"Wer klein startet, lernt schnell"
- 04.11.2025
- E-Government
- Interview
- Online-Artikel
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Simon Arne Manner, Partner und Bereichsleiter Public & Healthcare bei Horváth, über Change-Teams in der Verwaltung, richtiges Zuhören und KI-Lösungen, die einen Unterschied machen.
Simon Arne Manner ist Partner bei der Managementberatung Horváth und leitet dort den Bereich Public & Healthcare sowie den Unternehmensstandort Hamburg.
Horváth AG
Herr Manner, in Ihrem Gastbeitrag auf Springer Professional schrieben Sie jüngst unter Verweis auf eine Studie aus Ihrem Haus, dass die Regulierung die größte Hürde für die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz im öffentlichen Sektor sei. Helfen könnten unter anderem schlanke Teams aus IT, Recht und Fachabteilung – besetzt mit Personen, die den Wandel aus eigener Motivation und Überzeugung vorantreiben wollen. Wie und wo finden Verwaltungen die geeigneten Menschen für solch ein Change-Team?
Verwaltungen finden die richtigen Menschen für derartige Teams nicht allein über klassische Ausschreibungen – sondern durch gezielte Ansprache interner Talente und eine aktivierende Teamkultur. Viele engagierte Mitarbeiter sind bereits da: Sie kennen die Prozesse, haben Ideen und wollen gestalten. Was oft fehlt, ist der Raum und der Rückhalt des Führungsteams, ihre Motivation wirksam einzusetzen. Hier helfen Formate wie Innovationslabore, um Potenziale sichtbar zu machen. Zudem bedarf es einer Fehlerkultur, die Mut und Veränderungswille belohnt. Wenn Jahrzehnte alte Rechtsauffassungen nicht kritisch hinterfragt werden dürfen und Fehler bestraft werden, dann bewegen sich Mitarbeitende nur auf bekannten Wegen oder laufen erst gar nicht los. Zugleich sind neue Wege sinnvoll, um externe Talente zu gewinnen – etwa durch Programme für Quereinsteigende oder die Ansprache von Digital- und Rechtsexpertinnen und -experten, die bewusst einen gesellschaftlichen Beitrag leisten wollen. Der öffentliche Sektor hat hier ein starkes Argument: Sinn.
Was müssen Verwaltungen bei der Planung berücksichtigen, um sich nicht während des KI-Projekts zu verstricken und in Frist- und Kostenüberschreitungen zu laufen?
Neben den klassischen Hinweisen für ein sauberes Projektmanagement wie realistische Zielsetzung, frühzeitige Stakeholdereinbindung, rechtliche Rahmenbedingungen und so weiter ist vor allem eines entscheidend: ein klares Verständnis des Use Cases für die Nutzenden. KI ist kein Selbstzweck – was soll sich also konkret verbessern? Statt große Vorhaben zu starten, sollten Verwaltungen mit kleinen, nutzerzentrierten Pilotprojekten beginnen. So lassen sich reale Bedarfe früh erkennen, Lösungen iterativ entwickeln und Risiken minimieren. Wichtig ist, frühzeitig IT, Fachbereich und Recht an einen Tisch zu bringen und gemeinsam klare Ziele, Verantwortlichkeiten und Entscheidungswege zu definieren. Wer klein startet, lernt schnell – und schafft die Basis für skalierbare, wirksame KI-Anwendungen. Bei agilen Projekten ist es zudem wichtig, das Projekt in Abschnitte mit klaren Ergebnistypen aufzuteilen und diese auch zu budgetieren. Sonst besteht das Risiko, dass man im übertragenen Sinne einen luxuriösen Keller baut, aber kein Geld mehr für das Haus darauf hat.
Wie lassen sich die Anforderungen der Stakeholderinnen und Stakeholder einsammeln und in einem Projektplan umsetzen?
Am Anfang steht Zuhören – aber richtig: Nicht jedes Bedürfnis ist gleich eine Anforderung, und nicht jede Anforderung führt zu einem besseren Ergebnis. Entscheidend ist, früh zu verstehen, wo der tatsächliche Mehrwert für die Nutzenden entsteht. Aus unserer Projekterfahrung achten wir hier insbesondere auf zwei Aspekte. Nummer eins ist die sorgfältige Auswahl der Stakeholderinnen und Stakeholder: so viele wie nötig, so wenige wie möglich. Ziel ist ein vollständiges Bild der Anforderungen, ohne die Zielrichtung zu verwässern. Wer zu viele Perspektiven einbindet, riskiert endlose Abstimmungsschleifen und widersprüchliche Erwartungen. Ansonsten diskutieren am Ende zwölf Stakeholder über Datenschutz – aber keiner hat einen funktionierenden Prototyp. Nummer zwei ist die Formulierung konkreter Anforderungen. Die Arbeit mit "User Storys" in interdisziplinären Workshops hat sich hier bewährt. Stakeholderinnen und Stakeholder formulieren ihre Anforderungen aus Sicht der Nutzenden – "Als Bürgerin oder Bürger möchte ich …". Diese Storys lassen sich priorisieren und direkt in konkrete Umsetzung überführen. Kurz gesagt: Gute Beteiligung ist kein Selbstzweck, sondern der Schlüssel zu einem klaren, umsetzbaren Plan. Wer früh die richtigen Fragen stellt, spart später viele Schleifen. Und schafft Lösungen, die in der Praxis wirklich funktionieren.
Was sind die wichtigsten Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen und anderen Partnern der Verwaltung in der Praxis?
Am Ende zählt, was für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen besser oder günstiger wird. Niemand braucht eine KI-Lösung, die weder spürbaren Unterschied macht noch Haushaltsmittel einspart. Wenn ein Chatbot nach sechs Monaten Entwicklung nur sagt, wo ein Formular gefunden werden kann, ist das kein Fortschritt. Die Menschen erwarten einfache, schnelle und transparente Prozesse, die ihnen wirklich Zeit sparen. Und Verwaltungsmitarbeitende wünschen sich Werkzeuge, die Routineaufgaben automatisieren, Fehler vermeiden und mehr Raum für fachliche Entscheidungen lassen. Außerdem muss es am Ende auch günstiger werden. Das heißt, es müssen Ressourcen abgebaut oder für andere Aufgaben freigesetzt werden, damit sich ein Projekt amortisiert.