Viele junge Menschen verzichten bei der Geldanlage auf eine persönliche Beratung. Sie nutzen günstige Angebote von Neobrokern und holen sich Finanztipps aus dem Netz. Die Qualität dieser Ratgeber spielt dabei oft keine Rolle. Das kann zu finanziellen Verlusten führen, zeigt eine Umfrage.
Online-Banking und digitale Geldanlagen sind in Deutschland weit verbreitet. Nicht zuletzt Neobroker wie N26 oder Trade Republic haben diese Entwicklung vorangetrieben. Sie bieten vor allem den Kunden besonders kostengünstige Konditionen, die keinen Wert auf individuelle Beratung legen. Dennoch bleibt der persönliche Kontakt für mehr als drei Viertel (76 Prozent) der Deutschen wichtig, wenn es um langfristige und anspruchsvolle Kapital- und Aktienanlagen geht. Das zeigt die Sommerauflage des Deutschen Geldanlage-Index, für den im Juli das Meinungsforschungsinstitut Insa Consulere rund 2.000 Personen ab 18 Jahren im Auftrag des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) befragte.
Immerhin traut sich ein knappes Viertel zu, Aktiengeschäfte allein und ohne Beratung durchführen. "Das offenbart einen beachtlich großen Markt für die reine Online-Geldanlage. Eines der Hauptmotive dürften dabei niedrige Gebühren sein", kommentiert Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA, dieses Ergebnis. Dies habe aber eine Kehrseite: "Mancher Neobroker mit Banklizenz hat erhebliche Servicedefizite, von fehlerhaften Depotüberträgen über verspätete Buchungen bis hin zu mangelhafter telefonischer Erreichbarkeit."
Apps, Podcasts und Finfluencer als Ratgeber
Insgesamt zeigen sich vor allem junge Menschen offen für Informationsangebote zur eigenen Finanzverwaltung aus dem Netz: 70 Prozent der 18- bis 29-Jährigen kennen einschlägige Finanz-Websites oder -Podcasts, Anlage-Apps oder virtuelle Ratgeber, sogenannte Finfluencer. Unter den 50- bis 64-Jährigen sind es immerhin 42,6 Prozent. Rund ein Drittel dieser Gruppe nutzt solche Quellen auch für konkrete Anlageentscheidungen.
36 Prozent zweifeln an der zugrunde liegenden Fachkenntnis und 34 Prozent vermuten, dass die Ratschläge nicht objektiv sind. 40 Prozent wünschen sich gesetzliche Regelungen zur Sicherstellung von Qualität und Struktur dieser Informationsangebote. Dass ihnen dennoch viele Menschen vertrauen, sieht DIVA-Direktor Heuser mit Skepsis: "Mancher scheint bei seinen Finanzdingen gutgläubig und zum Teil naiv im Internet unterwegs zu sein."
Finanzielle Verluste durch Internet-Tipps
Dass viele dieser Tippgeber im Internet kaum kontrolliert werden, kritisiert auch Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung - einer der Trägerverbände des DIVA. "Im Internet macht jeder, was er will. Es wimmelt von Ratgebern, die gelinde gesagt oberflächlich und einseitig informieren und nur auf den schnellen Abschluss aus sind", lautet seine Kritik. Der Umfrage zufolge haben bereits knapp 30 Prozent der 18- bis 29-Jährigen finanzielle Verluste durch Tipps aus dem Internet erlitten.
Der Experte fordert daher ein sogenanntes Equal-Level-Playing-Field, also gleiche Bedingungen für alle Finanzdienstleister, die den Verbraucherschutz auch im Internet gewährleisten. Viele Ratgeber im Netz seien weder qualifiziert noch lizenziert, während regulierte Berater strengen Auflagen unterliegen.