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16.03.2021 | Emissionen | Interview | Online-Artikel

"Drei Jahre alte Ökobilanzen bilden oft nicht die Realität ab"

verfasst von: Thomas Siebel

2:30 Min. Lesedauer

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Immer wieder kommen Lebenszyklusanalysen für Autos zu unterschiedlichen Ergebnissen. Eine der Ursachen ist der rasante Fortschritt in der Batterietechnik, wie Martin Wietschel im Interview erläutert.

Springer Professional: Warum kommen Ökobilanzen für komplexe Produkte wie Autos immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen?

Martin Wietschel: Dies hat unterschiedliche Gründe. Eine Ursache liegt bei Annahmen zu den Fahrzeugen, beispielsweise zu Fahrzeuggrößen, Fahrleistung und Verbräuchen. Bei Elektrofahrzeugen bedeutsam sind beispielweise Annahmen zu Batteriegrößen, Treibhausgasemissionen bei der Batterieherstellung und beim Strom, der zum Laden verwendet wird. Weiterhin relevant ist, was alles einbezogen wird, beispielsweise ob auch die Rohstoffgewinnung, das Recycling oder auch die Infrastruktur mitbetrachtet werden. Einen Einfluss hat auch der räumliche Bilanzraum, zum Beispiel ob man die Analyse für Deutschland oder für China durchführt, und der Zeitpunkt, beispielsweise ob man heutige Daten oder künftig zu erwartende Daten verwendet. Oft werden veraltete Daten verwendet, was gerade bei neuen Fahrzeugtypen oder Kraftstoffen, die sich noch in der Entwicklung befinden, zu deutlichen Abweichungen führen kann. Ebenfalls können unterschiedliche methodische Ansätze und welche Umweltwirkungen einbezogen werden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Einige Autohersteller stellen in der Entwicklung Ökobilanzen für ihre Fahrzeuge auf. Können sich die Hersteller ihre Autos umweltfreundlich rechnen?

Wie gesagt, es gibt ja Gründe für abweichende Ergebnisse, und somit existieren gewisse Gestaltungsspielräume. Ökobilanzen sollten deshalb auf einer nachvollziehbaren Daten- und Methodengrundlage basieren, was bei einigen der veröffentlichten Studien nicht der Fall ist. Eine besondere Bedeutung haben dabei unabhängige, kritische Gutachten, sogenannte Critical Reviews. Für eine Konformität mit der Ökobilanznorm ISO 14040 muss beispielsweise ein normierter Gutachtenprozess mit externen Gutachten erfolgen, wenn es sich um eine vergleichende Ökobilanz handelt, die veröffentlicht werden soll. Manche Hersteller fertigen Ökobilanzen nach ISO 14040 an. Diese können als vertrauenswürdig eingestuft werden.

Ist absehbar, dass die unterschiedlichen Ansätze für Lebenszyklusanalysen harmonisiert werden können?

Über die ISO-Normierung gibt es schon länger Bestrebungen zur internationalen Harmonisierung bezüglich der methodischen Vorgehensweise und der Transparenz bei den Daten. In den letzten Jahren kommen deshalb Ökobilanzen von unabhängigen, wissenschaftlichen Instituten, die den Ansprüchen der ISO genügen, zu ähnlichen Ergebnissen. Eine hundertprozentige Harmonisierung der Ergebnisse ist aber nicht zu erwarten, weil einfach zu viele Annahmen festgelegt werden müssen sowie abweichende Bilanzräume und methodische Ansätze existieren. Weiterhin ist auch der Erkenntnisfortschritt gerade bei neuen Fahrzeugen wie Elektrofahrzeugen oder Brennstoffzellenfahrzeugen recht schnell. Verwiesen sei hier beispielhaft auf die rasanten Fortschritte bei der Batterietechnologie sowie die Batterieherstellung, die beide einen großen Einfluss auf eine Ökobilanz haben. Gerade hier spiegeln Studien, die vor zwei, drei Jahren erstellt wurden, nicht mehr die Realität ab. 

Wie können die zahlreichen Zuliefererkomponenten in einer Lebenszyklusanalyse eingebunden werden?

Es gehört zu den methodischen Grundansprüchen an eine Lebenszyklusanalyse, möglichst umfassend alle Aspekte einzubeziehen; das heißt auch die Ökobilanz der zahlreichen Zulieferkomponenten. Allerdings existiert oft eine Datenintransparenz, und es ist sehr zeitaufwendig jeweils immer alle Daten zusammen zutragen. Deshalb wurden Ökobilanzdatenbanken aufgebaut, in denen die entsprechenden Daten hinterlegt sind, auf die man zurück greifen kann. Aber auch bei denen stellt sich die Frage nach der Aktualität der Daten.

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