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2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

Eingriffswirkungen staatlicher Publikumsinformation aus rechtlicher Perspektive

verfasst von : Eva Ellen Wagner

Erschienen in: Mittelbare Verhaltenssteuerung – Konzept, Wirkungen, Kritik

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Der Beitrag hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe staatlicher Publikumsinformation zum Gegenstand. Diese sind durch Unschärfen gekennzeichnet, weil eine grundrechtliche Sonderdogmatik hier die Fragen prägt, wann staatliche Informationen überhaupt in den Schutzbereich von Grundrechten eingreifen und in welchen Fällen für amtliche Öffentlichkeitsarbeit eine diese ausdrücklich gestattende Befugnisnorm erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht formulierte hier im Jahr 2002 Weichenstellungen, die mit ihren grundsätzlichen Annahmen bis heute nachwirken, in der rechtswissenschaftlichen Literatur aber seit jeher kritisiert werden. Wie die nachgängige Rechtsprechungsentwicklung zeigt, haben sich aber auch einige Modifikationen durchgesetzt. Um deren Nachvollzug und Kontextualisierung geht es ebenfalls in diesem Beitrag. Davon unbeschadet haben die Spezifika digitaler Kommunikation für staatliche Stellen neue Möglichkeiten geschaffen, sich auf dem Marktplatz der Meinungen mit eigenen Informationen am Diskurs zu beteiligen. Die besonderen Herausforderungen dieser Form der Öffentlichkeitsarbeit werden anhand zweier aktueller Problemfelder thematisiert: Die polizeiliche Außendarstellung auf Kurznachrichtendiensten und das sog. Microtrageting auf sozialen Netzwerken im Auftrag von Ministerien.

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Fußnoten
1
Zu den unterschiedlichen Informationsbegriffen, die hier nicht weiterverfolgt werden können, Mast 2020, S. 73 ff.
 
2
Dazu im Kontext des informalen informatorischen Staatshandelns Gusy 2000, S. 979.
 
3
Kaiser 2009, S. 245 ff.
 
4
Verstanden als Unterrichtung der (allgemeinen) Öffentlichkeit und zu unterscheiden von der Individualauskunft, bspw. in einem Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.
 
5
Statt aller Ingold 2011, S. 11 f.
 
6
Dazu allg. Mandelartz 2009, S. 509 f.
 
7
Dazu schon BVerfGE 44, 125 (148).
 
8
Vgl. hierzu Gawlas et al. 2015, S. 365 f.
 
9
Zur Unterscheidung von der „schlichten Zugänglichmachung aus Transparenzgründen“ und dem bewussten Einsatz von Information als hoheitliches Lenkungsmittel im Bereich der Verbraucherinformation Möstl 2015, S. 3.
 
10
Gusy 2000, S. 977.
 
11
Statt vieler Spieker gen. Döhmann 2000, S. 260 und 276; Ossenbühl 2011, S. 1357 f. Zur Deutung, dass hier das infolge des gesellschaftlichen Strukturwandels verlorengegangene personenbezogene Vertrauen durch ein neues Systemvertrauen substituiert wird, Augsberg 2014, S. 201. Auch das Bundesverfassungsgericht geht von einer besonderen Autorität staatlicher Informationstätigkeit aus, vgl. nur BVerfGE 105, 252 (257, 269); 105, 279 (289).
 
12
Zu den unterschiedlichen „Wirkungspfaden“ näher Engel 2006, Rn. 7 ff.
 
13
Schoch 2011, S. 2241, betont hier mit Blick auf die Verbraucherinformation die Verbesserung der Auswahl- und Entscheidungskompetenz von Verbrauchern.
 
14
Zur Information als sog. weiche Handlungsform, die zwar auf die Anwendung hoheitlicher Gewalt verzichtet, aber darauf anlegt ist, gesellschaftliche Zwänge einzusetzen und auszunutzen, Ossenbühl 2011, S. 1357.
 
15
Auf den Art. 21 Abs. 1 GG entnommen Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien wird ebenfalls am Rande eingegangen. Dessen genaue Rechtsnatur (Einrichtungsgarantie, Grundrecht, erfassungsrechtliche Sonderstellung der Parteienfreiheit) ist umstritten. Zum Meinungsstand vgl. Kluth 2022, Rn. 93 ff.
 
16
Statt vieler Schoch 2011, S. 194: „Dammbruch“; Ossenbühl 2011, S. 1360: „dogmatisch verfehlt[e] und auch in ihrem Aussagegehalt kaum nachvollziehbare Entscheidung.“
 
17
BVerfGE 105, 252.
 
18
BVerfGE 105, 252 (265).
 
19
Dazu auch Huber 2003, S. 292.
 
20
BVerfGE 105, 252 (265).
 
21
Die Verwendung des Begriffs „Gewährleistungsbereich“ zeigt an, dass der Schutzbereich des Grundrechts hier enger gefasst wird als in der klassischen Grundrechtsdogmatik, dazu Voßkuhle und Kaiser 2018, S. 344.
 
22
Zu der hiermit verbundenen „Steuerung über den Zugangsfilter einer aufgewerteten ersten Grundrechtsprüfungsstufe“ Kahl 2004, S. 180 ff.
 
23
Oder wenn sich eine Information im Nachhinein als unrichtig erweise und dennoch weiterverbreitet oder nicht korrigiert würde, obwohl sie für Marktverhalten weiter von Belang sei, BVerfGE 105, 252 (273).
 
24
Dazu statt aller Voßkuhle und Kaiser 2009, S. 313. Ausführlich zum dogmatischen Unterschied von weitem Schutzbereich und engem Gewährleistungsgehalt Kahl 2004.
 
25
Statt vieler Schoch 2011, S. 195 m. w. N.
 
26
BVerfGE 105, 252 (273).
 
27
Nicht ganz deutlich wird allerdings, ob bei Nichterfüllung eines dieser Kriterien das staatliche Informationshandeln in einen Eingriff rsp. in ein funktionales Eingriffsäquivalent umschlägt.
 
28
Dazu BVerfGE 105, 279 (284).
 
29
BVerfGE 105, 279 (294).
 
30
BVerfGE 105, 279 (293).
 
31
BVerfGE 105, 279 (295).
 
32
BVerfGE 105, 279 (299).
 
33
BVerfGE 105, 279 (304).
 
34
Statt aller Klement 2005; Huber 2003; Kahl 2004; Schoch 2011.
 
35
BVerfGE 105, 279 (298).
 
36
BVerfGE 105, 279 (303).
 
37
BVerfGE 105, 279 (304). Der hierin liegende Beschränkungsgehalt, insb. die zumindest angelegte Unterscheidung von gubernativer und administrativer Informationstätigkeit, aktualisierte sich nur bedingt, vgl. dazu sogleich beim Fall Löw.
 
38
Dazu Wollenschläger 2018, S. 984.
 
39
BVerfGE 148, 48.
 
40
Vorausgesetzt ist hier ferner, dass die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro oder eine Sanktionierung wegen einer Straftat zu erwarten ist.
 
41
Zur Kritik im Schrifttum statt vieler Möstl 2015, S. 4 ff.; Bäcker 2016, S. 601 f.
 
42
BVerfGE 148, 40 (50).
 
43
BVerfGE 148, 40 (51).
 
44
BVerfGE 148, 40 (51). Siehe auch BVerwGE 166, 233 (245 f.).
 
45
BVerfGE 148, 40 (51 f.).
 
46
BVerfG 105, 252 (256).
 
47
So Gärditz 2020, S. 63.
 
48
Dazu sogleich noch näher unter Abschn. 2.4.2.
 
49
Zu grundrechtlichen Neutralitätsgeboten als unabhängig von der Eingriffsschwelle greifende Grundrechtsschutzdimension dagegen Ingold 2017, S. 262: „Insoweit bricht sich die liberale Grundlegung der Verfassung Bahn, welche davon ausgeht, dass Grundrechtsträgern eine basale Freiheit zukommt und diese damit durch sich selbst berechtigt zu handeln vermögen, während als Gegenpol staatliche Betätigung rechtlich limitiert und als solche per se rechtfertigungsbedürftig ist.“ In diesem Sinne sind grundrechtliche Neutralitätsgebote als unabhängig von der Eingriffsschwelle greifende Grundrechtsschutzdimension zu verstehen.
 
50
Vgl. etwa OVG Bremen NJW 2016, 823 (Salafismus-Vorwurf).
 
51
Näher zum Spektrum staatlicher Neutralitätspflichten Ingold 2017, S. 255 ff.
 
52
Vgl. dazu die Grobeinteilung bei Mast 2020, S. 71 unter Bezug auf Jestaedt 1993, S. 194, wonach Vertreter der bürokratisch-administrativen Staatsebene (Lebenszeitbeamte, Fachbehörden, Justiz) rechtlich relativ gebunden sind, während Vertreter der repräsentativ-politischen Staatsebene (Parlament, Regierung) rechtlich relativ frei seien. Ausführlich zu den Maßstäben bei Äußerungen von Behörden Conrad et al. 2022, § 7.
 
53
Vgl. dazu statt vieler Barczak 2015, S. 1015 ff.
 
54
Dazu nur BVerfGE 136, 323; 138, 102; 148, 11; RhPfVerfGH NVwZ-RR 2014, 665; ThürVerfGh NVwZ 2016, 1408.
 
55
Hiermit sind Konstellationen gemeint, in denen der Grundrechtseingriff zu besorgen steht, weil mit den Informationen auf die Entscheidungsgrundlage der Informierten eingewirkt werden soll.
 
56
Vgl. hier nur Wolff 2021 und Gerg 2019.
 
57
Dazu näher Wolff 2015, S. 213 ff.
 
58
Ebenso Hufen 2020, S. 198; anders wohl van Aaken 2016, S. 185.
 
59
Dies kann weniger durch die Information selbst geschehen als vielmehr durch die Art und Weise ihrer Verbreitung, etwa durch die Verwendung eines Totenkopfsymbols (zu diesem Beispiel Krönke 2016, S. 337); grundsätzlich zu diesem Maßstab Wolff 2015, S. 217 f.
 
60
Beispiel dafür (Horrorbilder an der Autobahn) bei Hufen 2020, S. 196 und 198.
 
61
Staatliche Desinformationsmaßnahmen sehen sich neben grundrechtlichen auch demokratischen und rechtsstaatlichen Beschränkungen gegenüber, dazu ausführlich Ingold 2011.
 
62
Wollenschläger 2021, S. 5.
 
64
Dieser unterhält auch die Transparenzinitiative FragDenStaat.
 
65
Dem drittbetroffenen Lebensmittelunternehmer ist die Entscheidung gem. § 5 Abs. 2 S. 3 VIG bekanntzugeben und es ist eine Wartefrist nach § 5 Abs. 4 S. 2 und 3 VIG einzuhalten (Zeitraum soll 14 Tage nicht überschreiten). Rechtsbehelfe haben keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG).
 
66
Die Abweichung von gesetzlichen Anforderungen muss bereits nach rechtlicher Würdigung aktenkundig, aber noch nicht bestandskräftig festgestellt worden sein, dazu BVerwGE 166, 233 (241 f.). Eine Pflicht zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der herauszugebenden Informationen besteht nicht (§ 6 Abs. 3 S. 1 VIG), bekannte Zweifel an der Richtigkeit sind aber mitzuteilen (§ 6 Abs. 3 S. 2 VIG).
 
67
Zum Ganzen ausführlich und mwN Wollenschläger 2021, S. 12 ff.
 
68
BVerwGE 166, 233 (247). Kritik an dieser sehr auf die Informationsverwendung im Einzelfall zugeschnittenen Prüfung eines Grundrechtseingriffs durch eine abstrakt generelle Regelung bei Rossi 2020, 573 (576). In der Literatur wurde freilich angenommen, dass auch unabhängig vom Multiplikatoreneffekt sowohl bei der gesetzlich vorgesehenen als auch der behördlicherseits realisierten Informationserteilung ein Grundrechtseingriff zu bejahen ist, vgl. dazu nur Wollenschläger 2021, S. 49.
 
69
BVerwGE 166, 233 (246 f.). Der Unterschied zur klassischen aktiven staatlichen Verbraucherinformation kann hier in quantitativer, aber vor allem in qualitativer Hinsicht beschrieben werden. In der Literatur werden dabei sowohl eine Verringerung der Belastungsintensität vertreten (etwa Wollenschläger 2021, S. 65 ff.: keine generelle und flächendeckende Veröffentlichung, keine zwingende Veröffentlichung, keine Inanspruchnahme von Amtsautorität jedenfalls bei der Weiterverbreitung, zivilrechtliches Kontrollregime) aber auch eine Eingriffsintensivierung wegen der Inkaufnahme eines staatlichen Steuerungsverlustes nach der Informationserteilung und fehlender Aktualisierungspflicht, Rossi 2020, S. 577; Gärditz 2020, S. 65 f.
 
70
Dazu sogleich auch noch näher unter Abschn. 3.
 
71
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung betont dagegen häufiger das Erfordernis einer Befugnisnorm. Dazu mit Beispielen aus der Rechtsprechung Schoch 2014, S. 367 f. Ferner zur verwaltungsgerichtlichen Praxis nach Osho Lenski 2008, S. 13 ff.
 
72
BVerfGE 136, 323 (332).
 
73
BVerwG NVwZ 2018, 433 (434 f.).
 
74
Vgl. dazu aus der neueren Rechtsprechung nur BVerfG NVwZ 2015, 209 (211 f.) sowie jüngst BVerfG NVwZ 2022, 1113 (1116).
 
75
Exemplarisch BVerwG NVwZ 2018, 433 (434 f.): „Die Zuweisung einer Aufgabe berechtigt grundsätzlich zur Informationstätigkeit im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe, auch wenn dadurch Grundrechte Dritter berührt werden können. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt hierfür keine darüber hinausgehende besondere Ermächtigung durch den Gesetzgeber, es sei denn, die Maßnahme stellt sich nach Zielsetzung und Wirkungen als Ersatz für eine staatliche Maßnahme dar, die als Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne zu qualifizieren ist. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs kann das Erfordernis einer besonderen gesetzlichen Grundlage nicht umgangen werden.“
 
76
BVerfG NJW 2011, 511. Kritische Auseinandersetzung bei Schoch 2011, S. 193.
 
77
Siehe dazu BVerfG NJW 2011, 511.
 
78
BVerfG NJW 2011, 511 (511 f.).
 
79
BVerfG NJW 2011, 511.
 
80
BVerfG NJW 2011, 511 (512).
 
81
Im Landesverfassungsschutzbericht NRW wurde die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ua als „rechtsextremistische Publikation“ bzw. „Organisation“ bezeichnet.
 
82
BVerfGE 113, 63 (78).
 
83
BVerfGE 113, 63 (76). Das Gericht stellt hier im Folgenden allerdings schon noch auf eine Besonderheit von Verfassungsschutzberichten ab, die „kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit“ darstellten und eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht deswegen „über die bloße Teilhabe staatlicher Funktionsträger an öffentlichen Auseinandersetzungen oder an der Schaffung einer hinreichenden Informationsgrundlage für eine eigenständige Entscheidungsbildung der Bürger“ hinausgehe, BVerfGE 113, 63 (77).
 
84
Verwiesen sei z. B. auf § 40 LFGB (Information der Öffentlichkeit im Lebens- und Futtermittelbereich); § 69 Abs. 4 AMG (Öffentliche Warnung im Fall des Rückrufs eines Arzneimittels); § 26 Abs. 4 S. 2 ProdSG (Veröffentlichung von Marktüberwachungserkenntnissen im Produktsicherheitsportal).
 
85
So auch bei den vorstehend vorgestellten Beschlüssen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von § 40 Abs. 1a LFGB und zur Nennung im Verfassungsschutzbericht.
 
86
Dazu schon Klement 2005, S. 507 ff.
 
87
VG Berlin LKV 2013, 131 (132 f.).
 
88
BVerwG PharmR 2015, 259 (261).
 
89
Zu beachten sind hier natürlich auch gewichtige und durchaus weitreichende Einschränkung für die Kommunikation personenbezogener Daten. Die Informationserteilung kann personenbezogene Daten i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO betreffen. Ist dies der Fall, muss die Verarbeitung mit den Anforderungen der DSGVO in Einklang stehen.
 
90
Dazu, dass für die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung zum Einsatzgeschehen nicht wie sonst im Gefahrenabwehrrecht zulässig auf die ex-ante-Einschätzung der handelnden Beamt:innen abzustellen, sondern eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle anzulegen ist, siehe OVG Münster, NJW 2023, 1146. Dies ist auch folgerichtig, weil es bei den Veröffentlichungen nicht um Gefahrenabwehr geht.
 
91
Die Neutralitätspflichten greifen nach bisheriger Rechtsprechung im Verhältnis staatlicher Hoheitsträger zu politischen Parteien (BVerfGE 44, 125; BVerfGE 138, 102; BVerfGE 138, 125), aber auch zu kommunalen Wählervereinigungen (BVerfGE 121, 108 [121]), und Einzelkandidat:innen bei Direktwahlen (BVerfGE 44, 125 (144), und gelten grundsätzlich auch für die Beteiligung kommunaler Organe am Diskurs (BVerwGE 104, 323 [326 f.]); BVerwG NVwZ 2018, 433 [435]). Streitig ist hier allerdings noch, ob diese Maßstäbe auch gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen ohne Parteienstatus in Ansatz zu bringen sind. Das BVerwG lehnt dies zu Recht grundsätzlich ab, räumt allerdings ein, dass die Grenze zwischen Parteien und parteiähnlichen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen im Einzelfall schwer zu ziehen sein und sich insoweit auch als relativierungsbedürftig darstellen kann, wenn sich diese Gruppierungen im Vorfeld einer Parteigründung befinden, BVerwG, NVwZ 2018, 433 (435).
 
92
Vgl. dazu nur BVerfGE 136, 323; 138, 102; 148, 11; RhPfVerfGH NVwZ-RR 2014, 665; ThürVerfGh NVwZ 2016, 1408.
 
93
Grundlegend zum politischen Microtargeting Zuiderveen et al. 2018.
 
94
Näher zu den verwendeten Datensätzen Gafus 2022, S. 286.
 
95
Wie genau dieser Datenabfluss stattgefunden hat, ist immer noch unklar.
 
96
Zu einzelnen Beispielen vgl. Gafus 2022, S. 287.
 
97
Ungefähr drei Viertel der Anzeigeplatzierungen enthielten das Zielgruppenmerkmal Bündnis90/Die Grünen.
 
99
Vgl. zum Nachvollzug des dargestellten Sachverhalts Lehr et al. 2022, S. 4 ff.
 
100
Vgl. dazu schon BVerfGE 44, 125; 63, 230.
 
101
Lehr et al. 2022, S. 27 ff.
 
102
Dazu ausführlich Zuiderveen Borgesius et al. 2018.
 
103
Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG, ABl. EU 2022, L 277, 1.
 
104
Unter Werbung sind gem. Art. 3 lit. r) DSA alle Informationen anzusehen, die dazu bestimmt sind, die Botschaft einer juristischen oder natürlichen Person zu verbreiten, unabhängig davon, ob damit gewerbliche oder nichtgewerbliche Zwecke verfolgt werden.
 
105
Bezug genommen wird hier auf Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierzu zählen personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person.
 
106
Verordnung (EU) 2024/900 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024 über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung, ABl. L 2024/900, 1. Der finale Text lag zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrags noch nicht öffentlich vor.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Eingriffswirkungen staatlicher Publikumsinformation aus rechtlicher Perspektive
verfasst von
Eva Ellen Wagner
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-69010-9_6

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