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2022 | OriginalPaper | Chapter

7. Affekte und Artefakte – Zur Materialität dissidenter Praktiken

Author : Moritz Boddenberg

Published in: Nachhaltigkeit als Transformation

Publisher: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Praktiken der ökonomischen Dissidenz sind in vielerlei Hinsicht mit positiven und negativen Emotionen gekoppelt, die sich auf Artefakte richten, ihre Gebrauchsweise beeinflussen oder aber von ihnen hervorgerufen werden. Das Kapitel geht der Frage nach, welche Affekte und Artefakte bei den dissidenten Praktiken eine besondere Bedeutung annehmen und wie sich diese soziologisch deuten lassen. Auf Grundlage des Interviewmaterials und der ethnographischen Beobachtungen werden die zentralen Affekte dissidenter Praktiken herausgearbeitet und hinsichtlich ihrer Wirkungsgrade für eine mögliche Diffusion in weitere gesellschaftliche Teilbereiche analysiert. Im Anschluss richtet sich der Blick auf die mit den Praktiken verbundenen Affekte, die sich einerseits im Streben nach Gemeinschaftlichkeit und andererseits in der Suche nach Selbstwirksamkeit ausdrücken. Abschließend wird erörtert, inwiefern die Praktiken von affektiven Ambivalenzen geprägt sind und aufgezeigt, dass die Gefühle der Akteure zwischen Frustration und Hoffnung auf Besserung changieren und sie auf das Management von Emotionen angewiesen sind.

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Footnotes
1
Eine eigenständige Emotionssoziologie ließ dennoch eine ganze Zeit auf sich warten und so blieben Emotionen und Affekte lange Zeit ein blinder Fleck soziologischer Gesellschaftsanalysen (Reckwitz 2016). Als einer der Gründe für die jahrzehntelange Missachtung der gesellschaftstheoretischen Analyse von Gefühlen lässt sich die lange Zeit dominierende Theorie des Funktionalismus Talcott Parsons‘ anführen, der Emotionen als reine Handlungsmotivationen abqualifizierte (Senge 2013: 13). Erst in den letzten vierzig Jahren wandelte sich dieses Bild im Zuge der „Wiederentdeckung der Gefühle“ (Senge 2013), die auch als „emotional turn“ der Soziologie bezeichnet wird. Zum Teil anknüpfend an die soziologischen Klassiker entstehen seit den 1980er Jahren vermehrt theoretische und empirische Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Emotionen, die dem Versuch nachgehen, die soziale Wirkung und Funktion von Gefühlen gesellschaftstheoretisch zu verorten (vgl. für einen Überblick Senge/Schützeichel 2013).
 
3
Mit emotion labor meint Hochschild Gefühlsarbeit am Arbeitsplatz, der sie einen reinen Tauschwertcharakter attestiert. Sie wird vom Arbeitgeber vorgeschrieben, der sich davon die Einhaltung betrieblicher Zielsetzungen verspricht. Davon zu unterscheiden ist Emotionsarbeit in Form von emotion work, die im privaten Alltag stattfindet und aus dem sozialen Kontext, also entlang der oben skizzierten Gefühlsregeln heraus vorgegeben wird (ebd.: 27 f.). Bei dieser „Manipulation von Gefühlen“ unterscheidet Hochschild zwischen dem surface acting, das auf den Gefühlsausdruck gerichtet ist – obwohl mir mein Gegenüber unsympathisch ist, verhalte ich mich freundlich und strahle positive Gefühle aus –, und dem deep acting (ebd.: 56 f.), das das innere Gefühl erst hervorrufen soll – da mir mein Gegenüber unsympathisch ist, erinnere ich mich an eine positive Situation, um ein Gefühl der Fröhlichkeit zu generieren.
 
4
Wer sich einmal in der schwäbischen Stadt Stuttgart ein Stadtfahrrad ausleiht, kann erleben, wie alle diese drei Prozesse in einem Artefakt zusammenlaufen. Öffentlich nutzbare Fahrräder, denen man angesichts der Zunahme des motorisierten Verkehrs heute einen besonderen Nachhaltigkeitswert zuschreibt, sind an den Stuttgarter Stadträndern besonders beliebt. Aufgrund der geographischen Anlage der Stadt, die sich wie ein Kessel vom am tiefsten liegenden Stadtkern nach oben ausrichtet, fahren jedoch die allermeisten Menschen mit dem Fahrrad den Berg herab in die Innenstadt, während kaum jemand auf die Idee kommt, den schweren Weg nach oben mit dem Fahrrad anzutreten. Da die Fahrräder jedoch irgendwie wieder von unten nach oben kommen müssen, holt ein PS-starker LKW mehrmals täglich die Fahrräder in der Innenstadt ab und lädt sie dort wieder ab, wo sie gebraucht und von den Bürgerinnen wieder entliehen werden können. Ex post muss der Idee des Bike-Sharing daher das Label der Nachhaltigkeit wieder entzogen werden, tragen die durch die LKW hervorgerufenen CO2-Emmissionen doch eher zu einer Verschlechterung statt zu einer Verbesserung der Stuttgarter Luft bei.
 
5
Eine Nummer kleiner, doch in ihrer soziologischen Bedeutung nicht weniger prägnant, stellte sich die Situation zwei Jahre zuvor in der deutschen Finanzmetropole Frankfurt am Main dar. Der 43 Meter hohe hölzerne Goetheturm stand im Oktober 2017 plötzlich lichterloh in Flammen und brannte vollständig nieder. Materiell belief sich der Schaden auf rund drei Millionen Euro, emotional war der Verlust eines der Wahrzeichen Frankfurts für viele Bürger weitaus schmerzhafter. Auf das Spendenkonto für den Wiederaufbau gingen immerhin 150.000 Euro ein, was im Gegensatz zur Situation in Paris jedoch nicht für den Wiederaufbau reichen sollte.
 
Metadata
Title
Affekte und Artefakte – Zur Materialität dissidenter Praktiken
Author
Moritz Boddenberg
Copyright Year
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37675-8_7