Der Artikel gibt einen umfassenden Überblick über Chancen und Risiken für die Arbeitswelt durch große Sprachmodelle, denn große Sprachmodelle wie ChatGPT werden das Berufsbild vieler kognitiver Tätigkeiten verändern. So können vor allem Routineaufgaben wie das Verfassen von Texten oder die Analyse von Daten übernommen werden. Beispiele sind die automatische Erstellung von Vertragsentwürfen im Rechtswesen oder von Berichten im Journalismus. Sogar die Unternehmensführung kann durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt werden, wie das Beispiel des ersten virtuellen CEO zeigt.
Allerdings birgt der Einsatz der Modelle auch Risiken wie Intransparenz, Qualitätsprobleme und Abhängigkeit von Anbietern. Empfohlen werden u. a. Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten, Qualitätssicherung durch den Menschen und Einhaltung ethischer Standards.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die meisten Berufe nicht komplett ersetzt, sondern durch künstliche Intelligenz ergänzt und optimiert werden. Entscheidend sind dabei die Kompetenzen im Umgang mit dieser neuen Technologie, um die künftigen Rollen- und Berufsprofile effizient und konstruktiv gestalten zu können.
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Während die technologischen Neuerungen im Zuge der letzten industriellen Revolution dafür sorgten, dass eine Vielzahl körperlicher Tätigkeiten durch Maschinen übernommen oder zumindest stark vereinfacht wurden, erzeugen moderne auf künstliche Intelligenz (KI) basierte Computerprogramme zunehmend Druck auf die kognitiven Tätigkeiten vieler Wissensarbeiter in den unterschiedlichsten Berufsfeldern, wie beispielsweise Rechtswesen, Journalismus und Buchhaltung [1].
Zu den wichtigsten technologischen Errungenschaften der letzten Jahre zählen insbesondere die großen Sprachmodelle. Dabei handelt es sich um KI-basierte Softwarelösungen, die menschliche Sprache verstehen und automatisch verarbeiten können [2]. Sprachmodelle können potenziell in jedem Bereich, in dem Sprache verarbeitet wird, eingesetzt werden. Daher bergen diese Modelle ein riesiges Potenzial, die Digitalisierung weiter voranzubringen und die moderne Arbeitswelt grundlegend zu verändern [3].
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Eines der zurzeit sehr mächtigen KI-Sprachmodell ist GPT‑4 des kalifornischen Unternehmens OpenAI. Dieses Modell ist die Basis für ChatGPT, ein Chatbot, der in den letzten Monaten für viel Aufsehen gesorgt hat und sogar die bisher am schnellsten wachsende Nutzer-Anwendung darstellt [1, 4, 5]. Neben GPT‑4 existieren noch unzählige weitere Sprachmodelle. Dazu zählen beispielsweise LLaMA [6] sowie LaMDA [7] oder auch PaLM bzw. PaLM‑2 [8] der Technologiegiganten Meta und Google, wobei Meta die aktuelle Version seines Sprachmodells LLaMA2 auch für eine kommerzielle Nutzung zur Verfügung stellt.
Der vorliegende Artikel untersucht die Einflussnahme großer Sprachmodelle auf die heutige Berufs- und Arbeitswelt. Dabei werden insbesondere die Einsatzmöglichkeiten der neuen Technologie beleuchtet. Diese umfassen nicht nur kognitive Tätigkeiten wie die automatische Texterstellung und die Führung eines börsennotierten Unternehmens, sondern auch physische Tätigkeiten, die durch selbstlernende humanoide Roboter übernommen werden können. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Chancen und Risiken gelegt, die mit dem Einsatz der neuen Technologie einhergehen. Der Artikel schließt mit einem kurzen Fazit und einem Ausblick auf künftig zu erwartende Entwicklungen.
Automatische Texterstellung
Sprachmodelle wie GPT‑4 können die Arbeitswelt vieler Wissensarbeiter in naher Zukunft grundlegend revolutionieren, indem sie Routineaufgaben übernehmen oder mindestens unterstützen. Dieses neue Modell ist allen seinen Vorläufern deutlich überlegen und liefert nicht nur 40 % bessere Fakten, sondern antwortet auch 80 % seltener auf unerlaubte Anfragen von Nutzern. Als Eingabequellen kann GPT‑4 nicht nur Texte, sondern auch Audiodateien und Bilder verarbeiten. Das Sprachmodell kann Texte mit rund 24.000 Wörtern analysieren und verfassen. Es versteht mehrere Sprachen und ist in der Lage, gut strukturierte Texte zu erstellen, die von den Texten eines Schriftstellers oder Journalisten oft nur schwer zu unterscheiden sind [4].
Die automatische Texterstellung durch KI-Sprachprogramme wird einen großen Einfluss auf alle Menschen haben, die im Rahmen ihrer Arbeit regelmäßig Texte verfassen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass dies auf einen wesentlichen Teil der Beschäftigten aller Berufsgruppen und Altersklassen zutrifft. Rund 40 % der Arbeitnehmer in Deutschland schreiben in ihrer Arbeit regelmäßig kurze bis mittellange Texte, wobei die Länge der Texte positiv mit der Höhe des Anforderungsniveaus der Tätigkeit korreliert. Die Texterstellung kann durch moderne Sprachmodelle unterstützt werden, wodurch insbesondere die Arbeitswelt hochqualifizierter Personen optimiert werden kann [9].
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Sprachmodelle sind vor diesem Hintergrund vor allem dann sinnvoll anwendbar, wenn die zu verarbeitenden Informationen bereits in digitaler Form existieren und die neu zu erstellenden Texte einen gewissen Standardisierungsgrad aufweisen, wie es beispielsweise bei rechtlichen Gutachten der Fall ist [9]. Im Rechtswesen beispielsweise können Sprachmodelle bereits heute erfolgreich eingesetzt werden und langweilige Standardaufgaben von Anwälten übernehmen. Dazu zählen unter anderem die Zusammenfassung von Urteilen, die Generierung von Textbausteinen für juristische Argumentationen und die Erstellung erster Entwürfe von Satzungen und Verträgen, die am Ende durch den Menschen lediglich überarbeitet und fertiggestellt werden [1].
Ebenso ist der Bereich des Journalismus gewinnbringend mit den Möglichkeiten der KI kombinierbar. Im Zeitalter der Globalisierung und digitalen Konnektivität ist die Fähigkeit, Informationen über verschiedene Sprachen und Kulturen hinweg zu kommunizieren, von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext können Sprachmodelle nicht nur Informationen in einer Vielzahl von Sprachen erstellen, sondern auch kulturelle Unterschiede in der Kommunikation berücksichtigen. Zum Beispiel kann das Modell verstehen, dass bestimmte Ausdrucksweisen oder Metaphern, die in einer Kultur gut funktionieren, in einer anderen Kultur missverstanden werden könnten. Ebenso kann es auch Unterschiede in der Struktur und dem Stil der Kommunikation berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die erstellten Berichte sowohl sprachlich als auch kulturell angepasst sind. Obwohl ein solches Modell grundsätzlich in der Lage ist, diese Art der sprachlichen Anpassung durchzuführen, gibt es (noch) Grenzen. Kulturelle Nuancen sind oft komplex und erfordern ein tiefes Verständnis. Daher ist es immer noch notwendig, dass menschliche Redakteure die Berichte überprüfen und anpassen, um sicherzustellen, dass sie für die beabsichtigte Zielgruppe geeignet sind [10].
Aktuelle Sprachmodelle können in gängige Softwarelösungen wie Textverarbeitungsprogramme und Internetsuchmaschinen integriert werden. Auf diese Weise können Routineaufgaben durch die KI übernommen werden, wodurch den Mitarbeitern mehr Freiräume für ihre eigentlichen Aufgabenbereiche zur Verfügung stehen [4]. Die stetig wachsenden Informationsmengen sorgen heute bereits bei vielen Beschäftigten für Überlastungen. Diesen Überlastungen kann durch die automatisierte Erstellung von Textzusammenfassungen durch Sprachmodelle entgegengewirkt werden [9]. In diesem Zusammenhang hat der Technologiekonzern Microsoft die Implementierung von ChatGPT in seine Suchmaschine Bing integriert. Den Nutzern werden hierbei auf ihre Suchanfragen anstelle langer Listen von Links komplett ausformulierte Antworten im Textformat angezeigt. Dadurch wird die Informationssuche enorm erleichtert, da die KI in kürzester Zeit eine sehr große Menge an Quellen lesen und aus diesen eine übersichtliche Zusammenfassung erstellen kann [4].
Unternehmensführung
Doch die Anwendungsmöglichkeiten von großen Sprachmodellen gehen weit über die reine Texterstellung hinaus. Eines der imposantesten Beispiele gibt der chinesische Internetkonzern NetDragon Websoft. Das Unternehmen gab im August 2022 bekannt, dass ein virtueller Roboter als rotierender CEO des Unternehmens eingesetzt wird. NetDragon Websoft hat es sich zur Aufgabe gemacht, Managementteams grundlegend zu verändern und deren Leistungen durch die Nutzung von KI auf ein neues Niveau zu heben. Seit dieser Ernennung konnte der Börsenwert um mehr als 18 % gesteigert werden, während der entsprechende Index der Hongkonger Börse im Vergleichszeitraum indes ein Minus von nahezu 3 % zu verzeichnen hatte. Damit leistet das Unternehmen Pionierarbeit bei der Akzeptanz von KI zur Nutzung künftiger Potenziale für den Unternehmenserfolg. Der virtuelle CEO übernimmt eine Vielzahl wichtiger Aufgaben. Diese umfassen die Straffung des Prozessablaufs, die Verbesserung der Qualität der Arbeitsaufgaben und die Erhöhung der Geschwindigkeit ihrer Ausführung. Ebenso dient er als Echtzeit-Datendrehscheibe und Analysewerkzeug zur Unterstützung der Entscheidungsfindung im Tagesgeschäft, wodurch Effizienzsteigerungen in vielen Unternehmensbereichen erreicht werden können. Dies trifft insbesondere auf das Risikomanagement zu [11].
Selbstlernende humanoide Roboter
An dieser Stelle bleiben die Entwicklungen jedoch nicht stehen, wie die aktuelle Investition von OpenAI in das Robotik Start-up 1X Technologies zeigt. Das norwegische Unternehmen ist auf die Entwicklung und Herstellung humanoider Roboter spezialisiert, welche in der Lage sind, menschliche Bewegungen und Verhaltensweisen zu imitieren. Das Ziel von 1X Technologies besteht in der Entwicklung von Androiden, die in der Praxis eingesetzt werden können und den globalen Arbeitsmarkt grundlegend revolutionieren. Das frische Kapital wird das Unternehmen verwenden, um den Bau eines zweibeinigen Androiden zu forcieren und in kommerziellen Anwendungen einzusetzen. Um die menschliche Arbeitswelt zu bereichern, müssen die Roboter diese unbedingt selbst erleben. Auf diese Weise können ungeahnte Möglichkeiten erkannt und genutzt werden. Der Einsatz humanoider Roboter bietet beispielsweise eine großartige Möglichkeit, den mit dem demografischen Wandel einhergehenden designierten Arbeitskräftemangel durch den Einsatz sicherer und fortschrittlicheren Technologien zu bewältigen [12].
Bisher ist jedoch unklar, bis wann humanoide Roboter in kommerziellem Maßstab zur Verfügung stehen und in der Praxis eingesetzt werden können. Deren Markteinführung könnte jedoch ebenso unerwartet erfolgen wie die überraschende Einführung von ChatGPT. Die Investition von OpenAI lässt zudem erwarten, dass es sich bei der neuen Generation humanoider Roboter um intelligente und selbstlernende Androiden handelt, die auf die Funktionen des hauseigenen Sprachmodells zugreifen können [13].
Risiken bei der Anwendung und Gegenmaßnahmen
Die Anwendung von großen Sprachmodellen birgt verschiedene Risiken, die sich jedoch durch verantwortungsbewussten Umgang und geeignete Gegenmaßnahmen minimieren lassen [3].
Ein grundlegendes Problem ist die mangelnde Transparenz in der Funktionsweise von Sprachmodellen. Es ist oftmals schwer nachzuvollziehen, wie diese Modelle zu bestimmten Ergebnissen gelangen. Darüber hinaus geben Sprachmodelle weder Informationen über die verwendeten Datenquellen preis noch machen sie Angaben zu der Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit ihrer Aussagen. Dies führt zu einer inhärenten Unberechenbarkeit, die besondere Vorsicht beim Einsatz dieser Technologie erfordert [4]. Daher ist ein übermäßiges Vertrauen der Anwender in die neue Technologie besonders kritisch anzusehen. Angaben der KI müssen unbedingt vom Menschen stets kontrolliert und kritisch hinterfragt werden, um vor allem dann Fehler frühzeitig zu identifizieren, wenn dadurch finanzielle oder sogar Personenschäden entstehen [9]. Ein weiteres Risiko besteht in einem möglichen Kompetenzverlust der Mitarbeiter bei übermäßiger und unhinterfragter Nutzung der Sprachmodelle. Ebenso kritisch anzusehen ist eine potenzielle Abhängigkeit der Unternehmen von den Betreibern der Sprachmodelle sowie ein Missbrauch sensibler und vertraulicher Unternehmensdaten [3]. Zuletzt muss auf das Problem der fehlenden Aktualität der Sprachmodelle hingewiesen werden, auch wenn aktuelle Sprachemodelle nach und nach die Anbindung an Live-Daten anbieten, was in sich durchaus ein Risiko darstellen kann, da diese Live-Daten kompromittiert sein können. Daher ist stets die nötige Vorsicht geboten, denn es ist durchaus denkbar, dass die Sprachmodelle zwar eine eloquente Antwort formulieren, deren Inhalt jedoch absolut falsch sein kann [1].
Sprachmodelle müssen bei der automatischen Textgenerierung stets verantwortungsvoll eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang können Vorgaben in Form von Regeln und Richtlinien sinnvoll und erforderlich sein [9]. Insbesondere sollten Inhalte, welche durch KI erstellt wurden, als solche kenntlich gemacht werden. Zudem müssen Sicherheits- und Qualitätsstandards durch die kompetente Nutzung der Sprachmodelle sichergestellt werden. Weitere dringende Handlungsempfehlungen umfassen die Wahrung der menschlichen Autonomie sowie die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen [10].
Fazit
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass Sprachmodelle einen weitreichenden Einfluss auf die kognitiven Tätigkeiten vieler Wissensarbeiter ausüben werden, wobei die einzelnen Berufsfelder unterschiedlich stark betroffen sind [9]. Die Ausführungen dieses Artikels zeigen, dass künftige Managerkompetenzen, Verwaltungsrollen sowie ein effizienter und wertschöpfender Umgang mit den durch KI bereitgestellten Technologien als maßgebliche Treiber für den zukünftigen Unternehmenserfolg betrachtet werden müssen. Dies ist künftige Managementaufgabe, denn aufzuhalten ist dieser Trend sicherlich nicht, denn dann hätte bereits der Einsatz von Taschenrechnern und Kränen unterbunden werden müssen.
Es ist jedoch davon auszugehen, dass die meisten Berufe erhalten bleiben und nicht vollständig von den KI-basierten Softwarelösungen ersetzt werden (können). Zur Veranschaulichung kann die Tätigkeit eines Buchhalters herangezogen werden. Dieser musste vor vielen Jahren vor allem gut Kopfrechnen und mit dem Abakus umgehen können. Diese Fähigkeiten wurden im Laufe der Zeit durch den sicheren Umgang mit dem Taschenrechner ersetzt. Heute dagegen sind es ERP-Systeme und Tabellenkalkulationen, mit denen der Buchhalter seine Arbeitstätigkeit verrichtet. Wie dieses Beispiel verdeutlicht, haben sich zwar die eingesetzten Werkzeuge im Laufe der Zeit gewandelt, die eigentlichen Aufgaben des Buchhalters haben sich jedoch nicht verändert. In diesem Kontext muss auch der Einsatz großer KI-basierter Sprachmodelle betrachtet werden, wobei die damit einhergehenden Möglichkeiten und Potenziale beträchtlich größer ausfallen als bei früheren Technologiesprüngen.
Interessenkonflikt
M. Barenkamp gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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