Die E-Mobilität gewinnt an Fahrt, die Anteile elektrifizierter Antriebe nehmen zu. Jochen Schröder von Schaeffler ordnet die Antriebs-Entwicklungen im Interview ein.
Dr. Jochen Schröder, Leiter des Unternehmensbereichs E-Mobilität bei der Schaeffler AG
Schaeffler
ATZ: Ist Schaeffler aktuell auch von der Chip-Krise betroffen?
Schröder: Ja, wir spüren die Auswirkungen, allerdings weniger durch fehlende Chips für unsere Produkte. Vielmehr führen die zunehmenden Engpässe bei Halbleitern zu einem Rückgang der weltweiten Fahrzeugproduktion und damit der Kundenabrufe, was wiederum unsere Produktionsvolumen beeinflusst.
Schaeffler als global aufgestellter Konzern muss den Belangen vieler nationaler Märkte gerecht werden. Wie sehen da die Unterschiede im Bereich der E-Mobilität aus? Auch bezüglich Gesetze und Normen, die erfüllt sein sollen.
Wir sind in der E-Mobilität global aufgestellt. Wir haben regionale Produktionen und Entwicklungszentren in allen Regionen der Welt. Und ja, in der Tat unterscheidet sich die Entwicklung der E-Mobilität bezüglich Geschwindigkeit und Technologiepräferenz in den einzelnen Regionen. Deswegen ist es für uns umso wichtiger, nah an den Märkten und an den jeweiligen Kunden dran zu sein. Europa treibt aufgrund gesetzlicher Vorgaben den Wandel am konsequentesten und aktuell auch am schnellsten voran. Was jedoch alle Regionen eint: Die E-Mobilität ist auf dem Vormarsch, die Anteile elektrifizierter Antriebe nehmen überall rasant zu.
Viele namhafte Zulieferer geben dem Verbrennungsmotor keine Chance mehr und beenden die Weiterentwicklung in diesem Bereich komplett. Wie ist das in Ihrem Haus?
Der Verbrennungsmotor wird uns noch einige Jahre erhalten bleiben. Wobei wir klar beobachten, dass die meisten Kunden aktuell die letzten Generationen des verbrennungsmotorischen Antriebs entwickeln. Dabei ist dieser bereits häufig mittels Hybridtechnologie elektrifiziert beziehungsweise der Verbrenner dediziert für Hybridanwendungen entwickelt.
Für uns ist klar: Die Zukunft gehört der E-Mobilität. Und wir sind uns diesem Trend und Wandel bewusst und haben uns gut auf die Veränderungen eingestellt und werden ihn aktiv durch unsere innovativen Lösungen gestalten.
Wo sehen Sie für die Zukunft die größten Potenziale in Ihrem Tätigkeitsfeld?
Wir sehen im Moment eine enorme Wachstumsphase. Mit unserer Fertigungsexzellenz gehen wir die Geschwindigkeit des Wandels mit, skalieren die Produktion und bedienen die Nachfrage – und das in höchster Qualität. Das neue, erste reine E-Mobilitätswerk von Schaeffler in Szombathely unterstreicht unsere Ambitionen, das starke Wachstum in der E-Mobilität weiter fortzusetzen. Dabei wollen wir unsere Kunden auch mit nachhaltigen Produkten überzeugen. Der Betrieb des Werks in Szombathely leistet einen wesentlichen Beitrag für das Ziel von Schaeffler, ab 2030 weltweit CO2-neutral zu produzieren. Unser Ansatz ist ganzheitlich. Wir richten unser Engagement neben einer ressourcen- und energieschonenden Produktion auch konsequent auf die Nutzung nachhaltiger Rohmaterialien und Vorprodukte aus.
Des Weiteren zeichnen sich unsere Lösungen speziell im Bereich der E-Motoren durch eine hohe vertikale Integration, Modularität und Skalierbarkeit aus. Dem leisten wir weiter Vorschub durch das vom Bund geförderte Forschungsprojekt AgiloDrive, bei dem wir als Konsortialführer mit 17 namhaften Partnern aus Industrie und Forschung kooperieren. Wir entwickeln dort ein agiles und digitalisiertes Produktionssystems mit modularem Produktbaukasten für innovative Elektromotoren. Die Erkenntnisse aus AgiloDrive sollen nach dem Projektende schon bald in die E-Motoren-Fertigung an den Schaeffler-Standort Bühl überführt werden. Dort entsteht ein hochmodernes, weltweit führendes Leitwerk für die Fertigung von E-Motoren.
Produktseitig sehen wir darüber hinaus ein großes Potenzial im Bereich Thermomanagement für batterieelektrische Fahrzeuge. Auf Grund des wesentlich höheren Wirkungsgrads eines rein elektrischen Antriebs, ist Wärme ein kostbares Gut. Besonders bei niedrigen Temperaturen reduziert sich die Reichweite meist deutlich. Unser neues 4in1-E-Achssystem erhöht die Effizienz des Gesamtfahrzeugs, in dem es Abwärme zum Beispiel aus dem E-Motor geschickt nutzt, um damit etwa die Temperierung des Innenraums oder der Batterie zu optimieren. Damit erhöht sich der Wirkungsgrad des Gesamtsystems und die Reichweite wird deutlich verbessert.
Bei der großen Vielfalt an Antriebssträngen ist eine effiziente Entwicklungsarbeit wichtig. Wie müssen sich HiL-Testing mit MiL, SiL und ViL zum XiL vereinen, wie es Hyundai, IAV und IPG vorschlagen, damit Ingenieure auch morgen noch die immer komplexeren Aufgaben abarbeiten können?
Moderne Entwicklungsmethoden und -tools sind Teil der Gegenwart und bei Schaeffler fest integriert. Wir nutzen all diese Teststrategien und setzen diese auch in der Praxis ein. Und alle haben – abhängig von der Entwicklungsphase oder Systemreife – ihre Berechtigung.
Die Vielzahl der unterschiedlichen Ansätze ist dabei sicherlich eine Herausforderung. Wir arbeiten mit Baukästen und ermöglichen die Wiederverwendung. Das ist neben einer guten Teststrategie der Garant für Effizienz in der Produktentwicklung.
Thema Plattformen. Ingenieure sollten nach einer FEV-Methode besser ein BEV als Basis-Pkw von Grund auf entwickeln, und dann später Derivate für VKM, Hybrid und FCEV daraus ableiten. Warum erfolgt heute dieser Prozess immer noch anders herum? Müssen noch viel mehr alte Zöpfe abgeschnitten werden?
Aus meiner Sicht hat sich die Welt diesbezüglich bereits weitergedreht. Insbesondere wenn neue Modell-Generationen anstehen, haben BEV-Plattformen längst die Leadrolle übernommen.
Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 5/2022 lesen.