontrollvariablen ca. 30 Dummy-Variablen, die die Berufsgruppe des erlernten Ausbildungsberufs repräsentieren.
Ziel unserer Arbeit war, die Soziologie zu einer intensiveren Erforschung der beruflichen Bildung in Deutschland in ihrer Gesamtheit zu ermuntern. Unterschiedliche Formate für berufliche Ausbildung, so hat sich gezeigt, sind tief verwoben mit dem Institutionengefüge der Bundesrepublik, aber auch (in dieser Arbeit nur am Rande thematisiert) mit kollektiven Bildern davon, was „Arbeit“ eigentlich ist und wer welche Tätigkeiten typischerweise verrichten sollte (und will) und wer nicht. Nur so lässt sich erklären, warum Viele – auch Sozialwissenschaftler (soweit wir sehen: seltener Sozialwissenschaftlerinnen) – berufliche Ausbildung wie selbstverständlich als duale Ausbildung definieren und schulische Ausbildungsformen als nicht-existent behandeln.
Im einzelnen haben wir in einem kurzen historischen Abriss die Entstehung und die daraus resultierenden verschiedenartigen Formen der Regulierung dualer und schulischer Ausbildungen zu verdeutlichen und gleichzeitig verständlich zu machen versucht, warum die schulischen Formen beruflicher Ausbildung bis heute wenig beachtet werden. Randständig sind diese Formen auch für die Wissenschaft, der über amtliche Daten für dual Ausgebildete viel umfangreichere und bessere Stichproben zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen bundesweiten oder länderspezifischen Regulierung von Ausbildungen sowie der Lizenzierung relevanter Berufe im Gesundheitswesen und der frühkindlichen Erziehung haben wir im Anschluss Hypothesen über deren Effekte auf den Übergang von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit entwickelt und überprüft.
Dabei konnten wir eine Datenbasis (das NEPS) zugrunde legen, die es erlaubt, das deutsche System der Berufsausbildung in seiner Gesamtheit differenziert in den Blick zu nehmen, und die für den Untersuchungszeitraum 1973 bis 2010 ausreichend große Fallzahlen für Absolvent:innen dualer und schulischer Ausbildungen in Westdeutschland enthält. Die schulischen Ausbildungen konnten unterschieden werden in solche in Schulen des Gesundheitswesens (Ausbildung in Gesundheitsfachberufen), in Ausbildungen zur Erzieher:in sowie in sonstige schulische Ausbildungen (in Berufsfachschulen, größtenteils nach Landesrecht).
Als Ergebnis zeigt sich: Tatsächlich sind, gemessen an unseren Kriterien für einen erfolgreichen Einstieg in den Arbeitsmarkt, nicht alle Ausbildungen gleich. Die bundesweite Regulierung der Ausbildung und die Lizenzierung der Gesundheitsfachberufe scheinen zu bewirken, dass Ausgebildete in diesen Berufen hervorragende Chancen auf gelingende Einstiege in den Arbeitsmarkt haben und in mehreren Kriterien die Absolvent:innen dualer Ausbildungen übertreffen. Personen, die als Erzieher:in ausgebildet wurden, können zwar ebenfalls von der Lizenzierung ihres Berufs profitieren, indem sie zumeist in ihrer Ausbildung adäquaten Berufen tätig werden – und zwar häufiger als dual Ausgebildete –; sie treffen allerdings auf einen Teilarbeitsmarkt, in dem sie von hohen Risiken befristeter Beschäftigung und auch häufiger als dual oder in Schulen des Gesundheitswesens Ausgebildete von Teilzeitarbeit betroffen sind. Insgesamt am schlechtesten schneiden beim Erwerbseinstieg jene Personen ab, die eine sonstige berufsfachschulische Ausbildung abgeschlossen haben. Aber auch diese sind keineswegs in allen untersuchten Kriterien gegenüber dual Ausgebildeten im Nachteil.
Die Begrenzungen unserer Untersuchung seien an dieser Stelle kurz zusammengefasst: Unsere Analysen beschränken sich auf die ehemalige Bundesrepublik bzw. Westdeutschland; die Lage in den ostdeutschen Bundesländern bedürfte einer gesonderten Untersuchung. Auch wenn wir insgesamt sechs Kriterien für einen gelingenden Arbeitsmarktübergang untersucht haben, wären weitergehende Untersuchungen, die Einkommens- und Karriereperspektiven in den Blick nehmen (siehe etwa Buch und Hell 2014), wünschenswert. Ferner hat unsere Untersuchung erst zum Zeitpunkt eines erfolgreichen beruflichen Ausbildungsabschlusses angesetzt – die oftmals verschlungenen Wege durch das berufliche Bildungssystem selbst fehlen ebenso wie Vergleiche mit ausbildungslosen Personen oder solchen mit tertiärer Ausbildung.
Dennoch wollen wir festhalten, dass aus unserer Sicht Debatten darüber, ob primär betriebliche oder primär an Schulen durchgeführte Ausbildungen (mit Blick auf den Übergang in den Arbeitsmarkt) überhaupt gleichwertig sein können, für den deutschen Kontext weitgehend müßig sind. Dies gilt schon deshalb, weil in der Praxis der Ausbildung die klare Unterscheidung zwischen „dual“ und „vollzeitschulisch“ angesichts der oft beträchtlichen Anteile von Praxisphasen auch in schulischen Ausbildungsgängen vielfach nicht zutrifft. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Art der Ausbildung letztlich gleichgültig ist; einfache Schlüsse verbieten sich auch deshalb, weil die untersuchten Ausbildungssegmente größtenteils für je unterschiedliche Berufe ausbilden. Angesichts der in vielen – keineswegs allen (Protsch und Solga 2019, S. 580) – Berufen gestiegenen und möglicherweise weiter steigenden Komplexität, die häufig mit größeren Anteilen von explizitem Wissen verbunden ist, ist jedenfalls eine Geringschätzung „bloß abstrakten“ Wissens im Vergleich zu praktisch erworbenen Fertigkeiten auch für die Zukunft nur mehr begrenzt tragfähig. Alles in allem spricht einiges dafür, dass sich die beobachteten Nachteile bei Absolvent:innen von Berufsfachschulen nur begrenzt aus der Betriebsferne der Ausbildung ergeben, sondern aus der intransparenten Regelungsstruktur der „Schulberufe nach Landesrecht“ erwachsen, die für potenzielle Arbeitgeber die verfügbaren Qualifikationen nur eingeschränkt erschließbar macht; hinzu kommt wohl, dass einige der hier erlernten Berufe offenbar mit schlechteren Arbeitsmarktchancen verknüpft sind.
Weitere Probleme schulischer Ausbildungen lassen sich benennen: Zunächst ist (aus Sicht der jungen Erwachsenen) festzuhalten, dass die Attraktivität der Ausbildungen im Vergleich zur dualen Ausbildung insofern geringer ist, als (mit Ausnahme der Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege und in einigen wenigen anderen Konstellationen) keine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, da die Auszubildenden als Schüler:innen definiert werden. Ja, noch mehr: In einigen Berufen ist der Anteil privater Schulen an den Ausbildungsstätten relativ hoch, und hier ist in der Regel ein Schulgeld zu bezahlen. Die „Durststrecke“ bis zur Erzielung eines eigenen Einkommens kann also u. U. beträchtlich sein. Betrachtet man außerdem die berufliche Ausbildung im Kontext der Gesamtheit möglicher Bildungswege, sind gerade schulische Ausbildungen in spezifischer Weise von den Diskussionen um eine Akademisierung betroffen, werden doch in Feldern wie der frühkindlichen Erziehung oder den Gesundheitsfachberufen immer wieder Forderungen danach laut, die Ausbildung auf Hochschulniveau anzuheben (zum Stand der Entwicklungen siehe Zöller 2022).26 Das erhöht die Unsicherheit über den Status der aktuellen Ausbildungen.
Hier wäre nun wieder der Ort, an die Nicht-Berücksichtigung der schulischen Ausbildungen in den bildungspolitischen Diskursen zu erinnern und anzumahnen, diese Ausbildungen im Gesamt der auf die berufliche Praxis vorbereitenden Bildungsgänge nicht außer Acht zu lassen und auf eine bessere Regulierung zu dringen. Angesichts der Irrationalitäten, die sich Deutschland mit der föderalistischen Zuständigkeit für das Bildungswesen eingehandelt hat, kann man freilich bis auf weiteres davon ausgehen, dass eine solche Vorstellung Wunschdenken bleiben muss.
Danksagung
Wir danken der Redaktion und dem Herausgebergremium sowie den Personen, die sich der Mühe unterzogen haben, unseren Beitrag zu begutachten, für wertvolle Hinweise. Zu Dank verpflichtet sind wir außerdem Uta Liebeskind und Alexandra Wicht, die durch genaue und kritische Lektüre den Text verbessern halfen, sowie Franziska Brandt und Hannah Krings, die uns durch Recherche und Aufarbeitung von Literatur unterstützten.
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Das Berliner Journal für Soziologie veröffentlicht Beiträge zu allgemeinen Themen und Forschungsbereichen der Soziologie sowie Schwerpunkthefte zu Klassikern der Soziologie und zu aktuellen Problemfeldern des soziologischen Diskurses.
Mit Berufsausbildung ist in diesem Text durchgängig die Ausbildung unterhalb der Hochschulebene gemeint. Ohne Frage befähigt eine Hochschulbildung in vielen Fällen zur Berufsausübung und ist häufig sogar eine zwingende Voraussetzung hierfür, sie führt aber gerade in Deutschland in deutlich höher bewertete Tätigkeitssegmente und ist insofern nicht unmittelbar mit der nicht-tertiären Berufsausbildung vergleichbar.
Beamtenausbildungen als weitere Ausbildungsform seien hier nur kurz erwähnt. Die Zahlen derer, die jährlich solche Ausbildungen beginnen, haben absolut gesehen im Jahr 2015 erstmals einen fünfstelligen Wert angenommen (BMBF 2018, S. 51, Tabelle 9), erreichen damit aber einen Anteilswert an allen vollqualifizierenden Berufsausbildungen von gerade ca. 1,5 Prozent. Entsprechend sind sie in Datensätzen, wie sie üblicherweise für sozialwissenschaftliche Analysen zur Verfügung stehen, nur in äußerst kleinen Fallzahlen vorhanden. Als weiteres – wesentlich größeres – Teilsystem der beruflichen Bildung ist außerdem das sogenannte Übergangssystem zu nennen (Protsch und Solga 2019; Dietrich et al. 2009). Dieses bereitet aber nur auf eine berufliche Ausbildung im eigentlichen Sinne vor und vermittelt keine qualifizierenden Abschlüsse. Entsprechend bleibt es hier außerhalb des Betrachtungshorizonts.
Ein Blick in die Gegenwart: In den entsprechenden Berufen (geregelt durch BBiG/HwO, siehe die folgende Fußnote) wurden im Ausbildungsjahr 2011/12 in vollzeitschulischer Ausbildung gut 24.000 Personen ausgebildet, denen beinahe 1,5 Millionen in dualer Ausbildung gegenüberstanden. Berufe, in denen die vollzeitschulische Ausbildung dominiert, waren die Kosmetiker:in (knapp 3000) und Hauswirtschafter:in (gut 1500 Personen in Ausbildung) (BIBB 2013, S. 238; siehe auch Dobischat 2010, S. 109). Diese Zahlen gehen seither weiter zurück.
Da für die Ausbildung in Berufen des Handwerks (nicht zuletzt für die Definition der einschlägigen Berufe) einige Regelungen des BBiG zugunsten der Regelungen in der Handwerksordnung (HwO) außer Kraft gesetzt sind (§ 3 Abs. 3 BBiG), ist in einschlägigen Texten und Statistiken meist von einer Ausbildung nach BBiG/HwO die Rede; wir schließen uns dem im Folgenden an.
Eine Ausnahme ist die Ausbildung zur Sozialassistent:in; hierbei handelt es sich teilweise um eine Vorstufe zur Erzieher:innenausbildung, teilweise um einen der Kinderpflege ähnlichen Beruf.
Vor allem die Zahl der „Bewerber“ ist insofern ein Artefakt, als hierzu nur jene Personen gezählt werden, die von der Berufsberatung als „ausbildungsreif“ und für den nachgefragten Beruf geeignet eingestuft werden. Siehe im Detail zu den unterschiedlichen Varianten offizieller Daten zur Ausbildungssituation Dietrich et al. (2009, S. 326 ff.).
Der Berufsbildungsbericht 2005 ist hier sehr deutlich: „Trotz Differenzierungen und Verbesserungen ist die Datenlage aber nach wie vor unbefriedigend und unvollständig. Es ist nicht immer nachvollziehbar, ob es Bildungsgänge, zu denen (aus einzelnen Ländern) keine Zahlen vorliegen, nicht gibt oder ob die Daten nicht erhoben oder gemeldet wurden. Auch in der Zuordnung einzelner Berufe zu Bezeichnungen oder Bildungsgängen ist Kontinuität nicht immer erkennbar. Die Berichterstattung ist daher mit einigen Unsicherheiten und Ungenauigkeiten behaftet.“ (BMBF 2005, S. 139, Fn. 95)
Zur Klarstellung: Die IAB-Stichproben stammen aus der Grundgesamtheit der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen, ganz unabhängig von deren Ausbildung, so dass auch zahlreiche Personen nach abgeschlossener vollzeitschulischer Ausbildung in diesen Stichproben enthalten sind. Doch die Phase der schulischen Ausbildung selbst ist – im Gegensatz zur dualen Ausbildung – nicht in den Daten abgebildet (Ausnahme sind teilweise Personen aus Schulen des Gesundheitswesens, soweit für diese aufgrund der praktischen Ausbildung Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden), und somit lässt sich für die schulisch Ausgebildeten keine Aussage über die Art der Ausbildung treffen, abgesehen davon, dass bei ihnen entscheidende Fragen wie die nach dem zeitlichen Abstand zwischen Ausbildung und Beschäftigung oder nach dem Ausbildungsberuf nicht beantwortbar sind. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass auch die (nicht sozialversicherungspflichtigen) Beamt:innen und entsprechend auch die Personen in Beamt:innenausbildungen in diesen Daten fehlen.
Die BIBB-Übergangsstudie 2006, die junge Erwachsene der Jahrgänge 1982 bis 1988 erfasste und keine Einschränkungen nach Ausbildungsform, Beruf oder Region aufwies (Beicht und Ulrich 2008), führt leider für den Übergang in den Arbeitsmarkt zu unzuverlässigen Ergebnissen. Zum Zeitpunkt der Erhebung hatte ein Teil der Befragten die Ausbildung noch nicht abgeschlossen, und da gerade schulische Ausbildungen viel häufiger als duale Ausbildungen erst nach einem mittleren (und nicht schon nach dem Hauptschul‑)Abschluss begonnen werden, muss die Stichprobe der Absolvent:innen schulischer Ausbildungen zu Lasten derer mit höherer Schulbildung – die nach vielen Untersuchungen bessere Chancen am Arbeitsmarkt haben – verzerrt sein. Im übrigen standen auch hier nur wenig mehr als 200 Personen mit schulischer Ausbildung für die Übergangsanalysen zur Verfügung.
Als Fachschulen werden vor allem Einrichtungen der Aufstiegsfortbildung bezeichnet; der Zugang setzt vielfach bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus.
Die Zahlen beziehen sich auf eine historische Zeit, die am Ende unseres Untersuchungszeitraums liegt. Die Ausbildung zum Hebammenberuf ist seit 2020 akademisiert.
Dass die dual Auszubildenden während der Ausbildung deutlich im Vorteil sind, vor allem durch die tariflich geregelte und sozialversicherungspflichtige Bezahlung – im Unterschied zu den Personen in schulischer Ausbildung (mit Ausnahme der Krankenpflege), die nicht nur nicht entlohnt werden, sondern teilweise sogar Schulgeld zahlen müssen –, ist ein wichtiges Thema für sich, welches jedoch den Rahmen dieser Arbeit übersteigt.
Weitere Differenzierungen wären denkbar, scheitern jedoch u. a. daran, dass dann zu kleine Gruppen entstehen, die eine statistische Überprüfung von Hypothesen erschweren.
Zweifelsohne gibt es weitere Kriterien zur Messung der Qualität des Einstiegs in das Erwerbsleben, nicht zuletzt das Einkommen. Für dual Ausgebildete sind deutliche Unterschiede im Stundenlohn gut belegt (Wydra-Somaggio et al. 2010). Es ist jedoch zu bedenken, dass in den von uns verwendeten retrospektiven Lebensverlaufsdaten des NEPS die Angaben zum Einkommen der ersten Beschäftigung häufig fehlen. Zwar existieren Versionen des Datensatzes, bei denen Einkommensdaten von Sozialversicherungsträgern hinzugespielt wurden, doch sind auch diese Daten unvollständig und ohne Berücksichtigung weiterer, in den Daten wiederum teilweise fehlender Angaben (Wochenarbeitszeit, Überstunden und die Art ihrer Abgeltung usw.) nicht sinnvoll interpretierbar. Da es sich bei den NEPS-Lebensverlaufsdaten obendrein um Daten handelt, die über mehr als drei Jahrzehnte streuen und in unterschiedlichem Ausmaß (je nach Alter zum Zeitpunkt der Befragung) Erinnerungslücken unterliegen, schien uns eine Analyse der Einkommen zu fehleranfällig.
Diese Angaben beziehen sich auf die offizielle Definition der Regeldauern, denn faktisch können Ausbildungen verkürzt werden, nicht zuletzt im Fall von Abiturient:innen oder Personen, die bereits eine andere berufliche Ausbildung absolviert haben.
Für die Gesamtheit der erwerbstätigen Erzieher:innen kann man von einem geringeren Anteil befristet Beschäftigter, aber einer höheren Teilzeitbeschäftigung als in der vorliegenden Stichprobe ausgehen (Fuchs-Rechlin 2010, S. 15 f.). Die Stichprobe zeigt eben die Situation beim Berufseinstieg: höhere Anteile von Vollzeitbeschäftigung vor der Familienphase, aber auch höhere Anteile von Befristung beim Einstieg in eine Beschäftigung.
Der Klarheit halber: Dies heißt nicht, dass es nach den genannten Zeiträumen 10 Prozent Arbeitslose unter den Absolvent:innen gibt; vielmehr sind 10 Prozent irgendwann in dem jeweiligen Zeitraum arbeitslos geworden, haben aber häufig im Anschluss eine andere Stelle gefunden.
Man beachte, dass diese Gruppen deutlich größer sind als die jeweiligen Gruppen von Ausbildungsabsolvent:innen; wäre dies nicht der Fall, wären die Ergebnisse kaum interpretierbar. Die Gesundheitsberufe enthalten also nicht nur Gesundheitsfachberufe, die Erziehungsberufe nicht nur Erzieher:innen.
Die Survivorfunktionen in den Abbildungen geben an, welcher Anteil der Untersuchungspersonen (y-Achse) den statistischen Modellen zufolge bis zum jeweiligen Zeitpunkt auf der x‑Achse im Ausgangszustand verblieben ist, also den Zielzustand (die erste Erwerbstätigkeit bzw. die erste Arbeitslosigkeitsphase nach Beginn dieser Erwerbstätigkeit) noch nicht erreicht hat (die Funktionen werden exemplarisch berechnet für weibliche Personen ohne Migrationshintergrund mit mittlerem Schulabschluss bei durchschnittlichem Alter und durchschnittlicher Arbeitslosigkeit). In Abb. 1a wurde die Darstellung auf die ersten 24 Monate beschränkt, da so die wichtigsten Unterschiede (jene in den ersten 12 Monaten) besser sichtbar werden. Die Profile Plots geben an, welche Anteile im Durchschnitt aller Fälle hinsichtlich des jeweiligen Kriteriums für die Absolvent:innen der unterschiedlichen Ausbildungssegmente vorhergesagt werden.
Zum Thema „Instabilität der Beschäftigung“ sei erwähnt, dass die Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten zwischen den Ausbildungsgruppen hinsichtlich einer ersten Arbeitslosigkeit sich nicht sehr viel anders darstellen, wenn man einfach auf die Dauer des ersten Beschäftigungsverhältnisses abstellt. Das Niveau liegt allerdings wesentlich höher; statt etwa 10 bis 20 Prozent Übergängen in Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren sind nach diesem Zeitraum etwa knapp 50 (Gesundheitsfachberufe) bis annähernd 70 Prozent (Erzieher:innen und Berufsfachschulabsolvent:innen) aus der ersten Beschäftigung abgegangen.
Hingewiesen sei an dieser Stelle – auch im Sinne einer Verbesserung der Datenlage – auf das BIBB-Pflegepanel (https://www.bibb.de/de/127032.php), durch das ein Monitoring der Pflegeausbildung (auch an Hochschulen) angestrebt wird.