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09-07-2021 | Agile Methoden | Gastbeitrag | Article

Humanocracy zerstört die Bürokratie

Author: Christoph Schmiedinger

3:30 min reading time

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Während Agilität vor allem die Selbstorganisation fördert, will Humanocracy die radikale Auflösung aller Hierarchien erreichen. Dabei ebnen sechs Kernprinzipien den Weg zur neuen Organisationsform, schreibt Berater Christoph Schmiedinger. 

Das Konzept basiert auf den Ideen der Managementvordenker Gary Hamel und Michele Zanini und rechnet radikal mit der in einer Vielzahl von Unternehmen vorherrschenden Bürokratie ab. Um ihr zu entkommen, agieren kleine, autonome Einheiten als Mini-Unternehmen, die sich vollkommen an den Kunden ausrichten. Diese Eigenständigkeit bedingt eine neue Führung sowie neue Beteiligungskonzepte. Dabei wird jedem Mitarbeitenden genau das zugesprochen, was er zum Erfolg der Firma beiträgt. 

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In wenigen Jahren wird nichts mehr so sein, wie es war. Branchen und Organisationen erfinden sich neu oder verschwinden vom Markt. Wirtschaftliche Herausforderungen koppeln sich mit sozialen und gesellschaftlichen. Längst geht es um viel mehr als "Customer Centricity" und Agilität. 

Prinzipien der menschlichen Organisation

Einige Ansätze sind aus der Agilität bekannt, Humanocracy geht jedoch einen wesentlichen Schritt weiter. Hinter der menschlichen Organisation stehen sechs Kernprinzipien:

Ownership

Jeder einzelne Mitarbeitende handelt so, als wäre er ein Unternehmer (Entrepreneur) seines eigenen Mini-Enterprises. Er trifft eigene, wirtschaftliche - auch große - Entscheidungen. Die Entlohnung erfolgt nach den individuellen Ergebnissen.

Markets

Alle Prozesse und Maßnahmen richten sich am Markt und damit am Kunden aus, um das zentral geführte Unternehmen hinter sich zu lassen. Ein Teil davon ist die Nutzung der kollektiven Intelligenz, um große Entscheidungen nicht nur in einem kleinen Management-Kreis zu hinterfragen. Das Market-Prinzip geht sogar noch einen Schritt weiter: Selbst alle internen Einheiten, die nur interne Kunden bedienen, agieren so, als wären sie externe Dienstleister.

Meritocracy 

Nur fachlich geeignete Mitarbeitende, die sehr viel leisten, steigen auf, bewertet von engsten Kolleginnen und Kollegen und nach objektiven Kriterien. Das steht im Gegensatz zu dem oft üblichen Gemauschel bei Beförderungen. Die Bezahlung folgt der tatsächlichen Leistung und orientiert sich nicht an der Anzahl von zu verantwortenden Mitarbeitenden oder der Größe des zugeteilten Budgets.

Community

Mitarbeitende unterstützen sich gegenseitig, sodass eine wertschätzende Gemeinschaft entstehen kann. Weitere Erfolgselemente zum Beitrag einer echten Community sind offene Kommunikation, Transparenz, gegenseitiger Respekt und Rechenschaftspflicht.

Openness 

Das Unternehmen öffnet sich gegenüber Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten, ja sogar Wettbewerbern – hin zu einer offenen Gesellschaft. Das heißt, dass Mitarbeitende sogar an der Unternehmensstrategie mitarbeiten und diese nicht wie aktuell oft von einer kleinen Mannschaft aus dem Top-Management formuliert wird.

Experimentation

Dieses Prinzip setzt auf Mut und gelebte Fehlerkultur: Verschiedene Ansätze werden ausprobiert, einige scheitern, einige gelingen. Statt dem Investment jedoch nachzutrauen, lernen alle Beteiligten aus den Fehlschlägen und ziehen diese Erkenntnisse heran.

Chancen und Hürden bei der Einführung von Humanocracy

Dieses nach Werten ausgerichtete Organisationskonzept bezieht Mitarbeitende intensiv ein und überträgt ihnen viel Verantwortung. So multipliziert sich die unternehmerische Fähigkeit einer Firma im Idealfall oder wächst sogar exponentiell. Gleichzeitig belohnt das Unternehmenskonzept erfolgreiche Mitarbeitende auf mehreren Ebenen. So kann es gelingen, die Motivation freizulegen. Unternehmen wie der chinesische Industriekonzern Haier, der US-amerikanische Stahlkonzern Nuccor oder der schwedische Bankenverband Handelsbanken zeigen, dass Humanocracy in verschiedensten Branchen funktioniert. 

Die Zahlen geben der Idee recht: Alle genannten Unternehmen weisen KPIs auf, die im langjährigen Vergleich über dem Industriedurchschnitt liegen. Kein Wunder, lähmt zu viel Bürokratie doch interne und externe Prozesse und verhindert Innovation. Im Umkehrschluss sparen die genannten Unternehmen enorm Zeit und Kosten ein.

Methode eignet sich für reife agile Unternehmen

Gleichzeitig misst das Modell knallhart die Ergebnisse dieser Verantwortungsübertragung. Schnell wird ersichtlich, wer es wirklich schafft, Wert zu generieren. Viele sind mit dieser enormen Verantwortungsübernahme schlichtweg überfordert und kündigen innerlich oder gehen. Für reife agile Unternehmen jedoch, die schon weit weg vom traditionellen Managementverständnis sind, kann Humanocracy von Nutzen sein. 

Ein Beispiel: In einem agilen Unternehmen übernimmt der sogenannte Product Owner Verantwortung für Produkte und Dienstleistungen und führt damit das Entwicklungsteam zum wirtschaftlichen Erfolg. In einer Organisation nach den Prinzipien von Humanocracy könnte die Erweiterung eine noch stärkere Kopplung des Salärs an den Erfolg dieser Art Mini-Unternehmen sein.

Humanocracy-Maßnahmen peu à peu umsetzen

Für reife agile Unternehmen lohnt ein näherer Blick auf das Konzept der Humanocracy. Die Ideen eignen sich, um die überbordende Bürokratie im Unternehmen zu hinterfragen und jede einzelne der Maßnahmen sorgt für mehr Entscheidungsfreiheit und damit Kreativität. Zufriedene Mitarbeitende generieren im Umkehrschluss mehr Wachstum und Wert.

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