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26.03.2018 | Emissionen | Nachricht | Online-Artikel

Fahrzeug-Emissionen im Visier

6:30 Min. Lesedauer

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Autor: Thomas Schneider

Auf der Horiba Concept Europe 2018 diskutierten Experten verschiedenster Fachbereiche, wie den negativen Auswirkungen der Mobilität zu begegnen ist. Abgase sind dabei nur ein Teil des Problems.

Gesundheitsschädliche Emissionen von Straßenfahrzeugen stehen nicht erst seit Dieselgate im Fokus der öffentlichen Diskussion. Der Kampf um saubere Luft ist national wie international bereits seit Jahrzehnten in vollem Gange, und er trägt Früchte. In Bezug Feinstaub-Partikel etwa sind in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Verbesserungen erreicht worden, wie Lars Mönch vom Umweltbundesamt auf der vierten Conference for Combustion Emissions Particulates and Testing (Concept) in Dresden herausstellt. Und dennoch: Immer schärfere Grenzwerte – aktuell nicht zuletzt für NOX – bringen Automobilhersteller und Zulieferer in Zugzwang. Ein Ende dieser Spirale ist nicht in Sicht; ganz im Gegenteil erwarten Experten noch deutlich restriktivere Regelungen im Rahmen einer Euro-7-Norm. Moderiert von Professor Dr. Marcus Rieker, Director Academic Affairs bei Horiba, beackerten die Redner bei der Veranstaltung ein sehr breites Themenspektrum.

Vier Revolutionen im Mobilitätsbereich

In seiner Keynote Speech "Shared Electric Connected and Automated (SECA): The future of Transportation" berichtet Professor Dr. Matthew Barth von den Maßnahmen, die Kalifornien im Mobilitätsbereich bereits ergriffen hat oder noch zu ergreifen gedenkt. Wie der Direktor des Bournes College of Engineering – Center for Environmental Research and Technology (CE-CERT) berichtet, macht im US-Musterstaat insbesondere die Umweltschutzbehörde California Air Resources Bord (CARB) Druck und mahnt einer Verbesserung der Luftqualität an. 

Barth fordert in diesem Zusammenhang einen ganzheitlichen Ansatz und die Verbindung von vier Revolutionen im Mobilitätsbereich: geteilte Mobilität, Elektrifizierung, Vernetzung und autonomes Fahren. Diese Trends müssten zusammen umgesetzt werden, um optimal zu wirken. Zum einen hat sich Kalifornien das ambitionierte Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 50 Prozent elektrifizierter Fahrzeuge zu erreichen. Wenn diese dann auch noch von mehreren Menschen genutzt werden, umso besser. 

Effektiv zur Vermeidung lokaler Emissions-Hotspots ist laut Barth zum Beispiel das bei Schiffen schon heute übliche "Dynamische Energie- und Emissions Management" (DEEM) – quasi eine variable Motorsteuerung in Echtzeit je nach Gebiet und Antrieb. Dies sei außerdem ein Hebel, den Zielkonflikt zwischen dem Ausstoß möglichst geringer NOX- und CO2-Emissionen zu relativieren. Es ließen sich so je nach Priorität Vorteile von fünf Prozent bei den CO2- oder 35 Prozent bei den NOX-Emissionen erreichen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Truck Eco Routing, das durch intelligente Routenführung neun bis 18 Prozent Kraftstoffersparnis verspricht, allerdings bei 16 bis 36 Prozent Zeitverlust. Weiterer Vorteil: Sensible Gebiete wie etwa Schulen könnten gezielt umfahren werden. Potenzial, das ist offensichtlich, ist also vorhanden.

Feinstaub kommt nicht nur aus der Abgasanlage

Doch wer die negativen Auswirkungen der ja politisch geforderten, heute fast grenzenlosen Mobilität monokausal mit dem gleichsetzt, was bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor aus der Abgasanlage strömt, macht es sich deutlich zu einfach. Das beweist die zweite Keynote Speech von Dr. Miriam Gerlofs-Nijland vom National Institute for Public Health and the Environment in den Niederlanden. Sie untersucht in erster Linie aus toxikologischer Sicht die Auswirkungen von Feinstaub auf die Gesundheit von Anwohnern und stellt fest: Angesichts der Verbesserungen im Antriebsbereich steigt der relative Anteil der sogenannten Nicht-Auspuff-Emissionen. Ein Beispiel ist der Bremsabrieb von Fahrzeugen, der zudem – bei gleicher Masse – erheblich gefährlicher sei als Dieselpartikel. 

Ein weiterer interessanter Punkt der Präsentation: Forschungen haben ergeben, dass die Emissionen von mit Biokraftstoff aus Raps betriebenen Fahrzeugen zehn Mal karzinogener sind als die von konventionellen Dieselfahrzeugen. Interessant in diesem Zusammenhang ist natürlich ein Vergleich mit synthetischen Kraftstoffen. Hierzu gebe es jedoch keine Untersuchungen, wie Gerlofs-Nijland auf Nachfrage der MTZ einräumt. Auch gebe es hierfür keine Pläne, obwohl sie dies für wichtig halte. Neue Programme zur Verbesserung der Luftqualität jedenfalls müssten solche Faktoren berücksichtigen, fordert die Expertin. 

Durch Fahrzeugbremsen verursachte Feinstaubemissionen waren ebenfalls Gegenstand der Präsentation von Dr.-Ing. Sebastian Gramstat. Der Experte von Audi plädiert dafür, dass diese ultra-feinen Partikel beziehungsweise deren Auswirkungen dringend weltweit untersucht werden, Vorreiter sei hier momentan Japan. Notwendig seien außerdem eine Harmonisierung der Untersuchungsmethoden und die Einführung eines Messverfahrens für durch Bremsen verursachte Partikel, womit Gramstat auch den Veranstalter Horiba – Anbieter von Testvorrichtungen im Automotive-Bereich – mit ins Boot holte. 

Real Driving Emissions, Big Data und Testverfahren

Möglichkeiten zur genaueren Bestimmung realer Fahremissionen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Lars Mönch, Leiter des Fachbereichs Schadstoffminderung und Energieeinsparung beim Umweltbundesamt. Als Instrument zur Darstellung – inklusive der Berücksichtigung bestimmter Fahrzeugtypen und Betriebszustände – nutzt die Behörde das "Handbook Emission Factors for Road Transport" (HBEFA). Portable Messsysteme (PEMS) und auch das Remote Sensing – also das Sammeln riesiger Datenmengen über Fahrzeugsensoren – böten Chancen, auch in Bezug auf Prognosen anhand des Transport Emission Models (TREMOD), die eine bessere Verkehrssteuerung ermöglichen.

Neue Messmethoden und ein besseres Verständnis sind ebenso im Bereich der motorisch verursachten Partikelemissionen im Bereich unter 23 nm vonnöten. Diese werden derzeit in den Testzyklen WLTC und RDE nicht reguliert, wie Dr. Andreas Manz von Bosch in seinem Vortrag betont. Diese Kleinstpartikel haben die beiden von der EU-geförderten Projekte "Particle Reduced, Efficient Gasoline Engines" und "Portable (nano) Particle Emission Measurement System" im Visier.

Die Chancen und Herausforderungen durch eine Backend-basierte Integration und Zusammenführung von Fahrzeugdaten im Rahmen von Big Data skizzierte Professor Dr. Bernhard Bäker vom Dresden Institute of Automobile Engineering an der TU Dresden. Erweiterte Sensorik, Vernetzung und künstliche Intelligenz böten Möglichkeiten für die Weiterentwicklung von automatisierten und Assistenz-Funktionen im Fahrzeug sowie für Tests und Prüfstände. Wie Big Data und das Machine Learning funktionieren, war Gegenstand des Vortrags von Jörg Schönbach von Horiba Europe.

Im Bereich aktuelle Testverfahren stellte Dr. Roland Seitz von Horiba Jobin Yvon die Möglichkeiten spektroskopischer Analyse in Bezug auf Batterien für Elektrofahrzeuge vor. Sein Kollege Dr. Pawel Jaworski von Horiba Mira zeigte Möglichkeiten virtueller und realer Tests in Bezug auf Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrzeuge auf, Dr. Sebastiaan van Putten von Audi ging auf die Möglichkeiten von Simulations-Tests bei der Fahrwerksentwicklung ein. Und Dr. Malte Kurfiß von Fraunhofer EMI referierte zu neuen Hybrid-Testverfahren unter Verwendung von Röntgenstrahlen bei Crashtests für Batterien. 

Elektrifizierung zur besseren Abgasnachbehandlung und das Auto von morgen

Auch Fahrzeug- beziehungsweise Komponentenentwicklung waren Themen auf der Concept 2018. So stellte Stefan Rohrer von Continental die Möglichkeit vor, durch eine Mild-Hybridisierung bei Dieselfahrzeugen via 48-Volt-Bordnetz nicht wie üblich die CO2-Emissionen zu reduzieren, sondern die Abgasnachbehandlung zu verbessern. Die mithilfe einer intelligenten Fahrstrategie und Energierückgewinnung gewonnene Energie wird hierbei genutzt, um einen Katalysator nach dem Kaltstart schneller aufzuheizen. Mit dem E-Kat sei es möglich, in Bezug auf NOX sogar die erwartete Euro 7-Norm zu erfüllen. 

Einen besonders weiten Blick über den Tellerrand wagten die Partner der sogenannten Arena 2036, in der zahlreiche Partner im Rahmen eines Forschungs-Campus herausfinden möchten, wie das Auto der Zukunft aussehen könnte oder sollte. Thomas Dietz von Fraunhofer IPA wies in seinem Vortrag darauf hin, dass sich dieses stark an wandelnden Nutzerprofilen orientieren wird. Produktionszyklen werden immer kürzer, und so müssen sich Fahrzeuge innerhalb eines Zyklus künftig kontinuierlich weiterentwickeln. Die Vision der ist ein elektrisch angetriebenes, autonom fahrendes und selbstlernendes Fahrzeugsystem, das modular auf einer offenen Plattform aufgebaut wird und jederzeit die Möglichkeit zum Funktionsupdate und -upgrade bietet. Bis diese Realität wird, könnte sich das Thema Abgasemissionen bereits erledigt haben.

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