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12-05-2020 | Automobilproduktion | Kommentar | Article

Vertragsmanagement: Hilfsmittel in Krisenzeiten?

Author: Daniel Wuhrmann

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Die Corona-Krise hat Schwächen in der Lieferkette aufgedeckt. Wo die Probleme liegen und wie sich Lieferketten optimieren lassen, erklärt Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann. 

Die Automobilindustrie kämpft vor dem Hintergrund der weltweiten Krisensituation und dem schrittweisen Wiederanlauf der Produktionen nicht nur mit dünnen Orderbüchern, sondern auch mit ihrer international verstrickten und mit wenig Spielraum für Probleme versehenen Verbindung der Lieferketten: Lieferzeiten und -mengen können nicht passgenau erfüllt werden, Kosten explodieren, Produktionen liefern nicht in gewohnter Qualität.

Es werden bereits Stimmen laut, die dazu aufrufen, grundsätzlich umzudenken und relevante Komponenten verstärkt regional zu beziehen. Dies umzusetzen wäre aber zum einen wirtschaftlich kaum möglich; Preise und Verfügbarkeiten würden sich so verschieben, dass Fahrzeuge aus den westlichen Industrienationen nicht konkurrenzfähig wären. Zum anderen kann sich die Industrie nicht kurzfristig "ändern", da entsprechendes Know-how und Kapazitäten in den Regionen rund um die europäischen Hersteller gar nicht (mehr) vorhanden sind. Zudem wird ein dieser Tage auftretendes Problem nicht betrachtet: Viele der Unternehmen scheinen weder ad hoc noch mittels kurzfristiger Recherche in der Lage zu sein, ihre Rechte und Pflichten verlässlich benennen zu können. 

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Supply-Chain-Management

Das Supply-Chain-Management-Konzept (SCM-Konzept) entspricht in methodologischer Hinsicht dem gerade geschilderten Forschungsansatz, was natürlich nicht bedeutet, dass es schon deshalb vernünftig ist. Die folgende Auseinandersetzung mit den Kerngedanken des SCM-Konzeptes führt vielmehr zu der Erkenntnis, dass ein wesentlicher Teil dieses Ideengebäudes noch nicht den Weg in die Praxis gefunden hat und vermutlich auch nie finden wird. Warum hat diese Auseinandersetzung trotzdem den Weg in dieses Buch gefunden? Dafür gibt es mehr als einen Grund.

Fehlendes Wissen um rechtliche Bedingungen

In der Folge fehlen belastbare Grundlagen, um Chancen und Risiken aus der eigenen Position heraus zu bewerten. Selbst wenn diese geklärt sind, stellt sich oft heraus, dass vom Sublieferanten bis zum Kunden hin teils eklatante Inkongruenzen in den vertraglichen Verbindungen vorherrschen und die daraus resultierenden Lücken nur selten abgepuffert wurden. In einer "normalen" Welt ohne Pandemien fällt dieses Problem eher im Bereich der Product Compliance (der Erfüllung produktbezogener Anforderungen) auf, jedoch selten, wenn es um die Lieferkette geht. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Problemsituation aufzieht: ob klimatisch, politisch oder biologisch begründet. Insofern sollten nicht nur der Aufbau der Lieferketten, sondern auch die notwendigen Abläufe und deren Umsetzung überdacht werden. 

Lösungsansätze sind gefragt. Derer gibt es bereits einige: Notfallpläne und Risikoradare sind schon seit Jahren in QM-Standards vorgesehen und Teil der Forderungen der Kunden. Aktuell zeigt sich, wie gut oder schlecht diese umgesetzt wurden. Dazu passt, dass in den letzten Jahren mittels mehr oder weniger umfangreicher Nachhaltigkeitsbewertungen ("Sustainability Assessments") Lieferkettenrisiken abgefragt werden. Diese Abfragen und die daraus abgeleiteten Vorgaben dienen schon lange nicht mehr nur dazu, die Konformität mit gesetzlichen und moralethischen Grundsätzen sowie die Einhaltung umweltschutzrelevanter Vorgaben sicherzustellen. Vielmehr helfen sie, Belieferungsrisiken zu identifizieren, zu kategorisieren und Absicherungen aufzubauen. Leider wird all das bisher eher als (unangenehme) Nebensache abgehandelt, statt sich intensiv damit zu beschäftigen und proaktiv die eigene Lieferkette zu gestalten.

Nachhaltigkeit: eine Frage des Vertragsmanagements

Zudem mangelt es Unternehmen oft an einem systematischen Vertragsmanagement. Das Ergebnis ist, dass der Status Quo hinsichtlich der relevanten Rechte und Pflichten des jeweiligen Projekts nur selten durchdacht und dokumentiert aufbereitet wird: Was wurde dem Kunden zugesagt, welche Aufgaben und (rechtliche) Risiken gehen damit einher, wie wird was intern und wie wird was extern (durch Lieferanten und Dienstleister) sichergestellt und wo genau liegen Grauzonen? Das sind elementare Fragen, deren Antworten helfen zu verstehen, welches die relevanten Rechtsordnungen sind, wie verbindliche Bestellabläufe zustande kommen, welche Haftungs- und Regressregelungen gelten, welche Incoterms maßgeblich und welche Vorgaben in der Entwicklung und der Produktion zu beachten sind. Würde man die Flut an vertraglichen Dokumenten, die projektweise in den Bereichen Vertrieb, Entwicklung, Produktion, Einkauf, Recht und Qualität anfallen, durch derart gestrickte Siebe laufen lassen, müssten diese und andere relevante Punkte mit einem Klick abrufbar sein – und im besten Fall alle Richtungen der Lieferkette abbilden. Damit wäre eine optimale Grundlage geschaffen, um diese proaktiv zu gestalten. Aber auch kurzfristig wäre es eine Stütze: Managements könnten schnell abwägen, entscheiden und Maßnahmen in die Wege leiten. Kunden und Lieferanten könnten mit kalkulierbarem Risiko angesprochen und gehandhabt werden. 

Es ist nicht so, dass dies in der Industrie unbekannt wäre – die ersten Angebote für systemische Lösungen sind am Markt, auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat erste gute Ansätze hierfür aufgelegt (Band 1 – Dokumentierte Informationen und Aufbewahrung). Aber die Umsetzung ist meist komplex und zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass die Automobilindustrie sehr hierarchisch aufgestellt ist – bis dato waren die Kunden eher weniger bereit, ihre Lieferanten zu unterstützen oder gar die eigenen Systeme und Handlungsweisen zu überdenken, statt nur zu fordern. Aber gerade eine Krise wie die jetzige ist der richtige Zeitpunkt, sich (gemeinsam) aufzurappeln und für die Zukunft aufzustellen. 

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