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25-02-2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Article

Volvo-Autopilot steuert selbstfahrende Autos im Straßenverkehr

Author: Katrin Pudenz

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Volvo hat ein Autopilot-Komplettsystem entwickelt, das die Einbindung selbstfahrender Autos in den Straßenverkehr ermöglicht. Seine ausfallsichere Technik beherrscht komplexe Verkehrssituationen. Möglich macht dies ein lückenloses Netzwerk aus Sensoren und Kameras. Phase 2 des Drive-Me-Projekts beginnt.

Bereits seit Anfang 2014 rollen die ersten, autonom fahrenden Drive-Me-Prototypen durch Göteborg. Mit dem Start des zweiten Projektjahrs kommt nun das Autopilot-Komplettsystem zum Einsatz. Vom Jahr 2017 an sollen 100 selbstfahrende Volvo-Fahrzeuge unter Alltagsbedingungen auf öffentlichen Straßen rund um Göteborg unterwegs sein.

Die Entwickler bezeichnen das Autopilot-System, das im zweiten Versuchsjahr zum Einsatz kommen soll, als so verlässlich, dass es jeden Bereich des Fahrens selbstständig übernehmen kann. Die zentrale Herausforderung bei der Entwicklung sei gewesen, ein System zu realisieren, das sowohl in verschiedenen Verkehrsszenarien als auch bei einem möglichen technischen Defekt gleichermaßen zuverlässig funktioniere. Schließlich könne nicht vorausgesetzt werden, dass der Fahrer in einer kritischen Situation rechtzeitig einschreite.

Aus diesem Grund wird bei Volvo ein ähnlicher Ansatz wie die Luftfahrtindustrie verfolgt: Der Volvo-Autopilot arbeitet nach dem Prinzip der redundanten Fail-Operational-Architektur. Wie die Entwickler betonen, wird mithilfe von Backup-Systemen dafür gesorgt, dass der Autopilot auch bei einem Ausfall eines Systemelements weiterhin sicher funktioniert. "99 Prozent Zuverlässigkeit sind für uns nicht gut genug. Wir müssen viel näher an die 100 Prozent kommen, ehe wir selbstfahrende Autos gemeinsam mit anderen Verkehrsteilnehmern auf öffentliche Straßen lassen", bekräftigt Dr. Erik Coelingh, Technical Specialist bei Volvo Cars. Ein Ausfall der Bremsanlage beispielsweise sei sehr unwahrscheinlich, doch ein selbstfahrendes Auto brauche ein zweites unabhängiges System, das das Fahrzeug im Notfall sicher zum Stillstand bringe.

Autopilot beherrscht auch komplizierte Szenarien

Unterwegs soll die komplette Techniklösung selbst die kompliziertesten Szenarien bewältigen können - vom problemlosen Pendeln über dichten Verkehr bis hin zu Notfallsituationen. Möglich werde dies durch ein komplexes Netzwerk von Sensoren, cloudbasierten Systemen zur Positionsbestimmung sowie intelligenten Brems- und Lenksystemen.

"So wie ein guter Fahrer nähert sich auch das selbstfahrende Auto einer möglicherweise gefährlichen Situation mit der gebotenen Vorsicht. Und in einer echten Notsituation reagiert das Auto sogar schneller als die meisten Menschen", berichtet Erik Coelingh. Sei das autonome Fahren beispielsweise aufgrund außergewöhnlicher Wetterbedingungen oder einer technischen Fehlfunktion nicht länger möglich, fordere das System den Fahrer auf, wieder die Kontrolle des Fahrzeugs zu übernehmen. Falls dieser aus irgendeinem Grund dazu nicht in der Lage sei und die Kontrolle nicht rechtzeitig übernehme, steuere das Fahrzeug selbstständig einen sicheren Halt an.

"Eine Komplettlösung für selbstfahrende Fahrzeuge zu entwickeln ist ein großer Schritt. Wenn das öffentliche Pilotprojekt gestartet ist und läuft, wird es uns mit wertvollem Wissen über die Einbindung autonom fahrender Autos im Verkehrsgeschehen versorgen. Und wir werden erfahren, wie wir damit zu nachhaltiger Mobilität beitragen können", fasst Erik Coelingh zusammen.

Lesen Sie mehr zu den Drive-Me-Systemkomponenten aus Seite 2.

Drive-Me-Systemkomponenten im Überblick

Zu den Drive-Me-Systemkomponenten verraten die Konstrukteure Folgendes:

Sensortechnik: Für die exakte Positionsbestimmung und eine komplette 360-Grad-Sicht auf die Fahrzeugumgebung wird eine ganzheitliche Lösung entwickelt. Dies werde durch eine Kombination von Radar- und Lasersensoren sowie Kameras erreicht. Ein redundantes Computernetzwerk verarbeite die Informationen und erzeuge eine Echtzeit-Übersicht aller beweglichen und stationären Objekte in der Umgebung.

Die präzise Positionsbestimmung der Testfahrzeuge basiere auf diesen Umgebungsinformationen sowie auf GPS-Daten und einer hochauflösenden 3D-Digitalkarte, die kontinuierlich mit Echtzeitdaten aktualisiert werde. Diese Karte versorgt das Fahrzeug mit allen wichtigen Informationen zur Umgebung, etwa Höhe, Straßenverlauf, Anzahl der Fahrspuren, Tunnelgeometrie, Leitplanken, Verkehrszeichen, Ausfahrten etc. Die Positionsbestimmung ist zentimetergenau. Das System ist so verlässlich, dass es ohne Kontrolle des Fahrers funktioniert, betonen die Entwickler.

Kombinierte Radar- und Kameraeinheit: Die kombinierte Kamera- und Radareinheit ist im oberen Bereich der Windschutzscheibe vor dem Innenspiegel platziert. Sie vereine optische und 76-GHz-Radarsensoren. Das System, das auch im neuen Volvo XC90 zum Einsatz kommt, erkennt Verkehrszeichen sowie den Straßenverlauf und erfasst auch andere Fahrzeuge sowie Fußgänger und Radfahrer.

Umgebungsradar: In den Ecken der vorderen und hinteren Stoßfänger sind insgesamt vier Radarsensoren untergebracht. Sie sollen die Objekte und Hindernisse in allen Richtungen erkennen und damit die gesamte direkte Fahrzeugumgebung erfassen können.

360-Grad-Rundumsicht: Vier Kameras haben die Aufgabe, Objekte zu überwachen, die sich in unmittelbarer Umgebung befinden. Zwei sind unterhalb der Außenspiegel angebracht, eine im hinteren Stoßfänger und eine vorn im Kühlergrill. Zusätzlich zur Objekterkennung sollen die Kameras auch die Fahrbahnmarkierungen erfassen. Sie verfügen, wie die Ingenieure angeben, über eine hohe dynamische Reichweite und können sich auch einem schnellen Wechsel der Lichtbedingungen anpassen, etwa beim Einfahren in einen Tunnel.

Mehrfach-Laser: Dieses Sensorsystem befindet sich unterhalb des Lufteinlasses an der Fahrzeugfront. Der Scanner arbeite mit einer sehr hohen Winkelauflösung, erfasse Objekte vor dem Fahrzeug und könne auch zwischen verschiedenen Objekten unterscheiden. Das System könne andere Fahrzeuge in bis zu 150 Metern Entfernung erfassen und decke ein Sichtfeld von 140 Grad ab.

Trifokal-Kamera: Zusätzlich ist im oberen Bereich der Windschutzscheibe eine Trifokal-Kamera platziert. Dabei handelt es sich gewissermaßen um drei Kameras in einem Gerät: mit Winkeln von 140 Grad, 45 Grad und 34 Grad für verbesserte Tiefenwahrnehmung und die Erkennung weiter entfernter Objekte, verraten die Entwickler. Die Kamera könne plötzlich auftauchende Fußgänger und andere unerwartete Gefahrenquellen erkennen.

Fernbereichsradar: Zwei Fernbereichsradarsensoren im hinteren Stoßfänger sollen eine optimale Erfassung des Geschehens hinter dem Fahrzeug gewährleisten. Zudem sollen sie auch Fahrzeuge erkennen können, die sich schnell von hinten nähern, und dadurch Unfälle beim Spurwechsel verhindern können.

Ultraschallsensoren: Zwölf Ultraschallsensoren rund um das Fahrzeug erfassen Objekte in unmittelbarer Nähe und unterstützen das autonome Fahren bei niedrigem Tempo. Die Sensoren basieren auf der Technik, die derzeit für Einparkassistenz-Funktionen genutzt wird, verraten die Ingenieure, jedoch in Verbindung mit verbesserter Signalverarbeitung. Diese Technik sei beispielsweise dann hilfreich, wenn sich Fußgänger oder Gefahrenquellen in unmittelbarer Nähe befänden.

Hochauflösende 3D-Digitalkarte: Diese Karte soll das Fahrzeug mit allen wichtigen Informationen zur Umgebung, etwa Höhe, Straßenverlauf, Anzahl der Fahrspuren, Tunnelgeometrie, Leitplanken, Verkehrszeichen, Ausfahrten etc. versorgen. Die Positionsbestimmung sei zentimetergenau.

Hochleistungs-Positionsbestimmung: Das Hochleistungs-GPS ist ein Teil der Positionssteuerung, die aus GPS, Beschleunigungssensor (drei Freiheitsgrade) und Kreiselsensor (drei Freiheitsgrade) besteht. Die von den Sensoren erzeugte 360-Grad-Rundumsicht wird mit dem Kartenbild abgeglichen; daraus erhält das Fahrzeug die Informationen über seine Position im Verhältnis zur Umgebung, führen die Forscher aus. Durch die Kombination der Sensor- und Kartendaten sei das Drive-Me-Fahrzeug in der Lage, in Echtzeit die beste Route zu wählen und dabei Faktoren wie Straßenverlauf, Geschwindigkeitsbegrenzungen, temporäre Verkehrszeichen und die aktuelle Verkehrslage zu berücksichtigen.

Cloud Services

Der Cloud Service ist mit dem Kontrollzentrum der Verkehrsbehörden verbunden und bietet damit stets den Zugriff auf die aktuellsten Verkehrsinformationen, betonen die Experten. Zudem hätten die Betreiber des Kontrollzentrums die Möglichkeit, die Fahrer in bestimmten Fällen zum Abschalten des autonomen Fahrmodus aufzufordern.

Drive-Me-Projekt

Das Projekt "Drive Me - Selbstfahrende Autos für eine nachhaltige Mobilität" ist eine Gemeinschaftsinitiative von Volvo, der schwedischen Verkehrsverwaltung und Verkehrsbehörde, des Wissenschaftsparks Lindholmen sowie der Stadt Göteborg. Unterstützt wird das Projekt Drive Me von der schwedischen Regierung. Ziel des Projekts ist es, die gesellschaftlichen Vorteile des autonomen Fahrens zu demonstrieren.

"Wir betreten Neuland auf dem Gebiet des autonomen Fahrens", erklärt Dr. Peter Mertens, Senior Vice President Research & Development der Volvo Car Group. "Ein solches Pilotprojekt auf öffentlichen Straßen, bei dem Volvo Kunden, keine Ingenieure oder Techniker, hinter dem Lenkrad sitzen werden - das hat es bisher noch nicht gegeben. Das autonome Fahren wird unsere Sicht auf das Autofahren grundlegend verändern. In Zukunft hat man als Autofahrer die Wahl zwischen autonomem oder aktivem Fahren. Damit wird das alltägliche Pendeln zur Quality Time, die man für neue Möglichkeiten wie Arbeiten oder Erholung nutzen kann."

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