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09-12-2021 | Auslandsgeschäft | Interview | Article

"Beziehungen zu China sind keine Einbahnstraße"

Author: Angelika Breinich-Schilly

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Interviewee:
Markus H.-P. Müller

ist Leiter des globalen Chief Investment Office, Private Bank, Deutsche Bank AG.

Firmen- und Privatkunden bei ihren Geschäftsbeziehungen auf dem chinesischen Markt optimal zu unterstützen, ist eine besondere Herausforderung für Banken. Springer-Autor Markus H.-P. Müller erklärt im Interview, worauf es dabei ankommt. 

Springer Professional: In den vergangenen Jahren sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China enger geworden. Nicht zuletzt der Automobilsektor, aber auch der Maschinenbau suchen die Nähe zu chinesischen Partnern. Was bedeutet diese Entwicklung für die Bankenbranche, die viele dieser Auslandsgeschäfte vor allem im Mittelstand betreut?

Markus Hans-Peter Müller: Ein strategischer Fokus von Banken ist es, den besten Service für ihre Kunden, Privatkunden oder Unternehmen, zu bieten. Große Unternehmen sind häufig international aufgestellt und in diesen Fällen ist es von Vorteil, wenn auch die betreuende Bank über ein internationales Netzwerk und Kenntnisse vor Ort verfügt. International aufgestellte Banken sind daher im Ausland, also zum Beispiel auch in China tätig und verfügen dort über eigene, spezialisierte Betreuungsteams. Diese unterstützen in der Regel sowohl große multinationale Konzerne, als auch mittlere und kleine Unternehmen. Dabei bieten sie - unter Berücksichtigung lokaler Vorgaben - breit gefächerte Finanzdienstleistungen an. Diese reichen von Liquiditätsmanagement, Währungstransaktionen, Handelsfinanzierungen, Wertpapierverwahrung und -verwaltung bis hin zu Fremdfinanzierungsgeschäften und Beratung bei Unternehmensübernahmen (M&A). 

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2021 | Book

Deutschland und China zwischen Kooperation und Konkurrenz

Eine vergleichende Analyse der Sozialen und Sozialistischen Marktwirtschaft

Deutschland und China, zwei der größten Ökonomien der Welt, erscheinen in vielerlei Hinsicht sehr gegensätzlich. Deutschland hat den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft entscheidend geprägt. China gilt als Land, das die Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts entscheidend beeinflussen wird. Das Buch betrachtet die Entwicklungen und Synergiemöglichkeiten der beiden marktwirtschaftlichen Systeme und analysiert ihre Stärken und Schwächen - fernab von politischen Pauschalisierungen. 

Wie sieht die Lage in China aktuell aus?

Zuletzt gab es in China eine neue Welle von Investitionen vor allem in den Bereichen, in denen die Regulierung weiter gelockert wurde. Beispielsweise, im Automobilsektor, oder bei neuen Technologiebereichen wie Elektrofahrzeuge oder Batterien beziehungsweise Akkus. Diese Gebiete wurden zu neuen Wachstumstreibern für Banken in China. Die Investitionen erfolgten nach Liberalisierungsschritten in Bezug auf ausländische Eigentumsrechte von Automobilunternehmen im Jahr 2018, nachdem Präsident Xi auf dem Bo’an Forum im selben Jahr eine weitere Öffnung der chinesischen Volkswirtschaft angekündigt hatte. 2018 wurden auch die ausländischen Eigentumsbeschränkungen für Elektrofahrzeuge (new energy cars) aufgehoben und Beschränkungen bei kommerziellen Fahrzeugen wurden 2020 gestrichen. Ausländische Eigentumsbeschränkungen bei Passagierfahrzeugen sollen im Jahr 2022 gestrichen werden. Im Anschluss an diese Deregulierungsmaßnahmen haben zum Beispiel deutsche Automobilhersteller die Investitionen in China erhöht. Es wurden vor allem Investitionen in Automobilunternehmen und Batteriehersteller vorgenommen.

Natürlich müssen sich vor allem die Beteiligten vor Ort mit den jeweiligen geschäftlichen Gepflogenheiten auskennen. Müssen auch Firmenkundenberater entsprechendes Know-how mitbringen? Wie stellen die Institute ihre Mitarbeiter auf diese Aufgabe ein?

Allgemein gilt, dass Firmenkundenberater, die Unternehmensaktivitäten im Ausland betreuen, den Markt vor Ort, die Gepflogenheiten und den jeweiligen Bedarf sowie auch das Güter- und Serviceangebot kennen sollten. Durch gute Kenntnis der lokalen Besonderheiten und ein ausgedehntes, solides Netzwerk können Geschäftsmöglichkeiten ausgelotet und Geschäftsbeziehungen angebahnt werden. 

Was bedeutet das konkret?

Um Missverständnisse in den Geschäftsbeziehungen und -verhandlungen zu vermeiden ist es wichtig, über grundlegendes Wissen über Land, Leute und Kultur zu verfügen. Auch ist es hilfreich, die lokalen Umgangsformen, vor allem Rituale und Verhaltenskodizes, zu kennen. Nur so können die jeweiligen Geschäftspartner verstanden und unbeabsichtigte Reaktionen, Missverständnisse oder möglicherweise sogar Gefühlsverletzungen vermieden werden. Neben Kenntnissen der Kultur, die eine Basis für die persönliche Kommunikation und den Austausch von Informationen darstellen, ist auch praktisches Wissen über Geschäftsabläufe notwendig. Die Institute unterstützen ihre Angestellten dabei, sich auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten. Die Initiative für einzelne Maßnahmen, wie Sprachunterricht oder landeskundliche Einführungen, wird aber von den Mitarbeitenden erwartet. Der größte Teil des Wissenserwerbs erfolgt durch "Training on the job" und durch die Kollegen und deren Know-how vor Ort.

Bezogen auf den chinesischen Finanzmarkt heißt das?

Viele deutsche multinationale Konzerne haben bereits beachtliches Wissen und Erfahrungen in Bezug auf den chinesischen Markt und die Geschäftsführung in China erworben. Viele verfügen nach jahrzehntelanger Geschäftstätigkeit in China über ausgezeichnete Kenntnisse der lokalen Standorte. Es gibt aber auch Neueinsteiger oder weniger erfahrene Unternehmen, die Beratung in Bezug auf den lokalen chinesischen Markt benötigen, insbesondere hinsichtlich der Regulierung von Finanz- und Wechselkursgeschäften und des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs. Dies gilt sogar auch für gut etablierte deutsche multinationale Konzerne mit einer langen Geschichte der Geschäftstätigkeit in China. Auch sie benötigen Beratung in einem regulatorischen Umfeld, das sich beständig ändert. Dafür sind gut unterrichtete, spezialisierte Bankmitarbeiter und Produktspezialisten erforderlich, die in der Lage sind, die Kunden durch die Komplexität der Regulierungen zu führen.

Nun ist die Betreuung von Kunden das eine. Aber auch Banken selbst agieren außerhalb Deutschlands. China, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Länder in Afrika stellen dabei ganz besondere Anforderungen an das Bankmanagement vor Ort. Mit welchen Herausforderungen sind die Institute konfrontiert? Welche Möglichkeiten bieten sich den Instituten in der Praxis?

Häufig verfügen die Institute über ein ausgedehntes Netzwerk und langjährige Geschäftsbeziehungen im Ausland. Geschäftlichen Beziehungen haben einen Vorteil: Sie sind in der Regel klar und transparent sowie durch rationale und klar definierte Interessen bestimmt. Kulturelle und politische Beziehungen weisen meist sehr viel mehr Dimensionen auf. Dabei kann es sich um unterschiedlichste Dinge handeln, wie die Interpretation von Farben, Gesten, Rituale und dergleichen mehr, deren Kenntnis Voraussetzung für eine gute, fehlerfreie Kommunikation ist. Wenn Kenntnisse lokaler Gepflogenheiten nicht in ausreichendem Umfang vorhanden sind, nimmt das Risiko von Missverständnissen zu und die Beziehungen könnten dadurch belastet werden. Andererseits können gute Geschäfts- und Handelsbeziehungen oft auch als ein Eisbrecher dienen, um Schwierigkeiten in anderen Bereichen wie Kultur und Politik zu überwinden und allgemein die Beziehungen zwischen Ländern zu verbessern.

Welche Hürden ergeben sich für die Institute?

Es gibt bereits eine Reihe von ausländischen Banken, die in China über lokal registrierte Einheiten verfügen. Um am Markt erfolgreich zu sein, müssen sie die lokalen Erfordernisse mit den Gesetzen und Regulierungen in Europa in Einklang bringen. Dies erweist sich manchmal als große Herausforderung, wenn sie die Geschäfte aus Effizienz- und Kostengründen auf einer einheitlichen Plattform abwickeln wollen. Ein Beispiel dafür sind die Sicherheits- und Cyber-Sicherheitsanforderungen für ausländische Banken.

Warum lohnen solche Aktivitäten dennoch den zum Teil hohen Aufwand?

Bei guter Organisation und Umsetzung von Geschäftstätigkeiten im Ausland können die dadurch gewonnenen vielfältigen Erfahrungen und Kenntnisse das kulturelle und soziale Kapital eines Unternehmens erheblich steigern. Die Vielfalt der Eindrücke und eine größere Diversität der Mitarbeiter kann zu einem kreativeren Umfeld beitragen und dadurch beispielsweise Innovation und Produktentwicklung fördern. Die Diversifikation und Weiterentwicklung von geschäftlichen Aktivitäten stärken die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität der Unternehmen. Aufgrund der globalen Bedeutung und der Größe der Volkswirtschaft kann es sich kein international ausgerichtetes Unternehmen leisten, den chinesischen Markt zu ignorieren. Die Beziehungen sind aber keine Einbahnstraße. Auch chinesische Unternehmen weiten ihre Geschäftstätigkeit international aus und länderübergreifende Portfolioinvestitionen wachsen schnell. 

Zusammengefasst heißt das...

Der Aufwand ist hoch, aber der Wettbewerb erfordert, dass die Bedürfnisse von Kunden, die vor Ort geschäftstätig sind, erfüllt werden. Eine größere Diversität der Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erfahrungsbereichen fördert ein kreativeres Umfeld und verbessert die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Gegenüber Wettbewerbern ist ein internationales Netzwerk von Vorteil, da Marktentwicklung, Trends und Geschäftsmöglichkeiten besser erkannt werden können und dadurch die Beratungsqualität von Banken verbessert wird. Essenziell ist jedoch, dass ausländische Unternehmen vor Ort China aus der chinesischen Sicht beurteilen – diese Kompetenz ist der Grundstein für Erfolg.

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