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02-06-2002 | Automobil + Motoren | Nachricht | Article

Das Ohr fährt mit

Author: Thomas Jungmann

2:30 min reading time

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Sobald ein Personenwagen neben den zeitweise angenehmen Klängen aus dem Motorraum oder der teueren Stereoanlage weitere Geräuschen erzeugt, auf die der Fahrer nicht vorbereitet ist, entsteht meist ein schlechter Qualitätseindruck. Das unbekannte Klopfen oder Klappern, Knistern oder Knarren könnte immerhin von einem Fehler am Fahrzeug herrühren. Um solche Fälle von vornherein auf ein absolutes Mindestmaß zu reduzieren, befasst sich bei Audi eine Gruppe von Experten unter der Leitung von Eckhard Peithmann mit dem Aufspüren und Abstellen aller nur erdenklichen Nebengeräusche in neuen Fahrzeuggenerationen. Die Mannschaft mit dem lustigen Namen "Knister-Knaster-Team" setzt sich aus Entwicklungsingenieuren, Mitarbeitern der Qualitätssicherung, Produktion und der Kundenbetreuung zusammen. Während der Entwicklung eines neuen Audi Modells wird in langwierigen Tests, bei Erprobungsfahrten und auf Prüfständen nach jedem akustischen Störenfried gefahndet.

"Es gehört nicht nur ein sensibles Gehör zu diesem Job, sondern auch sehr viel Geduld", erklärt der 48-jährige Peithmann. "Bestimmte Geräusche hört man erst nach dem x-ten Versuch." Die eigentliche Herausforderung ist es seiner Ansicht nach aber nicht, die unüberhörbaren Geräusche abzustellen. Das Problem liegt darin, dass gewisse Störgeräusche erst bei bestimmten Fahrbahnbeschaffenheiten, ab gewissen Temperaturen, Geschwindigkeiten oder Kilometerlaufleistungen auftreten. Das Aufspüren all dieser Geräuschquellen sei eine äußerst aufwändige und zeitintensive Arbeit. Die Geräuschanalyse für ein Audi Modell nehme gut ein Jahr in Anspruch. Alle vier bis sechs Wochen gehen die Mitglieder des Teams auf Erprobungsfahrten - bei klirrender Kälte auf Teststrecken in Skandinavien genauso wie auf Wüstenpisten in Nordafrika. Je nach Aufwand dauert jede dieser Erprobungsfahrten dann sechs bis zwölf Tage. Dazwischen wird auf Rollen- und Rüttelprüfständen, in Klimakammern, mit Kunstkopf-Mikrofonen oder einer Hydropulsanlage in Ingolstadt getestet.

Warum die Akustikwächter von Audi zum Beispiel am Polarkreis testen, erläutert Team-Mitglied Carsten Vortanz, Leiter Design Check und Abwicklung Erprobungsfahrten: "Im Winter herrschen dort Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius. Bei diesem Klima verringern Kunststoffe ihre Elastizität, weisen andere Reibwerte auf und werden damit geräuschanfälliger." Vor allem bewegliche Bauteile seien betroffen, etwa Sitze, Türen, Dichtungen oder Handschuhkästen. Für alle Werkstoffe und Bauteile gibt es einen Bewertungsschlüssel, der die Geräuschmängel möglichst objektiv erfassen soll. Letztlich bliebe die Geräuschanalyse aber eine recht subjektive Bewertung. Wie die Teammitglieder beim Aufspüren der Geräusche manchmal vorgehen, muss zuweilen auch schon einmal sonderbar anmuten. So liegt ein Akustiker nach eigenen Angaben nicht selten bei der Testfahrt im Kofferraum und "hört sich um" - Buckelpiste, Eiseskälte und unterschiedlichste Fahrbahnbeschaffenheiten inklusive. Oder der Tester auf der Beifahrerseite steckt seinen Kopf während der Fahrt in den Fußraum und lauscht ins Auto hinein, um kein einziges Störgeräusch zu verpassen.

Und so erstellte das Team im Laufe der Jahre einen Katalog, der über das Audi Intranet im Rahmen des Wissensmanagements verfügbar ist. Er dient den Audi-Ingenieuren bei der Entwicklung eines neuen Modells als Grundlage, um Konstruktionen, die über potenzielles Störgeräusch-Potenzial verfügen, von vornherein zu vermeiden. Bestimmte Geräuschquellen können die Experten bereits beim Blick auf das digitale Modell und dessen Konstruktion am Computerbildschirm erkennen. "Es gibt bestimmte Konstruktionen, Bauteil- oder Werkstoffkombinationen", bestätigt Peithmann, "die man allein beim Blick auf die CAD-Daten gleich ausschließen kann."

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