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25-01-2016 | Abwasser | Interview | Article

Gereinigtes Abwasser auf den Boden?

Author: Günter Knackfuß

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Interviewee:
Prof. Dr. Gunnar Lischeid

ist Leiter des Instituts für Landschaftswasserhaushalt am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V. (ZALF).

Im Verbundprojekt ELaN werden vorrangig die Möglichkeiten und Risiken untersucht, gereinigtes Abwasser in die Landschaft auszubringen. Professor Gunnar Lischeid erklärt die Forschungsergebnisse.

Springer Professional: Am Ende des Verbundprojekt ELaN (Entwicklung eines integrierten Landmanagements durch nachhaltige Wasser- und Stoffnutzung in Nordostdeutschland) hat ihr Team einen Orientierungsrahmen vorgelegt. Welche Hauptbotschaft enthält dieser ‚Leitfaden‘?

Gunnar Lischeid: Wir haben einen Leitfaden mit dem Titel „Empfehlungen zum Risiko-basierten Management der Verwendung von gereinigtem Abwasser in der Landschaft“ herausgebracht, der unter www.elan-bb.de herunterladbar ist. Der Leitfaden ist als Handbuch für Behörden, für Unternehmen der Siedlungswasserwirtschaft und für Ingenieurbüros konzipiert, die sich in Deutschland oder im benachbarten Ausland mit der Ausbringung gereinigten Abwassers auf den Boden anstelle der üblichen Einleitung in Fließgewässer beschäftigen. Er fasst die wichtigsten Aspekte zu Themen wie rechtlicher Hintergrund, ökotoxikologische Risikoabschätzung oder Monitoring von abwasserbürtigen Spurenstoffen zusammen und enthält zahlreiche Hinweise auf die weiterführende Literatur bzw. entsprechende Webseiten.

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Biologische Verfahren zur Abwasserbehandlung

Mikroorganismen in Gewässern setzen abbaubare organische Substanzen als Nährstoffe unter Sauerstoffverbrauch in Kohlendioxid, Wasser und Zellmasse um. Bei dieser Selbstreinigung der Gewässer spielen Mikroorganismen wie Bakterien, Algen, Protozoen und Pilze die entscheidende Rolle. 


Warum soll das im Klärwerk gereinigte Abwasser nicht wie üblich in die Gewässer (Vorfluter) fließen?

In Deutschland wird Trinkwasser fast ausschließlich aus Grundwasser gewonnen. Entsprechend hat der Grundwasserschutz eine sehr hohe Priorität. Der Ablauf aus den Kläranlagen, der trotz modernster Technik immer noch zahlreiche Spurenstoffe enthält, soll deshalb möglichst schnell an den Grundwasserkörpern vorbei in die Nord- oder Ostsee geleitetet werden. Allerdings sind die im Wasser lebenden Organismen gerade besonders empfindlich gegenüber vielen dieser Spurenstoffe, wie z.B. Rückstände aus Arzneimitteln, die sie über die Haut aufnehmen. Zusätzlich enthält das gereinigte Abwasser auch noch Restmengen von Nährstoffen wie Phosphor, die zur Eutrophierung von Oberflächengewässern beitragen. Würde das gereinigte Abwasser auf den Boden ausgebracht, könnten diese Nährstoffe von Pflanzen verwertet werden, und Spurenstoffe könnten wesentlich besser im Oberboden abgebaut werden. Die Herausforderung besteht dann allerdings darin, dass das nicht zu Lasten des Grundwassers gehen darf.

Sie haben die Chancen und Risiken an verschiedenen Standorten analysiert. Zu welchen Hauptergebnissen sind sie gekommen?

Wir haben in unserem Projekt versucht, verschiedene Aspekte wie die Entsorgung gereinigten Abwassers, die landwirtschaftliche Nutzung von Sonderstandorten wie Rieselfelder und Feuchtgebiete und den Anbau von Energiepflanzen zusammenzubringen, um Synergieeffekte nutzen zu können. An einzelnen Versuchsstandorten haben wir verschiedene Möglichkeiten erprobt. Wie so oft, lauerte auch hier der Teufel im Detail, zum Teil an ganz unerwarteten Stellen. Eine fertige Lösung können wir deshalb nicht präsentieren, aber doch einige Bausteine für synergistische Lösungen, die aber noch weiterentwickelt werden müssen.

Wo stoßen sie bei ihrem Praxisansatz an juristische Grenzen?

Juristische Regelungen wurden in der Regel entwickelt, um auf jeweils aktuelle Probleme zu reagieren, und nicht, um neue Lösungen zu ermöglichen. Beispielsweise stehen die aktuellen Förderlinien einer alternativen landwirtschaftlichen Nutzung von Feuchtgebieten entgegen, da solch eine Nutzung von juristischer Seite bisher überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Hier muss offensichtlich noch Aufklärungsarbeit geleistet werden. Hinsichtlich der Ausbringung gereinigten Abwassers auf dem Boden wird momentan an einem EU-weiten Regelwerk gearbeitet, zu dem der deutsche Gesetzgeber sich positionieren muss. Hier könnte sich also in naher Zukunft einiges ändern.

Für landwirtschaftlich genutzte Niedermoore haben sie DSS-TORBOS entwickelt. Was kann dieses System?

Das DSS-TORBOS ist ein Web-basiertes Entscheidungs-Unterstützungs-System, das Landwirten und der landwirtschaftlichen Beratung Optionen zur Torf-schonenden landwirtschaftlichen Bewirtschaftung anbietet, die auf den jeweiligen Standort und seine Besonderheiten abgestimmt sind. Der Ansatz besteht darin, für die Landwirtschaft ökonomische Alternativen sowohl zu der zunehmend schwieriger werdenden herkömmlichen Bewirtschaftung als auch zu einer totalen Nutzungsaufgabe aufzuzeigen. Dazu sind ergänzend eine Reihe von Steckbriefen entwickelt worden, die mögliche alternative Nutzungsverfahren vorstellen.

Wie könnte eine nachhaltige Wasser- und Stoffnutzung nach ihren Erkenntnissen generell gestaltet werden?

Wir konnten in unserem Projekt kein fertiges Rezeptbuch entwickeln, das jetzt nur noch Kapitel für Kapitel abgearbeitet werden müsste. Wir haben aber eine Reihe von Optionen aufgezeigt und diese mit sehr unterschiedlichen Praxisakteuren diskutiert. Dadurch wurde ein Prozess angestoßen, der mit der Beendigung des Projektes noch nicht abgeschlossen ist. Die Entwicklung einer nachhaltigen Wasser- und Stoffnutzung ist ein langwieriger Prozess, zu dem wir einige Bausteine geliefert haben und uns gerne weiter einbringen.

Vielen Dank für das Interview.

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