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07.03.2017 | E-Commerce | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mittelstand nutzt digitale Vertriebskanäle kaum

verfasst von: Gabi Böttcher

5:30 Min. Lesedauer

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E-Commerce spielt im deutschen Mittelstand bisher eine untergeordnete Rolle. Das ermittelte eine KfW-Studie. Allerdings erreicht der digitale Wandel immer mehr mittelständische Unternehmen.

Eine repräsentative Studie von KfW Research auf Basis des KfW-Mittelstandspanels zeigt: Die kleinen und mittleren Unternehmen erwirtschaften zurzeit lediglich vier Prozent ihrer Gesamtumsätze über digitale Wege. Dabei nutzt nur ein kleiner Teil der Mittelständler (16 Prozent) überhaupt die Möglichkeit, seine Produkte oder Dienstleistungen online an den Kunden zu bringen. Das heißt: Acht von zehn Mittelständlern erzielen noch keinerlei Umsätze über den digitalen Vertriebsweg. Die KfW-Analyse zeigt aber auch, dass der digitale Wandel den Mittelstand langsam aber sicher erreicht: Je neuer ein Unternehmen am Markt ist und je jünger der Inhaber selbst ist, desto größere Bedeutung hat der E-Commerce für den Umsatz.

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Der weit überwiegende Teil der digitalen Umsätze des Mittelstands wird derzeit nach Schätzungen von KfW Research mit 144 Milliarden Euro über Transaktionen im Geschäftskundenbereich (B2B-Geschäft) generiert. Komponentenzulieferungen im Maschinen- und Fahrzeugbau spielen dabei die wesentliche Rolle. Im direkten Endverbrauchergeschäft erwirtschaften alle deutschen Mittelständler zusammen via E-Commerce nur neun Milliarden Euro. Zum Vergleich: Amazon als größter Online-Shop setzt in Deutschland alleine rund acht Milliarden Euro jährlich um.

Nur 13 Prozent der Dienstleister sind im E-Commerce aktiv

Wenig überraschend sind im Mittelstand die Handelsunternehmen die Digitalisierungs-Vorreiter. Jeder dritte Einzel- oder Großhändler betreibt E-Commerce – entweder im direkten Kontakt zum Endverbraucher oder als Lieferant eines anderen Unternehmens. Der Anteil des Online-Umsatzes am Gesamtumsatz der Branche erreicht hier mit 25 Prozent den höchsten Wert im Mittelstand. In allen anderen Branchen spielt der Online-Vertriebskanal eine deutlich geringere Rolle. Unter den mittelständischen Dienstleistern sind etwa 13 Prozent im E-Commerce aktiv, der auf diesem Weg erwirtschaftete Umsatzanteil liegt bei 17 Prozent.

Auch wenn die Digitalisierung in der Breite des Mittelstands noch nicht angekommen ist, macht es einen deutlichen Unterschied bei der Performance, ob ein Unternehmen darauf setzt oder nicht: Wie die KfW-Analyse belegt, blicken kleine und mittlere Unternehmen mit ausgeprägten E-Commerce-Aktivitäten zuversichtlicher in die Zukunft und haben darüber hinaus auch ein höheres Umsatzwachstum. Die mittlere Umsatzwachstumsrate bei Mittelständlern mit erheblichen Online-Umsätzen (mehr als die Hälfte des Umsatzes) lag zuletzt sogar bei 15 Prozent – und erreichte damit annähernd das Vierfache derer von Unternehmen ohne Umsätze aus E-Commerce. Allerdings zeigt sich auch, dass der starke Konkurrenzdruck im Online-Geschäft seine Spuren hinterlässt, den Spielraum der Firmen bei der Preissetzung einengt und so ihre Profitabilität negativ beeinflusst. Die durchschnittliche Umsatzrendite mittelständischer Unternehmen mit E-Commerce liegt laut KfW-Erhebung bei vier Prozent, die der Mittelständler ohne Online-Geschäft doppelt so hoch.

Trotzdem ist Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW, der Meinung, dass die KMU  die Chancen, die E-Commerce der Wirtschaft eröffne, bisher zu wenig nutze. Auch wenn sich nicht jede Branche gleichermaßen für E-Commerce eigne, seien die Unternehmen doch auf breiter Front mit sich wandelnden Kundenbedürfnissen konfrontiert. "Ständige Erreichbarkeit, rasche Lieferzeiten, Echtzeitberatung, individuelle Angebote, Benutzerfreundlichkeit oder Mobilfähigkeit werden zunehmend nachgefragt – sowohl von Endverbrauchern als auch von Unternehmenskunden. Digitale Vertriebskanäle könnten hier für viele Mittelständler die Antworten liefern", so Zeuner. Zudem könnten online Umsätze generiert werden, die auf klassischem Vertriebsweg nicht zustande gekommen wären – etwa durch die Erschließung neuer, digital-affiner Kundengruppen oder eine regionale Verbreiterung des Absatzgebietes.

Heute schon überlegen, wo man in Zukunft präsent sein möchte

Wie sich die Chancen, die E-Commerce für den Mittelstand bietet, nutzen lassen, wird am Beispiel des Handels als Vorreiter im digitalen Geschäft deutlich: "Die Zukunft des Handels besteht nicht in der Weiterentwicklung der uns bekannten Handelsformate und Handelsgeschäftsmodelle. Handelsunternehmen müssen sich also schon heute überlegen, wie sie dort präsent sein können, wo in Zukunft gehandelt wird: nämlich in Apps und in Messaging-Diensten, in denen wir schon heute drei bis vier Stunden am Tag verbringen", meint etwa Springer-Autor Uly J. Wolters im Kapitel "Neuerfindung des Handels durch digitale Disruption“ des Buches  "Digitale Transformation und digitale Disruption im Handel", herausgegeben von Gerrit Heinemann, H. Mathias Gehrckens, Uly J. Wolters und der Dgroup GmbH. Laut Wolters ist es für den (mittelständischen) Handel überlebenswichtig, in den Ausbau des Online- und Multi-Channel-Geschäfts zu investieren, denn dem Handel würden die Kunden, die bisher im Laden gekauft hätten, zum Online-Kanal weglaufen.

Diese Tendenz zeichnet sich in nahezu allen Branchen ab. Für Tobias Kollmann und Holger Schmidt ist deshalb die Digitalisierung von Industrie und Mittelstand unausweichlich. Dafür nennen sie im Kapitel "Gesellschaft 4.0" des Springer-Buchs "Deutschland 4.0, Wie die Digitale Transformation gelingt" drei Gründe:

  1. Der (potenzielle) Kunde nutzt das Internet zunehmend für geschäftliche Entscheidungen. 
  2. Der nationale und internationale Wettbewerb nutzt zunehmend das Internet für die Abwicklung von Geschäftsprozessen. 
  3. Die Anbieter von digitalen Geschäftsmodellen beeinflussen zunehmend die reale Handelsebene und werden auch zu realen Produktanbietern und Dienstleistern.

Der Mittelstand spüre, dass Umsätze immer häufiger in den Online-Bereich zu anderen Playern abwandern. Das Fazit der Autoren lautet folglich: "Wer in Zukunft nicht digital mitspielen kann oder will, wird bald gar nicht mehr mitspielen." Die Notwendigkeit einer digitalen Transformation des Mittelstands müsse deshalb in den Köpfen wahrgenommen und in den Strategien konsequent umgesetzt werden. Denn, so Kollmann und Schmidt: "Das zukünftige Wachstum wird davon abhängig sein, ob wir für unsere Wirtschaft eine digitale Marktorientierung, eine digitale Wettbewerbsfähigkeit und eine digitale Evolution für und über Industrie, Mittelstand sowie jungen Startups hinbekommen."

Leider hat ihrer Ansicht nach Deutschland Nachholbedarf im E-Commerce. Wie sie in ihrem Beitrag auf diesem Portal deutlich machen, sei es "schlichtweg nicht zu erwarten, dass es in naher Zukunft auch digitale Weltmarktführer aus Deutschland geben wird". Dies sei aber dringend notwendig, um den Anschluss auf den globalen Märkten nicht zu verpassen. 

Eine Lösung liegt für die Springer-Autoren darin, die Digitalisierung "am anderen Ende" der Produktionskette zu beginnen: Nämlich sich zuerst zu fragen, "was die digitalen Kunden möchten, wie das passende Produkt aussehen könnte und erst wenn das feststeht, auch die Produktion danach ausrichten", wie sie im Interview mit Springer Professional konstatieren. In dieser Orientierung am Kundenbedarf liegt letztlich auch eine Chance für traditionell kundennahe mittelständische Unternehmen und kreative Startups.

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Quelle:
Deutschland 4.0

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Warum viele Händler ihr Geschäftsmodell massiv verändern müssen, wenn sie nicht scheitern wollen
Quelle:
Digitale Transformation oder digitale Disruption im Handel

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