Das Kapitel beleuchtet die weitreichenden Auswirkungen der Digitalisierung auf die Soziale Arbeit, insbesondere in Organisationen der Eingliederungshilfe. Es wird die Rolle von Cyberinfrastrukturen untersucht, die als komplexe, modulare und integrierte Informationstechnologien die Arbeitsprozesse und sozialen Ordnungen in diesen Einrichtungen maßgeblich beeinflussen. Der Text setzt sich kritisch mit den bestehenden Diskursen zur Digitalisierung auseinander und zeigt auf, wie die digitale Transformation die traditionellen Strukturen und Praktiken der Sozialen Arbeit verändert. Dabei wird die Mediatisierung und Informatisierung als zentrale Konzepte zur Analyse der digitalen Transformation herangezogen. Die Mediatisierung fokussiert sich auf die Veränderung der Kommunikation und Interaktion durch digitale Medien, während die Informatisierung die systematische Erzeugung und Nutzung von Informationen in organisationalen Kontexten betont. Das Kapitel stellt die Frage, wie sich die Fachkräfte in Werkstätten für behinderte Menschen mit diesen Cyberinfrastrukturen organisieren und welche sozialen Ordnungen dabei entstehen. Es wird eine praxistheoretische Perspektive eingenommen, die die verzweigten Relationierungen aus Technik, Mensch und Organisation in den Mittelpunkt stellt. Die empirische Untersuchung basiert auf einer technografischen Einzelfallanalyse, die die Einbindung und Nutzung von Cyberinfrastrukturen in den Alltag der Fachkräfte detailliert beschreibt. Die Ergebnisse zeigen, wie die digitale Technologie die Organisation und Zusammenarbeit in den Einrichtungen prägt und welche neuen Herausforderungen und Chancen sich daraus ergeben. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf die zukünftige Forschung und die notwendigen Anpassungen in der Praxis der Sozialen Arbeit.
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Zusammenfassung
Der Digitalisierungsdiskurs hat, wie digitale Medien selbst, unseren Alltag in zeitlicher, räumlicher und sozialer Hinsicht durchdrungen. Schon diese Feststellung mutet banal und selbstverständlich an, etwas, das schon tausendfach im Diskurs wiederholt wurde. Denn die „Thematisierung von Digitalisierung erscheint […] insgesamt wie ein lautes Treiben, in dem selbst die wiederholten Ordnungsversuche dem Geordneten in nichts nachstehen“.
Der Digitalisierungsdiskurs hat, wie digitale Medien selbst, unseren Alltag in zeitlicher, räumlicher und sozialer Hinsicht durchdrungen (Krotz 2012). Schon diese Feststellung mutet banal und selbstverständlich an, etwas, das schon tausendfach im Diskurs wiederholt wurde. Denn die „Thematisierung von Digitalisierung erscheint […] insgesamt wie ein lautes Treiben, in dem selbst die wiederholten Ordnungsversuche dem Geordneten in nichts nachstehen“ (Cleppien/Hofmann 2020: 58). Die sozialwissenschaftliche Reflexion und Theoriebildung entwickelt immer neue Labels, mit denen das Projekt der Digitalisierung, also die Transformation analoger in diskret abzählbare, binär codierte und maschinell berechenbare Prozesse, beschreiben kann: als „Informationsgesellschaft“ (Capurro 1995; Steinbicker 2001), als „Netzwerkgesellschaft“ (Castells 2004), als „digitaler Kapitalismus“ (Staab 2019, Schmiede 1996) oder – mittlerweile sehr beliebt – als „Zeitalter der Digitalität“ (Stalder 2016). All den Ordnungsversuchen, die der Transformation mit Metadiagnosen beikommen wollen, liegt eine berechtigte Intention zugrunde. Sie alle zielen darauf, die digitale Technologie ernst zu nehmen und sie zum Ausgangspunkt der Überlegungen zu machen (Castells 2017: 5). Es handelt sich dabei um Versuche, die nachhaltige Strukturierung und Prägung von Alltags- und Arbeitswelten sprachlich einzufangen. Allen voran in der Arbeitswelt gibt es neuartige Produktionsformen und Geschäftsmodelle – Stichworte sind hierbei etwa E-Commerce und Industrie 4.0 – ebenso wie die Verarbeitung und auch technologische Substitution von beruflichem und organisationalem Wissen in allen Branchen (Degele 2000; Pfeiffer 2004). Das gilt auch für die Soziale Arbeit, deren Anlässe, auf die sie reagiert, deren Formen, hinsichtlich der sie ihren Gegenstand bearbeitet, und die Rahmenbedingungen, denen sie ausgesetzt ist, sich im Wandlungsprozess befinden (Kutscher et al. 2015: 3). Dabei scheinen der weitreichende Einsatz der Informationstechnologien und sein inhaltlicher Einfluss auf die Sozialpolitik und die Wohlfahrtsproduktion erst am Beginn ihrer Entwicklung zu stehen (ebd.).
Der disziplinäre Diskurs Sozialer Arbeit reagiert auf diese digitale Transformation und nimmt seit Mitte der 2010er Jahre deutlich an Fahrt auf, wobei ganz disparate Bezüge hergestellt werden (hierzu vor allem Kutscher et al. 2015 & Kutscher et al. 2020). Insgesamt steht jedoch die „reflexive Auseinandersetzung mit dem Digitalisierungsdiskurs in der Sozialen Arbeit im Sinne einer Selbstbeobachtung von Profession und Disziplin Sozialer Arbeit mit Blick auf Diskurslinien und Thematisierungsweise“ (Kutscher/Seelmeyer 2021: 17) noch weitgehend am Anfang. Mit Hilfe von zwei sozialtheoretischen Diskussionen – der Mediatisierung wie auch der Informatisierung – wird in der Disziplin der Sozialen Arbeit zurzeit versucht, die digitale Transformation als „langfristiger und übergreifender Metaprozess“ (Kutscher et al. 2015: 5) digitaler Technik auf Lebens- und Arbeitswelten in den Blick zu nehmen. Beide Begrifflichkeiten unterscheiden sich in ihrer Konzeption von Technik und in ihrer Fokussierung auf soziale Ausschnitte. Derartige analytische Perspektiven bieten keine generalisierende Leistungsfähigkeit für die Soziale Arbeit, sondern jeweils nur im Hinblick auf konkrete Gegenstände und Fragestellungen (Kutscher/Seelmeyer 2021). Umfassende sozialtheoretische Deutungen können jedoch einen Rahmen bilden, um verschiedenste, bisher theoretisch nicht integrierte Entwicklungen zu verbinden und erlauben Rückschlüsse auf Gemeinsamkeiten. Die Konzepte der Mediatisierung und Informatisierung stellen Forschungsansätze dar, die nicht als axiomatische Grundlagentheorien zu verstehen sind (Krotz 2017, Will-Zocholl 2012), sondern vielmehr auf die Bildung von Theorien abzielen. „Dass ein derartiger pragmatischer Ansatz bei konkreten Studien dabei dann natürlich auf unterschiedliche Grundlagentheorien zurückgreift, liegt auf der Hand“ (Krotz 2017: 15).
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In dieser Hinsicht ist das Konzept der Mediatisierung in seiner Anlage so ausgreifend, dass versucht wird, die gesamte Medienentwicklung und deren kulturelle sowie gesellschaftliche Bedeutung zu rahmen. Im Mittelpunkt von Mediatisierung steht die Veränderung der Kommunikation und Interaktion. „Der Mediatisierungsansatz untersucht also, kurz gesagt, den Wandel von Alltag, Kultur und Gesellschaft im Kontext des Wandels der Medien“ (ebd.: 14), wobei er konzeptionell auf einer Prozessperspektive rekurriert. Thematisch beschäftigt sich das Konzept primär mit drei Bereichen: a) der Universalmaschine Computer mit allen ihren Folgen für das Miteinander, b) der historischen Kontextualisierung und Perspektivierung des aktuellen Wandels und c) „kritischer Forschung, die sich an den Fragen der Zivilgesellschaft […] orientiert“ (ebd.: 15). Unter dem konzeptionellen Dach der Mediatisierungsforschung bildet die „Gestaltung der Kommunikation von Adressat*innen und Professionellen über soziale Medien wie WhatsApp oder Facebook“ (Will-Zocholl/Hardering 2020: 126) einen Schwerpunkt. Daneben kreist die Debatte auch um Onlineberatung (Klein/ Pulver 2020) oder um Themen wie Cybermobbing oder Onlinesucht bei Jugendlichen (Röll 2020). Im Kontext Sozialer Arbeit „beschreibt Mediatisierung damit einen Prozess der medialen Durchdringung des (privaten wie beruflichen) Alltags von Adressatinnen und Fachkräften wie auch der Handlungskontexte Sozialer Arbeit in sozialer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht, der auch die Gegenstände (Fall, Diagnose, Beratungsinhalte, Handlungsabläufe etc.) potentiell transformiert“ (Kutscher et al. 2015: 5). Während also die Perspektive der Mediatisierung den Blick auf die Vermittlungsleistung von Kommunikation und Interaktion lenkt und deren transformative Wirkung analysiert (ebd.: 16), finden die Transformationen in Organisationen darin kaum Berücksichtigung1. Und obwohl die Mediatisierung sich in der Profession Sozialer Arbeit notwendig in organisationalen Kontexten abspielt, findet dieser Vorgang bisher fast gar keine Beachtung (Ley/Seelmeyer 2011, 644–647). Anders verhält es sich bei dem Konzept der Informatisierung.
„[D]as Konzept der Informatisierung stellt die Erzeugung, Verarbeitung und Prozessierung von Informationen ins Zentrum und fokussiert dabei insbesondere organisationale Kontexte und Arbeitsvollzüge“ (Kutscher et al. 2015: 6). Der Gebrauch von Informationen ist keine exklusiv organisationale Angelegenheit, sondern ein notwendiger Moment von Kommunikation (Luhmann 1997). „Von Informatisierung im Unterschied zum allgemeinen Gebrauch von Informationen ist erst dann zu sprechen, wenn hiermit ein sozialer Prozess des bewussten, systematischen Umgangs mit Informationen gemeint ist, welcher darauf zielt, Informationen vom konkreten Subjekt unabhängig nutzen zu können“ (Boes 2005: 214 f.). Wie schon die Mediatisierungsperspektive, so kontextualisiert sich auch die Perspektive der Informatisierung mittels historischer Einordnung. Informatisierung basiert nach Ansicht Boes (2005) oder Schmiedes (1996a) auf der kapitalistischen Produktionsweise und deren inhärenten Tendenz, gesellschaftliche Sachverhalte durch ihre ökonomische Bewertung zu formalisieren (ebd.: 122). Vor dem Hintergrund einer an der politischen Ökonomie geschulten Kritik sind Informationstechnologien die Fortsetzung und Durchsetzungsinstanz kapitalistischer Verwertungslogik, die inzwischen auch das Feld der Sozialen Arbeit erfasst hat. „Die organisatorische Formalisierung geht dabei der Informatisierung voraus, aber die informatorische Formalisierung zieht wiederum bedeutsame Entwicklungsschübe formaler Organisation nach sich“ (Will-Zochol/Hardering 2020: 129). Informatisierung ist damit nicht das Ergebnis moderner Technologien, sondern umgekehrt sind diese selbst eingebettet in einen historischen Prozess der Informatisierung (Baukrowitz 1996). Ziel dieses soziohistorischen Prozesses ist die systematische „Erzeugung und Nutzung von Informationen, um daraus weitere Informationen erzeugen zu können“ (Boes 2005: 15). Es handelt sich um eine „strukturelle Verdoppelung der Realität“ (Schmiede 1996b: 31), das heißt neben und „über die konkrete Realität tritt die zweite des formalen Systems, das von der ersten abstrahiert wurde; gleichwohl ist diese zweite Realität nicht weniger wirklich als die erste, denn sie ist als reine Form unabhängig von der ersten existenzfähigen und verändernden Operation zugänglich“ (ebd.). Herausforderung für die sozialarbeiterische Praxis ist aus Sicht der Informatisierung, „dass die Abstraktion der Arbeitsprozesse, wie die Informatisierung sie erzeugt, eine zunehmende Entfernung von den tatsächlichen Abläufen (und dahinterliegenden Prämissen, Methoden usw.) bewirkt“ (Will-Zochol/Hardering 2020: 129).
Beide Konzepte – Informatisierung und Mediatisierung – sind mittlerweile fester Bestandteil, wenn es um die Analyse der digitalen Transformation im Bereich Sozialer Arbeit geht. Mit ihrer Hilfe lassen sich zeitdiagnostische Konzepte wie die Digitalisierung gesellschaftstheoretisch rahmen und verdeutlichen, dass es „zu einer Neujustierung, gleichsam zu keiner Transformation der grundlegenden Strukturen sozialpädagogischen Wissens“ (Cleppien/Hofmann 2020: 69) kommt. Die nachfolgende Arbeit verortet sich selbst innerhalb der Metaperspektive der Informatisierung und interessiert sich für den Einsatz komplexer, modularer und integrierter digitaler Informationstechnologien in Organisationen Sozialer Arbeit; speziell in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dabei geht es nicht um den Einsatz solitärer Dokumentations- oder Entscheidungstools, sondern um raum-zeitlich ausgreifende und vernetzende Informationstechnologien, die sukzessiv Einzug in moderne Organisationen halten.
1.1 Das Zeitalter der Cyberinfrastrukturen
Technologisch wird die Entwicklung der Informatisierung von den geschaffenen Möglichkeiten der Informationstechnologie weitergetrieben, die im Zuge einer gesellschaftlichen Ausdifferenzierung und einer zunehmenden Vernetzung zentrale Bedeutung erlangen (Will-Zochol 2012). Während die „Informationssysteme des Fordismus-Taylorismus“ (Boes/ Kämpf 2010: 38) für den Nutzenden nur in einem eng umgrenzten und vom System stark reglementierten Bereich verwendet werden konnten, konstituieren sich sogenannte Informationsinfrastrukturen also aus einem ganzen Korpus von gegenseitig aufeinander verweisenden Dokumenten und Instrumenten, wie Dienstanweisungen, Prozessbeschreibungen, Formularvorlagen, Diagnosetabellen oder Checklisten. Informationsinfrastrukturen verbinden die unterschiedlichsten Anwendungskontexte und integrieren diverse Akteure auf unterschiedlichen fachlichen Ebenen. Gerade die hohe Skalierbarkeit und auch Rekombinierbarkeit stellen eine Besonderheit von Informationsinfrastrukturen dar (Büchner 2018: 282).
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Der Begriff der Infrastruktur taucht seit einigen Jahren allerdings für sehr heterogene Phänomene auf: „So wurden in den vergangenen Jahren beinahe alle Versorgungseinrichtungen, einschließlich Medien und Kultur, Finanz- und Versicherungswesen, staatlicherseits als ‚kritische Infrastrukturen‘ eingestuft“ (Barlösius 2019: 9). Auch Einrichtungen wie Arztpraxen, Sparkassen oder Einkaufsmöglichkeiten werden in Bezug auf den ländlichen Raum als Infrastrukturen bezeichnet. Selbst „Denkstile und -muster tituliert man mittlerweile als ‚mentale Infrastrukturen‘“ (ebd.) und auch bei der Beschreibung der Speicherung sowie Archivierung wissenschaftlicher Daten wird auf den Begriff zurückgegriffen. „Die gegenwärtigen Kennzeichnungen als Infrastruktur haben beinahe jegliche Kontur und Merkmalsvorgabe einbüßt“ (ebd.: 33). Infrastrukturen sind zu einem „Dauerthema der öffentlichen Diskussion geworden“ (van Laak 2018: 8). Ob sich mit Infrastrukturen ein Muster der Moderne ausbildet, dessen prägende Kraft kaum zu überschätzen ist (ebd.: 11) und ob sich aktuell ein Wandel des infrastrukturellen Regimes formiert, in dem „immer mehr Lebensbereiche mittels Infrastrukturen sozial-räumlich geordnet“ werden, wie Barlösius (2019) es grundlegend diagnostiziert, ist eine Frage, die sich nicht im Rahmen einer einzelnen empirischen Untersuchung beantworten lässt.
Was sich jenseits des gesellschaftsdiagnostischen Gehaltes definitiv beobachten lässt, ist indes, dass die Omnipräsenz von Infrastrukturen sich auch zunehmend in Forschungsaktivitäten und Arbeiten niederschlägt (u. a. Niewöhner 2014, Bossen/ Markussen 2010, Büchner 2018a, Karasti/Blomberg 2018). Zugespitzt bringt es Peters (2015: 42) auf den Punkt, wenn er resümiert, dass in der Anthropologie und den Sozialwissenschaften nach dem Strukturalismus mit seinem Ehrgeiz, die Prinzipien des Denkens durch eine Kombinatorik der Bedeutung zu erklären, und dem Poststrukturalismus mit seiner Vorliebe für Lücken, Aporien und Unmöglichkeiten, seiner unermüdlichen Durchlöcherung jeder Identität und seiner Suche nach absurden Kategorien aller Art mittlerweile die Zeit des Infrastrukturalismus ist. Ob es sich um einen neuen ‚Ismus‘ handelt, sei dahingestellt. Derartige ‚Ismen‘ versuchen alles zu introjizieren und nehmen „für sich in Anspruch, sich über die Grenzen des gesamten Standes oder Staates (state) hinaus auszudehnen und ihn, mittels einer Faltung, zu reflektieren“ (Derrida 1997[1986]: 12). Lee & Schmidt (2018) bilanzieren diese wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Infrastrukturen dahingehend, dass sie eine zunehmende Verwischung des eigentlichen Phänomens konstatieren (Lee/ Schmidt 2018: 177 f.). Jene terminologische Unschärfe, von der Lee und Schmidt (2018) sprechen, kulminiert in einer Vielzahl von nebeneinander bestehenden heuristischen Konzepten, so unter anderem der Informationsinfrastruktur, Cyberinfrastruktur, eInfrastruktur, digitalen Informationsinfrastruktur, Infrastrukturierung oder IT-basierten Arbeitsinfrastruktur (u. a. Pipek/ Wulf 2009, Taubert 2019, Bowker/Star 1999). Gemein habe sie alle, dass sie einen eng gefassten, technischen Infrastrukturbegriff erweitern und neben den technischen Komponenten auch die Verbindungen zwischen formalisiertem Wissen, sozialer Interaktion und organisationaler Struktur in den Blick nehmen. Ungeachtet aller Divergenzen teilen die Arbeiten aus den Science and Technology Studies (STS) und den Computer Supported Cooperative Work Studies (CSCW) die Ansicht, dass Informationsinfrastrukturen zu einem konstitutiven Bestandteil moderner sozialer Ordnungsprozesse geworden sind, zu denen auch Organisationen zählen.
Medienumgebungen von Organisationen sind zunehmend durch „Konvergenz“ (Couldry/Hepp 2023: 68) gekennzeichnet. Moderne Organisationen setzen verstärkt integrierte und komplexe2 Informations- und Steuerungssoftware ein, das heißt sie bauen digitale Informationsinfrastrukturen – sogenannte Cyberinfrastrukturen3 – auf (Ciborra 2009; Kitchin 2014, S. 29 ff.). Diese Informationstechnologien „sind nicht auf einen eng abgegrenzten Funktionsbereich beschränkt, sondern liegen oft quer, breiten sich auf andere Geschäftsbereiche aus und vernetzen diese“ (Büchner 2018a: 279). Cyberinfrastrukturen sind an der Transformation von Organisationsprozessen maßgeblich mit beteiligt. „Wesentliche organisationsbezogene Veränderungen sind, so die Annahme, auf digitale Medieninfrastrukturen zurückzuführen, die neue Arten von ‚Netzwerkorganisationen‘ ermöglichen“ (Couldry/Hepp 2023: 258). Mit der zunehmenden Vernetzung4, der grundsätzlichen Offenheit und der quer zu verschiedenen Funktionsbereichen liegenden Architektur befördern Infrastrukturen innerhalb von Organisationen die Entstehung eines „Informationsraums“ (Baukrowitz/Boes 1996), der für viele Organisationen mittlerweile zu einem „informatorischen Rückgrat“ (Boes/Kämpf 2010) verteilter Produktionsstrukturen geworden ist. Das ‚Produkt‘ sozialer Dienstleistungsorganisationen „sind individuelle Menschen, denen besondere Problemlagen, Hilfsbedürftigkeiten und Defizite zugeschrieben werden“ (Groenemeyer/Rosenbauer 2010: 62). Als informatorisches Rückgrat bestimmen Cyberinfrastrukturen die „Art und Weise, wie sie [Organisationen] auf Mikroebene verfasst sind“ (Couldry/Hepp 2023: 258) und prägen „die Ambitionen und Ziele der in den jeweiligen Organisationen arbeitenden Personen“ (ebd.) wesentlich mit. Zwar verläuft die Digitalisierung je nach organisationsbezogenem Kontext unterschiedlich ab, aber eine allgemeine transformative Prägkraft besitzen die komplexen Infrastrukturen auf Organisationen in Hinblick auf Raum und Zeit. Infrastrukturen ermöglichen Organisationen sich anders im Raum anzuordnen und auch die Zusammenarbeit beschleunigt sowie intensiviert sich. „Auch können digitale Archive schneller und auf andere Weise durchsucht werden als Archive von Drucksachen“ (ebd.: 259).
Der Einsatz von Cyberinfrastrukturen ist dabei, dass „‚Innenleben‘ von Organisationen zu transformieren und damit auch die Bedingungen, unter denen Organisationen mit umfassenderen Machtstrukturen und deren Implikationen für die soziale Ordnung interagieren“ (ebd.: 261). Cyberinfrastrukturen, die sich von den analogen dadurch unterscheiden, dass sie aufgrund ihrer digitalen Materialität Informationen in Echtzeit verarbeiten sowie distributieren können und hochgradig skalierbar sind (Ley/Seelmeyer 2020: 376), ermöglichen „nicht-triviale Vermittlungen der losen Kopplungen innerhalb von Praxiskomplexen“ (Niewöhner 2014: 344). Mit der losen Kopplung ist angezeigt, dass einzelne Praktiken sich zu größeren Ordnungen zusammenschließen, das heißt sie werden von Infrastrukturen zusammengehalten.
1.2 Forschungsdesiderata
Im Diskurs der Sozialen Arbeit gibt es bis dato keine Arbeiten, die die komplexen Transformationsprozesse, die sich durch den Einsatz von Cyberinfrastrukturen ergeben, in ihren organisationalen Einbettungen empirisch fundiert rekonstruieren. Zwar gibt es seit einigen Jahren eine lebhafte Debatte zu Digitalisierung und auch Anleihen bei der Informatisierung, aber ein Zusammenhang aus Informatisierung und Infrastrukturen in Organisationen ist gänzlich neu. Dass die digitale Durchdringung und der Einsatz der Cyberinfrastrukturen in Organisationen Sozialer Arbeit bislang keinen Anklang in der Debatte fanden, hat (mindestens) drei Gründe: Zum Ersten unterhält die Soziale Arbeit „ein eher skeptisches Verhältnis zu Organisationen als einschränkenden Strukturen“ (Büchner 2020: 364). Häufig werden Organisationen im Anschluss an ein stark vereinfachtes Verständnis von Webers Bürokratietypus mit beschränkenden Formalstrukturen in eins gesetzt. Zum Zweiten, damit einhergehend, ist die Digitalisierungsdiskussion eng auf Profession bezogen. „Während Organisationen oft als Rahmen- oder Arbeitsbedingungen in den Hintergrund treten, lässt sich dies bei der Thematisierung von Profession nur selten beobachten“ (ebd.: 365). Organisationen kommen fast ausschließlich in Relationierung zu professionellem Handeln vor (Mohr 2017). Zum Dritten fehlt in der Debatte um Digitalisierung und Organisation ein geeignetes, theoretisches Konzept, welches sowohl die strukturierende Materialität digitaler Infrastrukturen als auch ein Organisationshandeln jenseits der Durchsetzung bürokratischer Rationalität oder Managerialismus fassen kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in der aktuellen Forschungslage eher ein Novum ist, digitale Technologien nicht nur als passive Elemente, sondern als proaktive Teilnehmende zu betrachten und systematisch Erkenntnisse über organisationale Prozesse unter den Bedingungen der Digitalität zu gewinnen. Mit dieser Perspektivierung kann gleichzeitig den Dilemmata des Professionalisierungsdiskurses, der zwischen der „Beschneidungsthese“ – die besagt, dass die Digitalisierung den Ermessensspielraum einschränkt – und der „Ermöglichungsthese“ – die argumentiert, dass die Digitalisierung neue Handlungsspielräume für professionelles Handeln eröffnet – entkommen werden.
Der analytische Blick auf Cyberinfrastrukturen in Organisationen Sozialer Arbeit steht noch ganz am Anfang. Auszugehen ist, dass Cyberinfrastrukturen verstärkt „in verwaltungsförmigen Arbeitsfeldern oder in planungs- und dokumentationsintensiven Einzelfallhilfen“ (Ley/Seelmeyer 2021:377) zum Einsatz kommen. In diesen Feldern sind die orts- und situationsübergreifende Zusammenarbeit sowie die Interaktion zwischen heterogenen Einrichtungen und Fachkräften von besonderer Relevanz. Die Eingliederungshilfe (SGB IX) bildet ein solches Arbeitsfeld. Das Feld der Eingliederungshilfe steht durch den Inklusionsanspruch, neue Qualitätsanforderungen und Ökonomisierungstendenzen derzeit vor besonderen Herausforderungen (Muche 2017; Oberholzer 2011). Besonders deutlich werden die teils vielfältigen Organisationsziele am Beispiel der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die parallel Produktivitäts- und berufliche Rehabilitationsziele verfolgen müssen. Hierdurch entsteht ein komplexes Aufgabenset, das von den Organisationen zu bewältigen ist. Organisationen der Eingliederungshilfe sind aber neben ihrer internen Vielfalt an zum Teil widersprüchlichen Zielsetzungen und Zweckbestimmungen zudem noch der Forderung nach partnerschaftlicher Kooperation ausgesetzt (Oberholzer 2011: 114; Rohrmann 2006). Eine hohe Differenzierung von Zielen sowie Aufgaben und eine – organisationsinterne sowie externe – funktionierende Abstimmung, bilden zusammengenommen ideale Ausgangsbedingungen für den Einsatz von digitalen Infrastrukturen.
Doch bislang liegen, wie für die gesamte Soziale Arbeit zu konstatieren ist, keine Forschungen zum Einsatz und zur Verbreitung von Cyberinfrastrukturen vor. „[W]ill man jedoch mit Digitalisierungsforschung mehr als Effektbeobachtung betreiben (im Sinne von wo ist der Unterschied zwischen analogen und digitalen Prozessen, siehe auch Büchner 2018a), so muss man die Infrastrukturen in materieller, institutioneller, wohlfahrtsstaatlicher und professioneller Hinsicht als relevanten Bezugspunkt analysieren und damit auch als (einen) Ausgangspunkt für Forschung und Entwicklung nehmen“ (Ley/Seelmeyer 2020: 386). Für die Eingliederungshilfe gilt diese Einsicht ausnahmslos, vor allem, weil Forschungen zum Einsatz digitaler Informationstechnologien in diesem Feld noch ganz am Anfang stehen. Über die Verbreitung gibt es mehr Vermutungen als gesichertes Wissen. Eine der wenigen Aussagen zum Stand der Digitalisierung im Feld der Eingliederungshilfe stammen von Bruland et al. (2023): „Nach dem Verständnis von digitalisierten Settings […] wären Einrichtungen der Eingliederungshilfe entsprechend als weniger digitalisierte Organisationen mit einem hohen psychischen, sozial-räumlichen Bezug zu charakterisieren“ (ebd.: 234 f.). Ohne auf empirische Zahlen zurückzugreifen, bilanzieren Bruland et al. (2023) für alle Organisationen der Eingliederungshilfe den Stand der Digitalisierung und kommen zu einem äußert schablonenhaften Ergebnis. Über die quantitative Verbreitung kann die nachfolgende Arbeit auch keine Aussagen treffen, stattdessen geht es um die Fallanalyse einer Cyberinfrastruktur, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe zum Einsatz kommt.
1.3 Erkenntnisinteresse & Forschungsperspektive
Angeregt wurde die nachfolgende Arbeit durch eine Felderfahrung, die im Rahmen eines Projektes zur partizipativen Entwicklung eines Mobilitätssystems für Menschen mit sogenannter kognitiver Beeinträchtigung gemacht wurde. In dieser Zeit konnte sowohl der Alltag von WfbM teilnehmend beobachtet als auch mit Fachkräften aus diversen Bereichen der Eingliederungshilfe gesprochen werden. Über die ethnografische Offenheit gegenüber empirischen Phänomenen wurde die Aufmerksamkeit auf die digitale Infrastruktur gelenkt, die in den WfbM zum Einsatz kam.
Die sich daran anschließende Frage, wie die Cyberinfrastruktur in den Einrichtungen im Alltag der Fachkräfte eingebunden ist, zielt auf eine Digitalisierungsforschung, die kein vorher-nachher-Abgleich im Sinne einer analogen Vergangenheit im Kontrast zu einer digitalen Gegenwart betreiben will. Mit einer praxistheoretischen Einstellung gelingt es stattdessen, digitale Technologie aus ihrem Determinismus zu lösen und erlaubt es, die verzweigten Relationierungen aus Technik, Mensch und Organisation zu artikulieren. Dadurch löst sich die Analyse von einer Fixierung auf Professionalität und professionellem Handeln und nimmt eine für die Disziplin ungewohnte Perspektivierung auf Organisation jenseits von Bürokratie oder anderen Mesoperspektivierungen (beispielsweise dem Neo-Institutionalismus) ein. Dabei gilt das besondere Interesse – im Anschluss an die Workplace-Studies – nicht primär der fokussierten 1:1-Interaktion (obwohl dies durchaus ein Element ist), sondern den Formen der Koordination, der Kooperation, der Orchestrierung sowie der Mobilisierung von Informationen unter den Fachkräften im Kontext digitaler Infrastrukturen. Zentral geht es um die Fragen:
Wie organisieren sich die heterogenen Gruppen von Fachkräften in Werkstätten für behinderte Menschen in Verbindung mit einer sogenannten Cyberinfrastruktur?
Welche Rolle nehmen Cyberinfrastrukturen als komplexe, verschachtelte und digitale Informationstechnologien in Organisationen wie Werkstätten für behinderte Menschen ein?
Wie werden die Organisationen in der sozio-technischen Verwicklung hervorgebracht?
Welcher Typ von Organisationen entsteht?
Welche sozialen Ordnungen werden in situ performativ hervorgebracht bzw. welche übergreifenden Zusammenhänge in Bezug auf die Cyberinfrastruktur lassen sich rekonstruieren?
Fragen nach der Bewertung der Cyberinfrastruktur für das Handeln der Fachkräfte und damit einhergehend auch Fragen von Professionalität werden explizit ausgeklammert, indem im Folgenden danach gefragt wird, wie sich die Fachkräfte in situ organisieren; wobei das Organisieren als theoretisch-sensibilisierendes Konzept offen angelegt ist. Es geht demnach nicht darum zu fragen, inwieweit das Organisieren Auswirkungen auf das professionelle Handeln der Akteure5 hat. In diesem Zusammenhang weisen Frank et al. (2019) zurecht auf die Probleme hin, die mit der Setzung von Professionalität als erkenntnisleitendes Paradigma einhergehen würden: „Wer einen äußeren Maßstab in Form von vorab festgelegten Professionsmerkmalen oder Handlungsstrukturen anlegt, läuft Gefahr, den Blick für Phänomene der Praxis einzuschränken und so nur unzureichend empirisch abgesicherte Anhaltspunkte für eine Beschreibung des beobachteten Feldes zu liefern“ (ebd.: 105). Professionstheoretische Ansätze „beanspruchen etwas zu untersuchen, was sie zugleich bereits voraussetzen6“ (ebd.).
Mit den vorangestellten Forschungsfragen verabschiedet sich der analytische Blick von der Frage, wie die Praxis der Fachkräfte in den Werkstätten sein sollte und ob es sich beim Organisieren um bürokratisch überformende Strukturgebilde handelt, die die Professionalität einschränken hin zur Frage, wie die menschlichen Akteure im Zusammenhang mit digitaler Technologie die Organisation performativ hervorbringen. Einerseits folgt meine Forschung einem dezidiert anti-normativen Blick (Kuhn 2013, Dahmen 2022) und richtet den Fokus nicht auf die Kritik der Praxis, sondern unternimmt den Versuch, „zu verstehen, wie diese funktioniert und welchen Regeln sie folgt“ (Breidenstein 2012: 18). Denn solange Organisationen als Hindernisse für eine ‚gute‘ Soziale Arbeit auftauchen, behandelt man sie als objektive Gegebenheiten, die aus sich heraus funktionieren und aufgrund ihrer ‚objekten‘ Beschaffenheit automatisch Effekte erzeugen (Nadai 2012). In einer praxistheoretischen Perspektive, die diese Arbeit zugrunde legt, geht es dagegen um die Rekonstruktion von Prozessen des Organisierens in der Verwicklung und Vermengung mit einer Cyberinfrastruktur und darum, wie Fachkräfte diese einbinden und nutzen, um ihre Organisationen zu (re)produzieren. Im Zentrum steht also die rekursive Strukturierung von Werkstätten für behinderte Menschen unter cyberinfrastrukturellen Bedingungen. Notwendig sind damit Fragen der Macht und der Ungleichheit berührt. Denn Infrastrukturen verbinden nicht nur: „They act as intermediaries between otherwise disconnected entities, and as a middle that mediates, but also shields different entities from each other“ (Schüttpelz et al. 2021: 9).
Andererseits versteht sich diese Arbeit als technografisch angelegte Einzelfallanalyse im Sinne der Science and Technology Studies. „Diese sozialwissenschaftliche Denk- und Forschungstradition erlangte ihre akademische Identität nicht zuletzt durch eine Suspension der gesellschaftsdiagnostischen Vogelperspektive zugunsten dichter ethnografischer Beschreibungen“ (Dickel 2017: 174). Mit Hilfe dieses feinjustierten Blickes einer technografischen Beobachtung zeigt sich eine heterogene und teils widersprüchliche Palette von Einbindungen der Cyberinfrastruktur, die über eine einseitige und deterministische Gleichsetzung digitaler Technologie mit makrosozialen Strukturen wie beispielsweise der zunehmenden Standardisierung und Datafizierung, die stellenweise im Diskus Sozialer Arbeit zu beobachten sind (u. a. bei Devlieghere et al. 2019), hinausgeht. Dennoch lassen sich mit dem technografischen und praxeologischen Instrumentarium soziale Ordnung auch vom konkreten Standpunkt konkreter Akteure aus rekonstruieren, denn die spezifische Ontologie des Sozialen als ‚flach‘ (Schatzki 2016) weist den Weg zur Rekonstruktion übergreifender Zusammenhänge über das Verfolgen von Vernetzungen. Der Wohlfahrtsstaat erscheint hier nicht als strukturierender Kontext; er wird vielmehr in lokalen Praktiken und deren Vernetzungen performiert.
1.4 Zum Aufbau der Arbeit
Nach dieser Einleitung werde ich die Arbeit im folgenden Kapitel mit einer sozialtheoretischen Perspektivierung fortsetzen (Kap. 2). Die in der vorliegenden Arbeit vertretene Position zeichnet sich durch eine praxistheoretische Perspektive aus, die grundlegend für die weiteren Ausführungen und die empirische Untersuchung sein wird, sodass diese Perspektivierung den weiteren Kapiteln vorangestellt ist (Kap. 2). Im Anschluss daran soll ein Verständnis der beiden grundlegenden Phänomene – Organisationen und Cyberinfrastrukturen –, die im Zentrum des Forschungsinteresses und der leitenden Fragestellungen stehen (Kap. 3 & 4), entwickelt werden. Hierfür erfolgt zunächst eine (inter-)disziplinäre Verortung im Feld der Sozialen Arbeit (Abschn. 3.1) und dann im Feld der praxistheoretisch orientierten Organisationssoziologie (Abschn. 3.2). Zu diesem Zweck werden ausgewählte theoretische Implikationen sowie empirische Vorarbeiten im Feld von Organisationen präsentiert. Auf der Basis von praxistheoretisch orientierten Organisationsansätzen und in Abgrenzung zu bisherigen sozialarbeiterischen Organisationsperspektiven wird ein sensibilisierendes Konzept – ein „sensitizing concept7“ (Blumer 1954) – von Organisieren entwickelt (Abschn. 3.2.3), welches für die empirische Untersuchung leitend ist. Analog zu Kapitel 3 wird in Kapitel 4 eine (inter-)disziplinäre Verortung im Schnittbereich von Sozialer Arbeit und digitaler Technologie vorgenommen (Abschn. 4.2) und konkret herausgearbeitet, wo Forschungsdesiderate existieren. Anschließend wird in Auseinandersetzung mit STS- und CSCW-Konzepten ein Verständnis von Cyberinfrastrukturen entfaltet (Abschn. 4.3), das als sensibilisierendes Konzept der empirischen Analyse zugrunde liegt (Abschn. 4.3.6).
Das Kapitel „Forschungstrategie“ (Kap. 5) präsentiert eine technografische (Re)Lektüre ethnografischer Grundannahmen (Abschn. 5.1 & 5.2) und zeichnet das methodische Vorgehen (Abschn. 5.3) dieser Studie nach. Im Anschluss an das methodische Vorgehen wird ein Verständnis von Triangulation entwickelt (Abschn. 5.4), welches der Performativität der unterschiedlichen methodischen Zugänge zu Cyberinfrastrukturen in Organisationen gerecht wird. In Abschnitt 5.5 und 5.6 werden die Auswertungsstrategien unter Rückgriff auf den konkreten Auswertungsprozess dargelegt.
Das Kapitel 6 führt in das Forschungsfeld ein (Abschn. 6.1) und erläutert den Feldeinstieg der technografischen Studie (Abschn. 6.2). In dem darauffolgenden Abschnitt 6.3 soll entlang von Interviewmaterial die Genealogie der Cyberinfrastruktur präsentiert werden. In den Kapiteln 7 bis 10 werden die analytischen Erkenntnisse präsentiert, die sich entlang von Beobachtungsprotokollen, Artefaktanalysen und stellenweise von Interviewtranskripten aus Werkstätten für behinderte Menschen entspinnt. Diese Analysen fokussieren sich auf die konkreten Vollzüge und Praktiken (Zooming-in) und rekonstruieren das situative Tun mit der Cyberinfrastruktur von Fachkräften. Im Zooming-out (Kap. 11) werden die Ergebnisse der empirischen Analyse systematisiert und nach ihren Effekten hin befragt. Ziel ist es, organisationale Ordnungen zu rekonstruieren (Abschn. 11.1 bis 11.3), die sich durch die Einbindung der Cyberinfrastruktur in Werkstätten für behinderte Menschen konstitutieren. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und Ausblick (Kap. 12).
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‚Komplexe‘ Technologien können nicht auf einen Tätigkeitsbereich reduziert werden, das heißt ihre materiellen Eigenschaften sind nicht auf eine einzelne Aktivität ausgerichtet.
In der weiteren Arbeit wird das Wort ‚Cyberinfrastruktur‘ durchgängig verwendet. Das Präfix ‚Cyber‘ wurde sehr bewusst gewählt. Während die Begriffe des ‚Digitalen‘ und der ‚Information‘ sich „scheinbar gerade deshalb so gut für eine Beschreibung der Konvergenz von Sozialität und Technologie eignen (und sie zugleich befördern), weil sie deskriptiv und neutral wirken, drücken sich im ›Cyber‹-Präfix widersprüchliche qualitative Konnotationen aus: Zum einen utopistische Hoffnungen und Visionen und zum anderen Ängste und Bedenken bezüglich dieser Konvergenz sowie gouvernementale Diskursstrategien politischer und ökonomischer Art, in denen auch die ursprünglich militärischen Hintergründe der Kybernetik bzw. des Kalten Krieges anklingen“ (Donner 2022: 272). Wie in der Genealogie der Infrastruktur (Abschn. 6.3) deutlich wird, sind Technologien wie die vorliegende ‚digitale Informationsinfrastruktur‘ niemals neutral oder komplett politisch unmotiviert. Genau hierfür soll das Präfix ‚Cyber‘ Verwendung finden.
Mit der Perspektive auf digitale Infrastrukturen folgt die vorliegende Arbeit auch einer technischen Entwicklung, in der mehr und mehr die Relationalität und Vernetzung erfolgt. Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass schon frühere Technologien der 1980er Jahre prozessübergreifend agierten. „The inherent flexibility of digitizing was unleashed and digital technologies made truly infrastructural once the power of cheaper, smaller, and more powerful computers escaped from corporate backrooms, and more neutral general-purpose digital networks (e.g., the Internet) emerged“ (Tilson et al. 2010: 750).
Ich verstehe ‚Akteure‘ und ‚Partizipanten‘ als soziologische Konzepte und werde konzeptuelle Begriffe (wie auch Gatekeeper oder ähnliches) im Folgenden – auch aus Gründen der Lesbarkeit – nicht gendern; dies gilt allerdings nicht für Begriffe wie ‚Mitarbeiter‘ oder ‚Adressaten‘.
Dadurch entsteht ein Zirkelschluss, das heißt in empirischen Untersuchungen soll die Professionalität als Gegenstand untersucht werden, deren Existenz allerdings vorausgesetzt werden muss. Im altgriechisch firmiert dieser Beweisfehler treffend unter der Phrase ὕστερον πρότερον, also das zu-Untersuchende wird im Beweisgang als Argument verwendet.
Blumer beschreibt sensibilisierende Konzept folgendermaßen: “Hence, I call them “sensitizing concepts” and put them in contrast with definitive concepts […]. A definitive concept refers precisely to what is common to a class of objects, by the aid of a clear definition in terms of attributes or fixed bench marks […]. A sensitizing concept lacks such specification of attributes or bench marks and consequently it does not enable the user to move directly to the instance and its relevant content. Instead, it gives the user a general sense of reference and guidance in approaching empirical instances. Whereas definitive concepts provide prescriptions of what to see, sensitizing concepts merely suggest directions along which to look” (Blumer 1954: 7). Der Grund für das Fehlen eines Maßstabes in sensibilisierenden Konzepten liegt nicht in ihrer wissenschaftlichen ‚Reife‘, sondern in der Natur der empirischen Welt (ebd.).
Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.