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2006 | Book

Architektursoziologie

Grundlagen — Epochen — Themen

Author: Berhard Schäfers

Publisher: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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About this book

Mit Bauten verändert der Mensch die vorgefundene Welt in der sichtbarsten Weise, macht er die Welt bewohnbar und schafft für alle Lebensvollzüge die ihm angem- sen erscheinenden Räume. Gebäude zeigen dauerhafter und einprägsamer als an- re Kulturgüter mit ihren verschiedenen Nutzungsarten und Ästhetiken den sozialen und kulturellen Wandel und den Zivilisationsstandard der gegenwärtigen und der früheren Epochen. Die Beziehung zwischen der gebauten Umwelt – den Hervorbringungen von - chitektur, Stadt- und Wohnungsbau – und dem sozialen Handeln der Individuen und Gruppen kann als so eng angesehen werden, dass in der hier vertretenen P- spektive jede Soziologie implizit immer auch eine Analyse der Raumstrukturen und baulichen Umweltbedingungen einschließen müsste. Daher wendet sich das vorl- gende Lehrbuch nicht nur an Studierende und Praktiker der Architektur und des Städtebaus, sondern ebenso an Studierende der Soziologie bzw. der Sozialwiss- schaften. Letztlich möchte es alle erreichen, die in irgendeiner Weise mit der - staltung der gebauten Umwelt – von Wohnhäusern und Schulen, von Cafés oder Fabriken, von öffentlichen Gebäuden und Plätzen – zu tun haben. Dieses Lehrbuch hat eine lange Entstehungsgeschichte, die durch zahlreiche - tivitäten und Veröffentlichungen auf den Gebieten Raum und Region, Stadt und Partizipation bis in die 60er Jahre zurückreicht. Konkretisiert wurde der Plan zu - nem Lehrbuch durch meine Seminare zur „Soziologie der Architektur“ an der - kultät für Architektur der Universität Karlsruhe (TH), in der ich seit 1985, kurz nach meiner Berufung auf den dortigen Lehrstuhl für Soziologie, Zweitmitglied bin.

Table of Contents

Frontmatter

Einführung

Einführung
Auszug
Unter den zahlreichen Speziellen Soziologien hat die Architektursoziologie im deutschen Sprachraum keinen eigenständigen Stellenwert erhalten. Nach hoffnungsvollen Ansätzen seit Anfang der 1960er Jahre verlor seit etwa Mitte der 1970er Jahre die Zusammenarbeit zwischen Architekten, Stadtplanern und Soziologen an Intensität und Interesse. Die Architektur besann sich wieder stärker auf ihr Eigenstes, den autonomen Entwurf, die Soziologie behandelte alle architektursoziologisch relevanten Themen im Zusammenhang der inzwischen gut ausgebauten Soziologie der Stadt und des Wohnens.

Grundlagen

Frontmatter
Lektion I. Architektur und Architektursoziologie. Grundlagen und Zusammenhänge
Auszug
Die Begriffe Architekt und Architektur sind – wie fast alle Begriffe der Kunst- und der Wissenschaftssprache – griech-lat. Ursprungs. Architekt wird zumeist mit „Baumeister“ übersetzt, Architektur mit „Baukunst“.
Lektion II. Raum und räumliches Verhalten
Auszug
Architektur ist gebauter bzw. umbauter Raum, d.h. durch Architektur wird die den Menschen umgebende Raumhülle in eine bestimmte, für ihn nützliche und ästhetische Form gebracht. Architektonischer Raum begrenzt die Raumfülle der menschlichen Raumwahrnehmung-weit, tief, hoch, nah, fern, unten und oben, rechts und links usw.-in spezifischer Weise.
Lektion III. Symbole und Zeichen, Semiotik und Architektursprache
Auszug
Unter den vielen Bezeichnungen zur Charakterisierung des Menschen als Naturund Kulturwesen findet sich auch die des Philosophen Ernst Cassirer (1874-1945), der den Menschen als animal symbolicum (1990: 51) bezeichnete, da dieser zu seiner Welterfassung und -orientierung auf Symbole angewiesen sei. Für den Menschen als Kulturwesen hält Cassirer diese Bezeichnung für wichtiger als die nach seiner Meinung eher irreführende des animal rationale.

Epochen

Frontmatter
Lektion IV. Architektur seit der „Doppelrevolution“. Klassizismus und Historismus im Übergang zur Moderne
Auszug
Aus historischem Abstand wird deutlich, wie eng die Zusammenhänge zwischen den vorherrschenden Gesellschaftsformationen, Herrschaftsstrukturen und Weltdeutungen und den Ausdrucksformen in Architektur, Stä;dtebau und Kunst sind. Das gilt fü;r alle Epochen seit der Antike, wie Romanik und Gotik, Renaissance und Barock, Klassizismus und Historismus. Mit der Entwicklung der Gesellschafts- und Kulturwissenschaften und neueren Theorien in Architektur und Stä;dtebau seit Anbruch der Moderne verdichtet sich dieser Zusammenhang auch wissenschaftlich, verstä;rkt durch eine immer breiter institutionalisierte Architekturkritik seit Anfang des 19. Jh.s, (z.B. in den damals aufkommenden Feuilletons der Tageszeitungen). Fundiert wurde diese Kritik durch eine seit Ende des 18. Jh.s entwickelte ä;sthetik als spezieller Zweig der Philosophie, dann auch der Kunstgeschichte (einen ü;berblick zur Geschichte der ä;sthetik von Baumgarten bis Derrida gibt Schneider 1997).
Lektion V. Aufbruch in die Moderne
Auszug
Nach 1880, als das Ornament in immer größerem Ausmaß die Fassaden überwucherte und die Eindeutigkeit bestimmter historischer Stilorientierungen sich endgültig verlor, machte sich zunehmend Unmut breit. Dieser war nicht allein auf die Architektur beschränkt, sondern Teil einer sehr breiten Reformbewegung und Gesellschaftskritik.
Lektion VI. Grundlagen der Moderne
Auszug
In einer „Soziologie der Architektur“ kann es nicht darum gehen, die Stile der Architektur als solche darzustellen und ihren jeweiligen Formenkanon zur Sprache zu bringen. Die „Soziologie der Architektur“ bleibt bei allem Interesse an diesen Phänomenen Gesellschaftswissenschaft in dem Sinn, dass Baustile als Ausdruck übergreifender sozialer und kultureller Prozesse zu sehen und zu analysieren sind. Ihre Durchsetzung hat mit Macht und Einfluss und seit Beginn des 20. Jh.s mit immer breiter eingeforderter Akzeptanz – entsprechend den Demokratisierungsprozessen – ebenso zu tun wie alle anderen Erscheinungen des sozialen, ökonomischen und technischen Wandels. An der Geschichte des Deutschen Werkbunds und dann des Bauhauses lässt sich das besonders gut verdeutlichen: Sie sind zu spezifischen Organisationsformen verdichtete künstlerische, avantgardistische Bewegungen, die in immer engere Beziehung zu den vorherrschenden sozialen Bewegungen und Ideologien traten. Beide prägten und prägen die architektonische Moderne und das Neue Bauen –; das sichtbarste und vielleicht wirkungsvollste Strukturmerkmal der heutigen Lebenswelt.
Lektion VII. Durchsetzung des Internationalen Stils. Funktionalismus und Funktionalismuskritik
Auszug
Die verschiedenen Bestrebungen zur Kreierung eines neuen, zeitadäquaten Stils konvergierten um 1925. Dies zeigten die Wettbewerbe um die WeiÞenhof-Siedlung in Stuttgart oder um den Völkerbund-Palast in Genf, an der sich die damals bekanntesten Vertreter der Architektur-Avantgarde mit Entwürfen beteiligten.
Lektion VIII. Von der zweiten Gründerzeit zur Postmoderne
Auszug
Um 1960 war in der Bundesrepublik die größte Wohnungsnot beseitigt. Mit dem Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft vom Juni 1960 erfolgte eine schrittweise Integration der Wohnungswirtschaft und des Wohnungsbaus in die Mechanismen der Marktwirtschaft. Der Anteil der Sozialwohnungen am gesamten Wohnungsbau, der im Zeitraum 1951–1960 im Durchschnitt 55% betragen hatte, sank im folgenden Jahrzehnt auf 37%. Im Jahr 1972 waren so viele neue Wohnungen fertig gestellt, dass nur noch jede zweite Wohnung aus der Zeit vor 1945 stammte.
Lektion IX. Auf dem Weg zur Zweiten Moderne
Auszug
Die Kategorie Beschleunigung kann wie kaum eine andere das Zeitgefühl und die Mentalitätsgeschichte seit der digitalen Revolution auf den Begriff bringen; wie die Kategorie Fortschritt lässt sich auch Beschleunigung bis an den Beginn der Doppelrevolution und damit der Moderne zurück verfolgen. Im Unterschied zu Fortschritt wird Beschleunigung auf das Zeitraffertempo erlebter bzw. der durch Taten und Innovationen zu beschleunigenden Geschichte bezogen, wie bereits ein Dokument von einem der Höhepunkte der Französischen Revolution ausweist:

Themen

Frontmatter
Lektion X. Bauen für die Demokratie
Auszug
In der Doppelrevolution, dem Zusammenwirken seither dominanter sozialer und kultureller wie technisch-wissenschaftlicher Revolutionen, war auch die Architektur aufgefordert, zur Realisierung dieser Ideen und Fortschrittsprogramme ihren Beitrag zu leisten.
Lektion XI. Partizipatives Bauen
Auszug
Viele mittelalterliche Städte basierten in ihrer bis heute bewunderten „Gestalt“ auf Planung und Mitsprache der Bürger. Ein bekanntes Beispiel ist die Beteiligung des Großen Rates in Siena bei der endgültigen Gestaltung des Campo, ein Prozess, der sich über viele Jahre hinzog und von heftigen Kontroversen begleitet war. Architekten und Stadtplaner im heutigen Verständnis gab es noch nicht; sie traten als Künstler-Persönlichkeiten erst seit der Renaissance deutlicher in Erscheinung.
Lektion XII. Architektur als Beruf
Auszug
Das mittelalterliche Bauwesen war geprägt von den Bauhütten, deren Baumeister aber trotz ihrer großen Leistungen, z.B. beim Bau der Kathedralen, nur zum Teil mit Namen bekannt sind (zur Bauorganisation im Mittelalter vgl. Warnke 1976: 93ff.).
Backmatter
Metadata
Title
Architektursoziologie
Author
Berhard Schäfers
Copyright Year
2006
Publisher
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90027-8
Print ISBN
978-3-531-15030-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90027-8