Um integres Unternehmenshandeln zu ermöglichen, bedarf es einer moralsensitiven Governance des Unternehmens, die den Unternehmensmitgliedern Orientierung gibt und das gewünschte Handeln fördert. In diesem Kapitel werden die Ansätze einer Compliance- und einer Integrity-Strategie erörtert, die regel- und wertebewusstes Handeln fördern sollen. Anhand der Differenzen beider Ansätze wird geschlussfolgert, dass es in der Praxis einer Verbindung von Compliance- und Integrity-Ansätzen bedarf, um integres Unternehmenshandeln sicherzustellen.
In den Bilanzen von WorldCom waren Fehlbuchungen über insgesamt 11 Mrd. US$ enthalten (Zeit Online 2005), Enron hat jahrelang in massivem Ausmaß die Bilanz gefälscht (Capital-Redaktion 2014), Siemens hat über viele Jahre umfangreich Bestechungsgelder bezahlt (Hildebrand 2008).
Vertrauen kann hier verstanden werden als die Erwartungshaltung gegenüber einem (möglichen) Kooperationspartner, dass sich dieser nicht-opportunistisch verhält (Grüninger 2001, S. 111).
Die Diskussion um die (moralische) Verantwortung von Unternehmen wird von vielen Ansätzen behandelt, die unter anderem unter den Begriffen der Corporate (Social) Responsibility (CSR), Corporate Citizenship (CC), Nachhaltigkeit bzw. Sustainability diskutiert werden. CSR-Ansätze betonen dabei die Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, CC-Ansätze fragen nach der Verantwortung von Unternehmen verstanden als „Bürger“, Nachhaltigkeitsansätze untersuchen die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf aktuelle und zukünftige Generationen unter besonderer Berücksichtigung ökologischer und vermehrt auch sozialer Aspekte. Integrity-Ansätze unterscheiden sich hiervon, da sie neben der moralischen Verantwortungsübernahme, die in je unterschiedlicher Weise in allen Ansätzen eine Rolle spielt, auch die Einhaltung unternehmenseigener Werte und Prinzipien umfassen. Aufgrund des Schwerpunkts der Arbeit auf dem Integritätsbegriff wird auf eine weitergehende Behandlung anderer Ansätze der Unternehmensverantwortung verzichtet.
Beschorner 2005, S. 47. Nach Beschorner kann somit weder der Compliance-Ansatz noch der Integrity-Ansatz eine Unternehmensethik darstellen, da „wir keine Unternehmensethik ohne beide Elemente, eine Individual- und Institutionenethik konzipieren können“ (ebd.).
Wieland 2011a, S. 35 f. Wieland spricht in diesem Kontext von Wertemanagement, Compliance und CSR-Management als Teilbereichen und Tools des Strategischen Normativen Managements (ebd.).
Von einem Integrity- bzw. Compliance-Ansatz sprechen unter anderem Steinmann/Olbrich 1998, S. 75; Kaptein/Wempe 2002, S. 86; Beschorner 2005, S. 48 f.; Rasche/Esser 2007, S. 107 f.
Verhezen 2008, S. 142. Claussen wiederum stellt fest, „dass Antikorruptionsmaßnahmen mit einer Compliance- oder einer Integrity-Orientierung unterschiedlich ansetzen, auch wenn Instrumente und Resultate möglicherweise ähnlich sind.“ (Claussen 2011, S. 40 [Hervorh. L. S.]).
Die Verletzung rechtlicher Normen kann z. B. durch Geld- oder Gefängnisstrafen sanktioniert werden, während die Verletzung moralischer Normen „nur“ zu gesellschaftlicher Ächtung o. Ä. führen kann.
Dies trifft nur dann nicht zu, wenn Gesetze ein Verhalten vorschreiben, das gegen fundamentale gesellschaftliche Grundwerte verstößt. In diesem Fall kann integres Handeln eine Gesetzesverletzung erfordern.
Vgl. u. a. Treviño et al. 1999, S. 137 f.; Rossouw/van Vuuren 2003, S. 397. Im Gegensatz hierzu wird der Compliance-Ansatz manchmal als „rule-based approach“ bezeichnet (Rossouw/van Vuuren 2003, S. 396).
Das in dieser Arbeit vorgestellte Instrument des Integrity Managements beinhaltet viele der Elemente eines Wertemanagement-Ansatzes (siehe Kap. 5), unterscheidet sich aber insofern, als es das Konzept der Integrität und die damit verbundenen Anforderungen in den Mittelpunkt rückt. Die daraus resultierenden Handlungsvorschläge differieren von denen eines Wertemanagements. Bei Letzterem kann eine Umsetzung gegebenenfalls auch auf der Basis anderer Werte als dem der Integrität erfolgen (vgl. Talaulicar 2006, S. 364).
Paine 1994, S. 113. Hiermit wird nicht nur der unterschiedliche Fokus (Recht und Moral) deutlich, sondern auch, dass es bei Compliance primär um ein bestimmtes Verhalten geht, wobei Verhalten definiert werden kann als jede Form von Reaktion einer Person auf bestimmte Situationen, also z. B. auf bestimmte Regelanforderungen oder Sanktionsandrohungen. Bei Integrity hingegen steht die Förderung eines bestimmten Handelns im Zentrum, also eine bewusste, willentliche und zielgerichtete Tätigkeit (Fenner 2008, S. 34; vgl. Steinmann/Kustermann 2009, S. 218).
Die in der Tabelle dargestellten Unterscheidungen beziehen sich nicht notwendig auf die Positionen der jeweils zitierten Autoren, sondern bilden zum Teil auch Referate anderer Positionen ab.
Wie zuvor erwähnt wird hier bewusst der Ausdruck Verhalten an Stelle von Handeln verwendet (vgl. auch Wieland 2016, S. 303), da dies den unterschiedlichen Fokus im Vergleich zu einem Integrity-Ansatz nochmals verdeutlicht. Das Ansinnen von Compliance ist es, Fehlverhalten durch Konformität mit extern auferlegten Regeln zu verhindern; es genügt demnach, wenn sich die betroffenen Personen ohne eine willentliche und bewusste Entscheidung konform verhalten.
Ebd. Im Kontrast dazu – ebenso wie weitgehend zum hier vorgestellten Compliance-Ansatz – behaupten Rossouw und van Vuuren bei ihren fünf „modes of managing morality“: „The compliance mode of managing ethics represents a substantial move away from the reactive mode. Companies in compliance mode commit themselves to monitoring and managing their ethics performance.“ (Rossouw/van Vuuren 2003, S. 396).
Vgl. Fürst 2014a, S. 645. Als Beispiel für systematisches Fehlverhalten können diverse kriminelle Praktiken innerhalb der Deutschen Bank genannt werden (bspw. der Betrug beim Geschäft mit Hypothekenkrediten oder die Manipulation des Libor-Zinssatzes).
Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex 2015, S. 6. Hierbei wird auch von der sog. Legalitätspflicht der Unternehmensleitung gesprochen (vgl. Grüninger et al. 2014b, S. 42). Für weitere Ausführungen hierzu siehe Steinmeyer/Späth 2014, S. 261 f.
Compliance zielt demnach im Kern nicht darauf ab, Gesetze hinsichtlich ihrer Möglichkeit, gegebenenfalls schon fragwürdiges Verhalten zu legitimieren, auszureizen bzw. Schlupflöcher zu suchen. Fortschrittliche Compliance kann vielmehr bedeuten, „die ordnungspolitische Mitverantwortung für eine gute Ordnung der Wirtschaft bzw. zur Beseitigung einer verfehlten ordnungspolitischen Steuerung der Wirtschaft im Auge zu behalten“ (Thielemann 2005b, S. 13).
Risiken können nach einem verbreiteten Verständnis im Unternehmenskontext als potenzielle Ereignisse definiert werden, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten und die Erreichung von Zielen einer Organisation in Gefahr bringen (vgl. u. a. Wengert/Schittenhelm 2013, S. 2 f.; Herzog 2014, S. 232; Otremba 2014, S. 530).
Als prominentes Negativbeispiel für die Einhaltung von Anstandsregeln sei hier der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann erwähnt, der am Eröffnungstag des Mannesmann-Prozesses im Jahr 2004 im Gerichtssaal mit seinen Fingern ein Victory-Zeichen machend fotografiert wurde.
Deshalb kann hier von Risiken der Social Compliance gesprochen werden, insofern die Verletzung von gesellschaftlich anerkannten Normen ein mit möglicherweise negativen Konsequenzen verbundenes Risiko für ein Unternehmen darstellt.
Die Bedeutung von „social“ ist hier analog zum Ansatz der „Corporate Social Responsibility“ zu verstehen, mit dem die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen beschrieben wird. Social Compliance und CSR sind dabei eng verwandt – so sprechen einige sogar von „CSR-Compliance“ (ebd., S. 134). Bei CSR zeigt sich im Unterschied zu Social Compliance jedoch eine gewisse Akzentverschiebung: Bei CSR geht es nicht darum, was die Gesellschaft mittels breit anerkannter Normen von Unternehmen verlangt, sondern was deren Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ist – auch ohne dass diese konkret eingefordert wird. Der Begriff der Verantwortung steht hier demnach mehr im Fokus und weist darauf hin, dass Unternehmen nicht nur gesellschaftliche Normen einhalten (Compliance), sondern der Gesellschaft gegenüber auch „Rede und Antwort“ (Verantwortung) stehen sollten, also ihr Handeln gesellschaftlich rechtfertigen können müssen. Dieser Perspektivwechsel bei CSR im Vergleich zu Compliance-Ansätzen steht der bei einem Integrity-Ansatz eingenommenen Perspektive nahe.
Grüninger 2014, S. 43. Zu spezifisch wirtschaftskriminellen Compliance-Verstößen zählen z. B. Korruption, Untreue oder Geldwäsche. Aber auch etwa Fragen des Datenschutzes oder des Umweltstrafrechts zählen zum Gegenstandsbereich der Compliance.
Der Gesamtschaden eines Delikts setzt sich aus dem eingetretenen Verlust, entgangenen Gewinn, Ermittlungs- und Folgekosten zuzüglich Bußgeldern, Geldstrafen und eventuellen Gewinnabschöpfungen zusammen (KPMG 2016, S. 13).
Siehe zu sogenannten „organizational blocks“ auch Waters 1991, S. 283 ff. sowie Steinmann/Löhr 1994, S. 32 ff. Diverse solcher organisationalen Hindernisse kommen in Abschn. 5.3 zur Sprache.
Gleißner und Romeike schlagen an Stelle der binomialverteilten Beschreibung von Risiken mittels Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe (die nur auf Risiken zutrifft, die genau zwei Zustände kennen: entweder das Risiko tritt ein oder es tritt nicht ein) eine Beschreibung z. B. mittels Normalverteilung oder Dreiecksverteilung (worst case, realistic case, best case) vor (Gleißner/Romeike 2012, S. 17 f.).
Vgl. Zeit Online 2014. Auf Landesebene sind entsprechende Register bereits im Jahr 2004 in Nordrhein-Westfalen (Korruptionsbekämpfungsgesetz) und 2006 in Berlin (Korruptionsregistergesetz) eingerichtet worden.
Vgl. Steinmeyer/Späth 2014, S. 278. Der Begriff des ausländischen Amtsträgers (engl. „foreign official“) wird dabei im US-amerikanischen Recht viel breiter ausgelegt als im deutschen Recht. Er umfasst „auch private juristische oder natürliche Personen, sofern sie im Auftrag des Staats, wie etwa ein Architekt bei einem Bauvorhaben der öffentlichen Hand, tätig werden“ (Härig 2009, S. 67).
Die vom Gesetz betroffenen Unternehmen müssen Güter und Dienstleistungen im Vereinigten Königreich anbieten und einen Umsatz von mehr als 36 Mio. Pfund haben (vgl. Home Office 2015). Siehe für die Anwendung des Modern Slavery Act auf deutsche Unternehmen Doris/Zimmer 2016.
Wieland/Grüninger 2014, S. 109. Grundsätzlich ist dabei auch der Einfluss des Geschäftsmodells, der Branche, der Größe, der Internationalität und der Organisationsstruktur eines Unternehmens zu berücksichtigen, worauf im Rahmen der Arbeit nicht näher eingegangen werden soll. Siehe ausführlich zur Berücksichtigung unternehmensindividueller Faktoren bei der Ausgestaltung eines CMS Grüninger et al. 2014a und Grüninger et al. 2014b.
Wieland 2008a, S. 160. Eine Erläuterung diverser Strategien, die je nach Charaktertyp („Praktiker“, „Verdienstvolle“, „Gesetzesunabhängige“, „Spieler“) zum Abbau kognitiver Dissonanzen bei regelverletzendem Verhalten herangezogen werden, findet sich ebd., S. 160 f.
Beschorner 2005, S. 48; Bussmann 2009, S. 515; Wieland 2014b, S. 23. Die befürchtete Behinderung von kreativen Geschäftsmodellen mag eine Begründung dafür sein, warum in manchen Bereichen, etwa im Bankwesen, vorhandene Compliance-Systeme nicht konsequent durchgesetzt wurden (siehe z. B. vergangene und aktuelle Compliance-Fälle bei der Deutschen Bank AG (vgl. Fischer 2016)).
Im Compliance Management muss nicht erst ermittelt werden, was richtig ist, sondern wie diesen Anforderungen geschäftsstrategisch und präventiv begegnet wird, z. B. was den Eintritt in korruptionsanfällige Märkte angeht.
Ebd. Compliance macht sich hingegen zur Aufgabe, unerwünschte Verhaltensoptionen durch konkrete Regeln u. Ä. zu „schließen“; das Ziel kann auch als „Konformität“ ausgedrückt werden (ebd.).
Paine spricht daher auch von „unexpected contributions to competitiveness, work environment, and key relationships on which the company depends.“ (Paine 1994, S. 112 [Hervorh. L. S.]). Diese Vorteile sind also nicht direkt intendiert, gehen jedoch mit einer Integrity-Strategie einher. Eine rein instrumentelle Sichtweise – wenn also moralisches Handeln ausschließlich zur Erfüllung anderer Zwecke angestrebt wird – wäre eine „contradictio in adjecto“, da Integrität ja gerade die Legitimität und nicht die Erfolgsdienlichkeit zum Referenzpunkt macht (Thielemann 2005, S. 35). Deshalb spricht Wieland im Rahmen seiner Theorie auch von einem „moralökonomischen Paradoxon“, das sich darin manifestiert, dass die Intentionalität der Governanceethik scheinbar deren Nichtintentionalität voraussetzt, d. h. „daß positive ökonomische Konsequenzen moralischer Handlungen nur dann […] erreicht werden können, wenn letztere moralisch gewollt sind“ und nicht ökonomisch (Wieland 1999, S. 81).
Vgl. u. a. Paine 2003, S. 115 ff. Aktuelles Beispiel hierfür ist die von der Europäischen Kommission verabschiedete Richtlinie zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen (sog. CSR-Richtlinie), die zum Ziel hat, die Transparenz bei sozialen und ökologischen Themen in der Wirtschaft zu erhöhen.
Ein impliziter oder relationaler Vertrag kann beispielsweise bei einem Arbeitsvertrag – der gleichzeitig einen expliziten Vertrag darstellt (u. a. hinsichtlich der Arbeitszeit und der Vergütung) – das Versprechen des Arbeitgebers sein, Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und das des Arbeitnehmers, kreativ zu sein.
Vgl. Shaw 1997, S. 77. Diese Verbindung von Vertrauen und Integrität bringt auch Peter F. Drucker zum Ausdruck: „The final requirement of effective leadership is to earn trust. Otherwise there won’t be any followers – and the only definition of a leader is someone who has followers. To trust a leader, it is not necessary to like him. Nor is it necessary to agree with him. Trust is the conviction that the leader means what he says. It is a belief in integrity.“ (Drucker 2008 [1974], S. 290).
Wieland 2014b, S. 32. Beim Beispiel Arbeitsvertrag wird so etwa der Arbeitnehmer nicht jeden seiner Ansprüche schriftlich im Vertrag fixieren wollen, was zu längeren und komplizierteren Verhandlungen führen würde, wenn er darauf vertrauen kann, dass auch informelle Abmachungen in dem Unternehmen eingehalten werden.
Dies sollte im Idealfall in Anlehnung an Kant weg von einem bloß „pflichtmäßigen“ Verhalten hin zu einem „Handeln aus Pflicht“ führen, d. h. aus moralischer Einsicht (Kant 1974 [1785], S. 23; vgl. Thielemann 2005a, S. 33).
Ebd. Auch ein Compliance-Programm muss dementsprechend nach Ansicht Grüningers an den Grundwerten des Unternehmens ausgerichtet sein und von der Unternehmenskultur getragen werden (Grüninger 2014, S. 52 f.).
Vgl. u. a. Steinmann/Löhr 1994, S. 28. Die Aufgabe der Unternehmensethik nach Steinmann und Löhr ist es deshalb, die Verfolgung des Gewinnziels insoweit zu begrenzen, wie dies nötig ist, um ein moralverträgliches unternehmerisches Gewinnstreben zu ermöglichen. Unternehmensethik solle als Korrektiv im marktwirtschaftlichen System wirken.
Vgl. u. a. die Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker, die unter anderem wegen der Berichterstattung über schlechte Arbeitsbedingungen und einer damit zusammenhängenden negativen Reputation zahlreiche Kunden verlor, im Gegensatz zur Drogeriemarktkette dm-drogerie markt, die als fairer Arbeitgeber gilt und stark wächst (Welt 2009; Guhlich 2015).
Wie schon erwähnt werden mit den moralischen Aspekten auch die legalen Aspekte (Compliance) einer Transaktion relevant, da im Wesentlichen fast alle illegalen Aktivitäten auch unmoralisch sind (vgl. Schwartz/Carroll 2014, S. 118). Somit könnte man auch sagen, dass bei Integrity-Themen die ökonomische, moralische und legale Dimension einer Transaktion eine Rolle spielen.
Diskutiert werden könnte in diesem Zusammenhang etwa, ob der unternehmensinterne Umgang mit frei zugänglichen personenbezogenen Informationen im Internet ein solches Thema darstellt.
Nachhaltigkeit kann hier entsprechend der verbreiteten Definition im Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen von 1987 grundsätzlich verstanden werden als „development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (World Commission of Environment and Development 1987, S. 41).
Maak 2008, S. 363. Die Forderung alle Stakeholder zu berücksichtigen, impliziert, dass Stakeholder Personen oder Gruppen sind, die legitime Interessen gegenüber dem Unternehmen vertreten.
Ein Interessenkonflikt liegt dann vor, wenn die primären Interessen einer Entscheidung in der Rolle als Unternehmensmitglied mit sekundären (vor- oder nachteiligen) persönlichen Auswirkungen einhergehen.
Die Natur spielt dabei weniger als eigenständiger Wert eine Rolle, sondern als notwendige Ressource für die Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen. Zur Frage, ob die Natur als eigenständiger Stakeholder von Unternehmen berücksichtigt werden sollte siehe Starik 1995 sowie Phillips/Reichart 2000.
Damit unterscheiden sich Integrity-Themen teilweise von klassischen Themen der Corporate Social Responsibility (CSR) und bilden nicht allein die gängigen Themen der Nachhaltigkeit ab, da sie über moralische Grundwerte hinaus – die vorwiegend in CSR- und Nachhaltigkeitsansätzen behandelt werden – die Verwirklichung unternehmensidividueller Werte umfassen. Dadurch kann der thematische Gegenstand eines Inegritäts-Ansatzes je nach Ausgestaltung durch das Unternehmen weiter oder enger sein als bei anderen Ansätzen der Unternehmensverantwortung und ist in der Regel stärker mit der Identität des Unternehmens verknüpft.
Konzeptionell lassen sich diverse Verantwortungsdimensionen voneinander unterscheiden, nach Ropohl z. B. sieben: wer (Individuum, Gesellschaft etc.), was (Handlung, Unterlassung), wofür (vorhersehbare oder unvorhersehbare Folgen), weswegen (Gesetze, Werte etc.), wovor (Gericht, Gewissen etc.), wann (z. B. prospektiv) und wie (Verursachung, Haftung etc.) (Ropohl 1996, S. 74 f.). Für grundsätzliche Fragen der Verantwortungsklärung siehe auch Abschn. 5.3.1.2. Fragen konkreter Verantwortungszuschreibungen können aufgrund ihrer Komplexität und ihres Umfangs im Rahmen der Arbeit nicht im Detail behandelt werden.
Die Bearbeitung solcher Integrity-Themen ist offensichtlich nicht alleinige Aufgabe eines integritätsorientierten Unternehmens, sondern kann oft nur in Zusammenarbeit mit einem weiten Kreis an Stakeholdern, wie Regierungen, Nichtregierungsorganisationen etc. erfolgen (siehe hierzu auch Abschn. 5.3.1).
Dies ist auch ein Grund dafür, warum hier von Integrity-Themen und nicht von Integrity-Risiken die Rede ist: Der Risikobegriff bezeichnet ein Ereignis, das die Erreichung von Zielen gefährdet und wird im Unternehmenskontext meistens anhand der möglichen negativen Auswirkungen auf die Profitabilität eines Unternehmens (Schaden) gemessen. Da bei einem Compliance-Ansatz die Verhinderung rechts- und regelwidrigen Verhaltens aufgrund des letztlich damit verbundenen ökonomischen Schadens im Fokus steht, ist dort die Rede von Compliance-Risiken angebracht. Bei einem Integrity-Ansatz hingegen steht die Förderung moralischen Handelns im Zentrum, was aufgrund der Eigenart von Moral, um ihrer selbst willen angestrebt zu werden, eine Verrechnung mit anderen bspw. ökonomischen Faktoren unzulässig macht. Von Risiken zu reden, würde darüber hinaus gegebenenfalls zur Vernachlässigung von einzelnen aus moralischer Sicht wichtigen Themen führen, wenn diese kein konkretes Risiko für das Unternehmen darstellen, also nicht mit möglicherweise negativen Folgen verbunden sind. Deshalb soll der Risikobegriff, der eine solche Quantifizierung und Verrechnung impliziert, hier gemieden werden. Zutreffend ist es allerdings, von Integrity-Risiken zu sprechen, wenn damit grundsätzlich das Risiko unmoralischen Handelns (z. B. der Verletzung von Menschenrechten) gemeint ist, unabhängig davon, ob es ein tatsächliches Unternehmensrisiko (im klassischen Sinne) darstellt, also z. B. zu Reputationsschäden für das Unternehmen führen könnte. Um einer möglichen Fehlinterpretation vorzubeugen, wird in der Arbeit von Integrity-Themen gesprochen.
Siehe den Beschluss des Nationalen CSR-Forums vom 28. April 2009 als Empfehlung an die Bundesregierung, in dem die Unternehmensverantwortung weiter spezifiziert wird (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2010, S. 9).
Viele dieser Themen, die zunächst nur auf Basis freiwilligen Engagements bearbeitet wurden, sind mittlerweile in der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung angekommen, wie Spießhofer anschaulich darstellt (Spießhofer 2014). So gehe es bei der Behandlung dieser Themen nicht mehr immer nur um die Vermeidung von Risiken der Reputation o. Ä., sondern auch um direkte Haftungsfragen sowie um „soft law with hard sanctions“ (Spießhofer 2014, S. 2474) wie beispielsweise im Fall der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, aus denen sich für Unternehmen nicht nur hinsichtlich des eigenen Wirtschaftens Verpflichtungen ergeben, „sondern auch hinsichtlich des menschenrechtlich relevanten Verhaltens von in- und ausländischen Lieferanten, Tochterunternehmen und Geschäftspartnern.“ (Spießhofer 2014, S. 2477).
Vgl. ILO Arbeitsorganisation 2016. Das Bekenntnis zu den ILO-Kernarbeitsnormen kommt auch in der Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit aus dem Jahr 1998 zum Ausdruck, die ohne Gegenstimme von allen Mitgliedsstaaten der ILO angenommen wurde (ebd.).
Autonomie wird dabei neben Kompetenz und Verbundenheit als eines der drei zentralen psychologischen Bedürfnisse für Entwicklung und Wohl eines Menschen angesehen (Ryan/Deci 2000, S. 68).
Diese Einsicht ergibt sich etwa auch aus der Kritik an der Habermas’schen Konzeption von Werten und Normen: Habermas nimmt eine strikte Trennung von Normen und Werten vor und spricht Normen das Primat vor Werten zu. Er begründet dieses Verständnis damit, dass nur Normen die für die Moral notwendige objektiv-universelle Geltung und moralische Verpflichtung beanspruchen könnten und „die Zustimmung aller Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses finden“ (Habermas 1996, S. 49). Kritiker fordern hingegen ein Ergänzungsverhältnis von Normen und Werten, insbesondere da Normen zur Motivation des Handelnden auf eine Werteorientierung angewiesen sind und weil Werte zur inhaltlichen Fundierung der Normen benötigt werden (siehe hierzu ausführlich Schöttl/Ranisch 2016).
Wieland 2014b, S. 36. Aufgrund der weitreichenden Veränderungsprozesse, die in der Organisation anzustoßen sind, wird der Integrity-Ansatz auch als „Transformational approach to managing ethics“ bezeichnet (Rossouw/van Vuuren 2003, S. 392).
Im Gegensatz hierzu besteht nach Bowie bei einer zu starken, sehr homogenen Identifikation der Unternehmensmitglieder mit den Unternehmenswerten die Gefahr des Gruppendenkens: „One of the biggest dangers in the path of achieving a high level of organizational integrity is the danger of groupthink.“ (Bowie 2010, S. 716).
Diese Schwierigkeit ergibt sich vor dem Hintergrund des hiesigen Begriffsverständnisses. Alternative Konzepte können hingegen auch von einer Kategorizität von Werten ausgehen (vgl. Beschorner 2005, S. 47).
Ebd. Steinmann plädiert schließlich für den Integritäts-Ansatz, der bereits unter „funktionalen Effizienz-Gesichtspunkten“ dem Compliance-Ansatz vorzuziehen sei (Steinmann/Kustermann 2009, S. 216).
Treviño et al. 1999, S. 145. Auch Paine hatte bereits anerkannt: „Many integrity initiatives have structural features common to compliance-based initiatives.“ (Paine 1994, S. 111). Diesbezüglich stellt Talaulicar fest: „Bei der Gegenüberstellung von Paine handelt es sich somit nicht um überschneidungsfreie Antipoden. Der Integrity-Ansatz wirkt vielmehr wie eine Fortentwicklung des Compliance-Ansatzes, da er viele seiner Merkmale enthält, zusätzlich um weitergehende Elemente ergänzt wird und entsprechend reichhaltiger modelliert ist.“ (Talaulicar 2006, S. 367).
Siehe u. a. zum Ergänzungsverhältnis von Compliance- und Integrity-Ansätzen Weaver und Treviño, die feststellen: „Values and compliance orientations need not be mutually exclusive.“ (Weaver/Treviño 1999, S. 318) oder Kaptein und Wempe: „[…] compliance and values-based approaches are complementary“ (Kaptein/Wempe 2002, S. 279). Ferner Rasche/Esser 2007, S. 124; Wieland 2008a, S. 158.
So meint auch De George: „No set of moral rules or norms can be exhaustive in their specifity, and no set of them can ever replace moral reasoning in given situations.“ (De George 1993, S. 22).
Dies sei an einem Beispiel illustriert: Für einen für beide Vertragsparteien erfolgreichen Verkauf bzw. Kauf eines Gebrauchtwagens muss ein rechtskräftiger Kaufvertrag abgeschlossen werden, für dessen Zustandekommen unter anderem keine rechtlich unerlaubten Mittel angewandt wurden (Compliance), und dessen Grundlage die Aufklärung über die tatsächlichen Eigenschaften des Wagens ist (Integrity).