2011 | OriginalPaper | Buchkapitel
Einleitung: Das Verdrängen der Eskalationsproblematik und seine Wiederentdeckung
verfasst von : Gertrud Brücher
Erschienen in: Gewaltspiralen
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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„Praxisrelevanz“ fußt als Schlüsselbegriff des Gegenwartsbewusstseins auf der Annahme, die wichtigsten Probleme des Zusammenlebens seien in der Theorie gelöst und heute stünde nur noch die Umsetzung der prominenten Lösungsvorschläge in die Praxis an. Der Name von Thomas Hobbes steht für die Einhegung und Überwindung der manifesten physischen Gewalt durch die Institution des staatlichen Gewaltmonopols. Mit Hugo Grotius (Völkerrecht), Charles de Secondat Montesquieu (Gewaltenteilung), Jean Jacques Rousseau (Demokratie), Immanuel Kant (Rechtsstaat), Adam Smith (Markt), Sigmund Freud (Sozialisation) und Karl Marx (gerechte Verteilung) werden weitgehende Lösungsvorschläge verbunden, die auf Bereiche zielen, in denen Gewalt unter der Oberfläche des friedlichen Zusammenlebens verborgen bleibt. Diese latente Gewalt kann, solange unbewältigt und ungelöst, jederzeit manifest werden und mehr noch, sie tendiert gewissermaßen zur Manifestation auf der steten Suche nach einem Ventil, das in Handgreiflichkeiten, Kämpfen und Massakern jeweils der ins Aggressive gewendeten Furcht (Hobbes), der ungeregelten zwischenstaatlichen Interaktion (Grotius), dem ungezügelten Machtstreben (Montesquieu), der depravierten Natur (Rousseau), der Unmündigkeit und Unvernunft (Kant), der Unfreiheit (Smith), dem Profitstreben (Marx), dem Triebhaften (Freud) Luft machen kann. Die friedensrelevanten Praxisprobleme verlangen von der Theorie, wie immer diese methodologisch orientiert sein mag, lediglich noch, unter Einbeziehung und Auswertung der empirischen Daten über aktuelle Gefahren, Tendenzen, Machtkonstellationen und Kräfteverhältnisse ein konzeptionelles Design aller notwendigen Schritte zu entwickeln und in graphisch anschaulicher Form den Praktikern als Modell und Leitfaden an die Hand zu geben.