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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Einleitung

verfasst von : Adele Kirschner

Erschienen in: Grenzüberschreitende Implikationen eines Menschenrechts auf Wasser?

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Obgleich ein Menschenrecht auf Wasser in internationalen Menschenrechtspakten keine ausdrückliche Erwähnung findet, lässt es sich aus der politischen und rechtlichen Debatte, insbesondere im Zusammenhang mit Fragen der Bewältigung einer sich ausbreitenden, von zunehmender Verknappung und Verschmutzung verfügbarer Süßwasservorräte gekennzeichneten, globalen Wasserkrise nicht mehr wegdenken. Das Menschenrecht begegnet der individuellen Dimension der Krise und soll speziell die ausreichende Versorgung zur Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse in dieser Hinsicht sicherstellen. Vielleicht mehr noch als andere Rechte weist seine Verwirklichung aber eine stark internationale Dimension auf. So macht Wasser bekanntlich an Grenzen nicht halt, mehr als die Hälfte aller globalen Süßwasservorräte befinden sich in grenzüberschreitenden Gewässern. Nicht selten wird daher ein- und dieselbe Ressource zur Gewährleistung dieses Rechts in mehreren Staaten genutzt. Offensichtlich besteht damit vor allem in wasserknappen Regionen die Gefahr, dass infolge des Verhaltens anderer Staaten das diesem Recht innewohnende Versorgungsziel gefährdet oder gar nicht erreicht werden kann. Zu denken ist neben einer möglichen Begrenzung der Wasserzufuhr durch übermäßige Wasserentnahmen seitens eines Oberanrainers insbesondere auch an qualitative Beeinträchtigungen, wodurch der Genuss dieses Menschenrechts ernsthaft gefährdet werden kann. Entsprechende Szenarien sind weltweit denkbar und nicht selten auch schon Gegenstand von zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen gewesen. Demgemäß ruft der für die Auslegung und Überwachung des International Convenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) zuständige Ausschuss [Committee on Economic Social and Cultural Rights (CESCR)] die Vertragsstaaten dazu auf, „to refrain from actions that interfere, directly or indirectly, with the enjoyment of the right to water in other countries …“ und, dass „[a]ny activities taken within the State party’s jurisdiction should not deprive another country of the ability to realize the right to water for persons in its jurisdiction.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich unweigerlich die Frage nach der Natur und Reichweite der aus diesem Recht erwachsenden Staatenpflichten. Fraglich ist insbesondere, ob sich diese, wie vom CESCR beschrieben, auch über die nationalstaatliche Ebene hinaus, d. h. gegenüber Rechtsträgen in anderen Staaten, erstrecken, womit dem Menschenrecht auf Wasser auch grenzüberschreitend Bedeutung zukäme. Die vorliegende Arbeit widmet sich konkret der Untersuchung von grenzüberschreitenden Auswirkungen dieses Menschenrechts auf Fragen der Nutzung und Verteilung von Wasserressourcen unter Anrainerstaaten grenzüberschreitender Gewässer. Dies sind Fragen, die herkömmlich dem Völkerrechtsgebiet des internationalen Wasserrechts unterstellt sind, das mit der friedlichen Nutzung grenzüberschreitender Wasserressourcen durch verschiedene Staaten aber eine grundsätzlich andere Zielsetzung verfolgt.

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Fußnoten
1
Insbesondere zum Umfang der globalen Wasserkrise vgl.: Laskowski, Menschenrecht auf Wasser (2010), 6 ff.
 
2
Trotz Erreichens der UN Millenium Development Goal (MDG) Zielvorgabe 7c, den Anteil der Menschen die keinen Zugang zu Trinkwasser haben bis zum Jahr 2015 um die Hälfte zu reduzieren (vgl. UN MDG-Roadmap (2000), 57), leben Schätzungen zufolge immer noch über 840 Millionen Menschen weltweit ohne ausreichenden Zugang zu Wasser [UNICEF/WHO, Progress Report (2017), 3; UN-Water, Synthesis Report on Water and Sanitation (2018), 13; UNESCO, World Water Development Report (2019), 18]. Zur Debatte um die menschliche Dimension der Wasserkrise siehe etwa: Laskowski, Menschenrecht auf Wasser (2010), 32 ff.
 
3
Sofern nicht gesondert darauf hingewiesen wird, bezieht sich der Begriff „Wasser“ im Folgenden stets auf Süßwasser.
 
4
Weltweit gibt es ca. 280 grenzüberschreitende Flüsse, an deren Ufern 40 % der Weltbevölkerung zu Hause ist [Boisson De Chazournes, Fresh Water (2013), 3] und die ca. 60 % der global verfügbaren Süßwasservorräte ausmachen [Wolf et al., State of the World, in: Assadourian et al. (Hrsg.), State of the World: Redefining Global Security (2005), 80 (83)]. Weniger erforscht sind ferner die ca. 400 unterirdischen Grundwasserspeicher sog. Aquifere die Staatsgrenzen überschreiten [vgl. Wada/Heinrich, Assessment of Transboundary Aquifers, Environmental Research Letters 8 (2013), 1 (2)].
 
5
Vgl. Leb, The right to water in a transboundary context, Water International 37 (2012), 640 (641).
 
6
Winkler/Phan, Die Bedeutung des Menschenrechts auf Wasser für grenzüberschreitende Gewässer, JILPAC 27 (2014), 7 (13).
 
7
Anführen lässt sich etwa der 2010 vom IGH entschiedene Fall zwischen Uruguay und Argentinien in dem es um die Verschmutzung des Flusses durch in Uruguay gelegene Zellstofffabriken ging [ICJ, Pulp Mills on the River Uruguay (Argentina vs. Uruguay), Judgement of 20.04.2010] sowie die Langezeit andauernden Spannung zwischen den Anrainern des Euphrat und Tigris [siehe dazu insbesondere: Kibaroglu et al., Water law and cooperation in the Euphrates-Tigris region: a comparative and interdisciplinary approach (2013)] oder des Nil [vgl. Elwan, Nile River, in: MPEPIL, Onlineausgabe]; sowie am Ganges zwischen Indien und Bangladesch um die Errichtung der Farraka Talsperre [dazu: McCaffrey, International Watercourses (2007), 292 ff.].
 
8
International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (vom 16.12.1966, in Kraft getreten am 03.01.1976), UNTS Vol. 993, 3.
 
9
Strenggenommen ist der CESCR kein Vertragsorgan im „klassischen Sinne“ sondern er wurde vom UN Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), das nach dem IV. Teil des ICESCR für die Überwachung des Paktes eigentlich zuständige Organ zur Überwachung der Umsetzung des ICESCR, als gesondertes Expertengremium zur Überwachung des ICESCR berufen. ECOSOC hat seine Aufgaben in dieser Hinsicht vollständig an den CESCR übertragen, womit der CESCR quasi als Vertragsorgan fungiert. Siehe: ECOSOC Res. 1985/17 (vom 28.05.1985).
 
10
CESCR, General Comment No. 15 (2003), § 31.
 
11
In dieser Arbeit werden unter den Begriff „grenzüberschreitendes Gewässer“ neben grenzüberschreitenden Flüssen und Seen insbesondere auch Grundwasserkörper wie z. B. Aquifere gefasst.
 
12
Unter dem Begriff des „internationalen Wasserrechts“ wird allgemein die Gesamtheit aller sich auf die Navigation, Bewirtschaftung und den Schutz von grenzüberschreitenden Süßwasserressourcen (sogenannte Binnengewässer) beziehenden Normen verstanden [vgl. Behrmann, Prinzip der angemessenen und vernünftigen Nutzung (2008), 34 ff. m.w.N.]. Für die Verwirklichung des Menschenrechts spielen die Regeln der Navigation hingegen keine Rolle. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich daher auf die Untersuchung der Regeln zur nicht-navigatorischen Nutzung verschiedener Süßwasserkörper. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie Staaten dazu anhalten sich über die Nutzung grenzüberschreitender Gewässer zu einigen und ihre souveränen Interessen an der Bewirtschaftung des auf ihrem Territorium gelegenen Gewässerabschnitts in Ausgleich zu bringen. Neben der Vermeidung von Nutzungskonflikten, spielen in jüngerer Zeit auch Belange wie Gewässerschutz und ein nachhaltiger Umgang mit der Ressource eine zunehmend große Rolle im Rahmen der Allokation [Beyerlin, Umweltvölkerrecht (2000), 85. Dazu ferner auch: McCaffrey, International Watercourses (2007), 446 ff.; Kap. 5 B. infra]. Wie fast alle Regeln des Völkerrechts stellt es eine wesentliche Funktion dieses Rechtsgebiets aber weiterhin, die friedliche Koexistenz zwischen Staaten zu gewährleisten und die Nutzungsinteressen, der über grenzüberschreitende Gewässer verbunden Anrainerstaaten in einen gerechten Ausgleich zu bringen [Wouters et al., Water Security, Hydrosolidarity, and International Law, Yearbook of International Environmental Law 19 (2008), 97 (106 f.)].
 
13
Vgl. Art. 2 (1) ICESCR. Dazu eingehend Kap. 3 A. infra.
 
14
Zunächst ohne Guinea [vgl. Traite de l’adhésion de la République de Guinée (2006)].
 
15
Charte du Fleuve Sénégal (vom 28.05.2002), abrufbar: http://​www.​jo.​gouv.​sn/​spip.​php?​page=​imprimer&​id_​article=​6976 (zuletzt abgerufen am 22.08.2019). Art. 4 spricht von „principe directuer“ und einem Recht auf „gesundes Wasser“ („du droit fondamental de l’Homme à une eau salubre“). Ebenso nimmt die von den Anrainern des Niger Flusses geschlossene Charte de l’Eau du Bassin du Niger (Niger-Becken Charta) ausdrücklich Bezug auf das fundamentale Recht jedes Einzelnen auf Zugang zu Wasser, § 1 Präambel Charte de leau du bassin du Niger (2008). Siehe im ferner: Kap. 5 A. infra.
 
16
Grundwasser dient in vielen Ländern – so auch in Deutschland – vor allem der Trinkwassergewinnung [vgl. Wada/Heinrich, Assessment of Transboundary Aquifers, Environmental Research Letters 8 (2013), 1 (1); Bannick et al., Grundwasser in Deutschland (2008), 5].
 
17
Memorandum of Understanding for the establishment of a Consultation Mechanism for the Integrated Management of the Water Resources of the Iullemeden, Taoudeni/Tanezrouft Aquifer Systems (vom 28.03.2014), FAOLEX No: LEX-FAOC135180.
 
18
Präambel ITAS-MoU (2014), 4 Absatz 14.
 
19
Die ILA ist eine internationale NGO die u. a. mit dem Ziel gegründet wurde, die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet des Völkerrechts voranzutreiben sowie seine Verbreitung international zu fördern [vgl. Art. 3 Constitution of the ILA (2016)].
 
20
ILA Report of the Seventy-First Conference (Berlin 2004), 337. Zur Entstehungsgeschichte und einem Vergleich mit anderen wichtigen Vertragswerken siehe: Salman, The Helsinki Rules, the UN Watercourses Convention and the Berlin Rules, Water Resources Development 23 (2007), 625 (628 ff.). Siehe im Übrigen: Kap. 5 A.II. infra.
 
21
In Anlehnung an [h]umanization of the Law applicable to Fresh Water“ in: Boisson De Chazournes, Fresh Water (2013), 147–175.
 
22
Siehe dazu insbesondere: Langford et al., Extraterritorial Duties, in: Langford et al. (Hrsg.), Global Justice, State Duties: The Extraterritorial Scope of Economic, Social and Cultural Rights (2013), 51–113.
 
23
Winkler/Phan, Die Bedeutung des Menschenrechts auf Wasser für grenzüberschreitende Gewässer, JILPAC 27 (2014), 7 (8).
 
Metadaten
Titel
Einleitung
verfasst von
Adele Kirschner
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-60773-2_1