28-05-2019 | Abhandlung | Issue 1-2/2019 Open Access

Abschreckung im Konjunktiv. Macht- und Subjektivierungseffekte von Videoüberwachung auf Demonstrationen
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- Berliner Journal für Soziologie > Issue 1-2/2019
Zusammenfassung
Die polizeiliche Videoüberwachung von Demonstrationen wird vor allem für die vermutete Abschreckungswirkung auf die Teilnahmebereitschaft an Demonstrationen kritisiert. Die vorliegende empirische Untersuchung zeigt, dass ihre Wirkungen deutlich komplexer sind. Auf Basis von Gruppendiskussionen mit rechten, linken und (links-)liberalen Demonstrierenden sowie Fußballfans werden die Macht- und Subjektivierungseffekte von Videoüberwachung systematisch in einem Grounded-Theory-Design untersucht. Videoüberwachung löst bei den Betroffenen Unsicherheiten aus, führt zu Reflexionen und produktiven Machtwirkungen wie z. B. der Übernahme polizeilicher Gefahrenkategorien durch die Demonstrierenden. Die Deutung von Videoüberwachung als Abschreckung, Repression, Schutz oder Normalität hängt einerseits mit den Staats- und Polizeibildern der Befragten zusammen und andererseits stark von der Exposition im Protestgeschehen ab. Die Bewertung von Videoüberwachung variiert zudem, je nachdem ob die Einsatzsituationen als konfliktbehaftet oder friedlich wahrgenommen werden. Der Umgang mit Videoüberwachung ist geprägt von protestspektrenspezifischen Sicherheitskulturen, die Handlungssicherheit und damit politische Handlungsfähigkeit auf Dauer herstellen sollen.