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24-08-2021 | Additive Fertigung | Schwerpunkt | Article

Lebende Zellen aus dem 3D-Drucker

Author: Christoph Berger

5:30 min reading time

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Die 3D-Drucktechnik wird vor allem im medizinischen Bereich eingesetzt. Das große Ziel ist die Herstellung funktionierender und lebensfähiger künstlicher Organe. Doch auch für industrielle Bioprozesse soll Bioprinting nutzbar werden.

Im Juni 2021 gab die Technische Universität Berlin bekannt, dass die Einstein Stiftung das neue Einstein-Zentrum für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung bis Ende 2026 mit rund 5,3 Millionen Euro fördern wird. Ziel des Zentrums ist es, einerseits Tierversuche durch 3D-Modelle aus menschlichen Gewebekulturen zu ersetzen, andererseits wollen die Forschenden das Leiden von Tieren verhindern und dafür sorgen, dass die Ergebnisse aus ihren Laborexperimenten leichter auf den Menschen übertragen werden können. Genutzt werde dabei das neue Verfahren "3D-Biodruck", heißt es: Gedruckt werden Organmodelle aus lebenden Zellen, die ähnliche Funktionen hätten wie menschliche Organe. Zum Einsatz komme eine sogenannte Biotinte, die aus menschlichen Zellen in einem Hydrogel bestehe. Die Tinte werde Schicht für Schicht von einer Düse aufgetragen und dabei durch Zugabe von Kalziumionen verfestigt.

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2021 | Book

3D-Druck mit lebenden Zellen

Materialentwicklung, Prozesscharakterisierung und Perspektiven für die Pflanzenbiotechnologie

Dieses Buch setzt Impulse zur systematischen Validierung des Bioprintings und zur Etablierung dieser Technologie auch in nicht-medizinischen Anwendungsgebieten. Das dreidimensionale Drucken mit lebenden Zellen erlaubt die kontrollierte Zellimmobilisierung in 3D-Hydrogelgerüsten.

Ein anderes und ebenfalls an dem Zentrum eingesetztes Verfahren nutzt einen Laser zum Verfestigen. Mit dem würden sich besonders feine Strukturen erzeugen lassen, etwa Geflechte von künstlichen Adern, so die Beschreibung. Das Ergebnis sei ein bis zu einem Quadratzentimeter großes und einen Millimeter hohes Gebilde, das auch aus verschiedenen Zelltypen bestehen könne. Jens Kurreck, Professor für Angewandte Biochemie an der TU Berlin, erklärt: "Auf diese Weise können wir erstmalig das Wechselspiel zum Beispiel zwischen lebenden, menschlichen Leberzellen und den Zellen der umgebenden Blutgefäße in drei Dimensionen untersuchen."

Wie schwierig und kompliziert ist, da dabei mehrere Aspekte der menschlichen Physiologie berücksichtigt werden müssen, darauf gehen die Autoren des Kapitels "Challenges and Materials in Artificial Organ Manufacturing" im Springer-Fachbuch "Advances in Engineering Materials" ein.

Nutzung in industriellen Bioprozessen

3D-Drucktechnologien hätten in den letzten zwei Jahrzehnten eine hochdynamische Entwicklung vollzogen, die weiterhin anhalte, schreibt Julia Emmermacher im Kapitel "Einführung und Motivation" des Springer-Fachbuchs "3D-Druck mit lebenden Zellen", ihrer Dissertation. Mit immer neuen Anwendungsideen würden Materialien und Methoden vielfältiger, wobei ein intensiv verfolgter Ansatz der 3D-Druck mit integrierten lebenden Zellen zur Erzeugung von biologischen Objekten mit einer definierten Geometrie sei: das sogenannte Bioprinting. Das Druckmaterial bestehend aus Zellen, gegebenenfalls bioaktiven Komponenten und Biomaterialien werde als Bioink, also Biotinte, bezeichnet.

Sei das Bioprinting bisher hauptsächlich für die regenerative Medizin und das Tissue Engineering, also die Gewebezüchtung, entwickelt worden, würden in den letzten Jahren vermehrt auch Anwendungskonzepte für Bereiche der Biotechnologie außerhalb der Medizin diskutiert, so Emmermacher: "Bioprinting könnte in der Grundlagenforschung für Modelle von pflanzlichem Gewebe, Biofilmen oder symbiotisch lebenden Organismen eingesetzt und in industriellen Bioprozessen mit immobilisierten Zellen oder Enzymen zur Wirkstoffproduktion genutzt werden." Geforscht werde dabei mit Bakterien und Hefen, aber auch mit photosynthetisch aktiven Mikroalgen und Pflanzenzellkulturen. Dies wird dann Green Bioprinting genannt. Anders als das oben beim Einstein-Zentrum für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung vorgestellte Verfahren, forscht Emmermacher nicht mit menschlichen Zellen, sie befasst sich mit dem Bioprinting von Zellkulturen höherer Pflanzen. Ihre Dissertation stellt nach Eigenaussage die erste experimentelle Studie in diesem Bereich dar. Als vielversprechende Anwendungskonzepte schlägt sie die Gestaltung maßgeschneiderter Prozessumgebungen in industriellen Bioprozessen und die zeit- und ortsaufgelöste Analyse zellulärer Parameter zur Beschreibung der Pflanzenzellkulturen im Labormaßstab vor. Ihre zwei vorrangigen Schwerpunkte waren die Entwicklung und Charakterisierung einer Ink für das Bioprinting mit Pflanzenzellkulturen und die Charakterisierung des Druckprozesses im extrusionsbasierten Bioprinting.

Pflanzliche Gewebe künstlich nachbilden

So entwickelte sie eine geeignete Ink für den extrusionsbasierten 3D-Druck, mit der das Drucken dreidimensionaler Strukturen mit großer Formgenauigkeit und Makroporen, auch in horizontaler Richtung, möglich war: "Die Eignung von AMA für das Bioprinting mit Pflanzenzellkulturen konnte am Beispiel einer Basilikum-Pflanzenzellkultur (Ocimum basilicum) gezeigt werden. Die Zellen überlebten den Druckprozess und proliferierten in den gedruckten Gerüsten über mehrere Wochen", heißt es im Kapitel "Zusammenfassung und Ausblick". Oder: "Die rheologischen Eigenschaften, Langzeitstabilität und die Biokompatibilität von AMA sind für den Einsatz in industriellen Bioprozessen zur Zell- oder Enzymimmobilisierung vorteilhaft." Heraus kam in der Arbeit aber auch, wie wichtig eine Strömungsmodellierung im Bioprinting ist.

Emmermacher kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass sich aus ihrer Studie zwei vielversprechende Anwendungsszenarien für die moderne Pflanzenbiotechnologie ergeben: Einerseits biete das Bioprinting das Potential, die Produktivität biotechnologischer Prozesse mit Pflanzenzellen zur Wirkstoffgewinnung, z. B. durch Verminderung von Scherstress während der Kultivierung, durch eine definierte Prozessumgebung und kontrollierte Prozessführung sowie durch vereinfachte Aufarbeitung, deutlich zu steigern. "Andererseits bietet das Bioprinting die Möglichkeit, pflanzliche Gewebe künstlich nachzubilden und Modelle für die Grundlagenforschung, beispielsweise für physiologische Untersuchungen und Studien zur Zell-Zell-Interaktion auf mikroskopischer Ebene, zu schaffen." Insgesamt stelle das Bioprinting mit Pflanzenzellen eine Chance für industrielle Bioprozesse und die grundlegende Pflanzenzellforschung dar.

Bioprinting kann Multi-Milliarden Markt werden

Da die Kombination mehrerer gedruckter Biomaterialien technisch schwierig, viele Druckverfahren auf grundlegend unterschiedlichen Funktionsprinzipien beruhen und weil kommerzielle Geräte oft unerschwinglich sind, berichten die Autoren des Fachartikels "Systematic design of an advanced open-source 3D bioprinter for extrusion and electrohydrodynamic-based processes" in der Springer-Fachzeitschrift "The International Journal of Advanced Manufacturing Technology", Ausgabe 9-10/2021, von einem systematisch technischem Entwurf, um einen Open-Source-3D-Biodrucker bauen zu können, der mit mehreren Materialien und Technologien drucken kann. "Die Anforderungen an das Design wurden im Rahmen eines nutzerzentrierten Designprozesses ermittelt, wobei das übergeordnete Ziel darin bestand, ein Multi-Material- und Multi-Technologie-System zu entwickeln, das den technischen Normen (AS IEC 61010) entspricht."

Die Autoren des im Springer-Fachbuch "Geschäftsmodelle in die Zukunft denken" enthaltenen Kapitels "Digitale Geschäftsmodelle und Entwicklungsperspektiven im Gesundheitswesen" sehen im 3D-Druck/Bioprinting einen der Mega-Trends für den Gesundheitsmarkt. Sie schreiben: "Denkt man die bisherigen Erfolge der regenerativen Medizin etwa zehn Jahre in die Zukunft, so kann man die Prognose wagen, dass vielleicht komplett funktionsfähige Herzen oder andere Organe aus Stammzellen erzeugt werden." Insbesondere für Krankenhäuser könne dies ein neues Geschäftsmodell werden, da hier ein Multi-Milliarden Markt zu erwarten sei, sollte sich diese Technologie künftig durchsetzen und Einzug in die Regelversorgung halten.

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