2008 | OriginalPaper | Buchkapitel
“Eine Kategorie des Unsinns ...„
Die soziale Gerechtigkeit im Visier der neoliberalen Theorie
verfasst von : Jörg Reitzig
Erschienen in: Neoliberalismus
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Märkte tendieren bekanntlich dazu, ihre eigenen Voraussetzungen im Hinblick auf einen wirksamen Konkurrenzmechanismus durch Konzentrations-und Vermachtungsprozesse zu unterminieren. Ähnlich verhält es sich auch in Bezug auf ihre sozialen Voraussetzungen. Die Dynamik der Kapitalakkumulation wirkt umso stärker als „Maschinerie sozialer Ungerechtigkeit“ (
Barry 2005, S. 14
), welche die gesellschaftlichen Zentrifugalkräfte steigert, je weniger der Markt politisch reguliert und eingebettet ist. Diese strukturellen Beschränktheiten des Marktes und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Verwerfungen und Desintegrationsprozesse waren maßgebliche Triebkräfte für die Entwicklung und Durchsetzung des Sozialbzw. Wohlfahrtsstaates in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Gegenüber dieser Periode der sozialen und demokratischen Zivilisierung des Kapitalismus bewirkt die Politik der Deregulierung und Liberalisierung gegenwärtig soziale Desintegration. Die Revolte der Eigentumsmächtigen gegen die wohlfahrtsstaatliche Einbettung des Marktes wird begleitet von einem erneuten „Triumph der Ungleichheit“ (
Ziebura 2001
). Aufgabe neoliberaler Theoriebildung ist es nun, die mit der Hegemonie des Marktes verbundene Zunahme sozialer Ungleichheit zu legitimieren. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der Reinterpretation des Gerechtigkeitsbegriffs zu, die an mehreren Punkten ansetzt: erstens der Dekonstruktion des Leitbildes sozialer Gerechtigkeit, zweitens der Diskreditierung des Prinzips der Verteilungsgerechtigkeit und drittens der Ökonomisierung des Gerechtigkeitsbegriffs. Bevor auf diese Aspekte eingegangen wird, ist es zweckmäßig, den Blick auf einige inhaltliche und zeitgeschichtliche Kontexte der Gerechtigkeitsdebatte zu lenken.