Mercedes-Benz, Porsche und Co. bekommen Konkurrenz: Chinesische BEV-Premiummarken sind bei Kunden in China immer beliebter. Sie verdrängen die traditionellen, deutschen Oberklasse-Hersteller.
BYD Han
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Chinesische Premiummarken, die sogenannten New Premiums, finden bei Kunden in China wachsenden Zuspruch, wie eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Berylls zeigt. Im Verdrängungswettbewerb mit den traditionellen Oberklasse-Herstellern sind sie den etablierten Anbietern von BEV-Premiumfahrzeugen in der Kundenwahrnehmung zunehmend voraus. Vor allem junge BEV-Erstkäufer hätten eine klare Präferenz für chinesische Oberklasse-Marken, so die Studie. Diese hat analysiert, wie chinesische Elektrofahrzeug-Premiummarken bei den Kunden in China wahrgenommen werden, im Vergleich zu den arrivierten Playern. Teilnehmer der Studie waren sowohl Besitzer eines Premiumfahrzeugs wie auch Kunden, die den Kauf eines BEV einer Oberklasse-Marke beabsichtigen.
Chinesische Premiummarken finden wachsenden Zuspruch
Lange galten die Modelle der deutschen Premium-Hersteller als Top-Fahrzeuge bei den chinesischen Kunden. "Was in Ingolstadt, München, Sindelfingen und Zuffenhausen erdacht und entwickelt wurde, war über Jahrzehnte der weltweit gültige Standard für Oberklassefahrzeuge", so die Berater. Audi, BMW, Mercedes und Porsche hätten deshalb als ideale Statussymbole für die aufstrebende Mittel- und Oberschicht in China gegolten. "Einheimische Marken dagegen, standen vielfach in dem Ruf, rückständige und qualitative wenig überzeugend Autos zu bauen", heißt es. Aber das Bild hätte sich mit der Transformation der Mobilität hin zum E-Auto komplett gewandelt, wie die aktuelle Berylls-Studie zeigt.
"Für die deutschen Hersteller sind die Ergebnisse alarmierend", erläutert Willy Wang, Managing Direktor, Berylls Strategy Advisors China. "Denn die chinesischen Wettbewerber liegen in der Kundenwahrnehmung in sehr vielen Punkten klar vorn.“ Nicht zuletzt bei Attributen, die einen technischen Hintergrund haben, sähen die Kunden chinesische Autobauer in Führung. "Ein harter Schlag für die technikverliebten deutschen Autobauer, deren Expertise offenbar nicht mehr in die richtige Richtung läuft“, heißt es von Berylls.
Das Auto ist kaum noch ein Statussymbol
Während sich etwa zwei Drittel der Kunden für ein BEV aus chinesischer Produktion entscheiden würden, so Berylls, weil sie diesem Modell starke und verlässliche Produkteigenschaften zubilligten, seien es bei den Käufern oder Besitzern eines BEV vom deutschen Hersteller nur etwas mehr als die Hälfte. Kunden, die ein Auto aus "deutscher" Produktion wählten, entschieden sich zu etwa 45 % dafür, weil sie damit ihren persönlichen Status zur Schau stellen wollen, so die Berater. Kunden chinesischer BEVs sei das weit weniger wichtig. Hier geben nur knapp über 30 % an, ihren persönlichen Status mit dem Autokauf untermauern zu wollen.
Chinesischen Kunden seien beim Kauf eines chinesischen Premium-BEV guter Service, ansprechendes Marketing und ein modisches Produkt besonders wichtig, dicht gefolgt von einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Käufer deutscher Autos würden in China dagegen Wert auf gutes Markenimage legen und darauf, bei einem vertrauenswürdigen Hersteller einzukaufen. Außerdem würden sie einen hohen Wiederverkaufswert schätzen. Der sei den Kunden chinesischer Premium-Marken dagegen nahezu egal.
Chinesische OEMs bei Smart Cockpit, aber auch bei Service vorn
Die Kernkaufkriterien zeigten, so Berylls, dass die chinesischen Hersteller bei den traditionellen Werten enorm aufgeholt haben. Bei Sicherheit und Zuverlässigkeit und sogar beim Komfort seien praktisch keine Unterschiede mehr zwischen den traditionellen und den neuen Premium-Herstellern auszumachen, gaben die Studien-Teilnehmer an. Chinesische Kunden würden die New-Premium-Fahrzeuge qualitativ klar besser einschätzen als die der deutschen Hersteller. Weit vorn seien die New Premiums auch beim Thema Laden, beim Smart Cockpit, den Assistenzsystemen und dem zum Fahrzeug gehörenden Ökosystem. Die deutschen Modelle würden lediglich bei der Leistung, bei den vielfältigen Konfigurationsmöglichkeiten, beim Platzangebot und beim Design punkten.
Käufern chinesischer BEVs sei allerdings digitale Hightech wichtig, weniger Fahrvergnügen. Gut funktionierende Assistenzsysteme, kurzweiliges Infotainment und autonome Fahrfunktionen seien weit wichtiger als präzise und rückmeldungsfreudige Lenkungen und neutral bis leicht übersteuernd ausgelegte Fahrwerke. Hier hätten die deutschen Hersteller zwar zweifellos die Nase vorn, nur schwinde die Bedeutung dieser Funktionen in China sehr schnell.
Autos für China brauchen eigene Produktsubstanz
Die Berylls Studie zeigt deutlich, wie sehr sich die chinesischen Kunden von Käufergruppen in anderen Regionen der Welt unterscheiden. Darum müssen die Chinesen anders behandelt werden, darum müssen die Produkte, die in China erfolgreich sein sollen, eine andere Produktsubstanz aufweisen als Fahrzeuge für Europa oder die USA. Hersteller sind gut beraten, große Anstrengungen auf autonome Fahrfunktionen zu legen und umfangreiche Assistenz- sowie Smart Cockpit-Systeme für ihr chinesisches Modellportfolio anzubieten. Die Hersteller sollten außerdem verstehen, dass sie ihr Marketing sehr stark auf die chinesischen Kunden zuschneiden müssen.
Die New Premiums haben dies längst verstanden und dominieren den BEV-Markt mit einem Anteil von 80 %. Allein Tesla sei als ausländischer Hersteller unter den zehn erfolgreichsten E-Auto-Anbietern in China zu finden, die deutschen Marken spielten hier dagegen keine Rolle.