Zusammenfassung
Arbeitsschutz betrifft Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und umfasst alle Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit bis hin zur betrieblichen Gesundheitsförderung.
Das Arbeitsschutz-System ist seit der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung bis heute nach Breite und Detailliertheit der Regelungen auf dem Gesetzgebungs- und Verordnungswege gewachsen und stellt aus arbeitswissenschaftlicher Sicht den vorwiegend zwingenden Teil einer Arbeitsgestaltung dar. Es ist zur Generierung, Anwendung und Überwachung nach einem Akteursmodell (BAuA, Gewerbeaufsicht, BG’s, AG, AN, AS-Fachkräfte) aufgestellt und nach Rechtsquellen (GG, Arbeitsschutzgesetzgebung, Rechtsverordnungen UVV, Technische Regeln, wie DIN & VDI etc.) hierarchisch gegliedert, in die EU-Rahmenrichtlinien initiativ eingreifen. Seine besondere arbeitswissenschaftliche Bedeutung erfährt das System durch die explizite Forderung der Berücksichtigung „gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse“, wodurch Forschungsresultate und vielfach bestätigtes Erfahrungswissen in Quasi-Gesetzesrang durch eine Verweis- und Verzeigerungsstruktur erhoben werden. Hat die UVV versagt, werden betroffenen AN Versicherungsleistungen zuerkannt.
Arbeitssicherheitstechnische Regeln betreffen nicht allein die Produktionsbedingungen (Arbeitsstätten, Arbeitsumgebung, Arbeitsmittel) sondern auch das Produkt (z. B. via Produkthaftung, Chem. Gesetz, EU-Richtlinien). Auch sie sind als Hierarchiestufen von Sicherheitsnormen systematisch aufgestellt. Eine weitere Systematik betrifft besondere Personengruppen (Fürsorgepflicht, AZ-Schutz, Mutterschutz, Kinder- und Jugendarbeitsschutz, Behinderte, Heimarbeiter etc.). Nach Risikoanalysen werden Prinzipien von Produktsicherheit und sicherheitstechnischer Konstruktion aufgerufen, die vielfach auf ergonomische Datensätze (Abstände, etc.) referenzieren und auf dem TOP-Ansatz (1. Technik, 2. Organisation, 3. Person) in der Schutzgestaltung beruhen. Als besonders problematisch gelten personenbezogene Verhaltensanweisungen, Gebote und Gefahrenhinweise.
Seit wenigen Dekaden (Ottawa-Charta von 1986) wird versucht, die Philosophie des „Nil-nocere“ durch die Philosophie des „Bonum-facere“ durch so bezeichnete betriebliche Gesundheitsförderung zu ergänzen: D. h. Wohlbefinden, psychosoziale Komponenten einer Gestaltung, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen etc. werden in den Blick genommen, auch um die Verlässlichkeit von Arbeitssystemen und „Humanisierungsdefizite“ zu beeinflussen, was z. B. das Fluktuations-Absentismus – und Krankheitshäufigkeits-/dauer-Phänomen betrifft. Dabei spielen neben den klassischen, arbeitsschutzbezogenen Interventionsansätzen nunmehr moderne arbeitsorganisatorische Interventionen (Kompetenzbildung, Gruppenarbeit, Autonomie, Flexibilität etc.) eine bedeutende Rolle. Während das klassische Arbeitsschutz-System seine Wirkung in vielfältigen statistischen Analysen (retrospektive Epidemiologie) nachweisen konnte, fehlt der betrieblichen Gesundheitsförderung bislang der harte und umfassende Wirksamkeitsnachweis (prospektive Epidemiologie) – von Fallstudien abgesehen.