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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Ein theoretisches Modell transnationaler Governance: Akteure, Strukturen und Prozesse im Staat und darüber hinaus

verfasst von : Simon Haas

Erschienen in: Transnationale Klima- und Energie-Governance

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Insbesondere seit dem weltpolitischen Umbruch durch das Ende des Ost-West-Konflikts beschäftigt die vergleichende Politikwissenschaft und die Forschung zu internationalen Beziehungen eine Debatte, die die Gültigkeit zentraler Grundannahmen ebenso infrage stellt wie etablierte Fachgrenzen. Sie kreist um die Frage, inwieweit sich der Staat als Organisationsmodell und seine Fähigkeit zur Beeinflussung sozioökonomischer Prozesse verändern. Anlass zu dieser Debatte gaben nicht nur die vielfältigen Prozesse der ökonomischen und informationellen Vernetzung, die unter dem Konzept der Globalisierung subsumiert werden (Hirst et al. 2009, S. 102), sondern auch innergesellschaftliche Entwicklungen und neue Legitimationsanforderungen sowie – insbesondere in Europa – die Bildung supranationaler Institutionen.

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Fußnoten
1
Der Versuch, einen staatlichen Funktionenkatalog abzuleiten, nimmt im Folgenden dezidiert das sogenannte OECD-Modell des Staates zum Ausgangspunkt, im Bewusstsein, dass Staatlichkeit weder im Hinblick auf die strukturelle Ausgestaltung noch auf normative Anforderungen global einheitlich ausgeprägt ist (Risse u. Leibfried 2011, S. 268–269). Dies ist insofern angebracht, als sich die empirische Analyse auf institutionelle Strukturen in zwei Räumen bezieht, die eindeutig diesem Modell zuzurechnen sind. Das in den folgenden Kapiteln skizzierte Governance-Modell ist allerdings abstrakt genug angelegt, um in struktureller Hinsicht auch eine Anwendung auf andere Umfelder zuzulassen.
 
2
Majone (1997, S. 141–142) verwendet in Abgrenzung zu seinem prominent gewordenen Konzept des regulatory state für den keynesianisch geprägten Interventionsstaat der Nachkriegszeit die Bezeichnung positive state.
 
3
Verwiesen sei hier nur auf den Ansatz von Esping-Andersen, der die empirisch vorzufindende Varianz wohlfahrtsstaatlicher Modelle auf drei Regimetypen – liberal, korporatistisch und sozialdemokratisch – reduziert (Esping-Andersen 1990, S. 26–29).
 
4
Seit 2008, dem Beginn der internationalen Finanzmarktkrise, zeigt sich der Verlauf dieser Entwicklung in vielen Staaten weniger kontinuierlich als in den Jahren zuvor. Auch die Verunsicherung infolge des Handelskonflikts zwischen den USA und China sowie nach der Entscheidung Großbritanniens zum Austritt aus der Europäischen Union haben die Investitionstätigkeit beeinträchtigt. Dennoch kann nach wie vor von einem langfristigen Trend zu einer Zunahme des Bestands ausländischer Direktinvestitionen gesprochen werden (OECD 2019b, S. 20).
 
5
Schon die adäquate Terminologie ist Gegenstand energischer Auseinandersetzungen: Während die Debatte seit den beginnenden 1990er Jahren vom Sammelbegriff der Globalisierung dominiert wird (Marsh et al. 2006, S. 172), stellt eine Reihe von Autoren die globale Reichweite des Phänomens infrage. Plädiert wird hier für die Verwendung von Begriffen wie Regionalisierung (Fernández Jilberto u. Mommen 2002, S. 7; Hirst et al. 2009, S. 3; Rugman 2000, S. 114–116) oder Denationalisierung (Zürn 1998b, S. 13).
 
6
Die Diffusion von Liberalisierungspolitiken verliert jegliche Konnotation einer naturwüchsigen Entwicklung, betrachtet man sie aus konstruktivistischer Sicht als Verbreitung eines hegemonialen neoliberalen Diskurses, der seinen Ursprung in der Liberalisierungspolitik der Thatcher- und Reagan-Ära nahm und seither die Wahrnehmung ökonomischer Zwänge entscheidend beeinflusst (Hirst et al. 2009, S. 101–102; Cerny 1997, S. 256). Aus dieser Sicht ist die Globalisierung vor allem ein ideologisches Programm, das die Perzeption der Ursachen und Wirkungen der weltweiten Liberalisierungswelle determiniert und durch die überproportionale Aufmerksamkeit, die dem Thema auch seitens der Sozialwissenschaften entgegengebracht wird, dazu verleitet, die Tragweite der realen Entwicklungen zu überschätzen (Hay 2000, S. 515–517, 2004, S. 38).
 
7
Neue Aufmerksamkeit hat diese Sichtweise im Kontext der isolationistischen Rhetorik von US-Präsident Donald Trump erhalten: Auch die Globalisierung wird aus dieser Perspektive den Nutzenerwägungen von Nationalstaaten unterworfen. Neue Handelsschranken und eine dezidierte Ablehnung des WTO-Regimes haben darüber hinaus zu einer Diskussion darüber geführt, ob die Globalisierung zum Stillstand gekommen sein könnte (Frieden 2019, S. 43–45; Hu u. Spence 2017).
 
8
Die wissenschaftlichen Untiefen, die mit einem Fokus auf die Lösung tatsächlicher oder vermeintlicher Probleme verbunden sind, werden in Abschnitt 2.5.1 eingehender erörtert.
 
9
Nicht vernachlässigt werden sollte die ideologische Dimension dieser Debatte: Die wissenschaftlich genährten Zweifel am Lenkungsvermögen des Staates decken sich mit den Ende der 1970er in den USA und Großbritannien beginnenden politischen Bemühungen zur Deregulierung und Privatisierung von Wirtschaftssektoren, die nach Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte auch von der Europäischen Kommission, hauptsächlich in den Bereichen Energie und Telekommunikation, maßgeblich unterstützt wurden (Müller 2008, S. 697–698).
 
10
Von Beyme merkt zum systemtheoretischen Fokus auf die Makroebene etwas bissig an: „Auch ein Bielefelder Makrosoziologe, der beim Arzt handlungsanleitende Hinweise zur Linderung eines Leidens erwartet, würde den Doktor wechseln, wenn er mit ein paar chaos- und fluktionstheoretischen Makroüberlegungen abgespeist würde.“ (Beyme 1995, S. 209).
 
11
Als supranational werden im Folgenden in Anlehnung an Majone (2005, S. 43) Arrangements bezeichnet, in denen eine Körperschaft besteht, die über eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der nationalstaatlichen Ebene verfügt und in zumindest einem Sachbereich Entscheidungen treffen kann, die sowohl für die beteiligten Staaten als auch für natürliche und juristische Personen effektiv bindend sind. Da die Europäische Union die einzige nennenswerte Organisation mit solchen supranationalen Zügen darstellt, hat sich der Großteil der Theoriebildung an diesem Beispiel entfaltet. Es besteht jedoch kein Anlass, die Anwendbarkeit der basalen Wirkungszusammenhänge auf eventuelle andere Beispiele infrage zu stellen.
 
12
Im Kontext der europäischen Integration werden traditionell Intergouvernementalismus und (Neo-) Funktionalismus als widerstreitende explanative Ansätze gegenübergestellt. Spätestens seit den Integrationsschritten in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre kann jedoch als anerkannt gelten, dass sowohl das innenpolitisch formulierte Eigeninteresse unabhängiger Nationalstaaten als auch eine Eigendynamik der Kompetenzverlagerung und Spillover-Effekte über Sachbereiche hinweg zu einer Erklärung der beobachteten Integrationsprozesse beitragen (Jachtenfuchs u. Kohler-Koch 2006, S. 11–13; Tömmel 2014, S. 9–13; Sandholtz u. Zysman 1989, S. 98–100).
 
13
In Bezug auf die Europäische Union stellt Scharpf gleichwohl fest, dass sich diese pauschale Abgrenzung empirisch nicht nachweisen lässt. Vielmehr steht in einigen Bereichen einem Verlust von Fähigkeiten auf nationaler tatsächlich ein entsprechender Zuwachs auf supranationaler Ebene gegenüber, beispielsweise in der Handels- und Landwirtschaftspolitik. In der makroökonomischen Beschäftigungspolitik sowie in der Sozialpolitik scheinen sich die Hypothesen hingegen zu bestätigen (Scharpf 1998, S. 140–141). Die Logik der negativen Integration lässt sich allerdings nicht nur auf die EU anwenden, sondern ist auch am Beispiel von Organisationen wie WTO oder IWF zu beobachten, die erheblichen Einfluss auf die Deregulierungsbestrebungen einzelner Staaten nehmen (Pierre 2013, S. 39–40).
 
14
Im anglophonen Raum wird Governance in vielen Fällen wesentlich staatszentrierter konzeptualisiert.
 
15
Allein die Tatsache, dass sich eine Reihe einschlägiger Autoren mit diesem Problem auseinandersetzt, ist als Indiz zu sehen, dass die Perspektiven nicht zwangsläufig so düster sind wie von Greven diagnostiziert. Neben den oben bereits genannten widmen sich dieser Problematik unter anderem: Benz et al. 2007; Börzel 2008a; Grande 2012.
 
16
Benz et al. 2007 Entsprechend dem Erkenntnisinteresse, das das funktionale Ergebnis von Steuerungshandeln fokussiert, wird der Begriff der „Institution“ im Folgenden möglichst weit gefasst und auf alle formellen oder informellen Regelungsmuster bezogen, die menschliches Handeln strukturieren.
 
17
Wie bei vielen Auseinandersetzungen zwischen wissenschaftlichen Schulen scheint sich die Vehemenz der Kontroverse auch hier lange Zeit aus einer bewusst verzerrenden Reduktion der jeweils „gegnerischen“ Sichtweise gespeist zu haben, wie sie häufig zur legitimierenden Abgrenzung des eigenen Standpunkts betrieben wird. Tatsächlich haben inzwischen die meisten neoinstitutionalistischen Ansätze die Einflüsse individuellen Handelns theoretisch ebenso integriert wie akteurzentrierte Ansätze die Bedeutung des institutionellen Regelrahmens konzeptionell erfassen. Letztlich handelt es sich bei der vermeintlichen Kontroverse also eher um eine Sache der jeweiligen Forschungsfrage, wobei die jeweils ausgeklammerte unabhängige Variable konstant zu halten ist und damit wieder in der Analyse berücksichtigt werden muss (Dowding 1994).
 
18
Auf das zu Grunde gelegte Konzept individueller und kollektiver Akteure wird in Abschnitt 2.4 detaillierter eingegangen.
 
19
Dem Konzept kommt zentrale Bedeutung in verschiedenen Theorien des Policy-Wandels zu. Genannt seien hier nur der Punctuated-Equilibrium-Ansatz nach (Baumgartner u. Jones 1993), der Multiple-Streams-Ansatz nach (Kingdon 2011 [1984]) sowie Sabatiers Theorie der Advocacy Coalitions (Sabatier u. Jenkins-Smith 1993). Im Gegensatz zum eher mit dem historischen Institutionalismus kompatiblen Konzept der punctuated equilibria beziehen allerdings Kingdon und Sabatier sehr wohl endogene Entwicklungen als Ursachen des Institutionenwandels ein.
 
20
Als Gleichgewicht im Sinne der Spieltheorie (auch Nash-Gleichgewicht) wird ein Tupel von Strategien bezeichnet, bei dem keiner der beteiligten Spieler durch eine einseitige Abweichung von seiner gewählten Strategie eine Steigerung seiner Auszahlung erreichen kann. Es wird erwartet, dass in jedem nichtkooperativen Spiel, dessen Strategiekonfiguration σ eine oder mehrere solcher Lösungen beinhaltet, die beteiligten Spieler ein solches Gleichgewicht anstreben (Berninghaus et al. 2010, S. 13).
 
21
Die von Scharpf (2000, S. 102–104) getroffene Unterscheidung weicht etwas von dieser Differenzierung ab: Er rechnet auch Organisationen mit zentraler Kontrolle der Handlungsressourcen zu den kollektiven Akteuren, solange die Willensbildung bottom-up verläuft. Korporative Akteure wären danach nur solche mit klaren hierarchischen Strukturen, in denen die Mehrzahl der beteiligten Individuen in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Leitungsebene steht, etwa staatliche Bürokratien oder Unternehmen. Da die hauptsächliche Richtung der Willensbildungsprozesse häufig nicht objektiv und eindeutig festzustellen ist, kommt an dieser Stelle der Ansatz von Mayntz u. Scharpf (1995) zur Anwendung, nach dem all diejenigen Akteure zu den kollektiven Akteuren zu zählen sind, in denen die wesentlichen Handlungsressourcen zentralisiert sind.
 
22
Diese Problematik wird in Unterkapitel 2.5 detaillierter erörtert.
 
23
Die Handlungsmöglichkeiten von Akteuren im Falle einer verschlechterten Leistungsbewertung des jeweiligen institutionellen Interaktionsrahmens werden in Anlehnung an Hirschman (1970) systematisiert. Akteure verfügen demnach über die Möglichkeit, eine Interaktionsstruktur zu verlassen (exit), Änderungswünsche zu kommunizieren (voice) oder trotz Unzufriedenheit loyal zu bleiben (loyalty).
 
24
In der Realität entspricht keine Organisation diesem Idealtypus. Vielmehr bilden sich organisationsinterne und organisationsübergreifende Netzwerke, die auch in formal rein hierarchischen Settings eine funktionale Koordination über verschiedene Untereinheiten hinweg erlauben (Chisholm 1989).
 
25
Der Begriff Verhandlung beschränkt sich nicht auf den im allgemeinen Sprachgebrauch damit verbundenen Prozess des bargaining, der einen Interessenausgleich zwischen mehreren Akteuren bewirken soll, sondern meint eine Form der institutionell bedingten Verknüpfung des Handelns verschiedener Akteure.
 
26
Der von Ronald H. Coase (1960) formulierte Lehrsatz besagt, dass Marktteilnehmer Externalitätenprobleme durch Verhandlungen Pareto-effizient lösen können, sofern dabei keine nennenswerten Transaktionskosten anfallen.
 
27
Zu den unterschiedlichen Konzepten des Wohlfahrtsoptimums vgl. Abschnitt 2.5.1.
 
28
Scharpf verwendet in Anlehnung an Dahl und Lindblom den Begriff des Feldes nur für anarchische Akteurskonstellationen. Hier wird der Begriff in einem erweiterten Sinne auf alle nichthierarchischen Interaktionskonstellationen ohne institutionelle Einstimmigkeitserfordernisse bezogen.
 
29
Die Übergänge zwischen den drei Subtypen sind fließend. Institutionell definierte Zwangsverhandlungssysteme lassen sich zwar noch präzise gegenüber freiwilligen Verhandlungssystemen abgrenzen; das Vorliegen funktionaler Verhandlungszwänge lässt dagegen bereits Interpretationsspielräume zu. Ähnliches gilt für den Übergang zwischen strukturierten und unstrukturierten Feldern. Hier kann die regelmäßige Wiederholung ähnlicher Interaktionen als Anhaltspunkt für die Existenz eines strukturierten Feldes dienen.
 
30
Der Begriff des Netzwerks stellt ein zentrales Konzept der Diskussion um neue Governance-Modi dar und schließt sich an eine breite Forschung zu Netzwerken in der staatlichen Policy-Formulierung an (Marsh u. Rhodes 1992; Pappi 1993; Wilks u. Wright 1987). So verwendet Rhodes (1997, S. 29–33, 2007, S. 1246) den Governance- synonym mit dem Netzwerkbegriff. Vielfach wird sowohl in der klassischen Policy-Forschung als auch in der Governance-Literatur eine Bedeutungszunahme netzwerkartiger Koordination in einer immer komplexeren Systemumwelt konstatiert (O’Toole 1997b; Messner 1995). Allerdings ist darauf zu achten, nicht alle Institutionen, die von den Beteiligten oder von Forschern als „Netzwerk“ bezeichnet werden unter diesem Verhandlungstypus zu subsumieren. So können sich etwa stärker institutionalisierte Netzwerke auch in die Kategorie der Zwangsverhandlungssysteme einordnen lassen.
 
31
Vor allem im transnationalen Bereich ist die Zunahme netzwerkförmiger Koordination normativ konnotiert: Netzwerke sollen zum Abbau des konstatierten Demokratie- und Partizipationsdefizit transnationaler Governance beitragen (Dingwerth 2003).
 
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Reiner Wettbewerb kann im Kontext der vorliegenden Studie nicht unter den zu analysierenden Governance-Modi subsumiert werden, da eine Menge unverbundener Reaktionen auf externe Gegebenheiten keinen absichtsvollen Koordinationsprozess darstellt. Allerdings können Elemente des Wettbewerbs bewusst in Regelungsprozesse integriert werden, um deren Effizienz zu steigern (Kettl 1993). So stellen Rausch u. Karplus (2014, S. 28) fest, dass marktförmige Koordinationsprozesse in der Klimapolitik unter wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkte die besten Ergebnisse produzieren.
 
33
Börzel geht davon aus, dass Interaktionsmodi entweder in einem Rangverhältnis oder gleichgeordnet zueinander stehen können. Letztere Alternative ist allerdings schwerlich in das theoretische Modell zu integrieren: Eine Gleichordnung unterschiedlicher Entscheidungsregeln kann als gleichbedeutend mit dem Fehlen jeglicher Entscheidungsregeln und damit mit dem Fehlen einer institutionellen Regelstruktur gesehen werden.
 
34
Almond und Powell unterscheiden drei Ebenen der Leistungsfähigkeit: System (Erhalt des politischen Systems), Prozess (Qualität der Willensbildungsprozesse), Policy (Wohlfahrt, Sicherheit, Freiheit). Auf der Systemebene bestehen die wesentlichen Leistungen in der Aufrechterhaltung und Adaption des Systems; als Leistungen auf der Prozessebene nennen die Autoren Partizipation, Regelbefolgung und Unterstützung sowie prozedurale Gerechtigkeit. Auf der Policy-Ebene sind schließlich Wohlfahrt, Sicherheit und Freiheit angesiedelt (Almond u. Powell 1996, S. 143–144). Schmidt, Manfred G. (2000) erweitert und modifiziert diese Konzeption für eine Anwendung auf die Europäische Union. Problematisch an Schmidts Hypothesen ist, dass die Leistungsfähigkeit vor allem in solchen Bereichen als schwach eingestuft wird (z.B. Wohlfahrtssicherung), in denen den Nationalstaaten eine hohe Leistungsfähigkeit zuzuschreiben ist. In der Gesamtbetrachtung impliziert eine geringe Leistungsfähigkeit damit nicht zwangsläufig Schwächen bei der Problemlösung. Auch aufgrund dieser theoretischen Schwachstelle wird auf eine weitere Verwendung dieser Konzeption im Folgenden verzichtet.
 
35
Die Unterscheidung wurzelt in der Systemtheorie Eastons (1965, S. 27–28), der politische Systeme als Reiz-Reaktions-Funktionen konzeptualisiert.
 
36
Die folgenden Ausführungen zum Thema Effektivität stützen sich vor allem auf die Forschung zu internationalen Regimen, die sich seit den 1990er Jahren verstärkt der Frage der Effektivität dieser Institutionen zugewandt hat. Dieser Literaturstrang ist – explizit oder implizit – primär auf die Impact-Effektivität fokussiert (Helm u. Sprinz 2000; Keohane et al. 1993, S. 8; Ringquist u. Kostadinova 2005; Sprinz 2007; Underdal 2002a). Zur Frage der Impact-Effektivität kann auch auf eine breite Basis an Literatur zur Policy-Evaluation zurückgegriffen werden (Hansen 2005), auch wenn sich diese primär an politische Entscheidungsträger richtet und versucht, Empfehlungen für das jeweilige Policy-Design zu entwickeln. Die Fragestellung ist dennoch eine ähnliche, nämlich die nach der Wirksamkeit bestimmter politischer Interventionen (Stockmann u. Meyer 2010, S. 67). Beiträge zum Thema Steuerungseffektivität liefert darüber hinaus die Forschung zur staatlichen Regulierung in Industrienationen (Mayntz 1997) und Entwicklungsländern (Gisselquist u. Resnick 2014).
 
37
Gelegentlich wird diese Systematik zur Trias Input – Throughput – Output ergänzt (Dingwerth 2003, S. 74–75; Fischer 2007, S. 336–338; Zürn 1998b, S. 233–236). Die Input-Legitimität wird aus dieser Perspektive durch die demokratische Bestimmung der Entscheidungsberechtigten gewonnen, während Throughput-Legitimität auf die partizipative Gestaltung des Entscheidungsprozesses selbst abzielt. Auf diese Subdifferenzierung der Legitimitätsquellen der Entscheidungsfindung wird im Folgenden verzichtet, weil die Aspekte nicht trennscharf voneinander abgrenzbar scheinen. Stattdessen wird mit der Dichotomie Input – Output operiert, wobei sich Input auf alle Aspekte der Entscheidungsfindung und Output auf sämtliche Entscheidungsfolgen bezieht.
 
Metadaten
Titel
Ein theoretisches Modell transnationaler Governance: Akteure, Strukturen und Prozesse im Staat und darüber hinaus
verfasst von
Simon Haas
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-35570-8_2