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15-04-2015 | Automobil + Motoren | Nachricht | Article

Zwei Umwandlungsschritte, ein Reaktor für die Benzinherstellung

Author: Katrin Pudenz

4:30 min reading time

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Die Herstellung eines winzigen chemischen Reaktors im Labor ist nun Wissenschaftlern des Paul Scherrer Instituts PSI und der ETH Zürich gelungen. Mit diesem Reaktor könnten sich Benzin und Diesel eines Tages kostengünstiger und nachhalter produzieren lassen als heute.

Der Reaktor besteht aus nur wenigen Nanometer großen Kristallen eines Zeoliths, die die Forscher so veränderten, dass darin zwei Schritte der Herstellung synthetischer Kraftstoffe ablaufen können. Bisher benötigt man für jeden dieser Schritte einen getrennten Reaktor, betonen die Wissenschaftler. Der neue Nanoreaktor könnte eines Tages helfen, Kosten einzusparen, weil er einen dieser zwei Reaktoren überflüssig macht.

Fischer-Tropsch-Verfahren

Ein industrielles Verfahren für die Herstellung von Benzin und Diesel aus alternativen Rohstoffen gibt es bereits seit 1925. Die deutschen Chemiker Franz Fischer und Hans Tropsch entwickelten es, um aus Synthesegas - einer Mischung aus den Gasen Kohlenmonoxid und Wasserstoff - Kohlenwasserstoffe wie Benzin und Diesel herzustellen. Ursprünglich wollte man das Synthesegas aus der in Deutschland reichlich vorhandenen Kohle gewinnen, inzwischen dient vor allem Erdgas als Rohstoff, aber auch Holz, Klärschlamm oder Erntereste könnten in Zukunft diese Rolle übernehmen.

Das Fischer-Tropsch-Verfahren ist industriell erprobt, aber der so hergestellte Kraftstoff ist wesentlich teurer als das herkömmliche, aus Erdöl gewonnene Benzin. Die Kosten des Verfahrens ließen sich jedoch senken, würden multifunktionelle Reaktoren gebaut, die mehrere der notwendigen Umwandlungsschritte übernehmen. Heute erfordert jeder Umwandlungsschritt einen getrennten Reaktor. Und jeder Reaktor, der gebaut werden muss, kostet Geld, was in der Folge die Herstellungskosten in die Höhe treibt.

Abhilfe könnte somit die Neuentwicklung der Wissenschaftler schaffen: Der neue Nanoreaktor führt zwei Schritte des Fischer-Tropsch-Verfahrens, für die bisher zwei getrennte Reaktoren nötig sind, hintereinander aus. Der Reaktor übernimmt einerseits den ersten Umwandlungsschritt, bei dem aus Synthesegas viele verschiedene Kohlenwasserstoffe, darunter auch die Bestandteile von Benzin, hervorgehen, erklären die Forscher. Dieser erste Schritt produziere aber auch unerwünschte Kohlenwasserstoffe, die aus längeren Kohlenstoffatom- Ketten bestehen als die Benzinkomponenten. Diese langkettigen Kohlenwasserstoffe seien beispielsweise in schwerem Heizöl zu finden. Um den Anteil der höherwertigen, kurzkettigen Kohlenwasserstoffe im Endprodukt zu erhöhen, sei deshalb ein zweiter Schritt erforderlich, der als Cracking bezeichnet werde. "Beim Cracking werden die langkettigen Moleküle der unerwünschten Kohlenwasserstoffe in kurzkettige zerlegt. Im neuen Nanoreaktor ist auch dieser wichtige Schritt ausführbar", erklären die Forschenden.

Für den Bau ihres Nanoreaktors verwendeten die Wissenschaftler Nanokristalle eines Zeoliths, die sie selbst im Labor züchteten. "Zeolithe sind Materialien, deren Kristallstruktur von sehr vielen kleinen Poren ähnlicher Größe durchsetzt ist. Die vielen Poren bieten viel Fläche, auf der chemische Reaktionen ablaufen können, was eine hohe Ausbeute des Reaktors zur Folge hat. Da seine Poren zudem alle fast gleich groß sind, wirkt der Zeolith-Reaktor als ein sehr selektives Sieb. Die einheitliche Porengröße beschränkt seine Produktpalette nämlich auf jene Moleküle, die nicht zu groß sind, um durch die Poren zu passen", erläutern sie.

Gezielte Veränderung im Labor

Dass der neue Nanoreaktor zwei Schritte des Fischer-Tropsch-Verfahrens vollziehen kann, ist jedoch nicht den natürlichen Eigenschaften des verwendeten Zeoliths, sondern gezielten Veränderungen im Labor zu verdanken, verraten die Forscher. So höhlten die Wissenschaftler ihre Nanokristalle mit einer ätzenden Lösung aus und brachten in die entstandenen Hohlräume Kobalt-Nanopartikel ein. Solche Kobaltpartikel kommen, wie die Experten ausführen, vielfach in der Industrie als Katalysatoren zum Einsatz, auch beim Fischer-Tropsch-Verfahren, dessen erster Umwandlungsschritt sie begünstigen. "Zum Cracking befähigt sei der Nanoreaktor auch dank dieser chemischen Behandlung: Die ätzende Lösung schuf nämlich Stellen in den Poren des Zeoliths, die sich bei chemischen Reaktionen wie eine Säure verhalten. Solche sauren Stellen katalysieren die Zerlegung langkettiger Kohlenwasserstoffe in ihre kurzkettigen Pendants, also das Cracking."

"Das Besondere an unserem Nanoreaktor ist, dass in ihm zwei Reaktionen ablaufen können, für die man üblicherweise zwei getrennte Reaktoren braucht. Je nachdem, wie man die Zeolith-Nanokristalle behandelt und welche Katalysatoren man hineinbringt, könnte man den Reaktor neben dem Fischer-Tropsch-Verfahren auch für andere Verfahren verwenden", erläutert Jeroen van Bokhoven, Leiter des Labors für Nachhaltige Chemie und Katalyse am PSI und Professor an der ETH Zürich.

Keine Klumpenbildung

Als einen Vorteil des neuen Nanoreaktors nennen die Wissenschaftler, dass in ihm der Katalysator im Hohlraum besser geschützt ist als in früheren Versionen ähnlicher Reaktoren. Die Katalysatorpartikel verklumpten bisher nämlich, wenn man die Kristalle während der Herstellung des Reaktors erhitzte oder während der Reaktionen selbst. "In unserem Nanoreaktor bilden sich diese Klumpen, die die Gesamtfläche des Katalysators und somit seine Wirksamkeit verringern, nicht", sagt van Bokhoven. Das liege daran, dass jedes Katalysatorpartikel in einem Nanokristall eingeschlossen sei, das seine Beweglichkeit stark einschränke.

"Es ist das erste Mal, dass ein multifunktioneller Nanoreaktor aus Zeolith-Kristallen gebaut wurde", sagt van Bokhoven. "Damit vereinen wir erstmals in einem Reaktor die hohe Ausbeute, die die poröse Struktur eines Zeoliths bietet, mit der Fähigkeit, zwei Reaktionsschritte hintereinander in ein und dem selben Reaktor auszuführen."

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