Skip to main content
Erschienen in:
Buchtitelbild

2015 | OriginalPaper | Buchkapitel

1. Emmy Noether: Biografische Annäherungen

verfasst von : Dr. Mechthild Koreuber

Erschienen in: Emmy Noether, die Noether-Schule und die moderne Algebra

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Wie aber sich Noether biografisch annähern, ohne in eine die Folgerichtigkeit ihres Lebens behauptende Darstellung zu geraten, wie die Vielfältigkeit von Lebensentwürfen und -realisierungen aufzeigen, biografische Muster aufspüren und die Verbindungen von Leben, Werk und Wirkung erkennbar werden lassen? Nachrufe als retrospektive Konstruktionen von Leben und Werk, die Fiktion eines Curriculum Vitae in seiner berufliche Linearität behauptenden Gestalt sowie autobiografische Texte als Herstellung einer lebensgeschichtlichen Stringenz werden in diesen Annäherungen ineinander verwoben und mit wissenschaftstheoretischen Zugängen zu mathematischen Texten sowie einer durch örtliche und zeitliche Knotenpunkte strukturierten biografischen Erzählung verbunden. In ihrem Zusammenspiel, das literarische Elemente etwa der Fiktionalität oder des Erzählens nutzt ohne sich in ihnen zu verlieren, entfaltet sich, gestützt auf die Faktizität der Quellen, einer dichten Beschreibung gleich das Leben Noethers mit seinen örtlichen, zeitlichen, beruflichen und fachlichen Schichten und Brüchen. Zugleich sind die sich in dieser, verschiedene Textgattungen miteinander verschränkenden und so auch mit der Spannung unterschiedlicher Sprachstile arbeitenden Darstellung der Lebensgeschichte Noethers herauskristallisierenden biografische Muster wesentliche Elemente einer wissenschafts- und erkenntnistheoretisch motivierten Analyse der Noether-Schule und ihrer Wirkungsgeschichte.

Sie haben noch keine Lizenz? Dann Informieren Sie sich jetzt über unsere Produkte:

Springer Professional "Wirtschaft+Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft+Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 102.000 Bücher
  • über 537 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Maschinenbau + Werkstoffe
  • Versicherung + Risiko

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Technik"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Technik" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 390 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Automobil + Motoren
  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Elektrotechnik + Elektronik
  • Energie + Nachhaltigkeit
  • Maschinenbau + Werkstoffe




 

Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Springer Professional "Wirtschaft"

Online-Abonnement

Mit Springer Professional "Wirtschaft" erhalten Sie Zugriff auf:

  • über 67.000 Bücher
  • über 340 Zeitschriften

aus folgenden Fachgebieten:

  • Bauwesen + Immobilien
  • Business IT + Informatik
  • Finance + Banking
  • Management + Führung
  • Marketing + Vertrieb
  • Versicherung + Risiko




Jetzt Wissensvorsprung sichern!

Fußnoten
1
Hierzu gehören etwa Bohn 2005; Brewer und Smith 1981; Dick 1970; Feyl 1981; Hirzebruch 1999; Koreuber 2004; Koreuber und Tobies 2002; Kosmann-Schwarzbach 2010; Lemmermeyer und Roquette 2006; Sassenberg 1993; Rowe 1999; Tent 2008; Tollmien 1990.
 
2
Zu der Differenz zwischen literarischer und wissenschaftlicher Biografik vgl. Runge 2009, 2009a.
 
3
Zu den Konstruktionen zu Leben und Werk in den biografischen Arbeiten über Noether vgl. Koreuber 2010.
 
4
Zum Problem der Alltagsvorstellung einer linearen Biografie vgl. Bourdieu 1990.
 
5
Alexandroffs Gedenkrede wurde 1936 in „Uspechi matematiceskich nauk“ veröffentlicht (Alexandroff 1936). Im Folgenden wird nach der englischen Übersetzung von 1981 in Brewer, Smith 1981 zitiert (Alexandroff 1936a). Diese Übersetzung ist präziser als die in Dick 1981 publizierte Version (Alexandroff 1936b).
 
6
1980 wurden die „Noether Lectures“ als Würdigung Noethers und zur Ehrung von Mathematikerinnen, die fundamentale und nachhaltige Beiträge zur Mathematik geleistet haben, von der US-amerikanischen Association for Women in Mathematics eingeführt. Sie sind mit einer einstündigen Vorlesung, gehalten an den Jahrestagungen der American Mathematical Society, verbunden. Taussky war die zweite Preisträgerin.
 
7
Zu einer ausführlichen Analyse des Nachrufs Einsteins vgl. Siegmund-Schultze 2007.
 
8
Die Grabrede wurde erst vor wenigen Jahren von Peter Roquette publiziert. Sie ist nicht nur auf Deutsch gehalten worden, sondern in ihrer Differenz zum Nachruf ein Dokument des komplexen Verhältnisses Weyls zu Noether und damit zur begrifflichen Mathematik. Zu Weyls persönlichem und mathematischem Werdegang vgl. Sigurðsson 1991.
 
9
Vgl. Alexandroff 1936.
 
10
Vgl. van der Waerden 1935.
 
11
Entsprechend äußerte sich van der Waerden im Interview (van der Waerden 1995).
 
12
So gehörte etwa der Algebraiker Nathan Jacobson und spätere Herausgeber der „Gesammelten Abhandlungen“ Noethers zur Trauergemeinde (Noether 1983).
 
13
Vgl. z. B. Dick 1970, Kimberling 1981, Tollmien 1990 und, aktueller, Kosmann-Schwarzbach 2010, S. 53.
 
14
Vgl. Barinaga 1935, Berra 1935 sowie Kořínek 1935. Vgl. hierzu Dick 1970, S. 43, die insgesamt acht Nachrufe listet und noch eine Notiz in „The New York Herald Tribune“ vom 15. 4. 1935 erwähnt.
 
15
Zugegebenermaßen etwas pauschalisiert, aber in diesem Kontext hilfreich kann bei Alexandroff von Topologie, bei van der Waerden von Algebra und bei Weyl von Analysis als hauptsächlichster Forschungsrichtung gesprochen werden, doch haben alle drei auch zu anderen mathematischen Feldern bedeutende Beiträge geliefert.
 
16
Die von Weyl behauptete Abhängigkeit bezieht sich auf Paul Gordan sowie ab 1915 auf Hilbert und inhaltlich auf die Invariantentheorie.
 
17
Weyl zitierte an dieser Stelle, wie er selbst schrieb, einen eigenen Beitrag zu einer Konferenz von 1931, auf der er diese Diskussion mit Noether, die unter den Hörer/inne/n war, öffentlich führte.
 
18
Weyl bezog sich auf Princeton und das Institute for Advanced Study, an dem sich zu dieser Zeit u. a. der bedeutende, einen algebraischen Zugang vertretenden Topologe Solomon Lefschetz aufhielt.
 
19
Vgl. Dick 1970; Mac Lane 1981; Jacobson 1983; Tollmien 1990.
 
20
Bei dem hier vorgestellten Curriculum Vitae handelt es sich um eine Aktualisierung und Überarbeitung der 2010 publizierten Version (Koreuber 2010, S. 135 ff.). Grundlage für seine Erstellung bilden u. a. die Promotions- und die Personalakte Noethers einschließlich der dort im Zusammenhang mit den Anträgen auf Promotion bzw. Habilitation verfassten Lebensläufe mit den von ihr verwendeten Bezeichnungen „israelitische Konfession“ sowie „Absolutorium“ für Reifeprüfung. Hinzu kommen der Briefwechsel zwischen Helmut Hasse und Noether sowie der von Noether beantwortete „Fragebogen zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (Noether 19. 4. 1933).
 
21
Vgl. Merzbach 1983.
 
22
Der Begriff des Denkraums wird hier und in den folgenden Kapiteln zunächst in einem eher intuitiven Sinne als einem von Noether geschaffenem Ort des Denkens und der Produktion mathematischer Erkenntnis verwendet. Seine begriffliche Schärfung ist Teil des Forschungsprozesses und findet mit einer theoretischen Präzisierung im vierten Kapitel ihren Abschluss.
 
23
Eine nach aktuellem Forschungsstand vollständige Liste der Doktorand/inn/en Noethers wurde erstmalig veröffentlicht in Koreuber und Tobies 2008.
 
24
Über die in Erlangen, Bryn Mawr und Princeton gehaltenen Veranstaltungen sowie ihre Gastsemester in Moskau und Frankfurt a. M. geben bisher und auch nur in Ansätzen Noethers Lebensläufe sowie ihre Briefe an Hasse Auskunft.
 
25
Vgl. Tollmien 1990; Tobies 1997; Costas 2000.
 
26
Beide Stipendienprogramme wurden nach Noethers Tod nicht fortgeführt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft würdigt Noether durch die Benennung des 1997 eingeführten Programms „Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe“.
 
27
Vgl. Martini 2004.
 
28
Vor Noether wurden 1898 die Engländerin Charlotte Angas Scott, 1901 die Russin Nadjeschda von Gernet, eine Doktorandin Hilberts, und 1905 die Italienerin Laura Pisati als erste Mathematikerinnen DMV-Mitglieder (vgl. Toepell 1991).
 
29
Vgl. Weyl 1935, S. 208.
 
30
Vgl. van der Waerden 1995.
 
31
Vgl. zur Lebensgeschichte Hermanns Kersting 1995.
 
32
Vgl. zu der Unterstützung Gumbels durch Mathematikkolleg/inn/en Jansen 1981, S. 59–61.
 
33
Seine Frau Regine und seine Söhne Hermann und Gottfried E. konnten 1937 mit der Unterstüzung des Direktors der Federation of Jewish Charities, Jacob Billikopf, in die USA emigrieren, wie in einem Brief G. Noethers an Billikopf hervorgeht (G. Noether an Billikopf 19. 6. 1949). Vgl. zur Biografie F. Noethers Schlote 1991.
 
34
Vgl. Kaplan 1997.
 
35
Vgl. Huerkamp 1996, S. 24–31.
 
36
Vgl. zur Familientradition die Erinnerungen von Noethers Neffen Gottfried Noether (G. E. Noether, E. P. Noether 1983).
 
37
Noether selbst hat sich in keiner der bisher bekannten Quellen dazu geäußert, warum sie sich zum Studium und zur Mathematik entschloss.
 
38
Erst 1908 ließ Preußen Frauen zum Studium zu.
 
39
Vgl. Tollmien 1990, S. 159.
 
40
Die erste in Deutschland promovierte Mathematikerin war Sonja Kowalewskaja 1874 bei Karl Weierstraß, die in Göttingen in absentia promoviert wurde. Im Jahre 1895 erwarb Marie Gernet als erste Deutsche den Doktortitel bei Leo Koenigsberger in Heidelberg. Nach weiteren sechs ausländischen Doktorandinnen Kleins bzw. Hilberts im Zeitraum von 1895 bis 1906 in Göttingen folgte Noethers Promotion in Erlangen (vgl. Tobies 1997, 1999).
 
41
Der mit der Publikation ihrer Doktorarbeit veröffentlichte Lebenslauf unterscheidet sich von dem handschriftlichen nur in einem einzigen relevanten Punkt, der Reihenfolge ihrer Lehrer in Göttingen. In der Veränderung der Liste zu „Hilbert, Klein, Minkowski, Blumenthal, Schwarzschild“ wird stärker noch als im handschriftlichen Text betont, dass sie bei den relevanten deutschen Mathematikern dieser Zeit studiert hat.
 
42
Vgl. das Gutachten Fischers, in dem er eine „durchgreifende stylistische Umgestaltung vor Drucklegung“ verlangte (Promotionsakte Hentzelt).
 
43
Noch in dem 1918 verfassten Bericht „Die arithmetische Theorie der algebraischen Funktionen einer Veränderlichen, in ihrer Beziehung zu den übrigen Theorien und zu der Zahlkörpertheorie“, den sie als eine „Ergänzung zu dem Bericht von Brill-Noether“ bezeichnete, zeigt sich ihre ausgezeichnete Kenntnis der Arbeiten ihres Vaters und die Beherrschung symbolischen Rechnens (Noether 1919, S. 182).
 
44
Fischer promovierte 1899 bei Leopoldt Gegenbauer in Wien „Zur Theorie der Determinanten“ (Fischer 1899) und ging danach für ein Studienjahr nach Göttingen. In seinen mathematischen Auffassungen war er durch sein Studium bei Hilbert geprägt worden und vertrat anders als Gordon eine abstrakte Zugangsweise zur Mathematik.
 
45
Eine dieser Postkarten ist in der 1970 publizierten Biografie von Dick abgedruckt (Dick 1970, S. 11). Leider sind die Postkarten bisher nicht archiviert worden und möglicherweise nicht mehr auffindbar. Sie böten die Möglichkeit, den Veränderungen in den mathematischen Auffassungen Noethers, die sich ja nach eigenem Bekunden bereits in Erlangen herauskristallisierten, wissenschaftstheoretisch näherzukommen.
 
46
Zu der Bedeutung der Rede Hilberts für die Wissenschaft Mathematik vgl. Mehrtens 1990, S. 108 ff.
 
47
Vgl. hierzu und zu weiteren Details der Habilitationsversuche 1915 und 1917 Tollmien 1990. Cordula Tollmien hat in ihrer sehr genau recherchierten und detailreichen biografischen Arbeit zu Noether den Schwerpunkt auf die Geschichte der Habilitation gelegt.
 
48
Zu der 1897 von Arthur Kirchhoff herausgegebenen Sammlung mit dem Titel „Die akademische Frau. Gutachten hervorragender Universitätsprofessoren, Frauenlehrer und Schriftsteller über die Befähigung der Frau zum wissenschaftlichen Studium und Beruf“ vgl. Hausen 1986, S. 32 ff.
 
49
Nur in den Nachrufen von Weyl und Alexandroff gibt es Verweise darauf, dass Noether auch hierzu in Diskussionen Position ergriff (Alexandroff 1936a, S. 103 f.; Weyl 1935, S. 215).
 
50
Auch möglicherweise vorhandene gesellschaftliche Erwartungen, nach dem Tod ihrer Mutter im Mai 1915 nach Erlangen zurückzukehren, um ihrem Vater den Haushalt zu führen, wie es dem Bild einer Tochter aus gutem Hause entsprochen hätte, war Noether bereits nicht gefolgt; dies hätte auch nicht den Vorstellungen ihres Vaters entsprochen, der vielmehr ihren Göttinger Aufenthalt finanzierte.
 
51
Vgl. z. B. Kuypers 2008, S. 88.
 
52
Vgl. zu den mathematischen und physikalischen Details zwei erst in jüngster Zeit erschienene umfangreiche Publikationen, die die Bedeutung der Noethertheoreme aus physikhistorischer bzw. physikalischer Perspektive würdigen (Kosmann-Schwarzbach 2010, Neuenschwandner 2011). Zum Verhältnis von Mathematik und Physik vgl. Sigurðsson, der sich wesentlich mit Weyls Rolle auseinandersetzt (Sigurðsson 1991). Eine andere Perspektive nimmt Tobies in ihrem Artikel „Albert Einstein und Felix Klein“ ein (Tobies 1994). Ihr geht es darum, anhand der Korrespondenz zwischen Klein und Einstein zu zeigen, warum Mathematiker eher als Physiker den Ideen Einsteins folgten.
 
53
Vgl. Hilbert 1918, S. 476.
 
54
Vgl. hierzu auch Kleins ergänzende Anmerkungen zum Nachdruck seiner Publikation „Zu Hilberts erster Note über die Grundlagen der Physik“ in den „Gesammelten mathematischen Abhandlungen“ (Klein 1921, S. 565). Kleins Antrittsvorlesung „Vergleichende Betrachtungen über neuere geometrische Forschungen“ an der Universität Erlangen aus dem Jahr 1872 wurde mit dem Obertitel „Das Erlanger Programm“ 1893 publiziert (Klein 1893). Zur Entstehung des „Erlanger Programm“ vgl. Wußing 1974, zu seiner Bedeutung im Grundlagenstreit der Mathematik vgl. Mehrtens 1990, S. 60 ff.
 
55
Da Noether selbst nicht Mitglied in der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen war, wurden ihre Forschungsergebnisse durch andere wie etwa Klein oder noch 1926 Courant vorgelegt (Noether 1918, S. 37, 1918a, S. 235, 1926a, S. 28).
 
56
Rowe kommentiert diese Ergebnisse aus mathematischer Perspektive: „Though still groping her way along, she seems to have recognized two key things: first, that conversation laws correspond to finitely generated Lie groups, and second, that in order for these to express meaningful physical laws a ‚real‘ conservation law should not be invariant with respect to the full group of induced transformations of the field quantities that arises from the point transformations.“ (Rowe 1999, S. 212)
 
57
Zur Rezeption der Arbeit Noethers in den Texten von Einstein, Klein und Hilbert, vgl. auch Kosmann-Schwarzbach 2010, S. 65–72.
 
58
Vgl. Kosmann-Schwarzbach 2010, S. 103–133.
 
59
Auch in der ersten Auflage seines Buches „Gruppentheorie und Quantenmechanik“ von 1928 sucht man Verweise auf Noether vergebens. Überraschenderweise ist aber in der englischen Fassung der ersten Auflage ein allerdings sehr knapp gehaltener Hinweis zu finden, denn Weyl schrieb: „E. Noether has given a generalization of the Jordan-Hölder Theorem.“ (Weyl 1928a, S. 134)
 
60
Vgl. Interview B. L. van der Waerden, C. van der Waerden 1995.
 
61
Vgl. Kersting 1995.
 
62
Nur zwei Frauen wurden, beide 1923, in der Weimarer Republik auf ordentliche Professuren berufen: die Erziehungswissenschaftlerin Mathilde Vaerting in Jena und die Agrarwissenschaftlerin Margarete von Wrangell in Hohenheim.Vgl. zu Vaerting Fellmeth 1998 und zu von Wrangell Wobbe 1991.
 
63
Es handelte sich um folgende Lehrveranstaltungen: Analytische Geometrie (Herbstzwischense­mester 1919), Algebraische und Differentialinvarianten (Wintersemester 1920), Höhere Algebra (Endlichkeitssätze, Körpertheorie), Elementare Zahlentheorie (1920/21), Algebraische Zahlenkörper (1921), Algebraische und Differentialvarianten (1921/22), Analytische Geometrie mit Übungen (1923), Algebra (1922/23), Elementare Zahlentheorie (1923), Übungen (Vorträge zur Körperthe­orie) (1923/24), Invariantentheorie (1924), Gruppentheorie (1924/25), Arithmetische Theorie der algebraischen Funktionen (1925), Algebraische Funktionen II (1925/26), Grundlagen der Gruppentheorie (1926 und 1926/27) (Vorlesungsverzeichnisse der Universität Göttingen Herbstzwischense­mester 1919 bis Wintersemester 1926/27).
 
64
Vgl. Bettina Heintz’ Feldstudie „Die Innenwelt der Mathematik – Zur Kultur und Praxis einer beweisenden Disziplin“, in der sie die Bedeutung kommunikativer Prozese herausstreicht. (Heintz 2000, S. 209 ff.) sowie Rowes Ausführungen in „Making mathematics in an Oral Culture: Göttingen in the Era of Klein and Hilbert.“ (Rowe 2004).
 
65
1933 gründete eine Reihe junger französischer Mathematiker eine Arbeits-, Forschungs- und insbesondere Veröffentlichungsgemeinschaft. Unter dem Pseudonym „Nicolas Bourbaki“ wurde insbesondere die zehnbändige Reihe „Éléments de Mathématique“ (Bourbaki 1939–98) veröffentlicht, deren strukturelle Auffassung und Terminologie prägend für große Teile der Mathematik wurde. Näheres zur Geschichte der Bourbaki-Gruppe in Beaulieu 1994 sowie zu ihrer Bedeutung in der Entwicklung eines strukturellen Verständnisses der Mathematik vgl. Corry 2004, S. 237–343.
 
66
Auf Dedekinds Vorstellungen zur Entwicklung mathematischer Begriffe gehe ich im fünften Kapitel im Kontext der Entstehung des Idealbegriffs genauer ein.
 
67
Vgl. Mehrtens 1979.
 
68
Vgl. etwa Noethers Literaturangaben zur Vorlesung „Allgemeine Idealtheorie“, in denen sie auf Dedekinds „XI. Supplement zu Dirichlets Zahlentheorie“ sowie unter dem Stichwort Historisches, jedoch ohne weitere Quellenangaben, auf seine „verallgemeinerungsfähige Grundlegung der Modul- und Idealtheorie“ und die „Anwendung der Idealtheorie nur auf endliche algebraischen Zahl- und Funktionenkörper“ verwies (Noether 1930/31, S. 5).
 
69
Hier wurde vermutlich auf Schmeidler angespielt, dessen Habilitationsschrift Noether angeregt und betreut hatte. Schmeidler erhielt, obwohl seine Habilitation unter Noethers Einfluss entstanden war, die Venia Legendi fünf Monate vor ihr. Er wurde 1921 auf eine ordentliche Professur an die Technische Hochschule Breslau berufen, wo ab 1922 auch F. Noether ein Ordinariat innehatte. Auch Falckenberg, der offiziell bei Fischer promoviert hatte, aber von Noether während der Promotion begleitet wurde, könnte diese Bemerkung einschließen. Falckenberg trat im Sommer 1922 eine außerordentliche Professur in Gießen an, eine Ruferteilung, die zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Schreibens sicherlich bereits bekannt war.
 
70
Zur finanziellen Situation Noethers vgl. Tollmien 1990. Die Lage war teilweise so kritisch, dass Noether sich selbst an das Ministerium wandte und um eine Erhöhung bat (ebenda, S. 187 ff.).
 
71
Zur stimulierenden Atmosphäre der Göttinger mathematischen Welt vgl. auch Rowe im „Interview with Dirk Struik“ (Rowe 1989, S. 19 ff.).
 
72
Vgl. etwa die Ausführungen des Mathematiker Warren Weaver, verantwortlich für den Bereich Naturwissenschaften bei der Rockefeller Foundation, der in seinem Tagebuch Noether mangelndes Interesse am Unterricht junger Studierender attestiert (Weaver 20. 3. 1935, zitiert nach Kimberling 1981, S. 36 f.).
 
73
Vgl. Dick 1981, S. 11.
 
74
Vgl. Jentsch 1986.
 
75
Vgl. Tobies 2003.
 
76
Es gibt keine Hinweise auf weitere, etwa noch nicht archivierte Nachlässe, doch finden sich weitere einzelne Briefe etwa in den Nachlässen Hilberts und Kleins.
 
77
Noethers Briefe im Original zu lesen ist jedoch eine Herausforderung. In ausgeschriebener deutscher Schrift verfasst, wesentlich mathematischen Inhalts mit schnell hingeworfen Ideen und einer Reihe von Anmerkungen, die ohne Kenntnis des mathematischen und historischen Kontextes unverständlich bleiben, entziehen sie sich der spontanen Lektüre. Seit 2006 liegt eine ausgezeichnet kommentierte, auch für die nichtmathematische Öffentlichkeit geeignete Ausgabe vor (Lemmermeyer und Roquette 2006).
 
78
Vgl. Lünenborg, Röser 2012.
 
79
Tollmien nimmt in ihrer biografischen Arbeit zu Noether noch eine etwas andere Bewertung vor: „Niemand der Chronisten scheint auf den Gedanken gekommen zu sein, das Emmy Noethers unweibliche Gleichgültigkeit gegenüber Äußerlichkeiten die eigene Person betreffend und ihre oft gerühmte Bescheidenheit nicht nur darauf schließen lassen, dass sie nur und ausschließlich an Mathematik interessiert war, sondern auch eine durch ihre materielle Lage begründete Notwendigkeit war. Sich für mehr als Mathematik zu interessieren, konnte sie sich gar nicht leisten.“ (Tollmien 1990, S. 189)
 
80
Vgl. Hasse 1927, S. 93; van der Waerden 1933, S. 402.
 
81
Es handelte sich um folgende Vorlesungen: Körpertheorie (1927), Hyperkomplexe Größen und Gruppencharaktere (1927/28), Nichtkommutative Algebra (1928), Nichtkommutative Arithmetik (1928/29) (wegen Gastsemesters in Moskau nicht gelesen), Nichtkommutative Arithmetik (1929), Algebra hyperkomplexer Größen (1929/30), Allgemeine Idealtheorie (1930) (wegen Lehrstuhlvertretung in Frankfurt a. M. nicht gelesen), Allgemeine Idealtheorie (1930/31), Seminar über neue algebraische Arbeiten (1931), Darstellungstheorie (1931/32), Nichtkommutative Algebra (1932), Nichtkommutative Arithmetik (1932/33), Hyperkomplexe Methoden in der Zahlentheorie (1933) (wegen „Beurlaubung“ privat abgehalten) (Vorlesungsverzeichnisse der Universität Göttingen 1927 bis 1933).
 
82
So erzählte Elisabeth Siefkes, geb. Spieker, eine Studentin Noethers, dass sie sich ihr Studium u. a. mit Mitschriften der Vorlesungen Richard Courants, die wenige Tage nach der Veranstaltung zur Einsicht für alle Studierenden ausgelegt wurden, finanzierte. (Interview Siefkes 1995).
 
83
Es handelte sich um folgende Vorlesungenmitschriften: Hyperkomplexe Größen und Gruppencharaktere, Ausarbeitung van der Waerden (1927/28), unter dem Titel Hyperkomplexe Größen und Darstellungstheorie publiziert (Noether 1929), Nichtkommutative Algebra, Ausarbeitung Gottfried Köthe (Noether 1929a), Algebra der hyperkomplexen Größen, Ausarbeitung Max Deuring, publiziert (Noether und Deuring 1930), Allgemeine Idealtheorie, Ausarbeitung unbekannt (1930/31), Nichtkommutative Arithmetik, Ausarbeitung unbekannt (Noether 1932/33). Wie allerdings und ob überhaupt die Erstellung dieser Mitschriften etwa durch die Göttinger Universität finanziert wurde, ist bisher nicht bekannt.
 
84
Diese Vorlesung bildete eine der Grundlagen für die von van der Waerden verfasste „Moderne Algebra“ (van der Waerden 1930/31).
 
85
Fricke verstarb bereits 1930 noch vor Fertigstellung des zweiten und dritten Bandes.
 
86
Dedekind publizierte die von Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet im Wintersemester 1856 gehaltene Vorlesung über Zahlentheorie und ergänzte sie mit einer ganzen Reihe von Supplementen, um, wie er selbst es ausdrückt, „das Gebiet des behandelten Stoffes … abzurunden“ (Dedekind 1863, S. 395). Doch sind diese Ergänzungen mehr als Kommentierungen der Vorlesungen Dirichlets, sondern Ergebnisse eigener mathematischer Forschung und bereits Vorläufer seiner elften Ergänzung. In der vierten Auflage von 1894 fügte er das Supplement XI an und stellte damit die von ihm entwickelten Grundlagen einer Idealtheorie vor. In Verbindung mit den vorhergehenden Ergänzungen lässt sich von sieben Versionen dieses Supplements sprechen. Bei der Herausgabe der „Gesammelten mathematischen Abhandlungen“ wurden alle Versionen des Supplements publiziert. Das unterstreicht die Bedeutung, die Herausgeberin und Herausgeber in den Dedekind’schen Überlegungen, auch in ihrem Entstehungsprozess, für die Entwicklung der Algebra sahen.
 
87
Krull wurde 1928 nach Erlangen berufen.
 
88
Vgl. Engler 2001.
 
89
Vgl. Beaulieu 1994, S. 243.
 
90
Alle Details zum Ackermann-Teubner-Gedächtnispreis entstammen Tobies 1986, S. 50 ff.
 
91
Es handelt sich um folgende Fächer und die jeweiligen Preisträger: Geschichte, Philosophie, Didaktik, Unterricht (Klein 1914), Mathematik, in erster Linie Arithmetik und Algebra (Ernst Zermelo 1916), Mechanik (Ludwig Prandtl 1918), Mathematische Physik (Gustav Mie 1920), Mathematik, in erster Linie Analysis (Paul Koebe 1922), Astronomie, Ausgleichsrechnung und Fehlertheorie (Ernst Kohlschütter 1924), Mathematik, in erster Linie Geometrie (Wilhelm Blaschke 1926), Angewandte Mathematik, soweit noch nicht berücksichtigt, bes. Geodäsie und Geophysik (Albert Defant 1928), Geschichte (Johannes Tropfke 1930), Zahlentheorie und Algebra (Artin und Noether 1932), Mechanik (Erich Trefftz 1934), mathematische Physik (Pascual Jordan 1934), Analysis (Erich Hecke 1938), Astronomie (Paul ten Bruggencate 1941) (Tobies 1986, S. 51).
 
92
Artin hatte nach seiner Promotion 1921/22 ein Jahr in Göttingen verbracht und auch Vorträge Noethers gehört, doch ist er in der mathematikhistorischen Forschung bisher als ein von Noether unabhängig wirkender Algebraiker wahrgenommen worden, sodass diese Einordnung durch Noether überrascht und noch zu diskutieren ist.
 
93
Vgl. etwa Alexandroff 1936a, S. 105.
 
94
Es handelt sich um die Ausarbeitung der Marburger Vorlesung Hasses aus dem vergangenen Jahr; Noether plante, sie als Grundlage ihrer Veranstaltung zu nutzen.
 
95
Vgl. Hasse 1927, S. 93; van der Waerden 1933, S. 402.
 
96
Darüber hinaus findet sich mehrfach das Symbol „♀“ auf einzelnen Blättern des Fragebogens, vielleicht ein Hinweis, dass auch ihr Geschlecht zu dieser sofortigen „Beurlaubung“, die ja zunächst nur für Beamte ausgesprochen war, beigetragen hatte.
 
97
Vgl. Roquette 2008.
 
98
Unterzeichnet wurde die Petition von Erna Bannow, Ernst Knauf, Tsen, Werner Vorbeck, G. Dechamps, Wolfgang Wichmann, Harold Davenport, Helmut Ulm, Ludwig Schwarz, Walter Brandt (Unterschrift nicht eindeutig entzifferbar), Douglas Derry und Wei-Liang Chow.
 
99
Vgl. Siegmund-Schultze 2001, S. 305.
 
100
Tatsächlich hatte Noether nicht die Wahl zwischen Bryn Mawr und dem Somerville College, ebenfalls ein Frauen-College, in Oxford, da die Finanzierung dort noch ungeklärt war (vgl. Tollmien 1990, S. 211 f.).
 
101
Noethers Anmerkung „bis zum Durchrechnen aller Aufgaben – sicher nicht von mir verlangt“ zeigt ihre kritische Beobachtung der mathematischen Künste ihrer Studentinnen. Um Rechenkünste ging es Noether in der Ausbildung ihrer Studierenden nie. Taussky hat dieses Spannungsverhältnis in einem Gedicht ausgedrückt:
„Es steht die Olga vor der Klasse, Die Olga denkt: weil das so ist
Sie zittert sehr und denkt an Hasse; und weil mich doch die Emmy frißt,
die Emmy kommt von fern hinzu so werd’ ich keine Zeit verlieren,
mit lauter Stimm’, die Augen gluh. Werd’ keine Algebra studieren
Die Trepp hinauf und immer höher und lustig rechnen wie zuvor.
Kommt sie den armen Mädchen näher. Die Olga, dünkt mir, hat Humor.“
(Taussky 1934, zitiert nach Wußing und Arnold 1989, S. 521)
 
102
An der Universität Princeton konnten sich bis 1969 nur Männer einschreiben.
 
103
Vgl. Siegmund-Schultze 1998.
 
104
Zur Bedeutung Noethers für Zariski vgl. Slembeck 2013.
 
105
Vgl. Kapferer autobiografische Notizen „Kurven in meinem Leben“ (Kapferer 1938).
 
106
Vgl. Jahresbericht der DMV 1926, S. 21.
 
Metadaten
Titel
Emmy Noether: Biografische Annäherungen
verfasst von
Dr. Mechthild Koreuber
Copyright-Jahr
2015
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-44150-3_1