Fachkräfte zu finden, wird für deutsche Unternehmen immer schwieriger. Doch immer wieder werden Stimmen laut, dass dieses Problem selbst verschuldet ist und nicht allein an der Arbeitsmarktsituation liegt.
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Das Fachkräfteproblem ist nicht neu. Bereits im Jahr 2017 hat sich die Arbeitslosenquote in Deutschland immer mehr verringert. Zum Jahresende hatte die Arbeitslosigkeit mit rund 2,385 Millionen Arbeitssuchenden ihren tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Damit ging die Zahl der Erwerbslosen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 183.000 zurück, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit.
Für dieses Jahr rechnen Ökonomen allerdings mit einem noch größeren Fachkräftemangel, der das wirtschaftliche Wachstum bremsen soll. Laut der jüngsten Konjunkturumfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) sind gut ein Drittel der Unternehmen überausgelastet. Zwei Drittel nennen fehlende Fachkräfte als Grund. 44 Prozent beklagen verlängerte Lieferzeiten der Zulieferer.
Mangel an qualifizierten Mitarbeitern schadet Unternehmen
Die 30 DAX-Konzerne haben einer Auswertung des "Handelsblatts" zufolge derzeit fast 20.000 Stellen ausgeschrieben. Das sind 5.000 mehr als noch vor einem Jahr. Gesucht werde nahezu in allen Berufsgruppen. Begehrt seien vor allem Mechatroniker, Mathematiker, Wirtschaftswissenschaftler, Marketingexperten und vor allem IT- und Software-Spezialisten.
"Unser Land wird Schaden nehmen, weil wir die wirklich zentralen Stellen der Zukunft nicht mehr besetzen können, sodass wir nicht im möglichen Umfange Schlüsselindustrien mit Fachkräften versorgen können", warnt der Mathematiker und Springer-Autor Gunter Dueck in "Nur Absagen – da soll Fachkräftemangel herrschen?".
Employer Branding als langfristige Strategie gegen den Fachkräftemangel
Doch wie können Unternehmen den Personalengpass lösen? Indem sie Personalbeschaffung nicht nur kurzfristig mit Stellenausschreibungen und Recruiting-Tools angehen, sondern via Employer Branding auch langfristig denken, schreibt Kathy Krüger in einer Masterarbeit zum Thema.
Viele Arbeitgeber agieren bei der Suche nach qualifizierten Personal noch immer so, als ob sich der Arbeitsmarkt nicht vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt verändert hätte. Das heißt, sie streichen ihre Vorzüge und Werte nicht klar heraus, um für Bewerber attraktiv zu sein. Dabei gilt "Employer Branding muss mehr sein als 'nur' eine bunte Kampagne!", sind Jörg Engelhardt und Benjamin Kliesch überzeugt.
Nach Ansicht der Springer-Autoren ist es vielmehr harte Arbeit, sich als Arbeitgeber zu positionieren. Denn das "Ist-Selbstbild" eines Unternehmens setze sich schließlich aus den Vorstellungen aller Beschäftigten zusammen. "In der Frage, was ein Unternehmen als Arbeitgeber ausmacht, prallen aber verschiedenste Perspektiven, Erwartungen und Motive aufeinander", schreiben Engelhardt und Kliesch auf Seite 88 des Kapitels. Oft kämen in einer emotional geführten Debatte auch unangenehme Wahrheiten ans Licht. Doch der Aufwand lohne sich, betonen die Springer-Autoren.
Aus unserer Sicht bietet dieser Ansatz die Chance, ein Soll-Selbstbild zu erarbeiten, das sowohl nach innen als auch nach außen als Ausrichtungsanker einer komplexen Organisationsentwicklung wirksam wird."
Die Arbeitgeberpositionierung sollte einen klaren Bezug zur erlebten Realität in der Organisation, einen Anspruch an die zukünftige Organisationsentwicklung und eine Differenzierung von Wettbewerbern aus Arbeitgebersicht aufweisen, empfehlen Engelhardt und Kliesch. Folgendes Prozessschema kann bei der Entwicklung unterstützen:
Prozessschema für die Entwicklung einer Arbeitgeberpositionierung.
Jörg Engelhardt, Benjamin Kliesch, Buch "Neue Komplexität in Personalarbeit und Führung" (2017), Seite 93.
Strategisches Talentmanagement als Management-Tool
Doch nicht nur mit Employer Branding, der Kommunikation der Werte und der Unternehmensbenefits können Arbeitgeber im War for Talents punkten, sondern auch mit Investitionen in die bestehende Belegschaft. Strategisches Talentmanagement sowie berufliche Weiterbildung sind die Management-Tools, die keinesfalls zu kurz kommen dürfen, um den Fach- und Führungskräftemangel zu bewältigen, schreibt ein Springer-Autorenteam. Dabei sollten Unternehmen folgendes beachten (Seite 43 ff.):
- Die Talentstrategie sollte aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden.
- Daran richten Unternehmen dann die Kompetenzentwicklung ihrer Potenzialträger aus.
- Talentmanagement ist nicht nur Aufgabe des Personalbereichs, sondern eine Führungs- und Querschnittsaufgabe.
- Talent Management muss sich jenen Zielgruppen widmen, die für den Erfolg des Unternehmens von zentraler Bedeutung sind.
Berufliche Weiterbildung als lebenslanges Lernen
Darüber hinaus ist Aus- und Weiterbildung in der VUCA-Welt unabdingbar. "In einer sich immer schneller bewegenden Umwelt ist es Aufgabe von HR-Abteilungen, nicht nur Serviceleister zu sein und Weiterbildungsangebote bereitzustellen, sondern die grundsätzliche Veränderungsfitness und -bereitschaft der MitarbeiterInnen zu stärken, damit diese sich kontinuierlich weiterentwickeln können", schreiben Clemens Stieger und Bernhard Capek zum Thema "Lernen in einer sich verändernden Umwelt".
Die Springer-Autoren plädieren für ein "neues Lernen" in Unternehmen, ein lebenslanges Lernen, bei dem Fortbildungen nicht nur Wissen für mehr Leistung vermitteln, sondern auch "Edutainment" sind. Dazu gehört, dass (Seite 390 ff.)
- Mitarbeiter Lernen als Selbstlernen verstehen, welches sie langfristig beruflich, aber auch persönlich weiterbringt;
- dem/der Lernenden die Verantwortung zurückgeben wird, die Lernenden also als mündig und selbstverantwortlich verstanden werden;
- berufliche Fortbildung sich von Push zu Pull entwickelt, so dass Lernende aktiv mitwirken und gestalten können.
- "Ermöglichungs-" statt "Belehrungsdidaktik" eingesetzt wird: Das heißt, passende und förderliche Kontexte zu gestalten und eine Vielfalt von Angeboten bereitzustellen;
- Lernprozesse so weit wie möglich in den Arbeitsalltag integriert werden;
- die Zukunft der Maßstab ist. Daher müssen neue Lernformate kreiert werden, die helfen, zukunftskritische Kompetenzen aufzubauen.
- Forderung und Förderung im Gleichgewicht sind. Den beteiligten Personen muss klar sein, warum und was sie lernen müssen. Gleichzeitig brauchen sie Unterstützung.
Fazit: Employer Branding, Talentmanagement sowie berufliche Weiterbildung können den Fachkräftemangel zwar nicht von heute auf morgen beseitigen, greifen aber als längerfristige Strategien. So können qualifizierte Mitarbeiter gefunden, ihre Kompetenzen entwickelt und eine Bindung an das Unternehmen entwickelt werden. In diese Maßnahmen zu investieren, beschert Unternehmen nachhaltigere Erfolge als nur Stellenanzeigen zu schalten.