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21-07-2021 | Additive Fertigung | Schwerpunkt | Article

Werkzeugmaschinen und additive Fertigung nähern sich an

Author: Thomas Siebel

4:30 min reading time

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Bislang setzen europäische Werkzeugmaschinenbauer noch wenig auf die additive Fertigung. Dabei könnten beide Branchen ihre starke Position weiter ausbauen, beispielsweise mit hybriden additiven Verfahren.

Europa, insbesondere Deutschland, ist nicht nur Heimat renommierter Hersteller von Werkzeugmaschinen, der Kontinent verfügt auch über herausragendes Wissen in der Erforschung und Entwicklung von Technologien für die additive Fertigung. Dennoch ist das Potenzial additiver Technologien im Werkzeugmaschinenbau bis heute noch bei weitem nicht ausgeschöpft, wie eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie feststellt. Dabei könnte gerade der Werkzeugmaschinenbau vom 3D-Druck profitieren, beispielsweise von der Möglichkeit, komplexe Strukturen mit geringem Material- und Energieeinsatz zu fertigen. Zudem dürfte auch die Option, Bauteile kurzfristig lokal und damit ohne lange Lieferzeiten und Lagerkosten zu produzieren, zunehmend attraktiv werden. So wären beispielsweise kritische Bauteile schnell verfügbar und Reparaturen könnten zügig abgeschlossen werden.

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Hybrid Additive and Subtractive Processes

The realisation of the Manufacturing 4.0 strategy is closely linked to the hybridisation of manufacturing processes, as signalled in Sect. 1.4. The scope now also includes hybrid processes and equipment that combine Layered/Additive Machining (LM/AM) and Subtractive Machining (SM) CNC (LM/SM CNC).

Als besonders interessant für den Werkzeugmaschinenbau könnte sich die hybride additive Fertigung erweisen, die Pulverbettverfahren oder Laserauftragschweißen mit Span- oder Urformverfahren kombiniert. Bereits heute werden additiv gefertigte Teile häufig spanend nachbearbeitet, um die Oberfläche zu verbessern oder die Geometrie zu optimieren. Umgekehrt lassen sich aber auch konventionell gefertigte Grundkörper durch additiv gefertigte Strukturen ergänzen.

Werkzeugmaschinenbauern öffnet sich ein neues Feld, etwa für die Integration komplexer Kühl- oder Mischungsgeometrien in optimierten Strukturen oder für die Herstellung von adaptiven Greifer- oder Handhabungssysteme. Weitere Möglichkeiten könnte sich in naher Zukunft durch Drucker ergeben, die mehrere Werkstoffe gleichzeitig auftragen und dadurch neuartige Multimaterialstrukturen ermöglichen.

Investitionskosten und Qualifizierung als Hürden

Es mag verwundern, dass die additive Fertigung im Werkzeugmaschinenbau, von einigen Ausnahmen abgesehen, noch nicht stärker Fuß gefasst hat, schließlich ist der Sektor besonders wissens- und technologieintensiv und entsprechend forschungsstark. Doch die additive Fertigung ist für Unternehmen aus zwei Gründen schwierig zu erschließen: Zum einen sind die Investitionskosten für Maschinen und Material hoch. Wer in den metallischen 3D-Druck einsteigen will, muss mit Kosten von wenigstens 500.000 Euro rechnen.

Mindestens genauso schwierig ist zudem der Aufbau aller notwendigen Kompetenzen im eigenen Unternehmen; und einschlägige Kompetenzen werden gleich auf mehreren Ebenen gebraucht: bei der fertigungsgerechten Bauteilauslegung und Datenvorverarbeitung, für die Bauteilnachbehandlung, für Bauteiltests und in der Instandhaltung, wie Filip Geerts und Vincenzo Renda im Kapitel The Machine Tool Industry’s Changing Skills Needs: What is the Impact of Additive Manufacturing Technologies? des Buchs Additive Manufacturing—Developments in Training and Education schreiben. Unternehmen müssten deswegen, unterstützt durch die Politik, enger mit Universitäten zusammenarbeiten und ihre Berufsausbildung entsprechend ausrichten.

„Die additive Fertigung dürfte in den kommenden Jahren eine der aufstrebendsten Technologien im Werkzeugmaschinensektor sein“ Filip Geerts und Vincenzo Renda

Zusätzlich erschwert wird der Einstieg in die additive Fertigung durch eine heute noch stark fragmentierte Wertschöpfungskette im 3D-Druck, in der die Leistungen von Anlagen-, Material und Softwareherstellern noch nicht ideal ineinander greifen, wie Els Van de Velde und Daniela Kretz, die Autorinnen der eingangs zitierten Studie, bemerken. Unternehmen, die ihr Portfolio um additiv gefertigte Teile erweitern wollen, können diese direkt von einem Dienstleister fertigen lassen, bestehende Anlagen kaufen und Teile selbst additiv fertigen oder gar mehrere Segmente der Wertschöpfungskette in-house etablieren.

Starke Position in durch Innovationen sichern

Trotz der genannten Schwierigkeiten sehen die Autorinnen Europa in einer guten Wettbewerbsposition. Das Know-how ist vorhanden und erste Applikationen im Werkzeugmaschinenbau sind bereits erfolgreich am Markt. Dazu kommt, dass der Bedarf an individualisierten und komplexen Teilen wächst, beispielsweise für Gussformen, Haushaltsgeräte oder in der Medizin. Dennoch weisen die Autorinnen darauf hin, dass Europa seine starke Position zu verspielen droht. Dabei verweisen sie etwa auf China, wo Unternehmen beim Kauf von Hardware und Software für die additive Fertigung staatlich unterstützt werden, und auf die USA, die aufgrund ihrer niedrigeren und innovationsfreundlicheren Regulierungsstandards einen Wettbewerbsvorteil hätten.  

Ähnlich äußert sich Johhannes Schleifenbaum von der RWTH Aachen, der bis September 2020 leitender Wissenschaftler am Frauhofer ILT war, im Interview mit der Zeitschrift maschinenbau 1/21: "Ich glaube, dass wir tatsächlich in Deutschland gut dastehen, aber wir bekommen auch massiv Konkurrenz." Stefan Scherr vom Karlsruher Institut für Technologie ergänzt: "Es ist wichtig, unsere Spitzenposition zu halten. Positiv sehe ich zum Beispiel das Auftragsschweißen der schwer zu verarbeitenden Werkstoffe wie spezielle Stahlsorten, Nickelbasislegierungen oder Titan." Im Projekt ProLMD haben ihre Institute gemeinsam mit Kuka eine standardisierte Roboterzelle für die additive Fertigung entwickelt, die sich nahtlos und kostengünstig in bestehende Prozessketten mit konventionellen Zerspan-  oder Umformverfahren integrieren lassen soll. Durch solche Entwicklungen erhalten die Unternehmen laut Scherr "immer mehr Trittsicherheit", wodurch sie Produkt- und Produktionsportfolio im breiten Maße an die additiven Technologien heranführen könnten.

Konventionelle Wertschöpfungsketten überdenken

Damit Europa seine starke Position halten und ausbauen kann, geben Els Van de Velde und Daniela Kretz der Politik und der Industrie zwei Empfehlungen: Seitens der Gesetzgebung sollten Gesundheits- und Sicherheitsstandards im 3D-Druck harmonisiert werden, um so auch bei Endverbrauchern die Akzeptanz für additiv gefertigte Produkte zu erhöhen und den Markt anzukurbeln. Zudem sollten Unternehmen konventionelle Wertschöpfungsketten überdenken und beispielsweise selten gebrauchte Komponenten oder Ersatzteile additiv fertigen, anstatt sie auf Lager zu halten. Additive Technologien sollten Unternehmen zunächst bei Bauteilen mit geringen Stückzahlen einsetzen. Sobald genügend Erfahrung und Sicherheit im Umgang den additiven Verfahren vorliegen, könnten 3D-Druck-Anlagenhersteller ihren Entwicklungsfokus mehr und mehr auf Themen wie Hochskalierung, Geschwindigkeit, Interoperabilität und Replizierbarkeit richten.

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