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24.02.2021 | Elektromobilität | Interview | Online-Artikel

"In reiner Elektrifizierungswelt sinkt die Komplexität bei OEMs"

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Hat das Jahr 2020 den Durchbruch für die Elektromobilität gebracht? Was bedeutet der Umstieg auf E-Mobilität für die Autohersteller? Antworten gibt Dr. Oliver Greiner von Horváth & Partners im Interview. 

Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung mit der sogenannten Innovationsprämie die Förderung von Elektrofahrzeugen erhöht: Bis zu 9.000 Euro Zuschuss erhalten Neuwagen-Käufer für Elektroauto-Antriebe. Wie stark hat sich die Förderung auf die Verkaufszahlen 2020 ausgewirkt?

Sehr deutlich – natürlich im Mix mit anderen Faktoren wie zum Beispiel höhere Modellvielfalt, zunehmende Akzeptanz der Elektrofahrzeuge, Reduzierung der Reichweitenangst. Mit insgesamt 395.000 Neuzulassungen im Jahr 2020 hat sich der Anteil an Elektroautos an den Gesamtneuzulassungen in Deutschland von drei Prozent auf 13,5 Prozent mehr als verdreifacht. Davon sind rund 194.000 (~49 Prozent) auf reine Elektrofahrzeuge (BEV) entfallen – ein Plus von 207 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Plug-in-Hybride (PHEV) verzeichnen im Jahr 2020 ein noch stärkeres Wachstum. Ein Plus von 342 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, mit insgesamt 200.500 Stück (~51 Prozent). Damit liegt der Anteil von reinen Elektroautos an den gesamten Neuzulassungen im Jahr 2020 somit bei 6,7 Prozent (1,75 Prozent in 2019), bei PHEV stiegt der Anteil an den Gesamtneuzulassungen von 1,26 Prozent im Jahr 2019 auf insgesamt 6,9 Prozent im Jahr 2020.  Neben steuerlichen Vorteilen für Firmenwagen – Reduzierung der Bemessungsgrundlage auf 0,5 Prozent des Listenpreis – hat auch die Senkung der Mehrwertsteuer weitere Anreize für den Kauf eines Elektrofahrzeugs gegeben, was an den Zahlen des vierten Quartals deutlich wird, auf das rund 60 Prozent aller Neuzulassungen entfallen. 

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Weniger Komplexität durch Elektrifizierung?

Es ist eine weit verbreitete Sichtweise, dass Elektrifizierung zu weniger Komplexität führt und in der Folge zu weniger Wertschöpfung. Bei genauerem Hinsehen gibt es aber viele neue Aufgaben, nicht nur beim Antrieb. Was wird weniger, was wird mehr?

Auf welche Herausforderungen sollten sich Politik und Automobilindustrie beim Thema Ladeinfrastruktur konzentrieren?

Die Marktentwicklung spielt an drei wesentlichen Stellen eine Rolle. Erstens: Der Markt für die Entwicklung der Ladelösungen in Einfamilienhäusern – diesen Markt werden die OEMs sicher stark besetzen im Zuge des Verkaufs eines Fahrzeuges. Zweitens und drittens: in der Verfügbarkeit von Ladelösungen in den Städten und Mehrfamilienhäusern sowie für längere Distanzen an den Autobahnen mit Schnellladern, um die Wartezeit stark zu verkürzen. In den Mehrfamilienhäusern haben sich die Rahmenbedingungen verbessert, dennoch sind die Projekte für zwanzig Millionen Mehrfamilienwohnungen noch immer technisch und planerisch sehr aufwändig. Die Verfügbarkeit von Schnellladern an den Autobahnen führen zu hohen Investitionen und Herausforderungen bei Netzanschlüssen und Suche nach Standorten. Problematisch hier das noch nicht attraktive Geschäftsmodell für die Anbieter von Ladesäulen. Auch der Tarifdschungel führt zu Problemen.

Mit welchen Aspekten haben Autohersteller beim Umstieg auf Elektromobilität am meisten zu kämpfen?

Mit drei Aspekten kämpfen die Automobilbauer beim Umstieg auf die Elektromobilität. Viele OEMs haben eigene Komponenten-Fertigungen (Motor, Getriebe, etc.). In diesen Fertigungen kommt natürlich der Switch im Antriebsstrang besonders an, da für die drei Schlüsselkomponenten Batterie, E-Maschine und Leistungselektronik die eigene Fertigungstiefe deutlich geringer ist. Dies führt insbesondere zu Beschäftigungsrisiken, wie beispielsweise die Daimler-Betriebsratsdiskussion um die Motorenfertigung zeigt. Der zweite Aspekt ist natürlich die Wirtschaftlichkeit. Zum einen gehen Skaleneffekte bei den Verbrennungsmotoren und den dazugehörenden Fahrzeugen verloren – siehe die Auslastung der Werke, in denen im Schwerpunkt Verbrennerfahrzeuge gebaut werden. Zum anderen sind es die noch höheren Herstellungskosten von BEVs, die zu einem Margendruck führen. Dank der hohen staatlichen Subventionen können insbesondere bei Leasingangeboten trotzdem hohe Transaktionspreise realisiert werden. Darüber hinaus ist die weitere CO2-Reduktion, insbesondere bei der Batterie- und Zellfertigung, ein wichtiger Aspekt für die OEMs, damit die BEVs mit einem möglichst geringeren CO2-Rucksack im Vergleich zum Verbrennerfahrzeugen in die Nutzungsphase gehen, um wirklich schnell CO2-Break-Evens zu erreichen. Stichwort: True CO2-Story.

Führt die Elektrifizierung wirklich zu weniger Komplexität und in der Folge zu weniger Wertschöpfung wie gemeinhin angenommen? 

Mit Blick auf die "klassischen" Motoren ist das tatsächlich so. Allerdings werden Fahrzeuge neue Elemente bekommen (Entertainment, Bequemlichkeit, Sicherheitsmerkmale), welche in Summe die Komplexität eines Fahrzeuges anspruchsvoll halten werden. Aber auch im Antriebsstrang wird in der ersten Phase die Komplexität massiv ansteigen, da bei Hybridfahrzeugen und den OEMs in Summe noch beide Antriebstechnologien parallel gefahren werden müssen. In Summe wird die Stückzahl aber je Baureihe natürlich sinken, da sie sich auf zwei Fahrzeugtechnologiegruppen aufteilt. Das führt aktuell dazu, dass im Bereich der Verbrennerfahrzeuge massiv Komplexität herausgenommen wird, indem beispielsweise die Anzahl der Motor-Getriebevarianten gesenkt wird und auch ganze Derivate keinen Nachfolger mehr bekommen. In einer reinen Elektrifizierungswelt wird die Komplexität auf OEM-Seite sinken. Schon alleine deswegen, weil viele Komponenten zu Kaufteilen werden und Inhouse-Fertigungen von Getrieben, Motoren usw. wegfallen werden.

Wie sehr belasten Elektrofahrzeuge die Gewinnmargen der Autobauer?

In Abhängigkeit der Batteriegröße liegen die Herstellkosten für ein BEV bei circa 5.000 Euro Mehrkosten. Diese Mehrkosten können aktuell noch relativ gut an die Kunden dank staatlicher Subventionen weitergegeben werden. Die Mehrkosten werden sich zum einen durch die Verteuerung des Verbrenner-Antriebsstranges – Stichwort EU 7 – sowie Skaleneffekte und Weiterentwicklung auf Seite des BEV-Antriebsstranges ergeben.

Im "Faktencheck E-Mobilität: Status quo der E-Mobilität in Deutschland – Update 2020" von Horváth & Partners ist zu lesen, dass dieses Jahrzehnt das Jahrzehnt der Elektromobilität werden könnte. Dies zeige der Aktienkurs von Tesla, der am 21. August 2020 erstmalig die Marke von 2.000 US-Dollar übersprang. Damit war Tesla dreimal so viel wert wie Daimler, BMW und VW zusammen. Was sind die Gründe? Hat das Jahr 2020 also den Durchbruch für die Elektromobilität bedeutet?

Die Börse honoriert immer das zukünftige Potenzial. Der extrem hohe Wert von Tesla im Vergleich zu den klassischen Herstellern ist in dieser Höhe sicherlich auch spekulativ geprägt – enthält aber mit Blick auf das Zutrauen der Investoren auf die Zukunft der Elektromobilität eine große Wahrheit. Etablierte OEMs müssen über die Zeit gesehen noch alle "Altlasten" aus der Verbrennerzeit abbauen (Werke, Personal, Händlerstrukturen, usw.) und parallel die Investitionen für die neue Generation aufbauen. Hier ist Tesla in vielen Bereichen infrastrukturell, entwicklungstechnisch, aber auch vom Selbstverständnis der Organisation viel weiter. Der Durchbruch zur Elektromobilität ist somit zumindest schon aus Sicht der Investoren vollzogen!

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