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27.05.2015 | Elektromobilität | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wenn der Leichtbau der Elektromobilität Flügel verleiht

verfasst von: Andreas Burkert

4:30 Min. Lesedauer

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Konstruktiver Leichtbau ist ein probates Mittel, um die strengen Abgasnormen zu erreichen wie auch die Elektromobilität voranzubringen. Aus diesem Grund raten Analysten, den Leichtbau zu forcieren. Marktbeobachtungen haben ergeben, dass sich konstruktiver Leichtbau auch finanziell lohnt.

Der Markt für elektrisch angetriebene Fahrzeuge reagiert auf bestimmte Faktoren empfindlich. Fehlende Reichweite etwa ist Argument, um Käufer abzuschrecken, lange Ladezeiten ebenso. Aber auch Förderprogramme, die auslaufen, beeinflussen den Markt. Das spüren derzeit insbesondere die deutschen Automobilhersteller. Sie ihre Führungsposition bei Elektro- und Hybridfahrzeugen aufgrund eines schlechteren Preis-Leistungs-Verhältnisses der Fahrzeuge verloren. Sie belegen nun nur noch den vierten Platz. Hauptsächlich liegt das an den Ende 2014 ausgelaufenen Förderprogrammen für Forschung und Entwicklung und an einem größeren Angebot an teuren Elektromodellen in der Mittelklasse.

Zwar schließt Deutschland auf der Absatzseite mit 13 Prozent Wachstum weiter zu den führenden Nationen Frankreich, Japan und USA auf, liegt aber trotzdem weiterhin nur im Mittelfeld. Das ergab die Auswertung des neuen "Index Elektromobilität" von Roland Berger Strategy Consultants und der Forschungsgesellschaft Kraftfahrwesen mbH Aachen (fka) für das erste Quartal 2015. Der Index vergleicht die relative Wettbewerbsposition der sieben führenden Automobilnationen (Deutschland, Frankreich, Italien, USA, Japan, China und Südkorea) im Bereich der Elektromobilität. Dabei werden die Indikatoren Technologie, Industrie und Markt analysiert.

Das Fahrzeuggewicht belastet die Bilanz

Die Platzierung im Mittelfeld schmerz umso mehr, als das deutsche Autokonzerne in den vergangenen Jahren sehr viel in die Entwicklung der Elektromobilität investiert und dadurch ein hohes technisches Niveau erreicht haben. Weil der Erfolg aber auch stark von der Reichweite abhängt, sind enorme Anstrengungen nötig. Ein Faktum, welches die deutschen Automobilhersteller in diesem Zusammenhang direkt beeinflussen können, ist der Leichtbau. Dies gibt der Weiterentwicklung der Elektromobilität einen deutlichen Schwung. Davon sind die Analysten überzeugt. Denn Autohersteller müssen das Gewicht der E-Autos deutlich reduzieren, um das zusätzliche Batteriegewicht, wie es für mehr Reichweite benötigt wird, zu kompensieren.

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Doch bislang richten sich das Design, die modularen Baukastensysteme und Werkstoffe der Fahrzeuge immer noch nach den konventionellen Baureihen. Ein Irrweg: Zwar können die Automobilhersteller „durch die modularen Baukastensysteme höhere Stückzahlen zu niedrigeren Kosten erzielen", erklärt Markus Thoennes, Senior Engineer bei der fka. Doch solche „Elektroautos können zwischen 10 und 30 Prozent schwerer sein als konventionelle Fahrzeuge. Dadurch werden sie ineffizienter“.

Alternative Materialien für eine alternativlose leichte Elektromobilität

Obschon die Fahrzeugentwickler Möglichkeiten zur Energieeinsparung nutzen oder aber die Bremsenergie zwischenspeichern, „bleibt die Fahrzeugmasse mit drei von vier Termen in der Fahrwiderstandsgleichung die bestimmende Größe“. Darauf weisen Professor Horst E. Friedrich und Dirk Hülsebusch vom Stuttgarter DLR Institut für Fahrzeugkonzepte hin. Im Rahmen verschiedener Szenarien haben sie den Themenkomplex Elektro-Fahrzeugkonzepte und Leichtbau analysiert und dabei die „Anforderungen für neue Werkstoffe?“ definiert. Die gefundenen Ergebnisse sind vielversprechend. Anhand zahlreicher Maßnahmen konnten sie eine erhebliche Steigerung der Fahrzeugperformance bei geringerem Gewicht feststellen.

Auch die Springer-Autoren Axel Förderreuther, Raphael Koebel und Alexander Gaida vom Sindelfinger Entwicklungsdienstleisters RLE kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Sie untersuchten Leichtbaumaßnahmen am Elektrofahrzeug EV4. Die Eigenentwicklung besteht aus einer leichten Mischbauweise aus Aluminium und Faserverstärkten Kunststoffen (FVK), die gegenüber einer Voll-Aluminiumstruktur etwa 15 % Gewicht einspart. Und weil das Fahrzeug leichter ist, kann auch die Batterie entsprechend kleiner ausfallen.

Leichtbau-Dividende für Elektrofahrzeuge

Die Autoren sprechen bei dieser Einsparung von einer „Leichtbau-Dividende“, die ein günstigeres Gesamtfahrzeug ermöglicht. So wurden beim EV4 durch die kleinere Batterie 70 kg gespart, die Umstellung auf Frontantrieb sparte 100 kg, die Leichtbaumaßnahmen im Spaceframe 25 kg. Weitere 10 kg wurden bei den Türen und Klappen erzielt, 15 kg wurden beim Chassis eingespart. In der Summe ist EV4 damit um 220 kg leichter als EVA und erreicht in der Fahrsimulation dieselbe Reichweite von 190 Kilometern.
Auch wenn ein vollständiger Umstieg auf Leichtbaukonzepte in der nächsten Zukunft aus Kostengründen noch nicht möglich sein wird, wie es die Autoren der Roland Berger-Studie glauben. Doch werden gezielt Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung umgesetzt, müssen nicht automatisch die Kosten steigen. So haben Professor Lutz Eckstein, Fabian Schmitt und Bastian Hartmann von der RWTH Aachen festgestellt, dass „durch den quantifizierten kostenneutralen Einsatz von Leichtbau eine signifikante Reduktion der Elektrofahrzeugmasse möglich ist, die eine Leichtbauspirale induziert“. Ihre Untersuchungen zum „Leichtbau bei Elektrofahrzeugen“ haben zudem gezeigt: „Im Vergleich zur vorgestellten Gewichtsspirale verstärken sich nun die Leichtbaumaßnahmen und führen zu einer weiteren Reduktion der Fahrzeugmasse“.

Beachtliches Kosteneinsparpotenzial durch Leichtbau

Allerdings weisen sie darauf hin, dass zur Ausschöpfung des vollen Potenzials von Leichtbau und Erreichung einer neuen Kategorie von „ultraleichten Fahrzeugen“ noch stärker konzeptionelle Maßnahmen auf der Gesamtfahrzeugebene notwendig sind. „Dies ist nur durch völlig neue Fahrzeugkonzepte erreichbar, die den Zielkonflikt zwischen Effizienz, Sicherheit und Fahrerlebnis auf andere Art und Weise lösen, als es bislang bei konventionellen Fahrzeugen der Fall war.“. Gelingt das, ist das „Kosteneinsparpotenzial durch Leichtbau bei Elektrofahrzeugen“ erheblich, wie die drei RWTH-Wissenschaftler heraus gefunden haben.

Mit ihren Untersuchungen belegen sie die herausragende Bedeutung von Leichtbaumaßnahmen für Elektrofahrzeuge gegenüber konventionellen Fahrzeugen. Dort werden derzeit Mehrkosten durch Leichtbau je reduziertem Kilogramm von 3 bis 5 Euro akzeptiert. Und für Elektrofahrzeuge? „Die Ergebnisse zeigen je eingespartem Kilogramm Fahrzeugmasse ein Potenzial von 4 bis 18 Euro bei derzeitigen spezifischen Batteriesystemkosten (zirka 1000 €/kWh) und bei konstanten Herstellungskosten für das Gesamtfahrzeug je nach Auslegungsreichweite im NEDC.

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