Der Beitrag untersucht die zentrale Rolle von Marken bei der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern und deren Einfluss auf die Entscheidungsprozesse von Abnehmern. Trotz eines insgesamt leicht rückläufigen Trends bei der Fremdvergabe logistischer Leistungen bleibt diese in vielen Wirtschaftsbereichen populär. Logistikdienstleistungsunternehmen erwirtschaften knapp die Hälfte des Umsatzes der gesamten deutschen Logistikwirtschaft, was die Bedeutung dieses Sektors unterstreicht. Die Analyse zeigt, dass die Corona-Krise und nachfolgende Supply Chain Disruptionen zu einem Umdenken bei den Abnehmern geführt haben, hin zu exklusiveren und langfristigeren Beziehungen zu Logistikdienstleistern. Eine starke Marke kann dabei als entscheidendes Differenzierungsmerkmal dienen und die Chancen erhöhen, in strategischen Auswahlentscheidungen berücksichtigt zu werden. Die Studie beleuchtet die Herausforderungen und Unsicherheiten, denen Logistikdienstleister bei der Implementierung von Markenstrategien gegenüberstehen, und identifiziert Forschungslücken in der bestehenden Literatur. Durch die Untersuchung der Berücksichtigung von Marken als Selektionskriterium und die Analyse der Einflussfaktoren auf die Markenberücksichtigung werden wertvolle Einblicke für die Praxis und Wissenschaft geboten. Der Beitrag positioniert sich an der Schnittstelle von B2B-Markenforschung, organisationaler Beschaffungsforschung und Logistikdienstleistungsforschung und bietet eine umfassende Analyse der Rolle von Marken in der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern.
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Zusammenfassung
In Anbetracht der gegenwärtigen Unsicherheiten der Logistikdienstleister hinlänglich der kundenbezogenen Markenwirkung und des generellen theoretischen Bedarfs zur Untersuchung von Logistikdienstleister-Marken in strategischen Auswahlentscheidungen wird für die Arbeit folgende Leifrage formuliert: Welche Rolle spielt die Marke bei der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern? Spezifiziert wird die Leitfrage mittels dreier Forschungsinteressen, die für die weitere Arbeit strukturgebend sind.
1.1 Die Rolle der Marke bei der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern – Relevanz und Leitfrage
Trotz insgesamt leichter Ausgaberückgänge bei der Fremdvergabe logistischer Leistungen ist diese weiterhin in den verschiedensten Wirtschaftsbereichen auffallend populär.1 So erwirtschaften Logistik-Dienstleistungsunternehmen knapp die Hälfte des Umsatzes der gesamten deutschen Logistikwirtschaft – insgesamt ca. 138 Milliarden Euro.2 Gegenwärtig stehen potenziellen Kunden ca. 70.000, meist mittelständische Logistikdienstleister, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, beispielsweise als Spediteure, Kontraktlogistikdienstleister oder Lagerführer, in Deutschland zur Verfügung.3 Nicht zuletzt diese Anzahl an Logistikdienstleistern, aber auch die weitgehende Austauschbarkeit logistischer Leistungen haben schließlich für einen bis dato stark preisgetriebenen Wettbewerb gesorgt.4 Selbst im Marktsegment der Kontraktlogistik, der lange Zeit als innovativ galt und verschiedene Wachstumsmöglichkeiten bot, ist ein stagnationsbedingter erhöhter Wettbewerbsdruck zu vernehmen.5 Ferner haben die Corona-Krise und weitere darauffolgende Supply Chain Disruptionen zu einem Umdenken bei den Abnehmern logistischer Leistungen gesorgt. Eine Tendenz zu exklusiveren und langfristigeren Beziehungen zu den Logistikdienstleistern wird zukünftig erwartet und ist teils schon zu beobachten.6 Damit Logistikdienstleister sich als zuverlässige Partner präsentieren können und auch weiterhin in den strategischen Auswahlentscheidungen ihrer Kunden berücksichtigt werden, gilt es also Mittel und Wege zu finden, sich von der Konkurrenz abzuheben. Eine klassische Form der Differenzierung liegt im Marketingmanagement und allen voran im Aufbau starker Marken.7 Marken nämlich sorgen für ein in der Psyche des Menschen verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild, welches bei den Nachfragern zu Präferenzen führt und letztendlich deren Entscheidungsverhalten mitbestimmen kann.8 Verfügt ein Logistikdienstleister also über eine derart unverwechselbare, einzigartige Marke, so steigen die Chancen in einer strategischen Auswahl von den Entscheidungsträgern des potenziellen Abnehmers gegenüber den Konkurrenten gewählt zu werden.
Dass sich Logistikdienstleister tatsächlich mit Marken beschäftigen und dafür sensibilisiert sind, zeigt die in 2021 durchgeführte Fallstudienanalyse von Rapp et al. (2023).9 Diese beabsichtigte in ihrer ursprünglichen Konzeption die Untersuchung von Eco-Branding Strategien bei Logistikdienstleistern, weshalb dieser auch generelle Aussagen zum Marketingmanagement und Markenaufbau bei Logistikdienstleistern zu entnehmen sind. Der Studie zufolge thematisieren die befragten deutschen Logistikdienstleister intern zwar häufiger die Einsatzmöglichkeiten von Marken und Marketingmaßnahmen, allerdings tatsächlich umgesetzt wurden diese Pläne bislang eher selten:
„Ja, das ist ein klassisches Mittelstands-Problem wahrscheinlich, dass wir kein Marketing machen. Wir machen total viele gute Sachen, aber wir kommunizieren sie nicht.“ – Fall Gamma
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Eine Ursache liegt in den für den Markenaufbau und -management notwendigen hohen Investitionen. Darüber hinaus sehen sich die Logistikdienstleister oftmals mit Unsicherheiten hinsichtlich des Nutzens als auch der Wirkung konfrontiert, weshalb sie diese Investitionen scheuen:
„Ich glaube wir haben eine ganz starke operative Fokussierung und dieses Thema strategische Sachen zu machen, Sachen, die vielleicht keinen Nutzen in den nächsten Wochen oder Monaten haben, oder generell einen Effekt haben, der gar nicht mal klar zuordenbar ist. Damit glaube ich, tuen wir uns, der Mittelstand, vielleicht aber auch grundsätzlich Inhabergeführte Unternehmen natürlich schwerer.“ – Fall Gamma
„Ja, weil es Ziel jedes Kaufmanns sein muss, Soll und Haben zu unterscheiden und Einkünfte und Ausgaben miteinander abzuwägen. (…) In einem Unternehmen muss ich immer Erbsen zählen und mit einer reinen Branding-Strategie, die nicht kostenbewusst ist, wäre mir als Unternehmer das Ganze ein bisschen zu riskant.“ – Fall Delta
„Ich erwarte keine negativen Auswirkungen einer potenziellen Eco-Branding Strategie. Allerdings stellt sich mir die Frage nach dem Nutzen. Der Bedarf nach einer solchen Strategie hat sich bei uns noch nicht ergeben.“ – Fall Zeta
„[Geschäftsführung Fall Eta], die auch das Marketing macht, hat eine Branding-Strategie schon mal mit angesprochen, und dass wir da einen Schritt nach vorne machen können. Ob das so weiter einschlägt oder ob das funktioniert, ist schwierig zu beurteilen.“ – Fall Eta
Sofern Logistikdienstleister aber über einen längeren Zeitraum in den Aufbau einer Marke investiert haben, nehmen sie auch tatsächlich die intendierten kundenbezogenen Vorteile wahr:
„Und dann haben wir gemerkt, dass Marketing etwas bringt. Wir haben in den ersten Jahren bis 2019 viel in die Marke investiert. Jetzt sind wir gerade dabei eine neue Agentur zu rekrutieren und jetzt merken wir immer mehr, dass wir uns weiterentwickeln wollen – wir müssen die Marke beim Kunden manifestieren“ – Fall Delta
Unumstritten zeigen die Logistikdienstleister ein praktisches Interesse an Marken,10 offenbaren aber gleichzeitig auch eine Zerrissenheit bei der Implementierung dieser und insbesondere eine Unsicherheit hinlänglich der Wirkung, beispielsweise im Rahmen von kundengeführten Auswahlentscheidungen.
Das wissenschaftliche Interesse indessen richtet sich unter Einnahme der Anbieterperspektive vorrangig – allerdings auch in geringem Umfang – auf das Markenmanagement bei Logistikdienstleistern (Abbildung 1.1).11 Die Beschaffungsperspektive, und damit die Untersuchung möglicher kundenbezogener Wirkungen von Logistikdienstleister-Marken, wird bislang noch vernachlässigt.12 Gleichzeitig erlangte die Forschung zu Marken im organisationalen Kontext, insbesondere auch deren Rolle in organisationalen Lieferantenauswahlentscheidung, in der Vergangenheit Aufmerksamkeit.13 Jedoch lag deren Fokus vorranging auf Sachgütern.14 Nicht wenige Forscher erachten daher eine Untersuchung von Marken bei der Beschaffung von Dienstleistungen für zweckmäßig.15 Denn die Beschaffung von Sachgütern und Dienstleistungen unterscheiden sich, Praktikern wie Wissenschaftlern zufolge, wesentlich. Der Beschaffung von Dienstleistungen wird aufgrund ihrer Intangibilität, Heterogenität, Simultanität und Vergänglichkeit tendenziell eine noch größere Herausforderung für Beschaffungsmanager unterstellt,16 was schließlich die Bedeutung von Marken, auch bei Logistikdienstleistern, noch einmal erhöhen dürfte.17 Zusammengefasst ergibt sich ein wissenschaftliches Defizit – in der Logistik-, Beschaffungs- als auch in der B2B-Markenforschung – hinlänglich der Analyse von Marken bei der Auswahl von Logistikdienstleistern aus einer Beschaffungsperspektive.
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Damit kann in Anbetracht der gegenwärtigen Unsicherheiten der Logistikdienstleister hinlänglich der kundenbezogenen Markenwirkung und des generellen theoretischen Bedarfs zur Untersuchung von Logistikdienstleister-Marken in strategischen Auswahlentscheidungen folgende Leitfrage (LF) der Arbeit formuliert werden:
LF:
Welche Rolle spielt die Marke (I.) bei der strategischen Auswahl (II.) von Logistikdienstleistern (III.)?
Gemäß der Leitfrage positioniert sich die Arbeit an der Schnittstelle dreier Forschungsfelder: I) B2B-Markenforschung, II) organisationale Beschaffungsforschung (OB-Forschung), und III) Logistikdienstleistungsforschung (Abbildung 1.1). Allerdings erfordert die allgemein formulierte Leitfrage der Arbeit eine Ausdifferenzierung in konkretere, zu bearbeitende Forschungsinteressen. Die inhaltliche Eingrenzung der Leitfrage stellt den Gegenstand des nächsten Kapitelabschnitts dar.
Abbildung 1.1
Venn-Diagramm zur einleitenden Strukturierung des Themengebiets
1.2 Bestimmung des Forschungsinteresses
Der Markt für Logistikdienstleister hat, wie bereits zuvor erörtert, die Eigenschaften kompetitiv und stark preisgetrieben zu sein.18 Auch eine erste Literaturanalyse unterstützt diese dominierende Meinung, dass bei Auswahlentscheidungen für Logistikdienstleister überwiegend auf Kriterien, wie Preis und Qualität, Wert gelegt wird.19 Vor dem Hintergrund der Leitfrage stellt sich daher die Frage, wie denn Marken als Selektionskriterium gewichtet werden bzw. welchen Stellenwert sie im Vergleich zu den eher traditionellen Selektionskriterien einnehmen. Angeregt durch den Forschungsstrang „do brands matter“20 (Abbildung 1.1) lautet daher das erste Forschungsinteresse (FI 1):
FI 1:
Inwiefern wird die Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern als Selektionskriterium beachtet?
Ferner sind die Logistikdienstleister mit Unsicherheiten hinlänglich des kundenbezogenen Nutzens von Marken konfrontiert. In anderen Worten bestehen bei den Logistikdienstleistern Unklarheiten darüber, ob und wann Marken ihren Nutzen entwickeln, und inwiefern anfängliche Investitionen gerechtfertigt sind.21 In der strategischen Auswahlentscheidung – gemäß dem Fokus der vorliegenden Arbeit – entfalten Marken dann ihren Nutzen, wenn sie in der individuellen Entscheidungsfindung der Beschaffungsmanager wahrgenommen und bedacht werden. Das heißt es besteht ein Interesse, herauszufinden, wann Marken in der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern berücksichtigt werden (und wann nicht). Bevor aber in Anlehnung an den Forschungsstrang „when do brands matter“22 (Abbildung 1.1) eine solche Analyse durchgeführt werden kann, muss zunächst ein geeignetes Konzept, das die Berücksichtigung von Marken erfasst und messbar macht, identifiziert werden. Unter diesen methodisch-konzeptionellen Gesichtspunkten kann demnach das zweite Forschungsinteresse (FI 2) wie folgt determiniert werden:
FI 2:
Inwiefern kann die Berücksichtigung der Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern konzeptionell gefasst werden?
In Forschungsinteresse 3 (FI 3) soll dann schließlich untersucht werden, inwiefern die Markenberücksichtigung bei der Auswahl von Logistikdienstleistern von verschiedenen Einflussfaktoren beeinflusst wird, um damit die Frage zu beantworten, wann Marken berücksichtigt werden. Darauf aufbauend lassen sich für die Logistikdienstleister Empfehlungen ableiten, wann ein Markenaufbau zweckmäßig ist:
FI 3:
Wann wird die Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern berücksichtigt? d.h. inwiefern wird die Berücksichtigung der Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern durch verschiedene Faktoren beeinflusst?
Tabelle 1.1 fasst die Leitfrage und die Forschungsinteressen der vorliegenden Arbeit noch einmal überblicksstiftend zusammen. Die drei Forschungsfelder werden nun hinlänglich der Forschungsinteressen vertiefend analysiert, um zum einen erste Erkenntnisse gewinnen und zum anderen relevante Forschungslücken in der bestehenden Literatur aufdecken zu können. Die Forschungsinteressen sind also vielmehr als inhaltliche Konkretisierung der Leitfrage und weniger als von der Literatur angeregte Forschungsbedarfe zu verstehen. Diese theoretische Relevanz unterliegt dann den später aus dem Forschungsstand abgeleiteten Forschungsbedarfen (FB).
LF: Welche Rolle spielt die Marke bei der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern?
FI 1
Inwiefern wird die Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern als Selektionskriterium beachtet?
FI 2
Inwiefern kann die Berücksichtigung der Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern konzeptionell gefasst werden?
FI 3
Wann wird die Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern berücksichtigt? d. h. inwiefern wird die Berücksichtigung der Marke bei der Auswahl von Logistikdienstleistern durch verschiedene Faktoren beeinflusst?
1.3 Ableitung von Beurteilungskriterien aus den Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten
Zur Beurteilung der Qualität wirtschaftswissenschaftlicher Arbeiten werden seit geraumer Zeit die beiden Prinzipien der Relevanz (relevance) und Strenge (rigor) diskutiert.24 Anfänglich noch als Substitute verstanden, werden sie nunmehr als Komplementäre definiert oder wie Mentzer (2008) es ausdrückt: „Why would we choose only one? How can research be considered “good” if it is not relevant to the discipline under study? How can research be useful if our methods are not rigorous enough to allow us to be confident in our results?“25 Das Ziel des Kapitels soll es demnach sein, die beiden Prinzipien mit den ihnen unterliegenden Kriterien im Allgemeinen vorzustellen. Zum Abschluss der Arbeit kann dann eine kritische Beurteilung der vorliegenden Studie anhand dieser Kriterien stattfinden (Kapitelabschnitt 6.226). Ferner ergeben sich aus der Sicherstellung der Leitprinzipien wesentliche Implikationen für die Arbeitsschritte und die Struktur der Arbeit (Kapitelabschnitt 1.4), weshalb in den Einführungen der Kapitelabschnitte auf die Einhaltung dieser verwiesen werden soll.
Hinsichtlich der Relevanz wird vor allem die Lücke zwischen Forschung und Praxis – die sogenannte praktische Relevanz (PR) – als problematisch identifiziert.27 Viel zu oft werden Forschungsprojekte durch Interessen der Forschenden sowie aus gegenseitigem Wetteifern um die ausgefallensten Ideen oder um die komplexesten Methoden geleitet.28 Der Wissenstransfer an die Praxis und die Frage, wie man praxisrelevante Forschung betreiben kann, sind daher häufig nur zweitrangig.
Tabelle 1.2
Theoretische und Praktische Relevanz als Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten29
Theoretische Relevanz (TR)
Praktische Relevanz (PR)
TR 1:
Beitrag zur bestehenden Literatur
PR 1:
Problemgetrieben: Ein Problem, dem Praktiker ausgesetzt sind.
TR 2:
Positionierung und Einfluss der Untersuchung
PR 2:
Aktuell: Theorien werden rechtzeitig entwickelt, um von den Praktikern verwendet zu werden, um die Probleme anzugehen, mit denen sie derzeit konfrontiert sind.
TR 3:
Identifikation von Lücken in der bestehenden Literatur
PR 3:
Wichtig: ein Ergebnis, das den Akteuren wichtig ist.
PR 4:
Umsetzbar: Praktiker können die Erkenntnisse nutzen.
PR 5:
Nicht offensichtlich: geht über den gesunden Menschenverstand hinaus.
PR 6:
Neuartig: neu für Praktiker.
PR 7:
Nicht zu kostspielig: Die für die Implementierung erforderlichen Ressourcen überwiegen nicht den Nutzen.
Als Antwort darauf stellt Svanberg (2020) zur Beurteilung der praktischen Relevanz von Forschungsarbeiten mehrere aus der Literatur und Praxis erarbeitete Kriterien vor. Demnach soll die wirtschaftswissenschaftliche Forschung problemgetrieben, aktuell, wichtig, umsetzbar, nicht-offensichtlich, neuartig und nicht zu kostspielig sein.30 Gleichermaßen sollte eine Forschungsarbeit theoretische Relevanz (TR) besitzen. Nach Stentoft und Rajkumar (2018) erfolgt dies durch die Identifikation von Forschungslücken, die Positionierung der Arbeit, deren Einfluss und Beitrag für die bestehende Literatur (siehe Tabelle 1.2).31
Als Strenge bezeichnet man dagegen das Einhalten von wissenschaftlichen Regeln. Damit soll gewährleistet werden, dass die erzielten Ergebnisse einer Untersuchung verlässlich sind und angemessen interpretiert werden können.32 Varadarajan (2003) unterscheidet in diesem Kontext zwischen der konzeptionellen (KS) und methodischen (MS) Strenge. Insofern wird bei der konzeptionellen Strenge die Qualität der konzeptionellen Entwicklung, bei der methodischen Strenge die Qualität der empirischen Untersuchung beurteilt.33 Die verschiedenen Evaluationskriterien je Typus sind in Tabelle 1.3 illustriert.
Tabelle 1.3
Konzeptionelle und Methodische Strenge als Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten34
Konzeptionelle Strenge (KS)
Methodische Strenge (MS)
KS 1:
Berücksichtigung und Behandlung relevanter Literatur – Konzepte und Theorien
MS 1:
Angemessenheit und Robustheit des Forschungsdesigns
KS 2:
Aufmerksamkeit bei Definitionsproblemen – Genauigkeit und Klarheit konzeptioneller Definitionen
MS 2:
Aufmerksamkeit für messbezogene Probleme – Operationalisierung, Validität und Reliabilität der Konstrukte
KS 3:
Verwendung von Evidenzen zur Stützung der Position – konzeptionelle Argumentation, das dem konzeptionellen Modell und den Hypothesen zugrunde liegt
MS 3:
Angemessenheit, Merkmale und Repräsentativität der Stichprobe
KS 4:
Objektivität im Umgang mit komplementären und konkurrierenden Perspektiven
MS 4:
Angemessenheit der Analysemethoden/statistischen Verfahren
MS 5:
Genauigkeit und Vollständigkeit bei der Berichterstattung über Ergebnisse und Verfahren, die zu den Ergebnissen führen
MS 6:
Reliabilität und Validität empirischer Befunde
1.4 Aufbau der Arbeit
Gemäß der einleitenden Strukturierung35 sowie unter Berücksichtigung der Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten36 wurden folgende Arbeitsschritte zur Bearbeitung der Forschungsinteressen definiert:
Das zweite Kapitel widmet sich den konzeptionellen und theoretischen Grundlagen. Aus der einführenden Strukturierung folgt mit den konzeptionellen Grundlagen die vertiefende Strukturierung und Analyse des Themengebiets (Kapitelabschnitt 2.1). Die Untergliederung des Kapitels orientiert sich dabei an den zuvor im Venn-Diagramm ausgewiesenen drei Forschungsfeldern „B2B-Marken“ (Kapitelabschnitt 2.1.1), „Organisationales Beschaffungsverhalten“ (Kapitelabschnitt 2.1.2), Logistikdienstleistungen“ (Kapitelabschnitt 2.1.3). Das Ziel des Kapitels ist es konzeptionelle Elemente aus der bestehenden Literatur in Vorbereitung auf die eigene Untersuchung zu identifizieren und gleichzeitig die in Kapitelabschnitt 1.2 eröffneten Forschungsinteressen als Forschungsbedarfe in Reflektion bestehender Forschungsbeiträge weiter zu konkretisieren (Kapitelabschnitt 2.1.4). Aus den Forschungsbedarfen wird dann schließlich das methodische Vorgehen bestimmt. Es wurde ein quantitativ-empirisches Vorgehen als geeignet befunden, um allen voran den Forschungsbedarf innerhalb des dritten Forschungsinteresses zu bearbeiten. Die Ausführungen hierzu finden sich in Kapitelabschnitt 2.1.4.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass auf ein klassisches Methodenkapitel verzichtet und stattdessen ein Ansatz umgesetzt wurde, bei dem die methodenbezogenen Entscheidungen, beispielsweise hinsichtlich des statistischen Analyseverfahrens, schrittweise, d. h. mit dem Fortschreiten der dafür notwendigen Erkenntnisse präsentiert werden. Demnach findet sich in Kapitelabschnitt 2.1.4. und damit nach der Bestimmung der konkreten Forschungsbedarfe, die Entscheidung zur generellen Einordnung des Forschungsprojekts (quantitativ-empirische Sozialforschung). In Kapitelabschnitt 3.1.1 und damit nach der Herleitung des Hypothesensystems wird die Konstrukt-Konzeptualisierung und -Operationalisierung bestimmt. Hingegen wird in Kapitelabschnitt 4.2.2 und damit nach der Prüfung der Normalverteilungsannahme das statistische Datenanalyseverfahren (Strukturgleichungsmodellierung), sowie der Berechnungsansatz (Partial-Least Squares) spezifiziert. Mit diesem Vorgehen wird demnach die Absicht verfolgt, eine transparente und nachvollziehbare Berichterstattung (MS 1), sowie eine Angemessenheit der Analysemethoden (MS 4) gemäß dem Leitprinzip der methodischen Strenge gewährleisten und besser aufzeigen zu können.37
Nach den konzeptionellen Grundlagen werden in Kapitelabschnitt 2.2 die Informationsverarbeitungstheorie, sowie die kognitive Dissonanztheorie mit einer Analogie des wahrgenommenen Risikos als theoretische Ansätze begründet ausgewählt und im Anschluss hinsichtlich ihrer Implikationen für den Forschungsbedarf analysiert. Anschließend werden mit Hilfe vorangegangener Forschungsbeiträge und der theoretischen Implikationen statistische Hypothesen abgeleitet und ein Hypothesensystem entwickelt (Kapitelabschnitt 2.3), bevor zum Abschluss eine integrierte Betrachtung des Hypothesensystems stattfindet (Kapitelabschnitt 2.4).
Bevor die quantitativ-empirische Studie angegangen werden kann, werden im dritten Kapitel noch eine Reihe von Vorarbeiten durchgeführt. Dies betrifft gemäß dem Vorgehen quantitativ-empirischer Studien allen voran die Konzeptualisierung und Operationalisierung der hypothetischen Konstrukte (Kapitelabschnitt 3.1). Aber auch potenziellen Verzerrungen wird vorgebeugt und Kontrollmöglichkeiten erarbeitet (Kapitelabschnitt 3.2). Nach der Durchführung verschiedener Vorstudien (Kapitelabschnitt 3.3) werden notwendige Anpassungen des Hypothesensystems adressiert und das endgültige Modell der empirischen Studie präsentiert (Kapitelabschnitt 3.4).
Das vierte Kapitel befasst sich schließlich mit der Durchführung der quantitativ-empirischen Studie. Diesbezüglich ist es zunächst notwendig die Daten zu erheben, zu bereinigen und zu beschreiben (Kapitelabschnitt 4.1). Im Anschluss daran erfolgt die Einführung in das statistische Datenanalyseverfahren (Kapitelabschnitt 4.2), bevor zum Abschluss die Datenanalyse durchgeführt und damit die Ergebnisse für die Forschungsbedarfe präsentiert werden (Kapitelabschnitt 4.3).
Im fünften Kapitel werden jene Ergebnisse aufgegriffen und diskutiert. Das Kapitel ist, wie auch das Ergebniskapitel 4.3, entlang der Forschungsbedarfe bzw. den zugehörigen Forschungsinteressen strukturiert. So werden im ersten Schritt die Ergebnisse zur relativen Wichtigkeit der Marke bei der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern (Kapitelabschnitt 5.1) und in einem zweiten Schritt dann die Ergebnisse zur Erfassung der Markensensibilität über verschiedene Markenattribute (Kapitelabschnitt 5.2) diskutiert. Im dritten Schritt werden dann die Erkenntnisse um das Hypothesensystem vor dem Hintergrund bestehender Forschungsbeiträge kritisch reflektiert (Kapitelabschnitt 5.3).
Im abschließenden sechsten Kapitel wird mit Bezug zur Leitfrage der Arbeit eine Zusammenfassung zur Rolle der Marke in der strategischen Auswahl von Logistikdienstleistern geliefert (Kapitelabschnitt 6.1). Des Weiteren wird die vorliegende Arbeit anhand der Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten final beurteilt. Gleichzeitig werden mit der Beurteilung der theoretischen und praktischen Relevanz auch die Implikationen für die Wissenschaft und Praxis dargeboten (Kapitelabschnitt 6.2). Die Arbeit endet schließlich mit einem Ausblick auf weitere Forschungsmöglichkeiten innerhalb des Themengebiets (Kapitelabschnitt 6.3). Einen Überblick über den Ablauf der Arbeit bietet Tabelle 1.4.
1.3 Ableitung von Beurteilungskriterien aus den Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten
1.4 Aufbau der Arbeit
2. Konzeptionell-theoretische Grundlagen
2.1 Konzeptionelle Grundlagen
2.2 Ausgewählte theoretische Ansätze
2.3 Entwicklung eines vorläufigen Hypothesensystem
2.4 Eine integrierte Betrachtung des vorläufigen Hypothesensystems
3. Vorarbeiten zur Durchführung der quantitativ-empirischen Studie
3.1 Konzeptualisierung und Operationalisierung der hypothetischen Konstrukte
3.2 Potenzielle Verzerrungen in der quantitativen Umfrageforschung
3.3 Voruntersuchungen
3.4 Endgültiges Hypothesensystem
4. Durchführung der quantitativ-empirischen Studie
4.1 Datenerhebung, -bereinigung und -beschreibung
4.2. Einführung in das statistische Datenanalyseverfahren
4.3 Durchführung der Datenanalyse
5. Diskussion der Ergebnisse
5.1 Die relative Wichtigkeit der Marke in der Auswahlentscheidung von Logistikdienstleistern
5.2 Der Beitrag von Markenattributen zur Bestimmung der Markensensibilität
5.3 Der Einfluss von organisationalen und individuellen Charakteristiken auf die Markensensibilität
6. Schlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Implikationen, Limitationen und abschließende Beurteilung der Leitprinzipien wissenschaftlicher Arbeiten
6.3 Weiterer Forschungsbedarf
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Vgl. Pflaum und Klaus (2022), S. 7; Langley Jr. und NTT DATA (2023), S. 12 f. So nahm beispielsweise im Vergleich zum Jahr 2022 das Outsourcing in den Kategorien „freight forwarding“ und „international transportation“ deutlich zu, jedoch in der Kategorie „warehousing“ ab. Hinsichtlich der Ausgaben für fremdvergebene Logistikleistungen ist ein leicht abnehmender Trend seit 2020 zu verzeichnen. Die Autoren führen diesen allerdings auf die Corona-Krise und einer Reihe von Supply Chain Disruptionen zurück, da dadurch die vollständigen Kapazitäten der Lieferketten nicht ausgenutzt werden konnten [vgl. Langley Jr. und NTT DATA (2023), S. 12. Langley Jr. und NTT DATA (2022), S. 15]. Demgegenüber geben weiterhin 55 % der befragten Abnehmer logistischer Leistungen an, den Anteil an fremdvergebenen Logistikleistungen erhöhen zu wollen [vgl. Langley Jr. und NTT DATA (2023), S. 11].
Für das Jahr 2021 schreibt die Studie „TOP 100“ des Fraunhofer IIS der deutschen Logistikwirtschaft ein Volumen von € 294 Mrd. zu. Von den € 294 Mrd. entfallen ca. € 138 Mrd. (46 %) auf fremdbezogene Logistikleistungen, d. h. auf Logistikdienstleister [vgl. Pflaum und Klaus (2022), S. 4, 7 f.]. Für die darauffolgenden beiden Jahre gibt die BVL ein Volumen von €319 Mrd. (2022) und geschätzten € 330 Mrd. (2023) an, jedoch ohne eine detaillierte Verteilung zwischen den Marktsegmenten oder Angabe fremdbezogener Logistikleistungen [vgl. BVL (2023)].
Vgl. BVL (2023). Das Deutsche Statistische Bundesamt hingegen rechnet dem Wirtschaftszweig „Verkehr und Lagerei“ (WZ08-H) im Jahr 2021 ca. 100.000 Unternehmen zu, wobei hier als Einschränkung auch Unternehmen des Personenverkehrs miteinbezogen werden [vgl. Deutsches Statistisches Bundesamt (2021)].
Vgl. Kramer (2016), S. 2; Klaus (2011), S. 50; Pflaum und Klaus (2022), S. 8; Hofmann und Osterwalder (2017), S. 1 f. Die Kontraktlogistik stellt in Deutschland mit € 22,5 Mrd. immer noch eines der größten Marktsegmente der Logistikdienstleister dar [vgl. Pflaum und Klaus (2022), S. 8].
Vgl. Rapp et al. (2023), S. 4 ff. Die hier verwendeten Interview-Aussagen wurden im Rahmen eines Forschungsprojekts der Abteilung für ABWL, insbesondere Logistik- und Beschaffungsmanagement der Universität Stuttgart erhoben und veröffentlicht. Die Studie stellt keinen Inhalt des Dissertationsprojektes dar, jedoch konnten geeignete Interviewpassagen hinsichtlich des Dissertationsthemas aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen zum Aufzeigen der praktischen Relevanz verwendet werden.
Ferner manifestiert sich das Interesse der Logistikdienstleister in den seit 2016 im zweijährigen Turnus von der BVL und LOGISTIK HEUTE vergebenen Preisen für die besten Logistik-Marken [vgl. Logistikheute (2020), S. 4]. Allerdings entfielen die Wahl und Auszeichnung im Jahr 2022. Gründe konnten keine identifiziert werden.
Siehe exemplarisch die Arbeiten von Davis et al., 2009; Golicic et al., 2012; Grant et al., 2014; Marquardt et al., 2011; Rahman et al., 2017. Eine Vertiefung findet sich in Kapitelabschnitt 2.1.1.2.
Frühere Studien heben oftmals deren Vernachlässigung im Vergleich zu Konsumentenmarken hervor [vgl. Leek und Christodoulides (2011), S. 830; Bendixen et al. (2004), S. 371]. Allerdings hat sich gegenwärtig eine substanzielle Anzahl an Forschungsbeiträgen zu B2B-Marken, als auch zu B2B-Marken in der organisationalen Beschaffung angesammelt [vgl. Seyedghorban et al. (2016), S. 2664; Aspara und Tikkanen (2008a), S. 80; Gomes et al. (2016), S. 193 f., siehe auch Kapitelabschnitt 2.1.1].
Vgl. Casidy et al. (2018), S. 26 f.; Gomes et al. (2016), S. 194. Für eine generelle Betrachtung von B2B-Marken bei Dienstleistern – unabhängig von der Beschaffungsperspektive – werben beispielsweise auch Keränen et al. (2012), S. 410; Roberts und Merrilees (2007), S. 415.
Mentzer (2008), S. 72. Forschung, die sowohl hohe methodische Strenge als auch praktische Relevanz aufweist, wird der Typologie von Anderson et al. (2001) zufolge als „Pragmatic Science“ bezeichnet [vgl. Anderson et al. (2001), S. 394].
Vgl. McKinnon (2013), S. 16; Anderson et al. (2001), S. 395; Lambert (2019), S. 384; Svanberg (2020), S. 215 f.. Dagegen führen Shapiro et al. (2007) die Lücke zwischen Praxis und Forschung beispielsweise auf zwei grundlegende Problemtypen zurück: 1) „lost in translation“ und 2) „lost before translation“ [vgl. Shapiro et al. (2007), S. 249].