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Von Finnlands Behördenplattform lernen

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Warum immer nach Estland schauen? Das Beispiel Finnland zeigt, wie der digitale Wandel mit zentralen Plattformen und einer nutzerzentrierten Verwaltung gelingt.

Finnlands Verwaltung profitiert von einer durchdachten digitalen Identitätsstrategie.


Durchschnittlich zwei Stunden und 21 Minuten nimmt ein Behördentermin in Deutschland in Anspruch. Das zeigt eine Bitkom-Studie aus dem Jahr 2024. Die Politik hat das Problem erkannt: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung verspricht eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung. Mit dem erstmals eingerichteten Digitalministerium und Prinzipien wie Once Only und Digital Only soll der Staat nutzerfreundlicher und effizienter werden. Doch wie gelingt der digitale Wandel konkret – insbesondere im Bereich digitaler Identitäten?

Ein Blick nach Finnland zeigt, dass eine durchdachte digitale Identitätsstrategie schon heute gelebte Realität sein kann. Finnland zählt zu den Vorreitern in der Verwaltungsdigitalisierung. Hier wurden zentrale digitale Plattformen entwickelt, die übergreifend von Behörden genutzt werden. Anstatt für jede Verwaltungsleistung eigene Portale zu betreiben, setzt das Land auf einheitliche Infrastrukturen. Die finnische Beratung für digitale Transformation Gofore war einer der wichtigsten Partner beim Aufbau der digitalen Verwaltung Finnlands.

Interoperabilität als Schlüssel zum Erfolg

Im Zentrum der finnischen Verwaltungsdigitalisierung steht das Portal Suomi.fi – ein digitaler One-Stop-Shop für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen. Es bündelt verschiedenste Verwaltungsdienste auf einer Plattform und bietet zentrale Funktionen wie

  • ein sicheres Login (e-Identification),
  • digitale Vollmachten (e-Authorizations),
  • ein behördliches Nachrichtenpostfach (Messages),
  • Einblick in eigene Datenregister (Registers) sowie
  • ein standardisiertes Bezahlsystem (Payments).

Mit mehr als 200 Millionen Logins im Jahr 2022 bei nur 5,5 Millionen Einwohnenden zeigt sich die hohe Akzeptanz dieser Angebote. 

Ein weiteres Erfolgsmodell ist OmaVero, das zentrale Steuerportal Finnlands. In einem groß angelegten Projekt wurden rund 70 Altsysteme durch die moderne Plattform ersetzt. Das Ergebnis: Steuererklärungen werden für viele Bürgerinnen und Bürger bereits automatisch vorausgefüllt – etwa die Hälfte muss nicht mehr tätig werden. Das Portal ist ein Paradebeispiel für den finnischen Ansatz, Verwaltungsakte möglichst einfach, automatisiert und für die Nutzenden nahezu unsichtbar zu gestalten.

Auf welche Prinzipien Finnland setzt

Diese Prinzipien machen Finnland zum erfolgreichen Vorreiter in der Verwaltungsdigitalisierung:

  1. Nutzerzentrierung statt Systemzentrierung:
    Finnland entwickelt Verwaltungsdienste aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger. Das bedeutet einfache Bedienung, verständliche Sprache und Prozesse, die echten Lebenssituationen entsprechen.
  2. Plattformstrategie und Interoperabilität:
    Statt viele einzelne Lösungen zu betreiben, setzt Finnland auf zentrale Plattformen mit standardisierten Modulen. Diese Baustein-artige Architektur erleichtert Entwicklung, Skalierung und Wartung. Behörden können Dienste flexibel kombinieren und anpassen.
  3. Datenschutz als Vertrauensgrundlage:
    Transparenz darüber, wie Daten genutzt werden, sowie strenge Zugriffskontrollen machen Datenschutz in Finnland nicht zum Hemmschuh, sondern zum Enabler digitaler Lösungen. Die Bürgerinnen und Bürger behalten stets die Hoheit über ihre Daten – ein zentrales Element für die Akzeptanz.
  4. Technologische Offenheit:
    Finnland setzt bewusst auf Open-Source-Technologien wie X-Road und entwickelt diese gemeinsam mit anderen Ländern weiter. Diese Offenheit erlaubt Flexibilität, vermeidet Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern und fördert Innovation.
  5. Agilität und Pragmatismus:
    Anstatt auf einen Masterplan zu warten, werden funktionierende Lösungen zunächst als Pilotprojekte getestet und bei Erfolg skaliert. Das macht das System robust und gleichzeitig lernfähig. 

Was kann Deutschland aus dieser Erfolgsstory lernen?

Zunächst braucht es ein zentrales, einheitliches Bürgerportal, das alle Verwaltungsleistungen mit nur einem Login zugänglich macht. Derzeit existieren neben dem Bundesportal zahlreiche Landesportale – aus Sicht der Nutzenden ist das verwirrend und wenig effizient. Finnland zeigt, dass ein konsistenter digitaler Zugang die Akzeptanz deutlich erhöht.

Zudem muss Verwaltungshandeln agiler und kompetenter werden. Das bedeutet: interdisziplinäre Teams, mehr digitale Fachkompetenz in Behörden und die konsequente Einbindung der Endnutzenden in Entwicklungsprozesse. Schulungen und Kulturwandel sind hierfür zentrale Voraussetzungen.

Überdies sollte Deutschland mutiger pilotieren und erfolgreiche Projekte skalieren, statt sich in langwierigen Konzeptpapieren zu verlieren. Pilotprojekte helfen, Lösungen unter realen Bedingungen zu testen, bevor sie flächendeckend ausgerollt werden.

Nicht zuletzt muss der föderale Flickenteppich besser orchestriert werden. Die Umsetzung des Once-Only-Prinzips gelingt nur, wenn Bund, Länder und Kommunen gemeinsame Standards und Schnittstellen etablieren. Während Finnland als zentralistisch organisierter Staat hier Vorteile hat, braucht Deutschland eine neue Kooperationskultur über Verwaltungsebenen hinweg.

Fazit

Die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele sind ambitioniert – und richtig. Doch der Weg zu einer funktionierenden digitalen Identität und letztlich zu einer umfassenden Verwaltungsdigitalisierung führt über klare Strukturen, pragmatische Umsetzung und den konsequenten Fokus auf den Bürgernutzen. Finnland macht vor, wie es geht: Mit zentralen Plattformen, offenen Technologien, hoher Datensouveränität und einem tiefen Verständnis für nutzerzentrierte Verwaltung. Deutschland kann und sollte daraus lernen – für eine Verwaltung, die digital, effizient und bürgernah ist.

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