Raumheizung im Elektroauto kostet Strom und damit auch Reichweite. Forscher und Entwickler suchen mit Hochdruck nach energieeffizienten Heizverfahren – und werden bei Nanomaterialien fündig.
Bislang wird im Auto die Abwärme des Verbrennungsmotors genutzt, um sie in der kalten Jahreszeit per Lüfter im Innenraum zu verteilen. Das funktioniert bei Elektroautos nicht; die elektrische Heizung verbraucht Strom der Batterie, und das kostet im Zweifelsfall Reichweite. Was also tun? Um die Batterie zu schonen, sei eine defensivere, energiesparende Fahrweise erkennbar, haben Christine Ahrend und Jessica Stock bei ihren Studien zu Alltagserfahrungen mit dem Elektroauto feststellen können. Im Buchkapitel "Der Benchmark ist noch immer das heutige Verhalten" berichten die Autorinnen auf Seite 123 auch, dass viele Fahrer "Heizung, Klimaanlage und Radio ausgeschaltet" lassen – zugunsten der Reichweite ihres E-Autos.
"Intelligentes Lademanagement" sei eine zentrale Voraussetzung zur Erzielung optimaler Reichweiten bei winterlichen Temperaturen, konstatieren die Autoren Ferdinand Dudenhöffer und Moritz Luhn im Buchkapitel "Reichweitensteigerungen bei batterieelektrischen Automobilen". Bereits das Laden in einer beheizten Garage mache sich positiv bemerkbar und auch Lösungen zur punktuellen Innenraumklimatisierung könnten die benötigte Heizleistung verringern – etwa indem bei alleinigen Fahrten ausschließlich rund um den Fahrer geheizt und ein großer Teil der Wohlfühltemperatur über die weniger energieintensiven Sitz- und Lenkradheizungen generiert werde. Denn, so Dudenhöffer und Luhn: "Sitz- und Lenkradheizung benötigen zusammen mit ca. 0,15 kW nur etwa zwei Prozent der Heizleistung einer elektrischen Heizung in einem Elektrofahrzeug und sorgen somit bei einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 16 kWh/100 km für gerade einmal einen Kilometer Reichweitenverlust auf 100 km" (Seite 405).
Neben der elektrischen Widerstandsheizung kommen im Elektroauto auch Wärmepumpen zum Zuge: "Wärmepumpen generieren ihre Wärme für den Innenraum durch ein Kühlmittel, das in einem geschlossenen, umlaufenden Kreislauf wechselweise zwei Aggregatzustände durchläuft", erklären Dudenhöffer und Luhn: "Dabei wird das Kühlmittel im flüssigen, kalten Zustand in einen Verdampfer geleitet, in dem es durch warme Innenluft, beispielsweise die Abwärmeluft der Batterie oder Leistungselektronik, in einem Verdampfer aufgewärmt wird und in den gasförmigen Zustand wechselt. Gleichzeitig wird die durch den Verdampfer geleitete warme Innenluft heruntergekühlt und kann beispielsweise weiter zur Temperierung der Batterie genutzt werden. Nach dem Erwärmen des Kältemittels wird das Volumen durch einen Verdichter verringert. Durch diesen Druckanstieg erwärmt sich das Gas weiter und gibt diese Wärme an die vorbeiströmende kühle Außenluft im darauffolgenden Kondensator wieder ab. Dabei heizt sich die Außenluft auf und kann für eine Beheizung der Fahrgastzelle genutzt werden" (Seite 406). Dieser Prozess einer Wärmepumpenheizung soll durch stetige Weiterentwicklung zukünftig im Winterbetrieb Reichweitensteigerungen von 20 bis 25 % ermöglichen, schätzen die Springer-Autoren, und somit die vorhandenen Reichweitenverluste von 30 bis 40 % bei winterlichen Außentemperaturen zu einem großen Teil wieder auffangen.
Heizen mit 2-D-Materialien
Wie man es auch dreht und wendet, der gegenwärtige Stand der Heiztechnik lässt zu wünschen übrig; das Rennen um Optimierung und innovative Neugestaltung von Klimatisierungssystemen für Elektroautos ist eröffnet. Beteiligt daran ist auch die Materialforschung. Möglicherweise können künftig zweidimensionale Materialien wie Graphen und Kohlenstoffnanoröhrchen, die Carbon Nanotubes (CNT), hier mit ihren einzigartigen physikalischen Eigenschaften eine wichtige Rolle spielen. Deren immenses Potenzial wollen unter anderem Chemiker der Universität Jena nun gemeinsam mit Partnern aus Forschung und Industrie in dem kürzlich gestarteten Innovationsforum "2D-Mat-Net" ausloten. "Es gibt viele geschichtete dreidimensionale Stoffe, deren einzelne Schichten als eigenständiges zweidimensionales Material existieren können. Diese sehr dünnen Stoffe weisen beispielsweise besondere optische, elektrische oder katalytische Eigenschaften auf, die in Zukunftstechnologien gebraucht werden", sagt Andrey Turchanin, Professor an der Universität Jena. Er ist Koordinator des Netzwerks und hebt hervor, dass sich leitfähige Beschichtungen aus Graphen inzwischen sogar schon in Form von Tinte auf Oberflächen drucken ließen. Und er nennt eine der möglichen künftigen Anwendungen: "Kohlenstoffbasierte zweidimensionale Beschichtungen könnten eine alternative Wärmequelle für Elektroautos sein und unter anderem das Beschlagen von Fensterscheiben verhindern."
Hoffnungsträger Carbon Nanotubes
In Bissendorf bei Osnabrück arbeitet das mittelständische Unternehmen Osnatech schon seit einiger Zeit an der Entwicklung von elektrischen Heizsystemen auf Basis von Kohlenstoffnanoröhrchen. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Osnabrück startete im März die Entwicklung eines energieeffizienten, lüfterlosen Infrarot-Flächenheizsystems für Fahrzeuginnenräume. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt über zwei Jahre mit rund 200.000 Euro. "Zum Einsatz kommt dabei die Kerntechnologie unseres Unternehmens: Die Erwärmung von Materie mittels Carbon-Nanotube-Technologie (CNT)", sagt Bene Nintemann, Gründer und Gesellschafter von Osnatech.
Die CNT-Technologie sei ein "Quantensprung der Heiztechnologie", heißt es dazu in einer Unternehmensmitteilung, denn die Kohlenstoffteilchen von 4 bis 6 Nanometer Durchmesser leiteten elektrischen Strom etwa tausendmal besser als Kupfer. Osnatech verwendet das Material, um sehr dünne Widerstände herzustellen, die als Wärmeleiter fungieren. Und diese Widerstände seien in der Lage, elektrische Energie mit nahezu 100-prozentiger Effizienz in Wärme umzuwandeln, sowie Infrarotstrahlung von 97-prozentiger Dichte zu erzeugen.
Nanopartikel im Schichtaufbau
In der Gebäudetechnik ist Osnatech mit dem Verfahren bereits auf dem Markt. Für die Serienertüchtigung in Elektrofahrzeugen bedarf es jedoch einer Weiterentwicklung der Applikations- und Kontaktierungstechnologie sowie eines Verfahrens zur Aufbringung auf komplexe Fahrzeugteile. Hier kommt der Entwicklungspartner, die Hochschule Osnabrück ins Spiel. "Die Elektromobilität stellt uns vor spannende Herausforderungen, die es für die zukünftigen Fahrzeuggenerationen zu beachten gilt”, sagt Christian Schäfers, Professor an der Hochschule Osnabrück und dort Leiter des Labors für Karosserieentwicklung und Leichtbau. Bis zur Serienreife der Nanoheizung soll nun ein Verfahren entwickelt werden, das Nanopartikel in einem Schichtaufbau auf das Trägermaterial – Karosserieteile – aufbringt. Ein entsprechendes Verfahrenspatent hat Osnatech angemeldet.