1. Einführung

In der Regel wird die Frage kaum (mehr) gestellt, ob freie Marktwirtschaft identisch mit Kapitalismus ist oder nicht. Otfried Höffe (2015, S. 134) hat zum gegenseitigen Verhältnis von freier Marktwirtschaft und Kapitalismus Folgendes geschrieben: „Im Verlauf der europäischen Neuzeit geht der Markt eine so enge Verbindung mit einer speziellen Wirtschaftsform, dem Kapitalismus ein, dass er sich als Organisationsform des Marktes, als Marktwirtschaft, schwerlich gegen den Kapitalismus abgrenzen lässt. Sowohl der Markt als auch der Kapitalismus zeichnen sich nämlich durch dieselben drei Strukturmerkmale aus, institutionelle durch Privateigentum, motivationale durch Gewinnsteigerung, sogar Gewinnmaximierung und vom Koordinationsmechanismus her durch freie Preisbildung“. Dabei verweist Höffe (2015, S. 134) zu Recht darauf, dass der Kapitalismus geografisch weniger weitverbreitet ist als der Markt. Das bedeutet, dass der Kapitalismus eine – wenn wahrscheinlich auch die wichtigste – Form von Marktwirtschaft darstellt, aber eben doch nur eine unter anderen. Außerdem entstand der Begriff „Kapitalismus“ eher als polemischer Kampfbegriff und als „kritisches“ Konzept, während der Begriff der „freien Marktwirtschaft“ eher neutral oder positiv konnotiert ist.

Das gilt übrigens für Homanns gesamtes Grundverständnis der Wirtschaftsethik: „Wirtschaftsethik … befasst sich mit der Frage, welche moralischen Normen und Ideale unter den Bedingungen der modernen Wirtschaft und Gesellschaft … zur Geltung gebracht werden können“ (Homann und Blome-Drees 1992, S. 14; vgl. auch zitiert nach Wurzer 2014, S. 81).