An den Börsen sieht es trübe aus. Seit Wochen fallen die Kurse und Hoffnungsschimmer sind nicht auszumachen. Kaum jemand hat im vergangenen Jahr wohl geahnt, wie dramatisch die Lage ein paar Monate später sein wird. Droht ein weiteres desaströses Halbjahr?
Der Preis vieler Aktien erscheint derzeit attraktiv für einen Einstieg. Doch Experten raten zur Vorsicht. Ein weiterer Rückschlag könnte die Kurse noch mal drücken.
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2021 ruhten die Hoffnungen auf einer starken Post-Corona-Erholung und einer Normalisierung des Wirtschaftslebens. Stattdessen sind die düstersten Szenarien wahr geworden: die Inflation ist nach oben geschossen, in Deutschland droht eine Energiekrise und die Weltwirtschaft könnte in eine Rezession abstürzen.
Viele Faktoren belasten die Finanzmärkte
Doch wenn die Stimmung am Boden ist, hat sich der Einstieg oft gelohnt. So drehten die Börsen 2020 genau zu dem Zeitpunkt, als der erste Lockdown in der Bundesrepublik in Kraft trat. Wiederholt sich also die Geschichte? Dagegen sprechen gewichtige Argumente. Gab es vor zwei Jahren mit dem Corona-Lockdown nur ein Thema, kämpfen die Märkte dieses Mal mit einer ganzen Reihe von Belastungen, allen voran Inflation und Konjunkturabkühlung.
Und anders als bei der Corona-Krise, als die Währungshüter Gewehr bei Fuß standen, die wirtschaftliche Folgen mit gewaltigen Lockerungen abzufedern, stecken sie dieses Mal in einem Dilemma. Einerseits zwingt die Inflation die Notenbanken zum Handeln, andererseits drohen Zinserhöhungen, die Konjunktur abzuwürgen. Halten die Währungshüter dagegen an ihrer lockeren Geldpolitik fest, könnte die Teuerung vollends aus dem Ruder laufen.
Die Stagflation ist eine besondere Herausforderung
Im schlimmsten Falle kommt es sogar zu einer Kombination aus beiden Belastungsfaktoren:
"Die Anleger wechseln zwischen Inflations- und Rezessionsängsten, aber wir dürfen eine andere Möglichkeit nicht außer Acht lassen: Warum nicht beides? Weder Inflation noch Rezession sind positiv für die Aktienmärkte. Eine Stagflation wäre allerdings eine besondere Herausforderung", warnt Lewis Grant, Leiter des Bereichs Global Equities bei der Investmentsgesellschaft Federated Hermes Limited.
Neben dem Krieg in der Ukraine mit all seinen Unwägbarkeiten für die Energieversorgung schweift der bange Blick der Anleger zudem nach China. Die rigorose Corona-Politik des chinesischen Regimes droht nicht nur an der hochinfektiösen Omikron-Variante zu scheitern, sondern droht durch abrupte Lockdowns die weltweiten Lieferketten immer wieder zu unterbrechen. Fehlende Bauteile belasten nicht nur die Produktion, sondern treiben zudem die Kosten nach oben.
Auch der Blick auf die großen Indizes mahnt zur Vorsicht. Die Kurse haben zwar schon stark korrigiert, doch der US-Standardwerteindex S&P 500 bewegt sich noch immer deutlich über dem Niveau von Vor-Corona-Zeiten. Ähnliche europäische Indizes wie der Stoxx Europe 600 liegen zwar etwas niedriger, bis zu den Pandemie-Tiefs von 2020 ist aber noch viel Luft.
Experten erwaren weiteren Rückschlang
Entscheidend ist daher, inwieweit die Aktienkurse die Risiken schon eingepreist haben. Zum Lackmustest dürften die Halbjahresberichte der Unternehmen und die Prognosen für die zweite Jahreshälfte werden. Waren die Zahlen für das erste Quartal noch kaum berührt von dem Krisencocktail der vergangenen Monate, werden sich die Bremsspuren im Zeitraum von April bis Juni wohl deutlich abzeichnen. Die Analysten der Banken werden dann scharf nachrechnen, ob die Bewertungen angemessen sind.
"Mit der Berichtssaison zum zweiten Quartal könnten negative Gewinnrevisionen zunehmen und Aktien trotz ihrer nunmehr niedrigeren Bewertungen belasten", mahnt Postbank-Kapitalmarkstratege Dirk Steffen. Daher hält er Zurückhaltung für angebracht. Erst mit einem erneuten Rückschlag könnten sich eine Chancen ergeben, "die Aktienquote in einigen der gebeutelten Sektoren zu erhöhen".