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14.12.2020 | Elektronische Identifikation | Interview | Online-Artikel

"Im Silicon Valley ist es eine Ehre, kopiert zu werden"

verfasst von: Stefanie Hüthig

5:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Frank S. Jorga

ist Gründer & Co-CEO der WebID Solutions GmbH

Frank Jorga, Chef und Gründer von Web ID, spricht im Interview über die Entwicklung von Identifikationsverfahren, welche Herausforderungen die Expansion ins Ausland bringt und wie die digitalen Identitäten der Zukunft aussehen.

Springer Professional: Ihr Unternehmen beschäftigt sich mit Identifikationsverfahren. Welchen Weg sind Sie von der Idee über Ihr eigenes Unternehmen bis hin zur fertigen Lösung gegangen?

Frank Jorga: Die grundlegende Idee zum Verfahren der Online-Identifikation hatte ich in den Jahren 2011 und 2012. Daraus habe ich langsam eine Firma gebaut und den Dialog zur Bafin und dem Bundesfinanzministerium aufgenommen. Dieser Dialog dauerte zwei Jahre, dann kam es zu der Erlaubnis. Wir waren damit das erste Unternehmen, das Videoidentifikation anbot. Mittlerweile gibt es in Deutschland und international, etwa in den USA und in China, Kopien des Verfahrens.

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Mein Vater hat in meiner Heimatstadt Lübeck aus dem Nichts heraus ein großes technologisch orientiertes Unternehmen aufgebaut. Dementsprechend fungierte er als mein Vorbild und förderte meinen Unternehmergeist, den ich von ihm geerbt habe.

Ist das für Sie ein Problem?

Ich empfinde das als normal. Ich habe zwei Jahre in unmittelbarer Nähe des Silicon Valley gearbeitet und dort ist es eine Ehre, kopiert zu werden. Es macht mich stolz, dass es eine deutsche Technologie ist, die von den USA und China importiert wurde, und nicht umgekehrt. In China halten wir mittlerweile ein Patent, unser Markteintritt dort kommt aber erst noch. Was mich störte, ist, dass es Wettbewerber gab, die behauptet haben, sie hätten das Verfahren erfunden. Wir befanden uns deshalb mehrere Jahre in Rechtsstreitigkeiten, die aber zwischenzeitlich beigelegt wurden.

Seit 2015 expandiert Ihr Unternehmen ins Ausland. Wo sind Sie mittlerweile tätig?

In Österreich und der Schweiz haben wir eigene Gesellschaften. Zudem haben wir in Indien eine Gesellschaft und in den USA Repräsentanzen für das dortige Geschäft.

Arbeiten Sie trotz der Dependancen in anderen Ländern auch aus Deutschland heraus international?

Ja. Für internationale Kunden identifizieren wir Kunden weltweit. Gleichwohl möchten wir aber auch lokal arbeiten, weshalb wir in den genannten Ländern eigene Gesellschaften oder Niederlassungen haben.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Internationalisierung gemacht?

In Indien beispielsweise läuft Regulierung etwas anders ab. Dort entscheidet der Staat schneller als hierzulande, aber wenn ein für Regulierung verantwortlicher Mitarbeiter wechselt, kann es schon mal zu einem Stopp kommen. Dann treffen sich Regulierer und Unternehmen zu Gesprächen. Für indische Banken zum Beispiel ist das ganz normal, für uns war es etwas gewöhnungsbedürftig. Wir waren mit unserer Gesellschaft und mit unserem Angebot bei Banken live, dann wurden wir gestoppt. Das geschah mehrmals, bis sich schließlich der indische Staat dazu entschloss, Videoidentifikation per Gesetz zu regeln. Vor Kurzem ist der Beschluss gefasst worden.

Was ist der nächste Schritt?

Jetzt stehen wir dort vor dem Ausbau des Geschäfts und der Wahl, mit einem begrenzten Budget weiterzumachen oder einen großen Investor an Bord zu nehmen. Kommt es zu Letzterem, würden wir das Geschäft in Indien, aber auch in den USA 2021 schnell ausbauen.

Wie sehen Ihre Pläne für den chinesischen Markt aus?

Schon der indische Markt ist eine Herausforderung. Auch der US-amerikanische ist nicht so einfach, wie man das vielleicht glaubt. Und der chinesische Markt ist erst recht sehr, sehr kompliziert. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, uns dort große Partner zu suchen. Wir haben uns schon ein bisschen darüber gewundert, dass wir als deutsches Unternehmen ohne einen Partner vor Ort ein chinesisches Patent bekommen haben. Aber der erfolgreiche Markteintritt wird sowohl wirtschaftlich als auch politisch nur mit einem chinesischen Partner möglich sein. Das ist Realität, und das müssen wir aktuell einfach akzeptieren. Wir wollen keinen Schnellschuss, sondern den Markteintritt gründlich vorbereiten. Wenn es 2021 nicht klappt, dann eben 2022.

Gibt es spannenden Identifikationstrends aus dem Ausland, die sich auf Deutschland übertragen lassen würden?

Wenn es um Banken und Sparkassen geht, ist immer zu bedenken, dass das deutsche GwG im internationalen Vergleich besonders hohe Anforderungen stellt, auch wenn es natürlich auch global Vorgaben zur Geldwäscheprävention gibt. Bei einer Übertragungsüberlegung stellt sich daher schnell die Frage, ob das Verfahren in den hiesigen rechtlichen Rahmen passt. Ich sehe es deshalb umgekehrt: Identifikationsverfahren 'Made in Germany', konform mit den Datenschutzvorschriften hierzulande, sollten aufgrund ihrer Sicherheit auf das Ausland übertragen werden.

Welche Innovationen können Sie sich in Ihrem Geschäftsfeld für die Zukunft vorstellen?

Wir arbeiten an zwei Innovationen. Die erste beschäftigt sich mit digitalen Identitäten, einem höchst spannenden Bereich. In diesem Zusammenhang tragen wir zur Meinungsbildung in Politik und Wissenschaft bei. Unter anderem, weil wir einem Endkunden, der sich über uns identifiziert, künftig die Möglichkeit bieten wollen, eine dauerhafte und sichere digitale Identität anzulegen.

Wie können wir uns das vorstellen?

Die digitale Identität legen wir in einen gepanzerten Container, den nur der Kunde öffnen darf. Schließlich gehört die Identität allein dem Kunden, also ist dieser Weg als einziger wirklich datenschutzkonform. Denn nur, weil ein Nutzer bei Google ein Profil anlegt, gehört seine Identität ja noch lange nicht dem Unternehmen. Der Vorteil bei einer sicher verwahrten digitalen Identität ist, dass sich der Kunde damit künftig ohne Konto-Ident, Video-Ident oder ein anderes Verfahren ausweisen kann.

Wie könnte das in der Praxis funktionieren?

Ich sehe drei Möglichkeiten. Erstens könnte der Kunde sein Smartphone nutzen, das mit seiner Identität gekoppelt ist. Über eine TAN, die auf das Handy geschickt wird, bestätigt er, dass er immer noch im Besitz des Geräts ist, und kann sich in der Folge damit ausweisen. Das funktioniert heute schon und findet auch bereits Anwendung bei unseren Kunden. Der zweite Weg ist, die Stimme des Kunden als Identifikationsmedium nutzen. Wenn wir einen Kunden über einen Video-Call identifizieren, hören wir ja auch seine Stimme, die wir dann zur weiteren Identifikation nutzbar machen könnten. Die dritte Möglichkeit ist das Gesicht des Kunden, das wir während einer Videoidentifikation sehen und damit ebenfalls nutzbar machen könnten.

Welche Anwendungsfälle gibt es für die digitale Identität?

Viele. Aber meine Traumvorstellung ist, dass wir irgendwann am Flughafen an einer Kamera vorbeilaufen können, die die Identifikation über das Gesicht vornimmt. Damit würden aufwendige Checks der Vergangenheit angehören. Einen weiteren Anwendungsfall sehe ich im Zusammenhang mit Sprachassistenten. Nehmen wir an, Sie wollen über Amazons Alexa ein Konto bei einer Bank eröffnen. Mit einer digitalen Identität, in der auch biometrische Merkmale gespeichert sind, könnten Sie sich einfach mit Ihrer Stimme legitimieren.

Mehr lesen Sie in der Januar-Ausgabe von Bankmagazin.

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