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2016 | Buch

Einwanderungsgesellschaft Deutschland

Entwicklung und Stand der Integration

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Über dieses Buch

Dieser Band geht dem Stand der Integration und Migration in Deutschland aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive nach und behandelt das Thema in komprimierter Form sowie didaktisch aufbereitet. Im Zentrum stehen Bedingungen und Herausforderungen der Integration von Migranten in die Einwanderungsgesellschaft Deutschland. Die Einführung eignet sich auch für das Selbststudium sowie für das vertiefte Nacharbeiten. Die einzelnen Buchbeiträge spiegeln den aktuellen Stand der Forschung wider und zeigen die wichtigsten Erkenntnisse und Entwicklungen des Themas auf. Theoretische, historische und rechtliche Aspekte, die Darstellung von Sozialstruktur, Teilhabe und Wertvorstellungen sowie verschiedene Perspektiven des Zusammenlebens werden behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einführung: Integration in Deutschland
Zusammenfassung
Ende der 1990er Jahre hat sich Deutschland als Einwanderungsland definiert und damit dem jahrzehntelangen Leugnen der Zuwanderungsrealität ein Ende bereitet. Mit der Anerkennung der Existenz einer Einwanderungsgesellschaft in Deutschland gingen auf politischer Ebene zahlreiche rechtliche und institutionelle Veränderungen einher. Damit ergab sich ein Paradigmenwechsel von der Abwehr von Zuwanderung und einseitiger Integrationsforderung an Einwanderer hin zu einer gezielten Förderung von (spezifischer) Zuwanderung und zu einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für Integration, die Klaus Bade als »nachholende Integrationspolitik« (K. J. Bade 2009) bezeichnete.
Martina Sauer, Heinz Ulrich Brinkmann
Theorien der Integration von Migranten– Stand und Entwicklung
Zusammenfassung
Der Buchbeitrag stellt zentrale Theorien der Integration von Migranten in die Einwanderungs-gesellschaften vor. Nach einer Klärung der zentralen Konzepte der Integration und der Assimilation werden sowohl klassische als auch aktuelle Integrationstheorien sowie die Kritik an diesen Theorien vorgestellt und an einem Datenbeispiel erläutert. Während ältere Integrationstheorien davon ausgehen, dass Migranten in erster Linie durch eine Angleichung an die ethnische Mehrheit in die Einwanderungsgesellschaften integriert werden, betonen neuere Theorien Alternativen zur Assimilation, bzw. haben ein offeneres Verständnis von Integration und Assimilation. Welche Theorie Integrationsprozesse am besten beschreibt und erklärt, ist nicht in allen Kontexten und für alle Migranten gleich und muss in jedem einzelnen Fall empirisch geklärt werden.
Silke Hans
Europäische und deutsche Migrationsverhältnisse im 19. und 20. Jahrhundert
Zusammenfassung
Migration bildete in den vergangenen zwei Jahrhunderten ein zentrales Element gesellschaftlichen und kulturellen Wandels in Deutschland sowie in ganz Europa. Ökonomische Transformation war im gesamten Untersuchungszeitraum abhängig von der Verfügbarkeit des Produktionsfaktors Arbeit und von der Bewegung von Arbeitskräften im Raum zur Erschließung standortgebundener natürlicher Ressourcen. Die Entwicklung räumlicher Bevölkerungsbewegungen blieb aber auch gebunden an die Genese von Herrschaftsverhältnissen: Individuelles ebenso wie kollektives Handeln von (potentiellen) Migranten unterlag politischen, administrativen und institutionellen Einflüssen bzw. Einflussnahmen. Zwangs- bzw. Gewaltmigrationen wiederum waren Ausdruck der staatlichen und gesellschaftlichen Akzeptanz der Beschränkung von Freiheit sowie von körperlicher Unversehrtheit. Menschen reagierten auf bewaffnete Konflikte mit Bewegungen im Raum.
Auch in Zukunft wird Migration ein zentrales gesellschaftliches Thema von hohem politischen Gewicht bleiben. Das verdeutlichen u. a. die aktuellen Debatten über die Folgen der Alterung der Gesellschaften in Europa oder des globalen Klimawandels, über gesellschaftspolitische Herausforderungen von Migration, den Umgang mit Flüchtlingen oder den Mangel an Fachkräften für zunehmend komplexere, international eng vernetzte und auf lebenslanges Lernen angewiesene Wissensgesellschaften.
Jochen Oltmer
Entwicklung der Integrationspolitik
Zusammenfassung
Nur zögerlich erkannten politische Entscheidungsträger in Deutschland an, dass sich das Land längst zu einem Einwanderungsland entwickelt hatte. Systematische Integrationspolitik betrieb die Bundesregierung erst ab Mitte der 2000er Jahre. Mit stärkerer politischer Wahrnehmung des demografischen Wandels und der entsprechenden Notwendigkeit von mehr Zuwanderung wurde ein Nationaler Integrationsplan entwickelt, wurden bundesweite Integrationskurse errichtet, Bildungsabschlüsse anerkannt, eine „Willkommenskultur“ angestrebt. Ein weiterer Paradigmenwechsel zeichnet sich unter der Großen Koalition seit Ende 2013 ab: Die ehemals strikt voneinander getrennten Sub-policies der Asyl- und Flüchtlingspolitik auf der einen und der Politik der Arbeitsmigration auf der anderen Seite werden stärker miteinander verknüpft.
Dies geschieht innerhalb eines höchst komplexen politischen und administrativen Systems. Integrationspolitik ist zu koordinieren, vertikal (über die politischen Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen) und horizontal (zwischen den einzelnen Ressorts: Bildung, Arbeit und Soziales, Wirtschaft, Inneres). Zivilgesellschaftliche Organisationen – insbesondere die Wohlfahrtsverbände – und ein zunehmendes Netz von Ehrenamtlichen spielen bei der Implementation von Integrationspolitik eine entscheidende Rolle. Bei entsprechendem politischen Willen könnte sich dieses Geflecht als lernendes Laboratorium erweisen, in dem die einzelnen Ebenen und Ressorts voneinander lernen – gerade was den Austausch von guten Praktiken bei der anstehenden Integration bzw. Inklusion der Flüchtlinge angeht.
Petra Bendel, Andrea Borkowski
Integrationsmonitoring
Zusammenfassung
Der Buchbeitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung des Integrationsmonitorings in Deutschland, er informiert über deren Konzeption und Methodik. Gezeigt werden kann, dass die Beobachtung des Integrationsgeschehens mittlerweile breit etabliert ist und Kontinuität verspricht, aber vor dem Hintergrund der neuen Zuwanderung vor erheblichen Herausforderungen steht. Weiterentwicklungen sind bei den Indikatoren und in Bevölkerungsbefragungen - die das Integrationsklima messen - zu erkennen. Anhand der empirischen Daten - insbesondere zu den zentralen Feldern Bildung und Arbeitsmarkt – können Angleichungsprozesse (also Integrationsfortschritte), aber auch erhebliche, fortbestehende Ungleichheiten aufgezeigt werden. Das Integrationsklima erlaubt einen vorsichtigen Integrationsoptimismus. Die Relativität des Migrationshintergrunds gegenüber der sozialen Herkunft sowie die möglichen Folgen des Beobachtungsmodus sprechen für eine Perspektivenerweiterung, die soziale Ungleichheiten, Heterogenität und allgemeine gesellschaftliche Problemstellungen stärker in den Blick nimmt. Weiterentwicklungen in Form von Integrations- und Diversitätsmonitorings sind insbesondere auf der lokalen Ebene bereits zu erkennen. Die Evaluation von Integrationspolitiken stellt jedoch noch ein Entwicklungsfeld dar.
Dieter Filsinger
Soziodemografische Zusammensetzung der Migrationsbevölkerung
Zusammenfassung
Statt einer vorausschauenden und planenden Einwanderungspolitik ist das Migrationsgeschehen in Deutschland weitgehend von Zufällen bestimmt gewesen: Die ursprünglich temporär gedachten Gastarbeiteranwerbungen zielten auf die am wenigsten (Aus-)Gebildeten ab; diese „Unterschichtung“ der deutschen Gesellschaft setzte sich mit der Familienzusammenführung fort. Um 1990 erfolgte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Einwanderung vieler Spätaussiedler. Mit der Freizügigkeit im EU-Binnenmarkt, der EU-Ausweitung nach Osteuropa, der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der darauf folgenden Euro-Krise wurde Deutschland zunehmend attraktiv für gut Gebildete und Ausgebildete. Zu allen Zeiten gab es Flüchtlinge und Asylbewerber.
Die Integration der einzelnen ethnischen und sozialen Gruppen ist abhängig vom Migrationsprozess und von der Sozialstruktur der jeweiligen Gruppen. Ein erhöhter Förderungsbedarf bei der Bildungs- und Arbeitsmarktteilhabe zeigt sich vor allem bei der Mehrzahl der Migranten aus Anwerbeländern: Migranten aus diesen Ländern sind auch heute noch in Bildungssystem und Arbeitswelt benachteiligt, aber auch gesellschaftlich in einem gewissen Maße segregiert. Eine vorausschauende Einwanderungspolitik muss deshalb gekoppelt werden mit gezielter Förderung für die Benachteiligten. Im Interesse aller Seiten gibt es hierzu keine Alternative.
Heinz Ulrich Brinkmann
Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern
Zusammenfassung
Der Buchbeitrag zeigt die Wichtigkeit unterschiedlicher theoretischer Ansätze für die Erklärung der Arbeitsmarktsituation der neuesten Einwanderungskohorten. Beim Thema Humankapital steht die Übertragbarkeit des ausländischen Abschlusses im Vordergrund. Denn es zeigt sich, dass Migranten, deren Qualifikationen anerkannt werden, schneller eine höherwertige Stelle erlangen. Wenn es um kulturelle Ressourcen geht, spielen Sprachkenntnisse als entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt eine größere Rolle. Bezüglich der Rolle sozialer Netzwerke zeigt sich, dass Migranten, die interethnische Beziehungen unterhalten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt erfolgreicher sind; hingegen finden diejenigen, die Kontakte zu ko-ethnischen Gruppen pflegen, schneller eine Beschäftigung – die allerdings nicht unbedingt von hohem Ansehen ist. Während Migranten unter bestimmten Bedingungen niedrig angesehene Beschäftigungen sogar „bevorzugen“ können, sind auch Arbeitgeber in gewissen Wirtschaftsbereichen eventuell daran interessiert, die weniger anspruchsvolle und flexible Arbeitskraft der Zuwanderer zu rekrutieren. Beides stimmt mit den Argumenten der Dualen Arbeitsmarkttheorie überein. Diskriminierung scheint ebenfalls eine Rolle zu spielen, wobei sich die bisher vorliegenden empirischen Hinweise hauptsächlich auf die Ungleichbehandlung türkeistämmiger Migranten beziehen.
Irena Kogan
Religion und Migration: Vom Nutzen und Nachteil religiöser Lebensführung
Zusammenfassung
Es werden ausgewählte Aspekte des Zusammenhangs zwischen Religion und Migration – konzentriert auf die Entwicklungen im Deutschland der letzten 40 bis 50 Jahre in Bezug auf den Islam – thematisiert. Dabei werden mit „Gewaltpotenzial“ sowie „Sinnfragen und Gesundheitspotenzial“ zwei in ihrer Gegenüberstellung polare Formen religiöser Nebeneffekte auf Individuen skizziert. Im Mittelpunkt steht die Frage der Integration muslimischer Religiosität in das soziale Leben in Deutschland sowie die methodologische Frage der Messung und Bedeutung von „Islamisierungstendenzen“. Die Etablierung des Islam in Deutschland ist ein reales Merkmal der Pluralisierung der Gesellschaft; somit stellt sich nicht die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, sondern unter welchen Bedingungen er integrationsfördernd wirkt. Die Messung von Islamisierungstendenzen stellt sich als äußerst problematisch heraus, wobei durchaus ein Trend zur Bedeutungszunahme der Religion bei Muslimen festzustellen ist, der jedoch im Herkunftsland Türkei stärker ausfällt als unter den türkeistämmigen Muslimen in Deutschland. Deutlich wird darüber hinaus, dass der Einfluss des Glaubens auf das Wohlbefinden und auf die Gesundheit überschätzt wird, es sich also eher um indirekte Auswirkungen einer gesunden und sozialen Lebensweise handelt; ebenso lässt sich zeigen, dass die Bedeutung der Religion auch bei der Frage der Gewaltbereitschaft überschätzt wird.
Haci-Halil Uslucan
Postmigrantische Gesellschaften
Zusammenfassung
Postmigrantische Gesellschaften sind von fünf Kernmerkmalen gekennzeichnet: 1. Anerkennung, ein Einwanderungsland zu sein, 2. Aushandlung von Rechten und Positionen von Minderheiten, 3. Ambivalenzen in der Positionierung zu Migration, 4. Allianzen über die Herkunftsgrenzen hinaus, 5. Antagonismen zwischen Befürwortern und Gegnern von Vielfalt und Heterogenität. Postmigrantische Gesellschaften sind keine utopischen Gemeinschaften, in denen Rassismus und Ungleichheit überwunden sind; aber sie verweisen eindeutig auf dieses Ziel, indem sie fordern, Herkunft als Trennlinie zu überwinden - wodurch die bestehenden Missstände wiederum stärker zutage treten. Postmigrantische Gesellschaften sind geprägt von einem Dualismus zwischen jenen, die unter Demokratie gleiche Rechte für alle Bürger verstehen, und jenen, die mehr Rechte für die eigene Gruppe beanspruchen (welche sie vorrangig kulturell, ethnisch, religiös und national – also „völkisch“ – definieren). In ihnen wird die Aushandlung von Demokratie und offener Gesellschaft konfliktiv ausgetragen – mit der existentiellen Frage, was es eigentlich für Konsequenzen nach sich zieht, wenn jedem Bürger gleich welcher Herkunft die gleichen Rechte zustehen und Etablierten nicht mehr Rechte zustehen dürften als Neubürgern.
Naika Foroutan
Politische und zivilgesellschaftliche Partizipation von Migranten
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt zunächst die Bedeutung der politischen Partizipation von Migranten unter demokratischen und integratorischen Aspekten. Dem folgend wird auf die Bedingungen der Teilhabe von Zuwanderern ebenso eingegangen wie auf die Rolle der Migrantenorganisationen im politischen Vermittlungsprozess. Anhand empirischer Forschungsergebnisse wird zwar eine Verbesserung der politischen Partizipation von Migranten im Zeitverlauf deutlich, dennoch ist sie in allen betrachteten Bereichen geringer als die der Einheimischen. Ursachen sind - neben den Ausländer ausschließenden Rahmenbedingungen der direkten politischen Teilhabe - die mangelnde Wahrnehmung der politischen Institutionen als Interessenvertreter sowie unterschiedliche soziodemographische Strukturen. Diese Ursachen beeinflussen sowohl das Interesse an Politik als auch die Beteiligung in Organisationen und an Wahlen. Auch wenn sich die Nachfolgegeneration in ihrem politischen Verhalten an das der einheimischen Bevölkerung anpasst und die politischen Akteure das Potenzial der Zuwanderer sowie ihrer Organisationen zunehmend wahrnehmen, bedarf die Öffnung des politischen Machtbereichs weiterer Anstrengungen.
Martina Sauer
Kommunale Integrationspolitik
Zusammenfassung
Im Beitrag werden die Integrationsanstrengungen von Städten, Gemeinden und Kreisen sowie zentrale Erfolgsfaktoren einer kommunalen Integrationspolitik beschrieben. Die Ergebnisse einer empirischen Studie zum Stand der kommunalen Integrationspolitik zeigen, dass viele Kommunen dem Thema der Integration von Migranten eine hohe Bedeutung beimessen, eigene, den Bedingungen vor Ort angepasste Konzepte entwickeln, die relevanten Akteure vernetzen und eine aktive Teilhabe von Migranten fördern. Einer strategischen Orientierung kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, wenn es um die Gestaltung einer nachhaltigen und zukunftsgerichteten kommunalen Integrationspolitik geht. Im föderalen Bundesstaat verfügen Bund, Länder und Kommunen über unterschiedliche Zuständigkeiten sowie Handlungsmöglichkeiten, wobei den Ländern eine besondere Bedeutung für die Stärkung einer aktiven und strategisch ausgerichteten kommunalen Integrationspolitik zukommt. Abschließend werden Entwicklungsmöglichkeiten einer kommunalen Integrations- und Teilhabepolitik skizziert.
Frank Gesemann
Migranten und Einheimische – Welche wechselseitigen Wahrnehmungen haben sich im Verlauf der Zeit durchgesetzt?
Zusammenfassung
Welche zentralen Tendenzen bezogen auf die wechselseitige Wahrnehmung von Migranten und Einheimischen lassen sich im Spiegel empirischer Daten erkennen? Ausgehend von einem Ansatz zur Akkulturationsorientierung von Migranten und Aufnahmegesellschaft wurden im vorliegenden Beitrag Befunde präsentiert, die allgemeine Akkulturationseinstellungen, Separations- bzw. Segregationsorientierungen und Exklusionsneigungen von Einheimischen und Migranten wiedergeben. Die Ergebnisse zeigen, dass in den letzten dreißig Jahren ein erhebliches Maß an Integrationsleistungen erbracht wurde. Die wechselseitigen Wahrnehmungen haben sich deutlich verbessert, wenn auch zum Teil segregative Tendenzen zwischen Muslimen und der Mehrheitsgesellschaft zukünftige Konflikte als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen.
Jürgen Leibold, Steffen Kühnel
Backmatter
Metadaten
Titel
Einwanderungsgesellschaft Deutschland
herausgegeben von
Heinz Ulrich Brinkmann
Martina Sauer
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-05746-6
Print ISBN
978-3-658-05745-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-05746-6