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31-03-2020 | Automatisierung | Schwerpunkt | Article

Automatisierung führt zu gesellschaftlicher Ungleichheit

Author: Christoph Berger

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Durch die Automatisierung fallen Jobs weg. Doch es werden auch neue geschaffen. Dabei werden sich Ab- und Zugänge wohl die Waage halten. Trotzdem wird die Automatisierung zu gesellschaftlicher Ungleichheit führen.

Die Prognose von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart und deren Kollegen der Universität Göttingen besagt zum einen, dass die Einkommensschere zwischen den Hochqualifizierten und den Geringqualifizierten wegen der Automatisierung immer weiter auseinanderklafft. Zum anderen nimmt die Arbeitslosigkeit wegen ihr bei Geringqualifizierten zu.

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Die Wissenschaftler gründen ihre Vorhersage auf ein neues Rechenmodell – beschrieben wird dies in der Veröffentlichung "Innovation, automation, and inequality: Policy challenges in the race against the machine". Dieses beinhaltet neben den Parametern Maschinen und Arbeitskräfte auch die Automatisierung als Substitut für Arbeit. "Außerdem haben wir Bildungsentscheidungen modelliert, welche bisher vernachlässigt waren", erklärt Professor Dr. Klaus Prettner, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Hohenheim. "Ob man sich für eine Hochschulausbildung entscheidet oder nicht, hängt beispielsweise vom künftigen Einkommen ab. Doch ob man sich für ein Hochschulstudium entscheidet, hängt auch von der Intelligenz einer Person ab – je höher sie ist, desto geringer ist der eigene Aufwand für ein Studium, so dass man sich eher dafür entscheidet."

Geringqualifizierte haben das Nachsehen

Demnach führt die Automatisierung zu einem steigenden Anteil an Hochschulabsolventen, die klügeren Köpfe würden gewissermaßen gezwungen, mehr in ihre eigene Bildung zu investieren, heißt es. Die anderen würden so jedoch immer weiter abgehängt. Dies führe dann zur größer werdenden Einkommensschere zwischen Hoch- und Geringqualifizierten und der zunehmenden Arbeitslosigkeit bei Letzteren.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen 2019 auch Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Studie "Strukturwandel am Arbeitsmarkt seit den 70er Jahren". Mit der belegten sie, dass trotz der vermehrten Automatisierung in der Industrie seit den 1970er-Jahren der Arbeitsplatzabbau durch Arbeitsplatzaufbau in anderen Betrieben oder Sektoren ausgeglichen worden ist. Doch sie stellten auch fest, dass für Hochqualifizierte sogar mehr Arbeitsplätze hinzugekommen als verschwunden waren. Für Geringqualifizierte sind den Forschern zufolge dagegen weniger Stellen entstanden als abgebaut wurden. Die technologische Entwicklung war also verbunden mit einer qualitativen Veränderung des Bedarfs an Arbeitskräften: Die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften ist gestiegen, die Nachfrage nach Geringqualifizierten hat abgenommen. Die zunehmend besser ausgebildeten Arbeitskräfte konnten vom Arbeitsmarkt aufgenommen werden. Gleichzeitig wuchs ab den 1970er-Jahren lange Zeit die Arbeitslosigkeit bei den Geringqualifizierten.

Kritische Betrachtung politischer Gegenmaßnahmen

Diese Entwicklung wird sich nun, insofern die neuen Prognosen tatsächlich eintreten, fortsetzen. Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim und Göttingen haben außerdem noch die Auswirkungen wirtschaftspolitischer Gegenmaßnahmen untersucht – beispielsweise haben sie die Robotersteuer und eine progressive Einkommenssteuer in ihr Modell eingebaut. Mit einer Roboter- oder Digitalsteuer will man beispielsweise für den Fall von massenhaft wegfallenden Arbeitsplätze ohne entsprechenden Neuaufwuchs von Stellen bzw. für Arbeitnehmer, für die eine Umschulung aus welchen Gründen auch immer nicht mehr in Frage kommt, ein sogenanntes "bedingungsloses Grundeinkommen" finanzieren, wie im Kapitel "Das Trolley-Paradoxon: Über die Ethik der digitalen Welt" im Springer-Fachbuch "Herausforderungen für das Nachhaltigkeitsmanagement" erklärt wird.

Bei diesen Berechnungen kamen die Forscher mit ihrem neuen Rechenmodell zu unerwarteten Ergebnissen. Am Beispiel der der Robotersteuer zeigen sie, dass diese die Innovationsbereitschaft in den Unternehmen senkt. Dadurch sinken die Löhne der Hochqualifizierten im Vergleich zum Basisszenario, was wiederum die Investition in eine Hochschulausbildung uninteressanter macht. Zudem gibt es mehr Konkurrenz um die Arbeitsplätze für Geringqualifizierte, was deren Löhne senkt und potenziell deren Arbeitslosigkeit erhöht. Laut Prettner wird die Ungleichheit daher weniger wirksam bekämpft als bisher angenommen. Durch eine Bildungssubvention wiederum lasse sich zwar der durchschnittliche Lohn steigern, sie führe jedoch zu höherer Ungleichheit: "Sie wird von den Steuern aller bezahlt, es profitieren jedoch nur die gut Ausgebildeten", so Prettner. Er empfiehl daher: "Alle Politikmaßnahmen sollte man vorab genau überlegen und modellbasiert betrachten."

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