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2015 | Book

Anaerobtechnik

Abwasser-, Schlamm- und Reststoffbehandlung, Biogasgewinnung

Editors: Karl-Heinz Rosenwinkel, Helmut Kroiss, Norbert Dichtl, Carl-Franz Seyfried, Peter Weiland

Publisher: Springer Berlin Heidelberg

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About this book

Das Buch beschreibt den aktuellen Stand des Wissens und der Erfahrung anaerober Verfahren zur Behandlung industrieller und kommunaler Abwässer, zur Schlammstabilisierung sowie zur Vergärung von nachwachsenden Roh- und Reststoffen. Neben den biologischen und chemischen Grundlagen der anaeroben Umsetzungsprozesse wird eine Vielzahl von Anwendungsbeispielen aus der Praxis im Detail erläutert. Im Vergleich zu den bisherigen Auflagen wird in dieser 3. Neuauflage den landwirtschaftlichen Vergärungsanlagen ein höherer Stellenwert eingeräumt. Neu aufgenommen wurden zudem Grundlagen und Beispiele der anaeroben Verfahren zur Stickstoffelimination (Deammonifikation).

Table of Contents

Frontmatter
1. Geschichte der Anaerobtechnik
Zusammenfassung
Im Kapitel 1 wird die Geschichte und die Entwicklung der anaeroben Verfahrenstechnik von den ersten Erkenntnissen und Anwendungen bis zur heutigen Technologie beschrieben. Die Anaerobtechnik nutzt biologische Prozesse unter Abwesenheit von Sauerstoff, wobei organische Stoffe letztlich zu Methan und zu anorganischen Stoffen wie Kohlenstoffdioxid und Ammonium zersetzt werden. Erdgeschichtlich gehören Methanbakterien zu den ältesten Lebewesen, die bereits existierten, als die Erde noch nicht die heutige sauerstoffhaltige Atmosphäre hatte. Die „anaerobe Zersetzung“ als natürlicher Vorgang wird von der Menschheit erst in neuerer Zeit gezielt eingesetzt. Es wird die Geschichte der gezielten Nutzung anaerober Prozesse von sogenannten Eh-Gruben aus dem Mittelalter über die Emscher-Brunnen Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu anaeroben Hochleistungsreaktoren von heute beschrieben und so die Entwicklung von einfachen Klärgruben zu komplexen anaeroben Verfahrenstechniken vorgestellt.
Carl-Franz Seyfried
2. Grundlagen anaerober Prozesse
Zusammenfassung
Im Kapitel 2 werden zunächst die mikrobiellen Grundlagen der Methangärung und anschließend die chemischen Grundlagen anaerober Prozesse vorgestellt. Insbesondere werden im mikrobiellen Teil die thermodynamischen Grundlagen, die anaerobe Nahrungskette und auch die Einflussfaktoren auf die Methangärung beschrieben. Die gesamte Biomasse auf der Erde entsteht durch Kohlendioxid-Fixierung bei der Photosynthese von Pflanzen und aquatischen Mikroorganismen. Sie dient Tieren oder dem Menschen als Nahrungsquelle. Die Re-Mineralisation pflanzlicher und tierischer Reststoffe zu CO2 erfolgt durch Mikroorganismen und kann unter aeroben und anaeroben Bedingungen stattfinden. Unter aeroben Bedingungen werden abgestorbene pflanzliche und tierische Reststoffe mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser mineralisiert, wobei auch Ammonium und Sulfid hauptsächlich aus dem Eiweißabbau und Phosphat aus dem Abbau phosphathaltiger Zellkomponenten freigesetzt werden. Unter anoxischen bzw. anaeroben Bedingungen, wenn kein Sauerstoff als terminaler Elektronenakzeptor für Reduktionsäquivalente zur Verfügung steht, werden die Elektronen auf andere Elektronenakzeptoren wie z. B. Nitrat, Eisen, Mangan, Sulfat oder Carbonat übertragen. Sind unter anaeroben Bedingungen auch diese anorganischen Elektronenakzeptoren nicht verfügbar, werden die Elektronen auf organische Zwischenprodukte des Stoffwechsels übertragen und es entstehen Gärprodukte wie z. B. Milchsäure aus Pyruvat oder flüchtige Fettsäuren und Alkohole aus Acetat. Diese Gärprodukte sind „reduzierter“ als ihre aus dem Stoffwechsel stammenden organischen Elektronenakzeptoren. Gärungen werden nach den dominierenden Abbauprodukten benannt, so z. B. Milchsäuregärung bei der Yoghurt-, Buttermilch- oder Silageherstellung, alkoholische Gärung bei der Bier- oder Weinbereitung bzw. der technischen Alkoholherstellung und Propionsäuregärung im Pansen von Rindern, in Anaerobreaktoren (Faulbehältern) von Kläranlagen oder in industriellen und landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Gärungen sind wichtig für die Haltbarmachung von Lebens- und Futtermitteln, sind aber auch die entscheidenden Prozesse für den anaeroben Abbau von Biomasse zu Sumpf-, Faul- oder Biogas im Anschluss an die Hydrolyse von pflanzlichen oder tierischen Biopolymeren. Bei einigen Gärungen, z. B. der Buttersäuregärung wird neben Butyrat und CO2 bereits molekularer Wasserstoff gebildet und ausgeschieden. Weiterer Wasserstoff entsteht bei der Acetogenese von Propionat, Butyrat, und höheren Fettsäuren, die aber nur bei sehr niedrigem Wasserstoffpartialdruck zu Acetat und CO2 umgesetzt werden können. Für einen vollständigen Abbau von z. B. Butyrat müssen Methanbakterien den Wasserstoff mit CO2 und auch das Acetat zu Methan umsetzen. Wasserstoff hat über den Partialdruck eine zentrale Regelfunktion für den anaeroben Abbau organischer Substanzen zu Biogas.
Bei den chemischen Grundlagen werden zunächst die chemischen Gleichgewichte incl. der Löslichkeit von Gasen, der Dissoziationsgleichgewichte und der Löslichkeitsprodukte vorgestellt, anschließend werden die chemischen Parameter und ihre Bedeutung bei der anaeroben Verfahrenstechnik und anschließend die Umwandlung des organischen Kohlenstoffs in Methan sowie die Bilanzierung beschrieben.
Claudia Gallert, Josef Winter, Karl Svardal
3. Einflussfaktoren auf die anaeroben biologischen Abbauvorgänge
Zusammenfassung
Im Kapitel 3 werden die wesentlichen Einflussfaktoren auf die anaeroben biologischen Abbauvorgänge beschrieben. Dazu gehören neben den physikalischen und chemischen Parametern und Randbedingungen wie Durchmischung und Feststoffgehalt im Reaktor, die Substratzusammensetzung und -konzentration. Weiterhin sind hemmende und toxische Stoffe, Ausfällprodukte und Spurenstoffe zu berücksichtigen. Chemische Reaktionen, und damit auch biochemische Reaktionen, sind stark temperaturabhängig. So lässt sich z. B. aus den Gesetzen der Thermodynamik ableiten, dass mit steigender Temperatur die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen zunimmt. Da die Stoffwechselprozesse von Organismen eine Vielzahl chemischer und biologischer Reaktionen sind, ist mit zunehmender Prozesstemperatur ein Ansteigen der Stoffwechselaktivität der Mikroorganismen zu erwarten. Eine beliebige Temperaturerhöhung ist verständlicherweise nicht möglich, da dies zu einer Veränderung biologischer Makromoleküle führen und einen normalen Stoffwechsel unmöglich machen würde. Hieraus resultiert, dass der maximale Stoffumsatz einer Organismenart nur bei bestimmten Temperaturen erreicht wird. Die Lage des optimalen Temperaturbereichs ist organismenspezifisch und kann je nach Organismenart unter 20 °C und bis zu über 80 °C betragen. Daher erfolgt häufig auch eine Einteilung der Mikroorganismen nach Temperaturbereichen, wobei der psychrophile (unter 20 °C), der mesophile (20 bis 40 °C) und der thermophile (über 40 °C) Temperaturbereich unterschieden werden.
Neben der Temperatur spielen zudem weitere Einflussfaktoren wie der pH-Wert, die Durchmischung, die Substratzusammensetzung, die Calzium- und Schwermetallkonzentrationen, die Nährsalzversorgung, Spurenelemente sowie hemmende und toxische Abwasserinhaltsstoffe eine wesentlichen Rolle für die Stabilität und die Geschwindigkeit des anaeroben Umsetzungsprozess.
Helmut Kroiss, Karl Svardal
4. Verfahrenstechniken zur Behandlung von Klärschlamm
Zusammenfassung
Im Kapitel 4 werden die Verfahren zur anaeroben Behandlung von Klärschlamm beschrieben, wobei zunächst auf die anfallende Klärschlammenge und -beschaffenheit und anschließend auf die anaerobe Behandlung kommunaler Schlämme incl. Technologie und Bemessung eingegangen wird. Weiterhin wird die Klärschlammdesintegration, die Schlammentwässerung und die Rückbelastung der Kläranlagen aus dem Schlammwasser sowie die Rückgewinnung von Wertstoffen vorgestellt. Nach der Klärschlammbehandlung wird die Co-Vergärung von organischen Reststoffen mit Klärschlamm mit einer Vielzahl von großtechnischen Beispielen erläutert; neben den prozesstechnischen Anforderungen werden auch die rechtlichen Grundlagen und vertraglichen Regelungen aufgezeigt. Klärschlamm ist die gewollte Senke der im Abwasser enthaltenen Inhaltsstoffe. Daher gilt es, für die sachgerechte Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Klärschlammbehandlung, möglichst zuverlässige Daten über die Klärschlammmengen und -beschaffenheiten zugrunde zu legen. Prinzipiell gilt, dass kein Klärschlamm dem anderen gleicht, auch wenn die sonstigen Rahmen- und Randbedingungen der Abwasserreinigung (gewähltes Verfahren, Struktur des Entsorgungsgebietes, Entwässerungsverfahren etc.) identisch scheinen. Die Behandlung kommunaler Schlämme und deren anschließende Beseitigung bzw. Verwertung ist ein wesentlicher Teilschritt der gesamten Abwasserreinigung. Dabei richten sich Art und Umfang der Schlammbehandlung maßgeblich nach der späteren Verwertung bzw. Beseitigung. In Abhängigkeit von der Art Beseitigung sind auch unterschiedliche Stabilisierungskriterien definiert. . Eine Möglichkeit zur Nutzung von teilweise erheblichen Reserven in Faulbehältern und zur energetischen Verwertung organischer Abfälle ist der Einsatz einer Co-Vergärung.
Dazu werden die Verfahren und Besonderheiten der Co-Vergärung, d.h. der gemeinsamen Vergärung von Klärschlamm (Basis-Substrat) und organischen Industrieabfällen, Gewerbeabfällen oder biogenen Abfällen aus der getrennten Sammlung (Co-Substrate) vorgestellt.
Karl-Georg Schmelz, Norbert Dichtl
5. Anaerobe Abwasserbehandlung zur Kohlenstoffelimination
Zusammenfassung
Das Kapitel 5 beschreibt die Besonderheiten der anaeroben Abwasserbehandlung u.a. im Vergleich zu einer Schlammbehandlung mit hier deutlich geringeren Feststoffgehalten aber höheren Massenströmen. Neben den Vor- und Nachteilen der Anaerobtechnik werden insbesondere die bei der Behandlung von organisch verschmutzen Industrieabwässern eingesetzten Reaktoren vorgestellt. Die verschiedenen Reaktortypen werden im Hinblick auf ihre Vor- und Nachteile sowie ihre Einsetzbarkeit, Bemessung und technischen Details erläutert. Im Vergleich zu aeroben Verfahren liegt der Vorteil anaerober Verfahren insbesondere im geringen Energiebedarf, in der niedrigen Schlammproduktion und in der Biogasproduktion. Sie sind vor allem für die Behandlung organisch hochbelasteter Abwässer interessant. In Abhängigkeit von der Abwassercharakteristik werden hierbei z.B. sog. anaerobe Belebungsverfahren mit einem volldurchmischten Reaktor und Nachklärung, UASB-Reaktoren mit integriertem Dreiphasenabscheider oder deren Weiterentwicklung die EGSB-Reaktoren eingesetzt. Weitere Reaktortypen mit z.T. hohen spezifischen Umsatzraten sind darüber hinaus Fließbettreaktoren, Festbettreaktoren und anaerobe Membranreaktoren.
Anaerobe Verfahren zur Behandlung von kommunalen Abwässern stellen vor allem in tropischen und subtropischen Ländern - u. a. aufgrund der dort herrschenden höheren Abwassertemperaturen - eine zunehmend bedeutende Alternative zu aeroben Systemen dar.
Linda Hinken, Ute Austermann-Haun, Hartmut Meyer, Ingo Urban
6. Anwendung in der Lebensmittelindustrie
Zusammenfassung
Im Kapitel 6 wird die Anwendung der anaeroben Verfahrenstechnik bei der Behandlung von Abwässern aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie vorgestellt. Dazu wird eine Vielzahl von großtechnischen Anwendungen unterschiedlicher Reaktortypen und unterschiedlicher Gesamtkonzepte von insgesamt 24 Autoren aus der Praxis beschrieben. Mit den Angaben zu einzelnen Bemessungsdetails und Erfahrungswerten sind viele Erkenntnisse für die praktische Nutzung besonders wertvoll. Der Einsatz anaerober Verfahren im industriellen Bereich beschränkte sich zunächst auf Brauereien, Brennereien und weitere Anlagen in der Lebensmittelindustrie (1960 -80er Jahre). Obwohl die Anaerobtechnik grundsätzlich bei allen Industrieabwässern mit organischen Inhaltsstoffen eingesetzt werden kann und mittlerweile auch eingesetzt wird, ist die Anwendung in Deutschland im Lebensmittel- und Getränkebereich immer noch besonders weit verbreitet. Abhängig von der Abwassercharakteristik unterscheiden sich die eingesetzten anaeroben Reaktoren sowie die notwendigen Verfahrensschritte zur Vor- und Nachbehandlung des Abwassers. Dazu werden geeignete Verfahren und praktische Beispiele aus nahezu allen Bereichen der Lebensmittelindustrie (Fruchtsaftindustrie, Erfrischungsgetränkeindustrie, Brauereien, Schlacht- sowie Fleisch- und Fischverarbeitungsbetriebe, Stärke-Herstellung, Kartoffelveredelungsindustrie, Pektinfabriken, Zuckerindustrie, Ethanolherstellung , Hefeindustrie, Süßwarenindustrie Molkereien) vorgestellt.
Roland Lange, Ute Austermann-Haun, Karl-Heinz Rosenwinkel, Ulrike Abeling, Peter Hartwig, Matthias Barjenbruch, Manja Steinke, Michael Saake, Friedrich Althoff, Martin Lebek, Matthias Krüger, Hans-Joachim Jördening, Helmut Kroiss, Karl Svardal, Ludz Wilkening, Axel Borchmann, Reinhard Finke, Linda Hinken, Niklas Trautmann, Alvaro Carozzi, Dieter Kraushaar, Robert Ristow
7. Anwendung für organisch und anorganisch belastete Abwässer anderer Industriebereiche
Zusammenfassung
Das Kapitel 7 beschäftigt sich mit der Anwendung anaerober Technologien bei organisch verschmutzen Abwässern aus der Zellstoff- und Papierindustrie sowie der Verarbeitung tierischer Nebenprodukte. Weiterhin werden Anlagen zur anaeroben Behandlung von anorganisch belasteten Abwässern aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie behandelt. An diesem Kapitel haben 10 unterschiedliche Autoren aus der Praxis mitgewirkt, um die wesentlichen Aspekte der Anwendung berücksichtigen zu können und den Wert für den praktischen Nutzer zu erhöhen. Seit den 1980er-Jahren erfolgte ein vermehrter Einsatz anaerober Verfahren auch in der Papier- und Zellstoffindustrie. Am häufigsten wird das Verfahren bei den Herstellern von Verpackungspapieren aus Altpapier angewendet, insbesondere bei den Wellpappenrohpapieren, die mit geringen spezifischen Abwassermengen produziert werden können. Auch die Brüdenkondensate aus der Eindampfung verbrauchter Kochsäure oder Ablauge aus der Zellstofferzeugung (EDA (Eindampfanlage)-Kondensate) eignen sich sehr gut für die anaerobe Reinigung, die im Bereich der Sulfitzellstofferzeugung auch verbreitet technisch eingesetzt wird.
Auch die Anwendbarkeit anaerober Abwasserreinigungsverfahren bei Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte ist durch mehrere Untersuchungen mit Schwerpunkt im Zeitraum zwischen etwa 1980 -1990 gut dokumentiert. Zudem werden etwa seit 1990 auch Abwässer aus der chemischen Industrie sowie anorganische sulfathaltige Abwässer anaerob vorbehandelt.
Es werden die Besonderheiten bei der anaeroben Abwasserbehandlung dieser Industriebranchen in Abhängigkeit von der Abwasserzusammensetzung sowie großtechnische Beispiele und Erfahrungen vorgestellt.
Christian H. Möbius, Ingrid Demel, Andreas Schmid, Uwe Temper, Alvaro Carozzi, Cees Buisman, Jan Weijma, Huub H. M. Rijnaarts, Tim L. G. Hendrickx, Martin Brockmann
8. Anlagen zur Erzeugung von Bioenergie
Zusammenfassung
Im Kapitel 8 wird die Anwendung anaerober Technologien sowohl für die Erzeugung von Bioenergie aus landwirtschaftlichen Vergärungsanlagen als auch für die Vergärung von Bio- und Grünabfällen sowie von Restabfällen behandelt. Vergärungsanlagen im Bereich der Landwirtschaft und der Abfallwirtschaft dienen sowohl der Erzeugung von Bioenergie als auch zur Verbesserung der Eigenschaften der Einsatzstoffe. In landwirtschaftlichen Anlagen werden vorzugsweise tierische Exkremente und Reststoffe aus der Pflanzenproduktion sowie speziell für die Energieproduktion angebaute nachwachsende Rohstoffe eingesetzt, die einzeln oder in Mischung zur Anwendung kommen. In der Abfallwirtschaft hingegen werden vorzugsweise kommunale Bio- und Grünabfälle sowie Restabfälle eingesetzt. Aufgrund der unterschiedlichen Substrateigenschaften, der verschiedenartigen Zielstellung und der rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgte eine eigenständige Entwicklung in der Landwirtschaft und Abfallwirtschaft, so dass sich die Vergärungsverfahren und -prozesse weitgehend unterscheiden. Zur Entwicklung und Anwendung der Verfahren hat die gesetzlich festgelegte feste Vergütung für die erzeugte Bioenergie nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ganz wesentlich beigetragen. Mit der Pflicht zur Getrenntsammlung von Biogas ab 2015 und dem steigenden Bedarf an flexibel bereitgestellter Energie zum Ausgleich der durch Wind- und Solaranlagen verursachten Lastschwankungen im Stromnetz nimmt die Bedeutung von Vergärungsverfahren weiter zu.
Peter Weiland, Klaus Fricke, Christof Heußner, Axel Hüttner, Thomas Turk
9. Sicherheit und Umweltrelevanz
Zusammenfassung
Im Kapitel 9 werden die Sicherheit und die Umweltrelevanz beim Einsatz der anaeroben Technologie behandelt. Das als Endprodukt des anaeroben Abbaus von organischen Substanzen anfallende energiereiche Gas wird als Biogas oder Faulgas bezeichnet. Die Menge und Zusammensetzung des produzierten Biogases hängt von verschiedenen Faktoren ab wie z. B. von der Konzentration bzw. Fracht der zugeführten, abbaubaren organischen Substanzen.
Während der Methangehalt des Biogases die energetische Verwertbarkeit des Gases bestimmt, beeinflussen die weiteren Gasbestandteile wie z. B. Schmutzpartikel, Feuchtigkeit, Schwefelwasserstoff und andere Spurenstoffe die notwendigen Aufbereitungsverfahren, um die energetische Nutzung sowohl wirtschaftlich, als auch im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen (Abgasemissionen!) sicherzustellen. Der Methananteil führt auch dazu, dass Faulgas zusammen mit dem Sauerstoff der Luft gefährliche explosionsfähige Atmosphären bilden kann. Beim Umgang mit Faulgas müssen daher entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. In diesem Kapitel werden Verfahren zur Gasaufbereitung, Reaktoren zur Speicherung des anfallenden Gases sowie relevante Sicherheitsaspekte vorgestellt.
Durch das bei anaeroben Prozessen entstehende Biogas können nahezu CO2-neutral fossile Brennstoffe substituiert werden. Bei der Betrachtung des Carbon Footprints der Behandlungsverfahren müssen auch der Eigenbedarf sowie die Methanfreisetzungen betrachtet werden, da diese - aufgrund des hohen Treibhausgaspotentials von Methan - die Bilanz erheblich beeinflussen können. Beispielhaft wird in diesem Kapitel die CO2-Bilanz für eine Anaerobanlage aufgestellt.
Jürgen Oles, Frank Büßelberg, Martin Brockmann
10. Verfahren der biologischen Stickstoffelimination unter Berücksichtigung der anaeroben Ammoniumoxidation
Zusammenfassung
Im Kapitel 10 wird die Elimination von Stickstoff unter anaeroben Bedingungen beschrieben und der heutige Stand der Technik in der Anwendung dieser Technologie vorgestellt. Die biologische Stickstoffentfernung wird in der Regel als aerobe Abwasserbehandlung klassifiziert, da Auslegung, Betrieb und Kosten wesentlich durch den hohen Sauerstoffbedarf für die Ammoniumoxidation dominiert werden. Tatsächlich handelt es sich jedoch bei den wesentlichen Umsetzungsschritten zur Umwandlung vom gelösten zum gasförmigen Stickstoff um anaerobe mikrobiologische Prozesse: neben der heterotrophen Denitrifikation zählt dazu auch die anaerobe Ammoniumoxidation (Anammox), die erst in den 1990er Jahren für die technische Anwendung entdeckt wurde. Die anaerobe Ammoniumoxidation ermöglicht in Kombination mit einer partiellen Nitritation eine komplett autotrophe Stickstoffentfernung ohne Verbrauch von organischen Kohlenstoffverbindungen. Somit stehen neue Wege einer gezielten Entkopplung von Kohlenstoffumsetzung und Stickstoffumsetzung zur Verfügung, welche zum einen durch eine vermehrte Verlagerung der Kohlenstoffumsetzung auf anaerobe Verfahren und damit die Nutzung erheblicher energetischer Potenziale (Biogasgewinn) möglich macht und zum anderen den Energieverbrauch direkt reduziert durch einen um etwa 60% verringerten Sauerstoffbedarf. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die mikrobiologischen und verfahrenstechnischen Grundlagen und Randbedingungen der derzeit verfügbaren Stickstoffeliminationsverfahren mit deutlichem Schwerpunkt auf den Verfahrensvarianten der Deammonifikation (partielle Nitritation+Anammox). Anhand von drei Beispielanlagen werden am Ende des Kapitels verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten und erreichbare Umsatzleistungen vorgestellt.
Maike Beier, Yvonne Schneider
Backmatter
Metadata
Title
Anaerobtechnik
Editors
Karl-Heinz Rosenwinkel
Helmut Kroiss
Norbert Dichtl
Carl-Franz Seyfried
Peter Weiland
Copyright Year
2015
Publisher
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-24895-5
Print ISBN
978-3-642-24894-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-24895-5