Dieses Buch hat eine ambitionierte Agenda. Es soll gezeigt werden, dass durch große Teile der ökonomischen Analyse des Rechts eine Verwerfungslinie läuft, die dafür verantwortlich ist, dass diese Disziplin trotz einiger großer Erfolge vor fundamentalen Herausforderungen steht. Ihre Defizite sind nirgends so sichtbar wie in den Entwicklungsländern, wo oftmals moniert wird, dass das Recht auf dem Papier zwar nicht zu beanstanden sei, in der Praxis aber schlicht nicht umgesetzt werde. Fragt man, warum das so sei, bekommt man typischerweise eine von vagem Handwedeln begleitete Erklärung, die irgendetwas mit Korruption, schlechter Staatsführung und mangelndem Willen der politischen Führung zu tun hat. Das Hauptziel dieses Buches ist es, die Aufmerksamkeit auf einen konzeptionellen Fehler zu lenken, der einen Großteil der zeitgenössischen ökonomischen Analyse des Rechts durchzieht, um schließlich zu einem tieferen Verständnis darüber zu gelangen, wie und warum das Recht menschliches Verhalten steuert – und auch, warum es das so oft nicht schafft.
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Siehe auch Becker/Stigler (1974), Cooter/Ulen (1988), Baird/Gertner/Picker (1995), Mercuro/Medema (1997), Schäfer/Ott (2005), Persson/Siven (2006) und Paternoster (2010). Für eine exzellente Diskussion des breiteren Hintergrundes von Verbrechen und Strafe, die über Law and Economics hinaus auch Rechtsphilosophie und Ethik einbezieht, siehe Murphy/Coleman (1997, Kap. 3).
Der National Food Security Act von 2013, auch bekannt als das Gesetz für das Recht auf Nahrung, ist Teil des Bemühens, die Armen vor den extremen Launen des Marktes zu schützen – ein Anliegen, das Ökonomen schon sehr lange beschäftigt (s. Johnson 1976).
Da der MSP ziemlich hoch angesetzt ist, würde sich ein Überangebot an Nahrungsmitteln an die FCI ergeben, welches die Regierung aufkaufen müsste. Die Regierung begrenzt diese Menge aber dadurch, dass sie in weiten Teilen Indiens einfach keine Abnahmestellen einrichtet (obwohl niemand in der Regierung diese Strategie zugeben wird). Dadurch entsteht eine kritikwürdige Wettbewerbsverzerrung auf dem indischen Agrarmarkt, aber dieses Fass will ich hier nicht weiter aufmachen. (Dabei habe ich, nur um es erwähnt zu haben, in meiner Regierungsarbeit für mehr Abnahmestellen gekämpft – ohne Erfolg.)
Die Verbindung zwischen Korruption, Verwaltungsstrukturen und politischen Institutionen ist umfassend untersucht worden (s. z. B. Mishra 2006; Rose-Ackerman und Palifka 2015). Die Realität in Indien zu beobachten, war für mich besonders lehrreich, weil sich dort genau das abspielte, wovon ich in der Literatur gelesen hatte.
Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Paragraf 24 des Gesetzes einige für den Bestecher strafbefreiende Umstände definiert. Allerdings wurden diese Ausnahmen im Laufe der Jahre nur auf Personen angewendet (hauptsächlich Journalisten), die im Zuge verdeckter Ermittlungen einen Bestechungsversuch in der alleinigen Absicht ausgeführt haben, die betreffende Person der Bestechlichkeit zu überführen (Basu 2011a).
Zu Bestechung und Bestechlichkeit der Staatsorgane gibt es eine umfangreiche Literatur, die teilweise in Basu/Bhattacharya/Mishra (1992) und in Basu/Basu/Cordella (2016) diskutiert wird. Für aktuelle Analysen dieses Problems, siehe Pethe/Tandel/Gandhi (2012), Abbink/Dasgupta/Gangadharan/Jain (2014), Spengler (2014), Suthankar/Vaishnav (2014), Dufwenberg/Spagnolo (2015), Oak (2015), Dharmapala/Garoupa/McAdams (2015) und Pani (2016).
Ich möchte hier und später, wenn wir auf diesen Punkt zurückkommen, nicht auf die Debatte darüber eingehen, ob Bestechung und andere Formen der Korruption möglicherweise sogar die wirtschaftliche Effizienz erhöhen. Einige Ökonomen vertreten diese Meinung und mögen damit in einem unmittelbaren Sinn auch recht haben. Ich denke jedoch, dass Bestechung und Korruption einen solchen Schaden am moralischen Zusammenhalt einer Gesellschaft anrichten und Vertrauen zerstören können, dass sie der Qualität des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens zutiefst abträglich sind. Wir müssen diese Kontroverse allerdings nicht auflösen, wenn wir untersuchen wollen, wie Bestechung und andere Formen der Korruption am besten zu bekämpfen sind.
Die breite Literatur hierzu erstreckt sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, von Veblen (1899) bis Sen (1973, 1997), Tversky/Kahneman (1986), Basu (2000), Bowles (2004), Thaler/Sunstein (2008), Gintis (2009), Kahneman (2011), Benabou/Tirole (2006), Ellingsen/Johannesson (2008) und World Bank (2015).
Der Vollständigkeit halber sollte ich anmerken, dass ich hier die willkürliche Annahme treffe, dass ein zwischen illegalem und legalem Verhalten indifferentes Individuum letzteres wählt. Hoffen wir, dass das auch stimmt.
Diese und verwandte Argumentationen finden sich in Cadot (1987) und Basu/Bhattacharya/Mishra (1992). Siehe auch Mookherjee/Png (1995), Hindriks/Keen/Muthoo (1999), Rahman (2012), Chernushkin/Ougolnitsky/Usov (2013), sowie Spengler (2014).
Nussbaum (1997) liefert eine Kritik der Nutzung solcher Modelle von rationalen Akteuren in Law and Economics aus der Perspektive der Moralphilosophie. Zur ähnlichen Wirkungsweise von Strafe und Preise, siehe auch Gneezy/Rustichini (2000).
Beckers Modell ist also Ausdruck der Imperativentheorie des Rechts, der zufolge das Recht nur aufgrund seiner Sanktionsdrohung wirkt. Für eine bekannte Besprechung, siehe Raz (1980).
Pigou (1920) zitierend, nennt Calabresi (1961, S. 502) dies die „Rechtfertigung der Ressourcenallokation“ und bemerkt: „Ihr liegen gewisse fundamentale ethische Postulate zugrunde. Eines davon, vielleicht das wichtigste, ist, dass die Menschen im Großen und Ganzen wissen, was für sie das Beste ist.“ Wäre Guido Calabresi ein neoklassischer Ökonom, hätte er die Einschränkung „im Großen und Ganzen“ nicht gemacht.
Calabresis (2016) nachdenklicher Aufsatz ist ein gutes Beispiel dafür. Posner (2000, Kap. 3) erörtert zahlreiche Handlungsmotivationen jenseits des Egoismus. Darüber hinaus sind Abweichungen vom Standard-Entscheidungsmodell natürlich das Hauptthema der Verhaltensökonomik.
Ich verwende im ganzen Buch den Begriff „traditionelle ökonomische Analyse des Rechts“ als synonym für die „neoklassische Herangehensweise“ oder die „Chicago-Methode“.
Eine Strategie ist dann dominant, wenn sie für einen Spieler die beste Alternative darstellt, unabhängig davon, welche Strategie alle anderen Spieler wählen. Entsprechend ist eine Strategie ‚dominiert‘, wenn sie unter allen Umständen die schlechteste Alternative darstellt.
Robson (2012, S. 1) drückt dies in seinem sehr klaren Buch über die zentralen Aspekte der modernen ökonomischen Analyse des Rechts so aus: „Rechtsregeln beeinflussen Marktergebnisse, indem sie die Anreize ändern, denen die an den Marktprozessen beteiligten Menschen unterliegen.“
Laceys (2004) exzellente Biografie über H. L. A. Hart zeigt interessanterweise anhand seiner unveröffentlichten Aufzeichnungen, dass Hart vielmehr auf Grundlage von Prinzipien denn in Weiterentwicklung früherer Werke gearbeitet hat – entgegen dem Eindruck, den sein berühmtes Buch von 1961 vermittelt.
Ich sollte klarstellen, dass trivialerweise selbst die Entscheidung bezüglich der persönlichen Schutzausrüstung angesichts der Wettervorhersage als spieltheoretisches Problem aufgefasst werden kann. Es handelt sich um ein Spiel mit nur einem Spieler, und in diesem Sinne kann jegliches individuelles Entscheidungsverhalten als ein Spezialfall der Spieltheorie verstanden werden.
Was ich hier beschreibe, ist die Normalform oder strategische Form eines Spiels. Spiele in Extensivform werden uns kurz in Kap. 4 beschäftigen. Eine umfassendere, ausgezeichnete Behandlung der Schnittstelle zwischen Spieltheorie und Recht, die Spiele in Extensivform, unvollständige Informationen und auch die Theorie der Verhandlungslösungen umfasst, findet sich in Baird/Gertner/Picker (1995). Eine interessante Frage ist, warum die kooperative Spieltheorie weniger oft angewendet wird als die in diesem Abschnitt beschriebene nichtkooperative Spieltheorie. Maskin (2016) bespricht einige der Hindernisse, die überwunden werden müssten, damit sich dies ändert.
Mitunter kann das Vorliegen oder Fehlen solchen allgemeinen Wissens über Rationalität einen wichtigen Unterschied machen (Aumann 1976; Basu 1977). Rubinstein (1989), Morris/Shin (1998) und Gintis (2010) zeigen auf überzeugende Weise, was solches Wissen höherer Ordnung auf unterschiedlichen Gebieten bewirken kann.
Die philosophischen Konsequenzen werden in einem ähnlichen Spiel, dem „Gingerbread Game“ (mit den Protagonisten Hänsel und Gretel) des Philosophen Martin Hollis (1994) noch deutlicher.
Siehe z. B. Goeree/Holt (2001), Pace (2009), Gintis (2009), Arad/Rubinstein (2012), Manapath et al.(2012), Capraro (2013) und Morone/Morone/Germani (2014).
In der Volkswirtschaftslehre ist das Konzept des Wohlfahrtsoptimums genau definiert. Nach Vilfredo Pareto ist eine Güterverteilung dann ‚Pareto optimal‘, wenn es nicht möglich ist, durch eine Änderung der Verteilung ein Mitglied der Gesellschaft besserzustellen, ohne ein anderes schlechter zu stellen.
Man kann es sogar als die zentrale Aufgabe des Gefangenendilemmas erachten, aufzuzeigen, wie politische Institutionen den Menschen helfen können, nach ihren wahren Interessen zu handeln. Wie Swedberg (2005, S. 83) bemerkt, kann das Gefangenendilemma als „ein Beispiel einer Situation [gelten], in der die bestehende Institution geändert werden muss, damit die Akteure bestmöglich ihren individuellen Interessen nachgehen können.“ Dabei ist er sich offenbar der besonderen Rolle des Rechts bewusst, denn er fährt fort: „In diesem Fall handelt es sich bei der bestehenden Institution um das US-Justizsystem …“
Natürlich hat das Recht daneben noch weitere Ziele, darunter Gerechtigkeit, Chancengleichheit und individuelle Freiheit, die mitunter mit dem oben genannten Ziel der Wohlfahrtsmaximierung in Konflikt stehen. Eines der berühmtesten Beispiele eines solchen Zielkonflikts ist das Paradoxon des Liberalismus (Sen 1969). Siehe auch Basu (1986) und Gaertner/Pattanaik/Suzumura (1992).
Natürlich werden Gesetze mitunter weder auf Papier geschrieben noch digital gespeichert. Im zwölften Jahrhundert beispielsweise hat Ranulf de Glanville folgende bemerkenswerte Beobachtung notiert: „Obwohl die Gesetze Englands nicht niedergeschrieben sind, erscheint es doch nicht absurd, sie Gesetze zu nennen … Auch dies ist ein Gesetz: ‚Was dem Herrscher gefällt, hat Gesetzeskraft.‘“ (Hall 2002, S. 2)
Im Zuge der Digitalisierung kann man sich immer leichter eine Zeit vorstellen, in der im Moment der Verabschiedung eines Gesetzes Heere von Rechtsdurchsetzungsrobotern oder Algorithmenscharen plötzlich ihre Verhaltensweise ändern (World Bank 2015). Aber in dieser Zeit leben wir (noch) nicht. Und da der menschliche Erfindungsgeist in Bezug auf neue Methoden der Rechtsumgehung wohl unbegrenzt ist, wird wohl auch die Rechtsdurchsetzung nie ganz ohne menschliche Intervention auskommen können.
Diese Betrachtungsweise ist natürlich von großer praktischer Bedeutung, wenn es darum geht, die Wirksamkeit des Rechts zu erhöhen (s. Bull und Ellig 2017).