Zusammenfassung
Der Schweizer Sozialstaat wurde in den letzten Jahren zunehmend von einer (ver-)sorgenden in eine aktivierende Ausgestaltung überführt. Ein Beispiel hierfür sind die jüngsten Revisionen des Invalidenversicherungsgesetzes. Der Beitrag untersucht die Einführung einer verstärkten Betrugsbekämpfung in der Schweizer Invalidenversicherung, wozu unter anderem die Observation verdächtiger Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten gehört. Die politischen Debatten zur Betrugsbekämpfung prägten den Begriff „Scheininvalidität“, wobei Schmerzpatientinnen und -patienten primäres Ziel der Anschuldigungen waren. Für die Betroffenen sind die Folgen dieser Reformen gravierend: Die Kombination verstärkter Eingliederungsbemühungen mit der systematischen Betrugsbekämpfung schürt die Stigmatisierung von Personen, die keinen Platz im ersten Arbeitsmarkt finden. Diesen Menschen wird der Wille, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, grundsätzlich abgesprochen. Die Entwicklungen führen darüber hinaus zu einer Abnahme der Solidarität in der Gesellschaft. Die Missbrauchsdebatten lassen solidarisches Handeln zunehmend als unmöglich erscheinen, da ein solches durch betrügerische Aktivitäten fortlaufend unterminiert werde.